Rede von
Heinrich
Sträter
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Sabel, ich habe mit der Bezirksleitung von Nordrhein-Westfalen nichts zu tun; ich habe es mit dem Vorstand der IG Metall zu tun.
Die heutige Diskussion wird nach meinem Dafürhalten 40 Jahre zu spät geführt.
Es wäre nützlicher gewesen, damals Bedenken geltend zu machen und die Stimme zu erheben.
Nun ist es uns erst heute möglich; es ist zwar reichlich spät, aber trotzdem würde aus der Diskussion, die ja schon seit Monaten im Lande geführt wird, etwas Vernünftiges herauskommen können, wenn zu dieser Angelegenheit mehr Sachlichkeit gekommen wäre.
Wovon gehen wir aus? Hier ist wiederholt vom Hüttenwerk Oberhausen gesprochen worden. Die Genehmigung ist seinerzeit durch Herrn Arbeitsminister Ernst erfolgt, in der Regierung Karl Arnolds; das ist bekannt.
Die Verlängerungen sind von Jahr zu Jahr durchgeführt worden, seit 1953 bis zu der Amtsperiode des Herrn Dr. Schmidt, seinerzeit Arbeitsminister in der Regierung Arnold.
Damals haben — aus denselben Gründen wie heute — Besprechungen bei dem Herrn Arbeitsminister Dr. Schmidt stattgefunden, in seinem Dienstzimmer; beteiligt waren daran auch beide Kirchen. Diese Besprechungen seinerzeit, bei denen dieselben Bedenken eine Rolle spielten, haben dann zu dem sogenannten Oberhausener Professoren-Gutachten geführt. Diese fünf Professoren sind bestellt worden von der Landesregierung
und auf Kosten der Landesregierung, die Arnold hieß.
Ich sage das deswegen, weil man in der öffentlichen Diskussion versucht, die Rollen zu vertauschen.
Diese Professoren, zu denen auch Herren beider Kirchen gehörten, haben sich, ich möchte sagen, in einem Ausmaß bemüht, wie es wohl selten vorzufinden ist; sie haben sich nicht mit dem abgefunden, was etwa Arbeitgeber oder Gewerkschaften gesagt haben, sondern sie sind im Lande und außerhalb unseres Landes umhergefahren und haben sich dort die Verhältnisse angesehen. Herr Arbeitsminister Storch, aus dem Oberhausener Gutachten geht hervor, wie im Rahmen der gesamten Montanunion und darüber hinaus wie in England und wie in Amerika gearbeitet wird. Ich will noch hinzufügen, daß ich selber vor einigen Monaten Gelegenheit hatte, in London zu sein; dort war ich etwas überrascht, weil dort der Sonntag — etwa im Gaststättengewerbe usw. — eine ganz andere Bedeutung hat als bei uns.
Ich war aber ebenso überrascht, als ich in der Nähe von Coventry ein Stahlwerk gesehen habe, in dessen Betriebsabteilungen seit Jahren kontinuierlich produziert wird. Es wird wohl niemand behaupten wollen, daß das eine östliche Importware sei. Das ist der Ausgangspunkt.
Nun ein Zweites. Wie sahen denn die Arbeitsverhältnisse bisher aus? An den Hochöfen und in den Kokereien wurde noch bis zum vorigen Jahre 56 Stunden, in den Siemens-Martin-Werken noch bis zum 1. April dieses Jahres 53 1/3 Stunden gearbeitet und in allen übrigen Abteilungen im Schnitt gesehen — ohne Sonntagsarbeit und Sonntagsreparaturen — 48 Stunden. Es ist bereits von dem Kollegen Sabel dargestellt worden, daß — ich möchte sagen: leider — im Schnitt gesehen 40 bis 50 % und noch mehr der Belegschaften sonntags auf den Hüttenwerken gewesen sind. Wesentlich unter diesen Prozentsatz wird man nicht kommen.
Die Fragen bezüglich der Hochöfen haben — Herr Kollege Sabel, das haben Sie selber zugegeben — mit der Diskussion um die kontinuierliche Arbeitsweise gar nichts zu tun. Die Arbeit an den Hochöfen wurde bereits 1895 von den Bestimmungen über die Sonntagsruhe ausgenommen, weil die Leute damals schon gewußt haben, daß man einen Hochofen sonntags nicht wie einen Zimmerofen in der Wohnung abdrehen kann. Es ist auffällig, daß beispielsweise die „Ruhr-Nachrichten" vom 7. April berichten: „Nun kommt die böse IG Metall und will auch noch bei den Hochöfen die kontinuierliche Arbeitsweise." Hier hat diese Arbeitszeit seit Ewigkeit bestanden. Wer die Dinge hier kennt, weiß, daß es nicht anders sein kann. Man kann diese Nachricht nur als einen Versuch bezeichnen, die Öffentlichkeit falsch zu unterrichten.
Bis zum Jahre 1918 waren die Arbeitsverhältnisse in den Hochofenbetrieben und in den Kokereien, die von der Bundesratsverordnung ausgenommen waren, bei dem damaligen Zweischichtensystem so, daß die Leute entsprechend der Gewerbeordnung alle 14 Tage einen freien Sonntag hatten. Dann kamen sie am Sonntagmorgen von der Schicht nach Hause. Auf der anderen Seite mußten sie ,aber alle 14 Tage nicht nur 12, sondern 24 Stunden in einem Zug am Hochofen arbeiten. Es wäre sicher nützlich gewesen, wenn man sich damals gegen diese Dinge auch so sehr ereifert hätte, wie das offensichtlich heute geschieht.
Nach 1918 bekamen wir die Achtstundenschicht. Das führte dazu, daß jede dritte Woche die 16 Stunden verfahren werden mußten; diesen Zustand hatten wir noch bis vor einigen Monaten. Ich bin froh und glücklich, daß wir davon heruntergekommen sind und daß wir in der vorigen Woche erreicht haben, daß auch bei den Hochofenbetrieben die Arbeitszeit nun endlich auf 42 Stunden herabgesetzt worden ist.
Ich komme nun zu den Siemens-Martin-Elektrostahlwerken, Blockstraßen erster Hitze. Es wird hier davon gesprochen, es müsse den Tarifpartnern möglich sein, Regelungen zu finden, die Arbeit am Sonntag einzustellen, ohne daß dadurch die Produktion vermindert wird. Die Diskussion hierüber läuft schon seit 1952. Wir haben von uns aus, bevor diese Fragen überhaupt spruchreif wurden, unsere Wünsche in zentralen Verhandlungen mit den Herren ,der Evangelischen und der Katholischen Kirche besprochen; die Delegation der katholischen Seite stand unter Führung des Herrn Weihbischof Dr. Hemsbach. Diese Gespräche sind sehr freundschaftlich geführt worden, und, Herr Kollege Even, sie sind nicht von uns ,abgebrochen worden. Es wurde uns vielmehr von seiten der Herren Bischöfe mitgeteilt, nachdem der Abschluß erfolgt war, daß eine Fortführung der Gespräche im Augenblick nicht mehr erwünscht sei. Wir haben ein Antwortschreiben verfaßt und haben diesen Abbruch sehr bedauert. Man kann sich nämlich vorstellen, daß man, auch wenn ein Vertrag abgeschlossen ist, sich wohl überlegen kann, wie man die Schichtpläne zweckmäßiger macht. Es genügt nicht, nur nein zu sagen, sondern man muß auch darlegen, wie es denn gemacht werden soll, wenn man das und jenes berücksichtigen soll.
Ausgangspunkt der Überlegungen war — das will ich hier ganz konkret sagen — nicht etwa, wie es eine Gruppe — erfreulicherweise nur eine kleine — darzustellen versucht, der Gedanke: „Weg vom Sonntag!", sondern das Motiv des Handelns war: zum Sonntag zurück!
Natürlich hat uns auch bewogen, daß der Prozentsatz der Frühinvaliden in den Hütten und insbesondere in diesen Betrieben bedenklich hoch ist. An dem Beispiel Oberhausen hat sich gezeigt, daß hier die Zahl der Kranken gegenüber allen anderen Siemens-Martin-Werken um ein Beträchtliches gesunken ist.
So steht die Frage und gar nicht anders.
Wer sich einmal die Sonntagsreparaturarbeiten .in den Stahlwerken angesehen hat - es sind nicht immer Stahlwerksleute, die die Reparaturen machen, sondern Leute aus den Bauabteilungen, Maurer insbesondere —, wird festgestellt haben, daß die Menschen teilweise in die Öfen hineinkriechen müssen mit nur einminütiger Pause, und trotzdem kippen sie um wie die Fliegen. Eine Umstellung dieser unwürdigen Verhältnisse ist erreichbar durch das Durchlaufen an den Sonntagen mit der Zielsetzung und mit der Bedingung, daß die Öfen, wenn sie reparaturreif sind, vom Betrieb abgehängt werden und erkalten, so daß die Reparaturen unter menschenwürdigeren Verhältnissen durchgeführt werden können.
Auch dieses Argument sollte Beachtung finden.
Gegen die Kritik der Herren Bischöfe — auch ich habe das Schreiben heute morgen zu Gesicht bekommen — haben wir nie und zu keiner Zeit Einwendungen erhoben. Wir haben um die Gespräche nachgesucht, und sie sind geführt, aber leider unterbrochen worden. Wir sind zu jeder Zeit und Stunde bereit, Herr Kollege Even, uns auch die neuen Pläne anzusehen. Ganz selbstverständlich! Das ist kein Ewigkeitszustand und soll auch kein Dauerzustand bleiben. Es ist nur die Frage, was man und wie man es ändern kann, und das habe ich auch von Ihnen heute morgen nicht erfahren können.
Ich bekam im Bundesarbeitsministerium die Frage gestellt: Ist es technisch notwendig, an den Sonntagen durchlaufen zu Lassen? Meine Antwort: Das ist nicht technisch notwendig; davon kann keine Rede sein. Meine Herren, Sie können technisch das Martin-Werk, um das freie Wochenende zu bekommen, am Samstagmorgen um 6 Uhr zumachen, eine Ofenwache hinstellen, damit die Wärmegeschichte überwacht werden kann, und Montag morgen 6 Uhr wieder anfangen. Das ist technisch absolut möglich.
Aber darum dreht es sich ja gar nicht. Die Frage ist, ob man es will; und da hätte ich gern von dem Herrn Bundesarbeitsminister die Frage beantwortet, ob man das will,
mit den Konsequenzen, die darinstecken. Wenn ich an die guten oder schlechten oder bösen Ermahnungen des Herrn Erhard bei anderen Anlässen denke, anläßlich des Streiks der bösen Metallarbeiter in Schleswig-Holstein, muß ich sagen: ich hätte einmal erleben wollen, was man uns serviert hätte, wenn wir gesagt hätten: Samstag morgen ist Schluß; der freie Samstag und Sonntag gehört den Stahlarbeitern!
Meine Damen und Herren, s o ist die Fragestellung; und ich bin eigentlich glücklich darüber, daß das auch bei den Besprechungen mit den kirchlichen Stellen anerkannt und akzeptiert worden ist. Nirgendwo sind uns so komische Unterstellungen gemacht worden.
Ich bin auch erfreut darüber, daß bei einer Besprechung bei dem Herrn Ministerpräsidenten ein Vertreter des Erzbischöflichen Generalvikariats — ich glaube, es war Herr Dr. Panzer — sich von diesen unqualifizierten Bemerkungen distanziert hat.
Herr Kollege Even, wenn man sieht, daß da
im Lande herumgereist wird — ich mache das nicht Ihnen zum Vorwurf —, z. B. im Saargebiet, und gesagt wird — sehen Sie sich dieses Flugblättchen an —: „Die IG-Metall schafft den Sonntag ab!
Kommt alle in die christlichen Gewerkschaften", dann hat man ja so eine kleine Ahnung, was mit dieser Geschichte angestrebt wird.
Ich will mich nun einer Angelegenheit zuwenden, die ich schon brieflich zu klären versucht habe. Ich hatte gemeint, das sei möglich, aber ich habe mich getäuscht; ich habe festgestellt, daß das keinen Sinn hat. Ich meine den Herrn Bundesminister für Familienfragen, Herrn Wuermeling.
Vor mir liegt eine Pressenotiz aus der „Main-Post" vom 4. Februar 1957. Ich darf sie zitieren:
Bundesfamilienminister Dr. Franz — usw. —
Wuermeling, der am Freitagabend im Tauberbischofsheimer Winfriedheim zum Abschluß eines katholischen Eheseminars das Wort ergriff, richtete bei dieser Gelegenheit einen scharfen Angriff gegen die IG Metall, von der Versuche gemacht würden, die sogenannte gleitende Arbeitswoche einzuführen. Der Minister nannte diese Bestrebungen einen verbrecherischen Versuch
zur endgültigen Entweihung und Entheiligung des Sonntags und erklärte, die Funktionäre
der IG Metall, die solche marxistischen Gedanken in die westliche Demokratie einschmuggeln wollten, täten gut daran, sich möglichst sofort zu ihren Gesinnungsgenossen in der Sowjetzone abzusetzen.
Ich habe in dem Schreiben an Herrn Minister Wuermeling zum Ausdruck gebracht, daß es doch nützlicher wäre, wenn man sich, bevor man sich zu solchen diffamierenden Äußerungen verstiege, einmal die Verhältnisse in den Werken angesehen hätte, einmal auf eine Ofenbühne eines SiemensMartin-Werkes geklettert wäre
oder etwa einmal in die Familien der Stahlarbeiter gegangen wäre. Ich glaube, es wäre bei Anwendung von Vernunft — das setze ich voraus —
zu solchen diffamierenden Bemerkungen nicht gekommen.
Herr Wuermeling antwortet in seinem Schreiben, daß er das Wort „verbrecherisch" nicht benutzt habe,
bestätigt aber im übrigen das hier inhaltlich Gesagte.
Es handelt sich hier um Äußerungen, die auf der Linie dessen liegen, was in der Debatte der vorigen Woche gegenüber meinem Freund Wehner gesagt worden ist. Mir scheint hierin ein System zu liegen.
An einer anderen Stelle — diesmal nicht Herr
Wuermeling — wird gesagt, um das Linsengericht
von drei Stunden habe man den Sonntag verkauft.
Ich finde hier noch eine Bemerkung des Herrn Kollegen Wullenhaupt auf einer Veranstaltung in Rheinhausen. Es ist mir berichtet worden, daß das gesagt worden sei. Herr Kollege Wullenhaupt hat danach gesagt, es sei doch eigentümlich, daß man diesen Vertrag am 21. Dezember 1956 abgeschlossen habe, das sei gerade Stalins Geburtstag.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich überlasse Ihnen das Urteil über solche Entgleisungen.
Wir haben eine Reihe von Betriebsbesichtigungen unter Beteiligung der Presse gemacht — ich zitiere hier nur einen Vorgang; ich glaube, es war bei der Westfalenhütte —, an denen auch der Herr Chefredakteur der „Ruhr-Nachrichten", Herr Schmelzer, teilgenommen hat. Wir haben dort diese Dinge in aller Freundschaft diskutiert. Ich habe ihm auch wieder sagen müssen — übrigens auch anderen Herren —: Machen Sie uns einen Vorschlag, wie man das machen kann; nein zu sagen, nutzt uns nichts, wenn uns hier einer bescheinigt, das sollen wir verschmerzen können — wie es auch hier angeklungen war —, unsere Kol-
legen in diesen Betrieben sind die letzten, die auf diese Sonntagsproduktion verrückt sind; das soll sich keiner einbilden. Ein Weg wurde auch von Herrn Schmelzer nicht gezeigt. Und siehe da, am G. März 1957 lautet ein Leitartikel „Gestürzter ,Sonntag". So etwas ist doch nur möglich, weil Nordrhein-Westfalen — das muß doch fürchterliche Schmerzen verursacht haben —eine sozialdemokratisch geführte Regierung hat.
Ich muß nun noch eine Frage an den Herrn Wuermeling stellen. Herr Minister, zählen Sie auch die Herren Arnold, Ernst, Dr. Schmidt, Hans Platte und den Arbeitsminister von RheinlandPfalz zu den Ostimporteuren? Zählen Sie etwa die Herren der FDP und des Zentrums in der Landesregierung Nordrhein-Westfalen — das ist nämlich ein einstimmiger Kabinettsbeschluß gewesen — auch zu den Ostimporteuren? Ich glaube, das wollten Sie nicht sagen, weil es Ihre Freunde sind. Ich will Ihnen aber sagen, daß mir das sehr ehrenwerte Herren sind, alle genannten.
Es sind doch die Herren unter der Regierung Arnold gewesen — wahrscheinlich nicht ohne Grund —, die diese sogenannte Transportaktion aus dem Osten vorgenommen haben.
Auf das Gutachten habe ich bereits hingewiesen. Ich glaube, Herr Wuermeling, Sie haben zu viel an das Wahljahr 1957 gedacht, und es wäre sehr viel nützlicher sowie der Sache und dem Sonntag sehr viel dienlicher gewesen, wenn hier nicht so viel im Trüben gefischt worden wäre.
Ich bleibe also bei dem, Herr Wuermeling, was ich Ihnen in meinem Brief vom 11. Februar geschrieben habe, daß nämlich solche Methoden zu einer Vergiftung der öffentlichen Meinung führen, die der Demokratie in keiner Weise dienlich ist. Ich bleibe ferner dabei, es wäre besser gewesen, Sie hätten sich nicht nur von Herrn Dr. Paulus, dem Direktor des Katholischen Kirchentages — der meine volle Hochachtung genießt, auch heute —, über die Zustände informieren lassen, sondern hätten sich selber in die Hüttenbetriebe begeben, am Sonntagmorgen gegen 5 Uhr. Dann mußte man natürlich etwas früher aufstehen. Daß ohne wirkliche Kenntnis der Tatbestände solche unqualifizierten Angriffe gegen die beteiligten Gewerkschaften gerichtet werden, habe ich bisher seitens eines Bundesministers nicht für möglich gehalten.
Ich darf Ihnen, Herr Wuermeling, auch das Schreiben in Erinnerung rufen, das Ihnen mein Vorstandskollege und wiederum Ihr Parteifreund Fritz Biggeleben geschickt hat. Ich hätte angenommen, daß Sie daraufhin etwas die Dinge korrigiert hätten. Das ist nicht geschehen.
Ich kann mich in diesem Punkte auch auf eine Feststellung des Sonntagsblattes „Der Sonntag", Limburg, 17. März, beziehen — vielleicht notieren Sie sich das bitte auch, Herr Wuermeling —: Es wäre ein Kurzschluß zu meinen, diese Bestrebungen — die wir heute diskutieren — kämen aus einer antireligiösen Haltung. Sie haben ein an sich sehr ehrenwertes Motiv, und hier will man uns eben das Antireligiöse bewußt aus wahltechnischen Gründen unterschieben.
Sie brauchen sich also gar nicht zu wundern, Herr Wuermeling, wenn man nicht mehr in der Lage ist, auf Fragestellungen in den Betrieben wie etwa: „Ist das so leicht möglich, Bundesminister zu spielen, wie bei Herrn Wuermeling?" zu antworten.
Auf der anderen Seite waren wir erfreut darüber, daß es Herr Präses Held nicht für überflüssig gehalten hat, die Westfalenhütte zu besichtigen. Er hat sie vorher besichtigt, er will sie auch nach der Umstellung wieder besichtigen. Dias hätte er auch haben können, wenn er Oberhausen mit der Westfalenhütte verglichen hätte. Aber das ist eine Entscheidung des Herrn Präses Held selbst.
In den Pressediensten der evangelischen Seite wird festgestellt, daß an der befristeten Genehmigung der gleitenden Arbeitswoche in — wie es hier heißt — „begründeten Einzelfällen festgehalten werden müsse, da neue Verfahren ..." usw.
Ein weiteres Zitat: Es ist um der Menschen willen eine zwingende Notwendigkeit, die Arbeitszeit von 53,3 Stunden in der Woche in den Stahlwerken zu beseitigen, ohne durch eine Verminderung der Stahlerzeugung die Arbeitsplätze in der gesamten Wirtschaft zu gefährden. Herr Oberkirchenrat D. Karrenberg — meine Damen und Herren, das sind Zitate von der evangelischen Kirche Rheinland, die protokollmäßig festliegen — erklärte bei einer Besprechung beim Herrn Ministerpräsidenten Steinhoff am 15. Februar 1957: „Die evangelische Kirche hat zu dem Abkommen nie nein gesagt. Sie hält es für ausgeschlossen, daß etwa in dem Bereich, für den das Abkommen gilt, die früheren Verhältnisse wiederhergestellt werden."
Die Kirche hat nur das Argument geltend gemacht, daß die kontinuierliche Arbeitsweise nicht die letzte Lösung sein sollte, und zwar mit Rücksicht auf den Sonntag und mit Rücksicht auf den Menschen.
Vor allem muß die Gefahr vermieden werden, daß die Ausnahme ein Berufungsfall wird und alles ins Rollen bringt.
Wir haben auf dieser Konferenz erklärt: Herr Karrenberg, hundertprozentig unsere Meinung, hundertprozentig auch die Meinung der SPD-Bundestagsfraktion.
Ich möchte noch dem Herrn Bundesarbeitsminister ein kurzes Wort sagen. Der Herr Kollege Sabel hat erklärt: Es hätte erst das Gesetz erlassen werden müssen; wieso kommen die Tarifparteien dazu? In dem Tarifvertrag ist der Vorbehalt gemacht worden, daß er nur dann in Kraft tritt, wenn es auf der Gesetzesbasis möglich ist. Wir sind in in der ganzen Debatte gar nicht so sehr auseinander, mit der einen Ausnahme der schäbigen Diskussionsbeiträge, die sich hoffentlich selbst richten.
Ich möchte meinen, daß Sie, Herr Minister Store, eigentlich seit 1953 Zeit gehabt haben.
Auch damals haben diese Dinge eine Rolle ge-
spielt. Seit dem Augenblick, da das Gutachten von neutralen Professoren vorlag, haben Sie sehr viel Zeit gehabt, die auch von Ihnen heute bejahte Veränderung der Bundesratsverordnung von 1895 zu erledigen.
Uns wäre dann heute mancher Kummer erspart geblieben.
Ich weiß, daß das eine schwierige Sache ist, und wir sollten uns alle miteinander bemühen, die Grenzen so eng wie möglich zu ziehen.
Wir haben es beispielsweise abgelehnt, auch die Thomasbetriebe mit einzubeziehen. Daran denken wir gar nicht! Wer aber behauptet, bei den Siemens-Martin-Werken mit ihrer Arbeitsbelastung in den zurückliegenden 40, 50 Jahren sei das eine Sonntagswegnahme, der sagt wider besseres Wissen die Unwahrheit.
Wir sind damit einverstanden, daß nur Gründe allgemeiner Art in Frage kommen sollen, die das ganze Volk interessieren, und nicht Gründe des Unternehmens X oder des Unternehmens Y.
Völlige Übereinstimmung! Ich weiß nur nicht, warum wir hier darüber diskutieren, Herr Kollege Sabel. Die Beantwortung Ihrer Großen Anfrage hätten Sie von Ihrer Regierung wahrscheinlich auch besser bekommen können.
Wir sind ferner damit einverstanden — ich will jetzt nicht in Einzelheiten einsteigen —, daß die Prüfung nicht nur bei Eisen und Stahl, sondern auch in den übrigen Wirtschaftsbereichen erfolgt. Ich will hoffen, daß dabei etwas mehr herauskommt und daß wir die Sache dann nicht hier wieder ins Gegenteil diskutieren, wie etwa beim Ladenschlußgesetz, wo man dann nachher darüber diskutierte, ob man in den Badeorten an den Sonntagen die Geschäfte offenlassen und wie lange man sie offenlassen sollte.
Nur ein kurzes Wort zu dem Schreiben des Herrn Erzbischofs von Köln vom 6. April, der die Dinge offenbar noch nicht richtig sieht. Er sagt, man solle doch nicht darüber hinwegsehen, daß diese Wohltat der 13 freien Sonntage — der freien Kalendersonntage, nicht der angeschnittenen Samstage oder Montage — dadurch erkauft werde — der Ausdruck kommt hier wieder —, daß die übrigen 39 Sonntage des Jahres ganz normale Arbeitstage würden. Das sind sie seit 40 Jahren! Das brauchen sie gar nicht mehr zu werden.
— Richtig. Bei dieser Regelung bekommen die Menschen mindestens einmal im Monat einen freien Sonntag, eingebettet in einen freien Samstag und einen freien Montag.
Das sind 72 Stunden Ruhezeit!
— Das ist das mindeste. Wir sind mit allen an der Debatte Beteiligten, mit allen Gutwilligen der Meinung, daß man sich noch einmal bemühen sollte. Vielleicht findet jemand ein Rezept. Wir waren
trotz der ganze Jahre Arbeit an dieser Frage nicht so schlau.
Es kann auch keine Rede davon sein, daß sich dabei irgendeiner überfahren fühlen könnte. Das klang in dem ersten Schreiben des Herrn Frings an meine Adresse so etwas an. Wir haben ausdrücklich mit Herrn Hemsath darauf hingewiesen, daß wir monatelang in Verhandlungen stecken und daß man nach unseren Vorstellungen die Hüttenbetriebe anders behandeln muß als die verarbeitenden Betriebe. Die Hüttenbetriebe kann man samstags nicht einfach zumachen. Bitte, seien Sie uns nicht böse: Wenn es uns gelingt, zum Abschluß zu kommen, dann soll das kein Affront gegenüber den Herren sein, die mit uns diese Gespräche geführt haben. Herr Kollege Even, Ihre Behauptung, hier würden gesetzliche Bestimmungen durch den Tarifvertrag außer Kraft gesetzt, können Sie beim besten Willen nicht aufrechterhalten, wenn Sie den Tarifvertrag einmal durchlesen.
Ich will nur noch auf das Zitat von Walter Freitag hinweisen, das uns schon einmal in der Debatte begegnet ist. Die Verhältnisse sind ja auch von dem Herrn Storch richtig dargestellt worden. Es war damais das Anliegen der Alliierten — nicht nur der Engländer -, urn mehr Tonnen zu fördern, die kontinuierliche Arbeitsweise in sämtlichen Hütten einzuführen. Das haben wir abgelehnt, und zwar entschieden abgelehnt,
mit der gleichen Argumentation — Bedeutung des Sonntags —, die wir heute diskutieren. Hier sitzt der Kollege, der in Oberhausen im Aufsichtsrat sitzt. Er wird mir bestätigen müssen, daß wir erst recht spät, nachdem die Dinge bereits mit dem Arbeitsminister Ernst, der Werksleitung und den Betriebsräten in Oberhausen vollständig ausgehandelt waren, diesen Vorgang in dem Tarifvertrag erfaßt haben, gerade um die Ausweitung zu verhindern, und das sind auch die Argumente des jetzigen Vertrags.
Sie müssen davon ausgehen, daß ab 1. April die Arbeitszeit in den Hütten auf 45 Stunden zurückgedrängt ist. Darin steckt der Tatbestand, daß eine ganze Menge von Sonntagsreparaturen jetzt in die Woche verlagert worden ist und in der Woche verrichtet werden muß.
Über den Rahmen der Stahlwerke hinaus werden wir bei der gesamten Hüttenarbeiterschaft einen erheblichen Fortschritt in bezug auf die freien Sonntage erzielen. Es wird mehr freie Sonntage geben.
Um dieses Ziel anzusteuern, haben wir beispielsweise auch festgelegt, daß, wenn trotzdem eine Reparatur an einem Sonntag notwendig ist — das soll es ja wohl geben, Kollege Sabel, darüber sind wir uns doch klar —, der Mann dafür in der Woche eine Schicht frei hat. Warum haben wir das getan? Wir haben diese Regelung deshalb vereinbart, um dem Kollegen jeden materiellen Anreiz zu der Arbeit am Sonntag zu nehmen.
Diese Regelung hat bereits heilsame Wirkungen gehabt.
Ich möchte also recht herzlich darum bitten, daß sich die von mir angesprochenen Herren — vor
allen Dingen Herr Wuermeling — doch daran gewöhnen sollten, nun nicht absolut schon jetzt, am Beginn des Jahres 1957, in Wahlagitation zu machen. Sie können uns auch nicht als „Ostprovokateure" beschimpfen. Es handelt sich nämlich diesmal tatsächlich nicht um eine aus dem Osten exportierte Ware, sondern um eine Exportware aus dem Westen, mit dem Sie ja den Montanunionvertrag, mit dem Sie ja die NATO und alle diese Dinge gemacht haben. Das sollte man sich dabei überlegen.