Rede von
Dr.
Eugen
Gerstenmaier
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, wenn wir einen Sprecher hier haben, der nicht Mitglied des Hauses ist, muß das Haus unter allen Umständen besonders atemlos zuhören; dann muß die Geräuschkulisse wegfallen, an die wir sonst gewöhnt sind, wenn Mitglieder des Hauses sprechen.
Also, bei einem Sprecher des Bundesrats muß das ganz anders sein.
Bitte, Herr Minister, fahren Sie fort.
Dr. Veit, Stellvertretender Ministerpräsident und Wirtschaftsminister des Landes Baden-Württemberg, Berichterstatter: Die Gründe, die zu diesem Beschluß des Bundesrates geführt haben, sind in der Drucksache 3235 im einzelnen genannt.
Die mit dem Gesetz verfolgten wirtschafts- und rechtspolitischen Zwecke haben den uneingeschränkten Beifall des Bundesrats gefunden, desgleichen mit gewissen Vorbehalten der Weg, auf dem diese Zwecke erreicht werden sollen. Der Bundesrat ist jedoch der Auffassung gewesen, daß die in § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzesbeschlusses dieses Hohen Hauses getroffene Regelung der Zuständigkeit für die Aufsicht über Kapitalanlagegesellschaften nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Er hat nicht anzuerkennen vermocht, daß die Schaffung einer selbständigen Bundesoberbehörde für die Beauf-
sichtigung von Kapitalanlagegesellschaften unbedingt erforderlich sei und daß bei den für eine Übergangszeit vorgesehenen Befugnissen des Bundesministers für Wirtschaft die notwendigen Voraussetzungen des überregionalen Verwaltungsaktes gegeben seien.
Ferner hat der Bundesrat geglaubt, daß die auch nach seiner Ansicht richtige Tendenz zu verstärktem Schutz des Investmentsparers durch erhöhte Befugnisse der Aufsichtsbehörde nicht dazu zu führen brauche, von den bewährten Aufsichtsprinzipien des Kreditwesengesetzes so abzuweichen, wie es in dem Gesetz vorgesehen ist. Nach der Auffassung des Bundesrates sollen die Kapitalanlagegesellschaften ebenso wie die übrigen Kreditinstitute ihre geschäftlichen Entscheidungen grundsätzlich in eigener Verantwortung treffen, also keiner speziellen Genehmigung oder Bestätigung der Bankaufsichtsbehörde dafür bedürfen. Sie sollen aber verpflichtet sein, der Aufsichtsbehörde bestimmte Ereignisse von besonderem Gewicht und außerdem in regelmäßigen Intervallen den Bestand des Sondervermögens sowie ihre eigenen Vermögensanlagen anzuzeigen.
Schließlich hat es der Bundesrat im allgemeinwirtschaftlichen Interesse für notwendig erachtet, den Kapitalanlagegesellschaften zur Pflicht zu machen, daß sie die mit dem Sondervermögen verbundenen Stimm- und Gläubigerrechte grundsätzlich selbst ausüben und sich nicht auf das allgemeine Depotstimmrecht zurückziehen, und ihnen hinsichtlich ihres Eigenkapitals das Halten einer bestimmten Liquiditätsreserve aufzuerlegen.
Der Vermittlungsausschuß ist am 13. März 1957 zusammengetreten und hat sich mit den vom Bundesrat ausgesprochenen Änderungswünschen eingehend befaßt. Das Ergebnis seiner Beratungen ersehen Sie aus der Drucksache 3282 und der Anlage dazu.
Mit den verfassungsrechtlichen Bedenken des Bundesrats gegen § 2 Abs. 1 Satz 2 hat sich der Vermittlungsausschuß nicht auseinandergesetzt. Er hat geglaubt, darauf verzichten zu können, weil die Bundesregierung inzwischen mit der Drucksache 3264 den Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung eines Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen vorgelegt hat. Der Vermittlungsausschuß hält es angesichts dieser Tatsache weder für notwendig noch für zweckmäßig, innerhalb des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften eine auch nur interimistische Sonderregelung für die Aufsichtskompetenz zu treffen. Er ist vielmehr der Meinung, daß auch in dieser Beziehung die Kapitalanlagegesellschaften nicht anders zu behandeln sind als die übrigen Kreditinstitute. Deshalb beantragt er, § 2 Abs. 1 Satz 2 zu streichen.
Die vom Bundesrat zum Zwecke der Klarstellung vorgeschlagene Neufassung des § 2 Abs. 2 hat der Vermittlungsausschuß übernommen. Ferner hat er anerkannt, daß die in § 4 Abs. 1 bisher enthaltene Bestimmung über die besondere Qualifikation von mindestens der Hälfte der Aufsichtsratsmitglieder höchstwahrscheinlich nicht praktikabel ist und daß die dort weiterhin normierte Bestätigung des Aufsichtsrats durch die Bankaufsichtsbehörde unsystematisch und rechtspolitisch bedenklich ist. Er beantragt deshalb, dem § 4 Abs. 1 die aus Ziffer 3 der Anlage zu Drucksache 3282 ersichtliche Fassung zu geben.
Der § 4 Abs. 3 soll aus rechtssystematischen Gründen gestrichen und im übrigen unverändert als § 4 a in das Gesetz eingefügt werden. Den weitergehenden Vorschlag des Bundesrats, der Bankaufsichtsbehörde die Möglichkeit zu geben, Geschäftsleiter und Aufsichtsratsmitglieder einer Kapitalanlagegesellschaft aus wichtigem Grunde abzuberufen, hat der Vermittlungsausschuß nicht übernommen. Ebenso hat er sich dem Wunsche des Bundesrats versagt, in § 6 Abs. 3 Satz 2 die dort vorgesehene besondere Genehmigung der Bankaufsichtsbehörde zum Überschreiten der 5 %-Grenze zu streichen.
In § 6 Abs. 6 soll das Wort „dürfen" durch das Wort „können" ersetzt werden. Dadurch wird klargestellt, daß Rechtsgeschäfte, die gegen diese Vorschrift verstoßen, schlechthin nichtig sind.
Was die vorhin schon erwähnte Ausübung der mit dem Sondervermögen verbundenen Stimmund Gläubigerrechte betrifft, so hat der Vermittlungsausschuß den vom Bundesrat gemachten Anderungsvorschlag zu § 8 Abs. 1 grundsätzlich gebilligt. In der Fassung, die in Ziffer 6 der Anlage zur Drucksache 3282 vom Vermittlungsausschuß beantragt wird, kommt noch klarer als in der vom Bundesrat beschlossenen Formulierung zum Ausdruck, daß die Kapitalanlagegesellschaft regelmäßig verpflichtet ist, die mit dem Sondervermögen verbundenen Stimmrechte unter voller Wahrung der Interessen der Anteilinhaber selbst auszuüben. Wir können hoffen, daß diese Regelung ein erster Schritt zur praktischen Verbesserung der Stellung des Kleinaktionärs ist.
Auch die zu § 10 Abs. 1 Satz 2 vom Bundesrat vorgeschlagene Änderung hat der Vermittlungsausschuß übernommen. Er hat darüber hinaus beschlossen, dem § 10 Abs. 1 einen dritten Satz anzufügen, der klarstellt, welche Konsequenzen die Bankaufsichtsbehörde innerhalb einer bestimmten Frist aus einer ihr zugehenden Anzeige über die Auswahl und den Wechsel der Depotbank ziehen kann. Außerdem schlägt der Vermittlungsausschuß die Einfügung eines neuen Absatzes 2 in § 10 vor, der bestimmt, daß die Bankaufsichtsbehörde der Kapitalanlagegesellschaft einen Wechsel der Depotbank auferlegen kann. Diese Anträge des Vermittlungsausschusses finden Sie unter Ziffer 7 der Anlage zur Drucksache 3282.
Hinter § 14 soll als § 14 a die Bestimmung eingefügt werden, daß die Kapitalanlagegesellschaft mindestens 20 % ihres Eigenkapitals in Bankguthaben oder in lombardfähigen Wertpapieren zu unterhalten hat. Der Vermittlungsausschuß hat der Auffassung des Bundesrats zugestimmt, daß es im Interesse einer möglichst stabilen Marktlage mindestens zweckmäßig erscheint, der Kapitalanlagegesellschaft eine gewisse Liquiditätsreserve vorzuschreiben, damit sie gegebenenfalls imstande ist, hiermit eine gelegentliche gehäufte Rückgabe von Anteilscheinen abzufangen, und nicht jeden derartigen Druck sofort an die Börse weitergeben muß.
Schließlich hat der Vermittlungsausschuß auch die Berechtigung des Wunsches des Bundesrats anerkannt, daß der Kapitalanlagegesellschaft zur Pflicht zu machen ist, den Bestand des Sondervermögens in regelmäßigen Zeitabständen der Bankaufsichtsbehörde zu melden. Diese Anzeigepflicht entspricht dem bewährten Kontrollsystem des Kreditwesengesetzes. Sie belastet die Kapitalanlagegesellschaft auch nicht über Gebühr, da diese, um
den Bestimmungen des Gestzes zu genügen, sowieso den Bestand des Sondervermögens in täglicher Evidenz halten muß. Der Vermittlungsausschuß hat allerdings geglaubt, daß es ausreichen werde, wenn die Kapitalanlagegesellschaft diese Bestandsanzeige zweimal jährlich, nämlich am 10. Februar und am 10. August, erstattet, daß also die vom Bundesrat gewünschten zweimonatlichen Meldungen nicht erforderlich seien.
Dies, meine Damen und Herren, sind die vom Vermittlungsausschuß beschlossenen sachlichen Änderungsanträge. Außerdem bedarf wegen der vorgeschlagenen Änderung des § 2 Abs. 2 der § 22 Abs. 3 Buchstabe b einer redaktionellen Berichtigung, indem dort die Worte „Buchstabe a und b" gestrichen werden.
Ich bitte das Hohe Haus, diesen Anträgen des Vermittlungsausschusses entsprechend zu beschließen. Eine gemeinsame Abstimmung über die Änderungen ist nach dem gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung vom Vermittlungsausschuß gefaßten Beschluß nicht erforderlich.