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    -2. Deutscher Bundestag — 200. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. März 1957 11327 200. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 21. März 1957. Erklärung der Bundesregierung 11327 D Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Amts 11327 D Dr. Deist (SPD) 11334 C, 11338 A, 11361 D, 11363 C, D Dr. Hellwig (CDU/CSU) 11338 A, 11361 A, D, 11363 C, D Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 11342 B Dr. Furler (CDU/CSU) 11345 B Margulies (FDP) 11350 C Dr. Elbrächter (DP [FVP]) 11355 D Stegner (GB/BHE) 11366 B Dr. Arndt (SPD) 11370 A Zur Geschäftsordnung: Dr. Lenz (Godesberg) (CDU/CSU) . . 11372 D Dr. Bucher (FDP) 11373 A Schoettle (SPD) 11373 B Überweisung des Entschließungsantrags der Fraktion der SPD betr. Europäische Wirtschaftspolitik und Euratom (Drucksache 3311) an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten, an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und an den Ausschuß für Außenhandelsfragen 11373 B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften (Drucksache 3282) 11373 C Dr. h. c. Veit, Stellv. Ministerpräsident und Wirtschaftsminister des Landes Baden-Württemberg, Berichterstatter 11373 C, D Abstimmung 11375 A Große Anfrage der Fraktion der FDP betr. Euratom (Drucksache 3101) . . . . 11375 B Dr.-Ing. Drechsel (FDP) 11375 B Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Amts 11379 C Mellies (SPD) 11379 C Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . 11379 D Erklärung nach § 36 der Geschäftsordnung: Dr. Bucher (FDP) 11380 A Nächste Sitzung 11380 C Berichtigung zum Stenographischen Bericht der 193. Sitzung 11380 Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 11381 A Anlage 2: Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betr. Europäische Wirtschaftspolitik und Euratom (Drucksache 3311) 11381 C Anlage 3: Stellungnahme der Bundesregierung zu der Anfrage der Fraktion der FDP (Drucksache 3101) betr. Euratom . . 11382 A Die Sitzung wird um 14 Uhr 1 Minute durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier eröffnet.
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    Berichtigung zum Stenographischen Bericht der 193. Sitzung Es ist zu lesen: Seite 11010 C Zeile 7 von oben „(Zuruf von der Mitte: Siehe Antrag!)" statt „(Abg. Dr. Czaja: Siehe Antrag!)". Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Baade 22. 3. Bauer (Wasserburg) 22. 3. Becker (Hamburg) 12. 4. Dr. Becker (Hersfeld) 23. 3. Frau Beyer (Frankfurt) 21. 3. Blachstein 22. 3. Brandt (Berlin) 22. 3. Brese 22. 3. Brookmann (Kiel) 22. 3. Dr. Bucerius 22. 3. Dr. Bürkel 21. 3. Caspers 22. 3. Cillien 23. 3. Dr. Conring 21. 3. Dr. Dehler 21. 3. Demmelmeier 22. 3. Dr. Dollinger 22. 3. Ehren 21. 3. Feldmann 6. 4. Franke 21. 3. Dr. Friedensburg 21. 3. Glüsing 22. 3. Dr. Greve 23. 3. Häussler 22. 3. Heiland 22. 3. Höfler 21. 3. Horn 22. 3. Illerhaus 21. 3. Kahn 21. 3. Kalbitzer 3. 5. Keuning 21. 3. Klingelhöfer 30. 3. Dr. Kähler 30. 4. Frau Korspeter 22. 3. Kunze (Bethel) 21. 3. Dr. Leverkuehn 24. 3. Frau Lockmannn 23. 3. Mauk 21. 3. Dr. Menzel 21. 3. Moll 1. 4. Morgenthaler 30. 4. Müller (Worms) 21. 3. Frau Nadig 30. 3. Ollenhauer 26. 3. Onnen 23. 3. Pelster 20. 4. Raestrup 31. 3. Frau Dr. Rehling 21. 3. Dr. Reif 22. 3. Sabel 22. 3. Dr. Schild (Düsseldorf) 21. 3. Schmücker 22. 3. Schneider (Hamburg) 22. 3. Dr. Schöne 29. 4. Frau Schroeder (Berlin) 31. 5. Frau Dr. Schwarzhaupt 21. 3. Dr. Serres 31. 3. Frau Dr. Steinbiß 21. 3. Unertl 6. 4. Wacher (Hof) 21. 3. Wagner (Ludwigshafen) 22. 3. Dr. Welskop 21. 3. Frau Welter (Aachen) 21. 3. Wittrock 21. 3. Frau Wolff (Berlin) 21. 3. Anlage 2 Drucksache 3311 C (Vgl. S. 11372 C) Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betr. Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und Euratom. Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag begrüßt die Anstrengungen, durch die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und Euratom zu einer Zusammenfassung der europäischen Wirtschaftsräume in einem Gemeinsamen Markt und zur gemeinsamen Entwicklung der Atomwirtschaft zu gelangen. Er begrüßt, daß die Zusammenarbeit nicht mehr auf einzelne Wirtschaftszweige beschränkt bleiben soll, sondern versucht wird, die gesamte Wirtschaft der beteiligten Staaten zu umfassen, daß eine Koordinierung der Wirtschaftspolitik vorgesehen ist, daß die Europäische Atomgemeinschaft ausschließlich der Entwicklung der Atomwirtschaft für friedliche Zwecke dienen soll und daß das öffentliche Eigentum am spaltbaren Material als Voraussetzung für eine wirksame Kontrolle und damit für die Sicherheit der Menschen gewährleistet wird. Der Bundestag erwartet, 1. daß die Mitgliedstaaten zu einer Politik der Steigerung des allgemeinen Lebensstandards, der ständigen Ausweitung der Wirtschaft und der Vollbeschäftigung verpflichtet werden und zu diesem Zweck eine gemeinsame Währungs- und Wirtschaftspolitik entwickeln, insbesondere die Grundlage für eine planmäßige Investitionspolitik und für eine wirksame Konjunkturpolitik schaffen; 2. daß der freie Handelsverkehr und eine enge wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den europäischen Staaten, die sich zunächst der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft nicht anschließen, durch die Bildung einer Freihandelszone, die zu gleicher Zeit wie die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft in Kraft treten sollte, gesichert werden; 3. daß die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft alle Maßnahmen trifft, um eine stetige Vergrößerung des Handelsverkehrs mit den übrigen Ländern der Welt - insbesondere durch Senkung der Zölle und Abbau sonstiger Handelsbeschränkungen - zu ermöglichen; 4. daß der gemeinsame Außenzoll nicht zu einer Erhöhung der Lebenshaltungskosten in der Bundesrepublik Deutschland führt; 5. daß klare vertragliche Abmachungen getroffen werden, die sicherstellen, daß die Zonengrenze nicht zur Zollgrenze wird und die freie Entwicklung des innerdeutschen Handelsverkehrs keinen Bindungen durch die Partnerstaaten und die Organe der Gemeinschaft unterliegt; 6. daß jede Belastung durch die Kolonialpolitik abgelehnt, die Selbstbestimmung der überseeischen Gebiete im Sinne der Satzung der UNO gefördert und die Hilfe für die Entwicklungsländer der übrigen Welt nicht beeinträchtigt werden; 7. daß die Bundesregierung rechtzeitig alle Vorkehrungen trifft, um Arbeitnehmer vor den un- günstigen Auswirkungen der durch den Gemeinsamen Markt zu erwartenden Umschichtungen zu schützen, ihre Beschäftigung zu sichern und ihren sozialen Stand zu erhalten; 8. daß bei dem Aufbau der Organe und der Regelung ihrer Zuständigkeiten die Grundsätze der parlamentarischen Demokratie beachtet werden, insbesondere der Ministerrat auf Fragen der Koordinierung beschränkt wird, der Europäischen Kommission die Exekutivbefugnisse der Gemeinschaft übertragen und der parlamentarischen Versammlung wirksame Entscheidungs- und Kontrollrechte gegeben werden. Der Bundestag verlangt, daß die Entscheidungsfreiheit des wiedervereinigten Deutschland über seine Zugehörigkeit zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und zur Europäischen Atomgemeinschaft ausdrücklich vertraglich anerkannt wird. Bonn, den 20. März 1957 Mellies und Fraktion Anlage 3 (Vgl. S. 11379 C) Stellungnahme der Bundesregierung zu der Großen Anfrage der Fraktion der FDP (Drucksache 3101) betreffend Euratom. Die Bundesregierung nimmt zu den vorgelegten Fragen Stellung wie folgt: 1. Welche Organisationsform soll Euratom haben? Die Bundesrepublik verpflichtet sich durch den vorgesehenen Vertrag zur Beteiligung an einer Gemeinschaft teils übernationalen, teils zwischenstaatlichen Rechts. Die Verfassung dieser Gemeinschaft wird in ihren wesentlichen Teilen im Vertrag niedergelegt sein. Für notwendige Ergänzungen und Änderungen ist Raum. Zur Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben wird 'die europäische Atomgemeinschaft über 4 Hauptorgane — eine Versammlung — einen Rat (Ministerrat) — eine Kommission — einen Gerichtshof verfügen. Der Rat und die Kommission werden durch einen Wirtschafts- und Sozialausschuß mit beratender Funktion unterstützt werden. Ferner steht ihnen ein Beirat für Wissenschaft und Technik — ebenfalls mit beratender Funktion — zur Verfügung. Zur Versorgung der Verbraucher innerhalb der Gemeinschaft mit Erzen, Ausgangsstoffen und besonderem spaltbarem Material wird eine Agentur geschaffen, welche Rechtspersönlichkeit hat und finanziell unabhängig ist, jedoch der Aufsicht der Kommission untersteht. 2. Welche europäischen und außereuropäischen Staaten und Gebiete sollen beteiligt werden? Grundsätzlich findet der Vertrag auf die europäischen Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten Belgien — Deutschland — Frankreich — Italien — Luxemburg — Niederlande sowie auf die ihnen unterstehenden außereuropäischen Gebiete Anwendung. Der Vertrag findet darüber hinaus auf die europäischen Gebiete Anwendung, deren auswärtige Angelegenheiten ein Mitgliedstaat wahrnimmt. Jeder europäische Staat kann den Antrag stellen, Mitglied der Gemeinschaft zu werden. Die Gemeinschaft kann auf einstimmigen Beschluß des Rates mit einem dritten Staat, einem Zusammenschluß von Staaten oder einer internationalen Organisation Abkommen schließen, durch welche gegenseitige Rechte und Pflichten, ein gemeinsames Vorgehen oder besondere Verfahren begründet werden. 3. Welche Bindungen wird die Bundesrepublik im Rahmen des vorgesehenen Vertrages übernehmen, und welche finanziellen Belastungen werden für die Bundesrepublik damit verbunden sein? Verpflichtungen der Bundesrepublik aus dem vorgesehenen Vertrage werden — zusammengefaßt und ohne hier der künftigen Beratung der Einzelheiten in den Ausschüssen vorgreifen zu wollen — in Betracht kommen im Hinblick auf - die Förderung der Forschung und die Verbreitung der besonderen Kenntnisse auf dem Atomgebiet, — den Gesundheitsschutz für die mit der Entwicklung und Anwendung der Kernenergie betrauten Arbeitskräfte und für die Gesamtbevölkerung, — die Ermöglichung einer Förderung der Investitionen auf dem Kerngebiet durch die Gemeinschaft, — die Schaffung sich gegebenenfalls als notwendig erweisender gemeinsamer Unternehmen, — eine zentrale und nichtdiskriminatorische, zunächst für 7 Jahre festgelegte Versorgungsregelung für alle Verbraucher innerhalb der Gemeinschaft mit Erzen, Ausgangsstoffen und besonderem spaltbarem Material, — die Ermöglichung einer ausreichenden Sicherheitskontrolle im Interesse der Mitgliedstaaten und ihrer Bevölkerung durch die Gemeinschaft unter Mitwirkung der Mitgliedstaaten, - die Herstellung eines Gemeinsamen Marktes auf dem Gebiet der Kernenergie, — eine begrenzte Koordinierung der Außenbeziehungen, — eine Beteiligung an der Finanzierung der Aufgaben der Gemeinschaft. Der deutsche finanzielle Beitrag zum Verwaltungshaushalt der Gemeinschaft wird mit 28 %, der deutsche finanzielle Beitrag zum Forschungs-und Investitionshaushalt der Gemeinschaft wird 30 % der Gesamtbeiträge ausmachen. Die Stimmen der Mitglieder des Ministerrats werden entsprechend dem finanziellen Beitrag der Mitgliedstaaten gewogen. Ein erstes Forschungs- und Ausbildungprogramm der Gemeinschaft, welches sich über fünf Jahre erstreckt, wird auf 215 Millionen EZU-Rechnungseinheiten geschätzt. Die dafür bereitgestellten Mittel werden jährlich in den Haushalt der Gemeinschaft eingesetzt. 4. Welche Verpflichtungen wird die Bundesrepublik für die Betätigung der deutschen Wirtschaft in der Bundesrepublik und im Rahmen von Euratom übernehmen? Das Ziel der Gemeinschaft ist nicht eine Ersetzung oder Hemmung, sondern im Gegenteil eine Förderung der wirtschaftlichen Initiative auf dem Kerngebiet. Dieser wirtschaftlichen Initiative sollen durch den Vertrag keine anderen Schranken gesetzt werden, als diejenigen, welche im Interesse des Gesundheitsschutzes gegenüber den schädlichen Auswirkungen der Radioaktivität und wegen der bebesonderen Gefährlichkeit der zur Nutzung der Kernenergie verwendeten Stoffe erforderlich sind. Darüber hinausgehende Verpflichtungen dienen ihrer Zwecksetzung nach ausschließlich dazu, eine raschere und fruchtbringendere Entwicklung der friedlichen Nutzung der Kernenergie im Gebiete der Gemeinschaft durch Zusammenwirken und Harmonisierung der beteiligten Kräfte zu ermöglichen. Dies gilt insbesondere für die Gebiete — Förderung der Forschung und Austausch der Kenntnisse, — Investitionen und gemeinsame Unternehmen, — Gemeinsamer Kernmarkt, zentrale Versorgung und Koordinierung gewisser Teile der Außenbeziehungen, soweit sie in den Zuständigkeitsbereich der Gemeinschaft fallen. Soweit auf diesen Gebieten Verpflichtungen der Bundesrepublik für die deutsche Wirtschaft eingegangen werden, geschieht dies auf der Grundlage der Gegenseitigkeit. 5. Wie soll ,die Zusammenarbeit zwischen Euratom und OEEC und im Rahmen sonstiger internationaler Abkommen gestaltet werden? Ausgehend von der Erkenntnis und dem Grundsatz, daß der engere Zusammenschluß der 6 Mitgliedstaaten von Euratom und die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten der OEEC auf dem Gebiet der friedlichen Nutzung Kernenergie einander nicht ausschließen, sondern sich in sinnvoller Weise ergänzen und gegenseitig fördern, ist vorgesehen, daß die europäische Atomgemeinschaft eine enge Zusammenarbeit mit dem europäischen Wirtschaf tsrat herbeiführen soll. Die nähere Regelung soll im gemeinsamen Einvernehmen getroffen werden. Ein Verbindungsausschuß zwischen den beiden Verhandlungsgremien ist bereits tätig. 6. Beeinflussen die im Rahmen von Euratom zu übernehmenden Verpflichtungen den von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur friedlichen Nutzung der Kernenergie? Zwischen den im Rahmen von Euratom zu übernehmenden Verpflichtungen und dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur friedlichen Nutzung der Kernenergiebestehen keine Unvereinbarkeiten. Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Kernenergie-Gesetzes würde im Falle seiner Annahme die Bundesregierung nicht nur an der Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem Euratom-Vertrag nicht hindern, sondern im Gegenteil die Erfüllung dieser Verpflichtungen ermöglichen. Soweit im Euratom-Vertrag Rechte und Pflichten für den einzelnen oder für Unternehmen statuiert sind, stehen dem die Bestimmungen des von der Bundesregierung vorgelegten Entwurfs des Kernenergie-Gesetzes nicht entgegen.
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    Rede von Dr. Heinrich Deist


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich hätte das nicht gesagt, wenn ich es nicht gemeint hätte.

    (Beifall bei der SPD.)

    Aber ich darf in meinen Ausführungen über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft fortfahren. Im Rahmen einer Zollunion liegt das ganze Instrumentarium der Handelspolitik bei den Organen der Gemeinschaft, d. h. eine Konjunkturpolitik mit dem Ziele der Ausweitung der Wirtschaft ist nur möglich, wenn die Zuständigkeit zur Konjunkturpolitik ebenfalls bei den Organen der Gemeinschaft liegt. Wer der Zollunion die Zuständigkeit zur Konjunkturpolitik vorenthält, verzichtet auf aktive Konjunkturpolitik und zerstört damit die Grundlagen für eine gleichmäßige Entwicklung der Wirtschaft, für eine Sicherung der Arbeitsplätze, zur Gewährleistung der Preisstabilität und zur Steigerung des Lebensstandards.
    Meine Damen und Herren! Ich hätte diese Dinge nicht so stark in den Vordergrund gerückt, wenn mich nicht einige Ausführungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers — ich kann nur sagen: hämische Bemerkungen — über das Projekt des Gemeinsamen Marktes zu der Auffassung brächten, daß die Vorstellungen, die ich soeben kennzeichnete, wirklich die Vorstellungen der Bundesregierung über die Entwicklung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft sind. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat am 28. Februar vor den Finanz- und Wirtschaftsministern in Bonn ausgeführt, der Primat der Politik habe sich bei den Verhandlungen über den Gemeinsamen Markt wieder einmal auf Kosten der wirtschaftlichen Überlegungen durchgesetzt. Am 10. März verglich er auf der Frühjahrsmesse in Frankfurt den Gemeinsamen Markt, wie ihn sich bestimmte Kreise vorstellten — Herr Bundeskanzler, ich habe den Eindruck, daß er damit nicht nur Sozialisten meinte —,

    (Heiterkeit bei der SPD) mit einem gepanzerten Automobil, das sich gegen alle Angriffe von außen schütze; im Innern erhalte jeder seinen Platz zugewiesen; das Auto verfüge über überdimensionale Bremsen und habe einen unterentwickelten Motor, der möglichst oft stehenbleibe.


    (Erneute Heiterkeit bei der SPD.)

    Und am 15. März, also vor wenigen Tagen, erklärte der Herr Bundeswirtschaftsminister vor Pressevertretern in Bonn, er könne keine Begeisterung für den Vertrag heucheln; der Gemeinsame Markt sei ein volkswirtschaftlicher Unfug;

    (Abg. Mellies: Hört! Hört! — Lachen bei der SPD)

    das Ergebnis sei europäische wirtschaftliche Inzucht.
    Wir möchten gern wissen, ob das die Auffassung der Bundesregierung ist; denn wir sehen darin nicht nur eine Kritik an kritikbedürftigen Bestandteilen dieses Vertragswerks — diese Kritik üben auch wir, und das werde ich nachher noch tun —, sondern wir sehen darin eine Diffamierung jeder aktiven Wirtschaftspolitik und damit des sozialen Gehalts, der in diesem Vertrag enthalten sein könnte.

    (Beifall bei der SPD. — Unruhe in der Mitte.)

    — Herr Professor Böhm, Sie schütteln mit dem Haupt; aber ich werde es Ihnen mit einigen Bemerkungen begründen.
    In dem Vertragswerk ist ein Sozialfonds vorgesehen, aus dem für Arbeitnehmer im Falle wirtschaftlicher Schwierigkeiten zur Überbrückung von Arbeitslosigkeit, zur Umschulung und dergleichen Beiträge geleistet werden sollen. Soweit ich weiß, war es ein Erfolg der Tätigkeit der Bundesregierung, daß die Zahlungen aus dem Sozialfonds auf ein Mindestmaß herabgedrückt wurden. In dem ursprünglichen Vertragsentwurf war ein Wirtschafts- und Sozialrat vorgesehen, ähnlich wie er sich bei der Montanunion in Gestalt des Beratenden Ausschusses bewährt hat. Dieser Beratende Ausschuß hat wichtige Beratungsfunktionen zu erfüllen und beruht auf dem Grundsatz, daß in ihm Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichberechtigt vertreten sind. Die sämtlichen übrigen fünf Länder wünschten nach unseren, ich glaube, sehr zuverlässigen Informationen eine gleiche Konstruktion für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. Die Bundesregierung hat eine solche fortschrittliche Einrichtung abgelehnt.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Zur Zeit ist nur ein unbedeutender Sozialausschuß zugestanden worden, bei dem die Gleichberechtigung zwischen den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern nicht mehr anerkannt ist.
    Dann eine dritte Bemerkung, die ich für sehr ernst halte. Soweit wir unterrichtet sind, hat der Herr Bundeswirtschaftsminister die Anpassung der sozialen Leistungen im Gemeinsamen Markt — ich konzediere ihm, daß das ein schwieriges Problem ist, aber es handelt sich nicht nur um diese Frage, sondern auch um die Begründung — mit der Begründung abgelehnt, das koste die deutsche Wirtschaft einige Prozent Lohnerhöhung, die sie nicht zu tragen vermöge,

    (Hört! Hört! bei der SPD)



    (Dr. Deist)

    und das in gleichem Augenblick, in dem die Montanunion in einer umfangreichen Untersuchung feststellte, daß im Rahmen der sechs Montanunionstaaten der Reallohn der deutschen Stahlarbeiter an vierter Stelle und der Reallohn der deutschen Bergarbeiter an fünfter Stelle stehe.

    (Erneute Zurufe von der SPD: Hört! Hört!)

    In Besprechungen auf internationaler Ebene berühren uns derartige Mitteilungen immer wieder bitter. Wir müssen ihnen entnehmen, daß die Bundesregierung bei so wichtigen internationalen Problemen und Plänen die Seite des sozialen Rückschritts vertritt.

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte: Na, na!)

    — Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, ich habe einiges an Begründungen vorgebracht, weshalb wir zu dieser Auffassung kommen müssen.

    (Abg. Mellies: Das haben sie nicht gehört!)

    Dann bleibt für uns die Frage offen: Welche höheren politischen Ziele stecken denn in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, wenn sie im Grunde genommen ein volkswirtschaftlicher Unfug ist und wenn die Bundesregierung in ihr kein Mittel zu starkem sozialem Fortschritt sieht? Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat uns dafür eine Andeutung gegeben. Er hat vor der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion eine Flucht in die Romantik angetreten und davon gesprochen, daß sich hier die ,,schicksalhafte Gemeinschaft Europas" dokumentiere, derselbe Bundeswirtschaftsminister, der gerade verkündete, er wolle nach den USA I fahren und den amerikanischen Romantikern einmal erzählen, welche Gefahren dieser Gemeinsame Markt in sich trage!

    (Heiterkeit bei der SPD. — Abg. Schmitt [Vockenhausen] : Größenwahn in Reinkultur! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    Nach Pressemeldungen hat der Herr Außenminister am 12. März 1957 in San Francisco davon gesprochen, daß diese Wirtschaftseinheit ein Gegengewicht gegen den Kommunismus darstelle, ja, daß sie die Niederlage des Kommunismus bedeute. Heute hat der Herr Staatssekretär Hallstein auch ähnliche Töne anklingen lassen, als er davon sprach, die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft sei die einzige Chance der alten europäischen Staaten, Europa im Konzert der Mächte seine alte Stellung zu wahren oder wiederzugewinnen. Mir scheint, das sind in diesem Zusammenhang unangemessene Worte, zumal ja nicht ganz unbekannt geblieben ist, daß sich die Weltgewichte im Laufe der letzten Jahre und Jahrzehnte ein wenig verschoben haben.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Ich glaube, es sind auch falsche Töne, wenn davon gesprochen wird, es sei die letzte Chance des Überlebens und die letzte Möglichkeit der Sicherung unseres freiheitlichen Daseins. In diesen Worten, die auf eine selbstgenügsame Zusammenfassung der alten europäischen Staaten hinauslaufen, sehen wir das, was ich vorhin kennzeichnete; nämlich daß man sich in eine ideologische und in eine militärische Blockvorstellung verkrampft, die letzten Endes eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung unmöglich macht.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir möchten gern wissen, ob die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft wirklich nur eine Schachfigur im weltpolitischen Spiel der großen Machtblöcke ist oder ob sie ein wirksames Instrument zu fortschrittlicher wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung sein soll. Wir wären bereit, einem solchen Vertrage zuzustimmen, wenn solche fortschrittlichen Chancen in ihm enthalten sind.
    Damit komme ich zu einigen Einzelproblemen. Das Wesen der Zollunion besteht darin, daß sie einen gemeinsamen Außenzoll hat. Leider sind im Außenministerium und im Bundeswirtschaftsministerium bisher keine konkreten Berechnungen und infolgedessen auch keine konkreten Vorstellungen darüber vorhanden, welche Auswirkungen dieser gemeinsame Außenzoll haben könnte. Sicher ist jedenfalls, daß die Tendenz bei den Verhandlungen unter französischem Druck die war, auf ein hohes Außenhandelszollniveau hinzuwirken. Das ist mit verschiedenen Mitteln geschehen. Insbesondere war die Anwendung ,des arithmetischen Mittels für ,die Errechnung des Außenhandelszolls geeignet, den Zoll in die Höhe zu schrauben, weil ja beim arithmetischen Vergleich der geringe Umfang der französischen Einfuhr mit hohen Zöllen genauso schwer wiegt wie die hohe deutsche Einfuhr mit verhältnismäßig niedrigem Zollniveau. Schließlich sind sowohl im Falle Frankreich als auch im Falle Italien fiktive Außenhandelszölle bei Ermittlung des gemeinsamen Außenhandelszolls zugrunde gelegt worden, während tatsächlich niedrigere oder gar keine Zölle erhaben werden.
    Das Ergebnis ist, daß wir teilweise beträchtliche Zollerhöhungen für mehr als 50 % der Zollpositionen erhalten werden.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, das ist nicht unwichtig, wenn wir bedenken, daß Deutschland z. B. aus den Staaten des Gemeinsamen Marktes nur etwa 25 bis 30 % seiner Einfuhr bezieht, während 70 bis 75 % der Einfuhr aus ,den Staaten außerhalb des Gemeinsamen Marktes, also von dritten Staaten stammen. Unter diesen Umständen ist es sehr bedauerlich, daß die europäische Großraumwirtschaft ein protektionistisches Vorzeichen trägt.
    In den Verhandlungen haben insbesondere die Niederländer gegen diese Tendenz der zu hohen Außenzölle heftigen Widerspruch erhoben. Herr Staatssekretär Hallstein hat diese Haltung der Niederländer in seinen Ausführungen auch anerkannt und hervorgehoben. Immerhin, die Teilnehmer an vielen Verhandlungen haben mit Bedauern festgestellt, daß die deutschen Unterhändler zwar in gelegentlichen privaten Gesprächen die Niederländer zur Aufrechterhaltung ihres Widerstandes aufgefordert haben, daß sie ihnen aber in den offiziellen Verhandlungen nicht mit dem gleichen Nachdruck beigetreten sind.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das ist für ein Land, das auf freie Handelsbeziehungen mit dem Ausland Wert legt, außerordentlich bedauerlich.
    Aus dieser unangemessenen Erhöhung des Außenhandelszollniveaus ergeben sich für Deutschland wesentliche Konsequenzen. Außerhalb des Bereichs des Gemeinsamen Marktes bleiben wichtige und große Fertigwarenkunden. Außerhalb des Breichs des Gemeinsamen Marktes bleiben außer Großbritannien insbesondere die drei nordischen Staaten, die Schweiz und Österreich, Staaten, die


    (Dr. Deist)

    mehr als 25 % unserer Fertigwarenausfuhr beziehen, also mehr als die Staaten des Gemeinsamen Marktes insgesamt, und die ein niedrigeres Zollniveau haben. Es steht zu befürchten, daß diese Staaten sich die Diskriminierung nicht lange gefallen lassen werden, die darin liegt, daß wir die Einfuhr von ihnen mit hohen Zöllen belegen, während aus den Staaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft die Ware ohne jede Zollbelastung hereinkommt. Ich hoffe sehr, daß dieser Druck in den weiteren Verhandlungen zu einer Senkung des überhöhten Außenhandelszollniveaus führt.
    Darüber hinaus hat dieses hohe Zollniveau auch für die innerdeutsche Wirtschaft Auswirkungen. Ich glaube, ich sage nicht zuviel, wenn ich bemerke, daß sich daraus nicht unerhebliche Belastungen für Verbraucher in Deutschland ergeben werden. Ich habe den Eindruck, daß sich diese Formulierung nur im Akzent von der Formulierung des Herrn Staatssekretärs unterscheidet, der nämlich sagte, daß sich keine erhebliche Verteuerung der Lebenshaltung für Deutschland ergäbe. Es scheint festzustehen, daß dieses hohe Zollniveau jedenfalls zur Erhöhung der Ausgaben für die Lebenshaltung und damit zu einer Beeinträchtigung des Lebensstandards in Deutschland führen muß. Die Ursache solcher Folgewirkungen ist die Tatsache, ,daß sich die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft auf sechs Staaten beschränkt, in denen starke Tendenzen zu hohen Schutzzöllen vorhanden sind, die darüber hinaus die Gefahr der Blockbildung und der Abschließung gegenüber dem übrigen Weltmarkt mit sich bringen.
    Wir haben es darum mit allen anderen begrüßt, daß Großbritannien den Vorschlag gemacht hat, diese Zollunion mit einer großen Freihandelszone möglichst aller Länder des Raumes der OEEC zu verbinden. Wir halten die Frage dieser Freihandelszone für ein entscheidendes Problem; denn nach Errichtung der Freihandelszone — wenn ihr alle Staaten der OEEC angehörten — würden etwa 70% unserer gesamten Einfuhr aus diesem inneren Raum kommen, so daß nur noch 30 % dem Verkehr mit dritten Staaten und damit dem Außenhandelszoll unterworfen wären.
    Wir halten diese Frage für entscheidend. Wir begrüßen es, daß sich Herr Staatssekretär Hallstein auch an dieser Stelle positiv geäußert hat. Wir möchten sehr wünschen, daß die Bundesregierung bereit ist, auch gewisse Opfer zu bringen, gewisse Bestimmungen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft anzupassen und vielleicht doch auf die eine oderandere liebgewordene Vorstellung zu verzichten; denn die Verbindung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft mit einer größeren Freihandelszone ist mehr als eine Messe wert.

    (Zustimmung .bei der SPD.)

    Damit komme ich zu einem weiteren wichtigen Problem, dem Interzonenhandel. Ich glaube, man sollte sich nicht verhehlen, daß jede Zollunion — das ist ihr Sinn und ihr Zweck — zu einer engeren Zusammenarbeit, damit zu einer Veränderung der inneren Struktur und mit der Zeit zu einer gewissen Abschließung ,gegenüber den nicht zur Zollunion gehörenden Staaten führt. Die innere Geschlossenheit, die die Zollunion gewinnt, wird durch die Gefahr der Abschließung nach außen kompensiert.
    Im Hinblick auf die Frage ,des innerdeutschen Verkehrs messen wir diesem Problem zur Zeit
    keine entscheidende Bedeutung bei. Der langfristige Prozeß der Schaffung des Gemeinsamen Marktes, der sich über 12 bis 15 Jahre hinziehen wird, wird jedenfalls in den ersten Jahren keine entscheidenden Schwierigkeiten bereiten. Aber die Voraussetzung für eine Bejahung der Zollunion und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ist, daß die Zonengrenze nicht zur Zollgrenze wird,

    (Beifall bei ,der SPD)

    daß der innerdeutsche Handel nicht den geringsten Beschränkungen unterworfen wird.
    Ich bedaure, den Argumentationen des Herrn Staatssekretärs auf diesem Gebiet nicht folgen zu können. Ich bin der Auffassung, daß die bisher vorliegenden Formulierungen keineswegs als ausreichend angesehen werden können. Dort heißt es nämlich, daß es für die Inkraftsetzung des Vertrags weder einer Änderung der gegenwärtigen Vorschriften für den innerdeutschen Handel noch einer Änderung des gegenwärtigen Status dieses Handels bedarf. Meine Damen und Herren, für uns ist nicht entscheidend, ob es zur Inkraftsetzung des Vertrags irgendwelcher Veränderungen des gegenwärtigen Zustandes bedarf, sondern für uns ist entscheidend, daß nach Inkrafttreten des Vertrages keinerlei Beschränkungen für eine freie Entwicklung des Interzonenverkehrs in der Zukunft gegeben sein dürfen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Bedenken, Herr Staatssekretär, ergeben sich auch aus dem Absatz 2 des Protokolls über den Interzonenhandel. Dort sind nämlich der deutschen Bundesregierung bestimmte Verpflichtungen hinsichtlich der Gestaltung des Interzonenhandels auferlegt worden. Die Maßnahmen der Bundesregierung dürfen danach den Interessen des Gemeinsamen Marktes nicht widersprechen oder die Interessen anderer Teilnehmerstaaten wesentlich beeinflussen. Das heißt, diesen anderen Staaten steht ein Urteil über die Angemessenheit der deutschen Maßnahmen im innerdeutschen Handelsverkehr zu. Dadurch besteht die Gefahr, daß darüber unter Umständen der Gerichtshof zu entscheiden hat. Ganz gleich, wie die juristische Auslegung sein mag, die Tatsache, daß verschiedene Auslegungen möglich sind, zwingt uns zu der Forderung, hier eine unzweideutige vertragliche Klarstellung zu treffen, aus ,der sich ergibt, daß die Entwicklung des innerdeutschen Handelsverkehrs, sowohl was seine Formen als auch was seinen Umfang anlangt, in der Bundesrepublik völlig frei ist und keinerlei Beschränkungen durch die Partner an dieser Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft oder von seiten der Organe der Gemeinschaft unterworfen sein darf. Die Entscheidung über diese Frage wird für uns von grundlegender Bedeutung für unsere Haltung zu dem Vertragswerk sein.
    Lassen Sie mich nun noch einige Bemerkungen zu den überseeischen Gebieten machen. Ich möchte dazu zunächst zwei Feststellungen vorwegnehmen, über die meines Erachtens keine Diskussion stattzufinden braucht. Im Grunde genommen handelt es sich bei den überseeischen Gebieten um die französischen Einflußgebiete in Nord- und Mittelafrika. Wir wissen, daß Nordafrika durch seine Handelsbeziehungen, wegen seines Rohstoffreichtums und wegen seiner geographischen Lage für eine europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit von entscheidender Bedeutung ist. Auf lange Sicht würden wir wünschen, daß, wenn die Europäische


    (Dr. Deist)

    Wirtschaftsgemeinschaft einmal Wirklichkeit geworden ist. Nordafrika ein wesentlicher Bestandteil dieser Gemeinschaft sei, wenn die betroffenen Völker dies wünschen. Wir sind nämlich generell der Auffassung, den Rahmen dieser Wirtschaftsgemeinschaft so weit wie nur denkbar zu spannen.
    Wir sind weiter mit Ihnen der Auffassung, daß das Schicksal dieser überseeischen Staaten den Industriestaaten Europas, insbesondere auch Deutschland, nicht gleichgültig sein kann. Ich darf daran erinnern, daß es meine Fraktion war, die zum ersten Male im vergangenen Jahre in diesem Bundestag beantragt hat, einen Betrag von 50 Millionen DM als Hilfe für unterentwickelte Gebiete in den Haushalt einzusetzen. Ich entsinne mich noch, daß seinerzeit dieser Betrag auf gewisse Bedenken in den Reihen der Koalition gestoßen ist. Heute unterliegt ein Betrag von 800 Millionen DM für fünf Jahre — das ist im Durchschnitt für ein Jahr ein Betrag von 170 Millionen DM — für den begrenzten Bereich von Nordafrika offensichtlich keinen entsprechenden Bedenken.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir sind unter drei Voraussetzungen auch bereit, schwere wirtschaftliche Opfer zu bringen, nämlich einmal unter der Voraussetzung, daß die betroffenen Völker eine solche Stützung als Wohltat und nicht als Mittel der Ausbeutung betrachten,

    (Beifall bei der SPD)

    weiter unter der Voraussetzung, daß eine solche Stützung ein echter und wirksamer Beitrag zur Entwicklung der Selbstbestimmung dieser Völker ist, und drittens unter der Voraussetzung, daß die wichtigen und großen Entwicklungsländer in anderen Bereichen der Welt, an denen die europäischen Staaten ebenfalls ein Interesse haben, durch diese Hilfe innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft nicht unangemessen benachteiligt werden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Aber das Problem, um das es sich jedenfalls für uns handelt, ist ein ganz anderes. Praktisch ist doch die Situation so — wir sollten davor die Augen nicht verschließen —, daß die nordafrikanischen Staaten in einer großen Bewegung, zum Teil in Aufruhr gegen ihr Mutterland, nämlich Frankreich, stehen. Wir wissen, daß das eine außerordentlich schwierige Situation für Frankreich ist, die uns manchmal ausweglos erscheinen will. Wir sind weit davon entfernt, hämisch auf diese Entwicklung herabzublicken. Aber wir sollten doch auch nicht vergessen, daß die Entwicklung in Nordafrika Bestandteil einer weltumspannenden Bewegung ist, die den ganzen asiatischen, australischen und afrikanischen Kontinent erfaßt hat, einer Bewegung, die zur Lösung von jeder Art von Kolonialherrschaft und zur politischen Selbstbestimmung dieser Völker strebt.
    Die entscheidende Frage ist doch wohl, ob die unterentwickelten Staaten, die auf Hilfe und Unterstützung angewiesen sind, diesen Weg an der Seite der freien Völker des Westens oder an der Seite kommunistischer Regierungen gehen. Der Ausgang dieses Prozesses ist entscheidend davon abhängig, ob die Großstaaten mit Kolonialbesitz einen Weg finden, um die Entwicklung dieser Völker zur Freiheit in Freundschaft zu fördern —und nicht als Unterdrücker aufstrebender Völker in Erscheinung zu treten —, und ob es all den Völkern, die durch ein gütiges Schicksal davor bewahrt wurden, in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten in die Kolonialpolitik einbezogen zu werden, gelingt, sich in Zukunft von jeder Belastung und Identifizierung mit dieser Kolonialpolitik frei zu halten.

    (Beifall bei der SPD.)

    Mir scheint, daß die Völker ohne Kolonialbeteiligung und ohne Kolonialbelastung hier eine große weltpolitische Aufgabe haben.
    Wenn ich mir nun die Konstruktion der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ansehe, stelle ich folgendes fest. Ungeachtet von Einschränkungen und Vorbehalten, die in diesem Vertrag ja reichlich vorhanden sind, werden die überseeischen Gebiete tatsächlich zwangsweise in den Gemeinsamen Markt eingeschlossen. Sie werden Mitglieder der Zollunion, in ihnen besteht ein Niederlassungsrecht für die Bewohner der sechs Staaten, die Organe der Gemeinschaft sind für diese Gebiete zuständig, und die Infrastruktur dieser Länder wird aus dem Entwicklungsfonds gespeist, den die beteiligten europäischen Staaten aufbringen. Die Folge dieser Konstruktion kann doch nur sein, daß die Verhandlungen über den Zollabbau — die nicht einfach sein werden — bzw. die Anpassung des Zollniveaus der überseeischen Gebiete auch unter Beteiligung von Deutschen vor sich geht, die innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft tätig sein werden. Die Folge wird doch sein, daß sich deutsche Firmen in jenen Gebieten niederlassen und an der Erschließung beteiligen. Für manche dieser Länder wird das — in ihren Augen — gleichbedeutend sein mit Ausbeutung. Ferner ist doch nicht zu vermeiden, daß an den Voruntersuchungen, an den Verhandlungen und an den Entscheidungen über Investitionsmaßnahmen ebenfalls Deutsche beteiligt sind und daß die ganze soziale und wirtschaftliche Infrastruktur unter Beteiligung deutscher Sachverständiger entwickelt wird.
    Ich halte es für eine sehr unglückliche Sache, daß z. B. bereits am 15. März eine vom Herrn Bundeswirtschaftsminister zusammengestellte Kommission von deutschen Industriellen auf Einladung der französischen Regierung in diese Kolonialgebiete gefahren ist, — als wenn wir nicht schnell genug beweisen könnten, daß wir Partner dieser französischen Kolonialpolitik sind!

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ich halte das für eine gefährliche Entwicklung. Solange Frankreich keine Lösung des schwierigen nordafrikanischen Problems findet, wird alle Tätigkeit, die in diesen Gebieten entfaltet wird, als Beitrag zur Festigung der Kolonialherrschaft angesehen werden; ob das richtig ist oder nicht, ist dabei völlig gleichgültig.
    Der Herr Staatssekretär Hallstein hat geglaubt, die Schwierigkeiten seien doch wohl zum Teil dadurch behoben — das steht im Bulletin vom 16. März —, daß der einheimischen Bevölkerung hei der Auswahl der Investitionsobjekte ein volles Mitbestimmungsrecht eingeräumt würde. Heute hat sich der Herr Staatssekretär zwar nicht ganz so prononciert, aber doch in ähnlicher Richtung geäußert. ich glaube, man soll die Dinge sehen, wie sie sind. Die Behauptung des Herrn Staatssekretärs ist in dieser Form zweifellos nicht zutreffend. Sie wird schon durch die Fassung der Konvention widerlegt, die nämlich in Artikel 2 besagt, daß die


    (Dr. Deist)

    Investitionsentscheidung im Einvernehmen mit den örtlichen Behörden oder der Vertretung der Bevölkerung des betreffenden Landes gefällt werden soll. Das ist schon eine viel vorsichtigere Formulierung. Wir alle kennen die Beschlüsse des französischen Parlaments, durch die eine gewisse regionale oder lokale Selbstverwaltung in den nordafrikanischen Gebieten eingeführt wird. Das ist sicherlich ein entscheidender Fortschritt. Aber diese lokalen Einrichtungen sind doch nicht das, was wir als ein volles Mitbestimmungsrecht bezeichnen könnten.
    Meine Damen und Herren, bei dieser Konstruktion, die uns mit diesem Vertragswerk vorgelegt wird, könnte folgende Situation eintreten. Wir wissen — und wir bedauern das —, daß sich Frankreich, obwohl Mitglied der Euratomgemeinschaft, das Recht vorbehalten hat, Atomwaffen herzustellen. Es könnte sein, daß sich die europäische Zusammenarbeit in Nordafrika dadurch dokumentiert, daß Frankreich in der Sahara Atombombenversuche unternimmt, während nicht unweit durch deutsche Firmen und mit deutschen finanziellen Zuschüssen die sogenannte Infrastruktur Nordafrikas aufgebaut wird. Diese Möglichkeit sollten wir sehen, wenn wir uns mit diesem Vertrage befassen. Diese Regelung, die in dem Vertragswerk bezüglich der überseeischen Gebiete vorgesehen ist, ist weder im deutschen noch im europäischen und auch nicht im Interesse einer gesunden Entwicklung der gesamten Welt tragbar. Dieses Problem muß anders gelöst werden. Die Partner der europäischen Gemeinschaft müssen alles vermeiden, was sie mit dem Odium einer überholten Kolonialpolitik belasten würde. Auch die endgültige Lösung dieses Problems wird für unsere Haltung von wesentlicher Bedeutung sein.
    Ich darf unsere Stellungnahme wie folgt zusammenfassen. Wir begrüßen eine Ausdehnung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit über Kohle und Stahl hinaus. Wir befürworten die Entwicklung einer echten europäischen Wirtschaftseinheit, die mit möglichst vielen europäischen Staaten in freiem wirtschaftlichem Verkehr, möglichst im Rahmen einer Freihandelszone, steht. Wir sehen darin große Möglichkeiten für eine fortschrittliche wirtschaftliche Entwicklung. Wenn das vorliegende Vertragswerk über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft solche Möglichkeiten in entwicklungsfähigem Ausmaße gibt, dann werden wir einer solchen Vertragsregelung zustimmen. Es liegt aber an Ihnen, die Bedenken — und ich weiß, daß ein großer Teil der Bedenken auch in Ihren Kreisen geteilt wird —, die ich hier vorgetragen habe, aus dem Wege zu räumen.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ludwig Erhard


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, daß mir diese Debatte die Möglichkeit gibt, vor der deutschen und vor der internationalen Öffentlichkeit folgendes mit aller Klarheit auszusprechen.
    Es hat in Europa in den letzten neun Jahren wohl kaum einen Staatsmann gegeben, der auf dem wirtschaftlichen Felde so konsequent eine europäische Politik eingeleitet und fortgeführt hat, wie ich das für mich in Anspruch nehme.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Deutschland war das erste Land, und zwar in einer fast ausweglosen Situation, das den Weg der Liberalisierung gegangen ist und das in allen europäischen Gremien, sei es bei der OEEC oder bei der Zahlungsunion, beim GATT oder beim Währungsfonds immer in der Richtung umfassenderer Freiheiten operiert hat. Deutschland war von Anbeginn an bemüht, den Protektionismus zwischen den einzelnen Ländern niederzulegen und den Geist des nationalistischen Egoismus zu überwinden. Wir haben im internationalen Waren-, Dienstleistungswie auch im Geld- und Kapitalverkehr immer größere Freiheiten gesetzt; wir sind in Europa vorangegangen. Aus diesem Grunde kann ich mich füglich mit reinem Gewissen und mit freier Stirne als einen Bekenner Europas ¡bezeichnen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das schließt allerdings nicht aus, daß man an manchem Projekt und an manchen Plänen allenthalben .auch einmal die kritische Sonde anlegt. Es ist aber eine Sache noch nicht geheiligt, wenn sie das Adjektiv „europäisch" trägt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien, bei der SPD, beim GB/BHE und bei der FDP.)

    So war es meiner Ansicht nach für mich als Wirtschaftsminister eine Pflicht, ,auch dieses Vertragswerk vor allen Dingen auf seinen volkswirtschaftlichen Inhalt hin zu prüfen. Das habe sich getan, und ich babe auch freimütig vor der Öffentlichkeit meine Meinung dazu gesagt.
    Das ist ganz sicher: Wenn ich den Vertrag zum Gemeinsamen Markt nur vom ökonomischen Standpunkt aus zu prüfen hätte, müßte ich vorher fragen, ob denn die bisherigen Anstrengungen zur Zusammenfügung der Länder Europas nicht schon so große Erfolge gezeitigt hätten, daß man vielleicht auf eine besondere Konstruktion hätte verzichten können. Es ist unbestreitbar, daß im Rahmen der OEEC und der EZU überraschend große Erfolge erzielt worden sind, nicht nur was die Steigerung des Handelsvolumens, sondern auch was die Methoden und die Qualität der Zusammenarbeit anlangt.
    ,(Abg. Stegner: Sehr richtig!)

    haben innerhalb der OEEC die Diskriminierungen beseitigt, den Protektionismus überwunden, die Liberalisierung auf eine hohe Stufe gebracht, wir haben das multilaterale System der Verrechnungaufgebaut. Kurz und gut: Innerhalb der OEEC war die europäische Zusammenarbeit in gutem Fluß und in stetem Fortschreiten. Aber damit ist die Problematik des vorliegenden Vertrags nicht erschöpft. Es ist ja auch deutlich zum Ausdruck gekommen — sowohl in den Ausführungen von Herrn Staatssekretär Hallstein wie auch in den Ihren, Herr Dr. Deist —, daß ein Vertrag über eine Europäische Gemeinschaft auch politische Aspekte hat; ja, ich bin der Meinung, daß diese sogar obenan stehen, daß sie zumindest von den anderen nicht zu trennen sind. Das ist auch der Grund, warum ich in Abwägung aller Gesichtspunkte und in Würdigung aller positiven oder meinetwegen sogar negativen Elemente eindeutig zu dem Schluß gekommen bin, daß dieser Vertrag die Zustimmung dieses Hohen Hauses und die Anerkennung der europäischen Völker finden sollte.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



    (Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard)

    Zu dieser Überzeugung stehe ich auch heute, und ich werde das im einzelnen noch begründen.
    Um mir aber nicht vorwerfen zu lassen, daß ich hier irgend etwas verschweigen wollte, was ich draußen in der Öffentlichkeit gesagt habe, möchte ich meine kritischen Anmerkungen wiederholen. Damit beleuchte ich noch einmal, daß das Eigentliche, was meine Aussetzungen ausmachen, nicht eine Kritik gegenüber der europäischen Idee, nichtetwa ein Zurückweichen vor einer europäischen Konstruktion bedeutet, sondern daß meine Bedenken umgekehrt von der Sorge getragen sind, ob die Bestimmungen des Vertrages geeignet sind, rasch und wirksam genug das gesteckte Ziel zu erreichen.

    (Beifall in der Mitte und bei Abgeordneten ,der SPD.)

    Nicht als ein schlechter Europäer bin ich also an den Vertrag herangegangen, sondern, wie ich glaube, als ein besonders guter Europäer.
    Wenn ich glaubte und noch immer glaube, daß man das Ziel rascher erreichen könnte, dann mag der Politiker vielleicht meinen, das sei illusionistisch. Aber man kann mir auf keinen Fall vorwerfen, daß ich meine Kritik aus mangelnder europäischer Gesinnung geübt habe.

    (Zuruf von der SPD: Das hat niemand gesagt! — Abg. Dr. Kreyssig: Bleiben Sie bei der ,Sache!)

    Der Gemeinsame Markt, die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft scheint mir vor allem deshalb notwendig zu sein, um fernab von weiterreichenden Zielen — etwa. dem einer europäischen Konföderation — bei den europäischen Völkern zunächst einmal idas Bewußtsein einer unlöslichen Schick» salsgemeinschaft zu wecken, ihnen ihre gemeinsame Zukunft vor Augen zu führen und vor :allem in der europäischen Jugend eine Gläubigkei t zu erwecken, daß ein glücklicheres Europa im Werden ist. Und dazu sagte ich, ,daß ein Vertrag, der das alles — zuerst nur auf der ökonomischen Ebene — erst in 12 bis 15 Jahren erreicht, ,die Geister vielleicht nicht bewegen und entzünden könne. Ich hätte also gewünscht, daß der Prozeßschneller vor sich ginge, daß man die Etappen kürzer gesetzt hätte. Da ich in Deutschland in bezug auf wirtschaftlichen Aufbau immerhin einige Erfahrungen habe, wie man sich selbst aus der schlimmsten Situation relativ rasch befreien kann, war ich der Meinung, daß auch jene Länder, 'die heute aus subjektiv begreiflichen Gründen zögern, den Weg etwas schneller hätten durcheilen sollen, — wahrscheinlich zu ihrem eigenen Glück. Das war also einer der Punkte dies Viertrages, die ich kritisch beleuchtet habe.
    Das andere Argument wurzelt eigentlich in der gleichen Haltung. Ich sagte und wiederhole es hier: In diesem Vertrag ist ebenso viel von der Angst vor dem Wettbewerb oder von der Furcht, in den Gemeinsamen Markt einzugehen, .erkennbar, als er Bestimmungen enthält, die diesen Gemeinsamen Markt erreichen oder 'erzwingen wollen. Er atmet auf der einen Seite ,die Sorge, was ida alles passieren kann, wenn der Gemeinsame Markt Wirklichkeit wird, und auf der anderen Seite setzt er selbstverständlich die Verpflichtung, allerdings recht. behutsam, in den Gemeinsamen Markt einzugehen. Nach dieser Richtung scheint er mir etwas perfektionistisch zu sein, weil man natürlich nicht alles voraussehen kann, was sich in 15 Jahren ereignen mag. Ja, man hat eigentlich nur voraussehen wollen, was sich nach der negativen Seite hin ereignen
    könnte. Es ist nun in idem Vertrag zu wenig Dynamik und zu wenig Überzeugung zu spüren, daß sich die Dinge, wenn wir diesen Weg gehen, sehr viel positiver und fruchtbarer entfalten werden, als das aus dem zaghaften Geist, aus den Buchstaben dies Vertragswerkes ersichtlich wird. Aus diesem Grunde bedaure ich, daß so viele Ausweichklauseln bzw. Ausweichmöglichkeiten in diesem Vertrag enthalten sind und daß er nicht mehr europäische Gläubigkeit setzt.
    Dann kommt natürlich hinzu, daß jede Zusammenfassung von einer Reihe von Ländern — hier also von jenen sechs Ländern, die schon in der Montanunion eine erste Verankerung gefunden haben — naturgemäß und ohne es zu wollen, einen gewissen Kontrast nach außen setzt und damit allzuleicht die Gefahr heraufbeschwört, daß sich andere europäische Länder, die auch zu dem freien Europa gehören, diskriminiert fühlen. Diese Sorge ist uns ja allenthalben begegnet. Aus diesem Grunde begrüße ich es besonders, daß hier ausdrücklich erklärt wurde, wie wichtig es ist, neben der Schaffung dieses Gemeinsamen Marktes gleichzeitig möglichst schnell auch zu der Konstruktion einer Freihandelszone hinzufinden, weil damit die Gefahr einer Diskriminierung, oder wäre es auch nur das Gefühl einer Diskriminierung, von den übrigen europäischen Ländern genommen wird. Im übrigen ist natürlich das eine mit dem anderen zwangsläufig verbunden. Ich muß Ihnen ehrlich sagen: auch ich hätte keinen Vertrag machen können, der zwischen jenen sechs Ländern, wenn auch stufenweise, völlige Zollfreiheit setzt, ohne nach außen — das ist das innerste Wesen einer Zollunion — einen gemeinsamen Zolltarif aufzubauen. Es kommt eben nur darauf an, wie hoch dieser Zolltarif dann ist. Ich glaube, da bin ich mit Ihnen, Herr Dr. Deist, einig, aber wohl auch mit allen Persönlichkeiten, die den Vertrag im einzelnen gestaltet haben; d. h. der gemeinsame Zoll darf kein Hochschutzzoll sein.
    Ich hätte es auch gerne gesehen, wenn der Vertrag eine Bestimmung enthalten hätte, die besagt, daß in dem gleichen Rhythmus, in dem die Zölle zwischen den sechs Mitgliedstaaten gesenkt werden, zugleich oder doch von der ersten Übergangsperiode an auch eine Senkung der Zölle nach außen, d. h. gegenüber dritten Ländern, Platz greifen müsse. Wir haben diesen Grundsatz aber immerhin in Art. 110 zum Postulat erhoben, in dem es heißt:
    Durch die Schaffung einer Zollunion beabsichtigen die Mitgliedstaaten, im gemeinsamen Interesse zur harmonischen Entwicklung des Welthandels, zur schrittweisen Beseitigung der Beschränkungen im internationalen Warenverkehr und zum Abbau der Zollschranken beizutragen.
    Dort ist also mindestens der Grundsatz verankert, wenn er auch nicht in Zahlen der Relationen Ausdruck gefunden hat.
    Die Gefahr, daß eine Diskriminierung Platz greifen könnte, wird natürlich um so größer, je mehr die Zölle zwischen den sechs Ländern in der vorgesehenen Stufenfolge abgebaut werden.
    Darum insbesondere sind wir alle für die Schaffung einer Freihandelszone eingetreten. Aus der Wirtschaftsgemeinschaft kann die Gefahr erwachsen — und dem habe ich Ausdruck gegeben —, daß sich zwischen den sechs Ländern ein besonderer,


    (Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard)

    ein bedenklicher Geist entwickelt, der zwar nach innen Freiheit setzt und setzen muß, der aber bemüht ist, sich nach außen abzuschirmen. Das habe ich unter der Gefahr einer möglichen europäischen Inzucht verstanden. Sie wird indessen wesentlich gemindert und schließlich behoben, wenn es uns gelingt, das System der Freihandelszone zu errichten.
    Was die Assoziierung der Überseegebiete anlangt, so möchte ich eine politische Betrachtung hier außer acht lassen. Selbstverständlich ist damit — wieder aus dem System heraus — die Schaffung einer Art von Präferenzsystem notwendig geworden, und es wird sehr darauf ankommen, in welchem Geist man diese Ordnung handhabt. Daß es nicht gerade ein Vorteil ist, wenn wir die freie Welt noch einmal in Großräume auf teilen und ein Präferenzsystem europäisch-afrikanischer Konvenienz schaffen, bedarf wohl keiner besonderen Unterstreichung. Die möglichen handelspolitischen Schäden sind unverkennbar. Aber auch diese Gefahr kann auf ein Minimum herabgedrückt werden, wenn auch innerhalb dieses umfassenderen Raums eine möglichst liberale Politik getrieben wird, die kein fühlbares Gefälle auftreten läßt.
    Im ganzen ist noch folgendes zu sagen. Jedes Land, das einen solchen Vertrag unterzeichnet, muß selbstverständlich auch von einem ganz bestimmten Wollen erfüllt sein und ein ganz bestimmtes Verhalten in seiner Wirtschafts- und Finanzpolitik an den Tag legen. Wir haben eine „Koordinierung" der Wirtschaftspolitik deshalb gewünscht — ich sage das, weil es Herr Dr. Deist beanstandete —, weil eine gemeinsame, d. h. einheitliche Wirtschaftspolitik meiner Ansicht nach überhaupt erst dann möglich wäre, wenn diese sechs Länder auch schon zu einer gemeinsamen politischen Form hingefunden hätten oder wenn, wie es Staatssekretär Hallstein vorgetragen hat, bereits eine echte parlamentarische Verantwortung für die Entscheidungen dieser europäischen Gemeinschaft gegeben wäre. So lange kann es sich tatsächlich nur um eine „Koordinierung" der Wirtschaftspolitik handeln. Das gilt vor allem auch deshalb, weil, wie wir alle wissen, die wirtschafts-, finanz- und währungspolitischen Prinzipien in den einzelnen Ländern zunächst durchaus nicht gleichartig sind, sondern sogar sehr erhebliche Unterschiede aufweisen.
    Die mangelnde intervalutare Ordnung nicht nur zwischen den sechs Ländern, sondern leider auf weltweiter Grundlage kann man selbstverständlich auch nicht durch eine Vielzahl von Paragraphen ersetzen. Das ist ein Problem, das nicht insonderheit den Gemeinsamen Markt auszeichnet, sondern die ganze freie Welt und ihre Ordnung angeht. Dieses Problem ist also letzten Endes auch nicht innerhalb des Gemeinsamen Marktes zu lösen, wenn durch ihn auch manches Übel geheilt werden könnte.
    Aus diesem Grunde bin ich hier auch völlig anderer Meinung als Sie, Herr Dr. Deist. Sie meinten, eine ausgeglichene Zahlungsbilanz sei in unserer Zeit nicht mehr der rechte Ordnungsmaßstab, nicht mehr das rechte Ordnungsprinzip, sondern es müßten durch eine „aktive Wirtschaftspolitik" ein wirtschaftliches Gleichgewicht, Preisstabilität, Sicherheit des Arbeitsplatzes, Sicherung des Lebensstandards erstrebt werden. Ja, diese Forderungen können unter Umständen sehr gegensätzlich in sich selbst werden, wenn Sie alles zugleich mittels einer aktiven Wirtschaftspolitik erreichen wollen, die nicht auf eine ausgeglichene Zahlungsbilanz, auf eine gleichgewichtige wirtschaftliche Ordnung hintendiert. Was dabei herauskommt, ist mit absoluter Sicherheit Dirigismus, so wie alle Länder dirigistische Maßnahmen ergreifen müssen, deren Währung nach außen nicht gesund und im Gleichgewicht ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Kreyssig: Lassen Sie sich doch mal was Neues einfallen!)

    Eine meiner kritischen Anmerkungen zum Vertrag war weiter, daß hierin von „Zahlungsbilanzkrisen" gesprochen wird und daß Zahlungsbilanzkrisen automatisch die Möglichkeit eröffnen, Schutzklauseln zur Anwendung zu bringen. Meine Damen und Herren, Zahlungsbilanzkrisen fallen nicht vom Himmel, sondern sie erwachsen aus dem Verhalten der nationalen Volkswirtschaften. Deshalb müßte in einem solchen Vertrag nach meiner Ansicht mehr Bestimmtheit, mehr Kraft auf die Einhaltung gesunder Prinzipien gelegt werden als auf die Möglichkeit, diesen gesunden Prinzipien entweichen zu können und Schutzklauseln dafür in Anspruch nehmen zu dürfen.
    Das ist eigentlich das Kernstück meiner Kritik. Aber ich füge gleich hinzu: Ein solcher Vertrag ist ein Kompromiß zwischen sechs Ländern. Ich hätte mir beileibe auch nicht eingebildet, daß ich es zuwege gebracht hätte, alles durchzusetzen, was ich aus der Vorstellung einer idealen Norm heraus an volkswirtschaftlichen Einsichten hätte verwirklicht sehen wollen. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit.
    Im übrigen verwahre ich mich aber — und da spreche ich für die ganze Bundesregierung — gegen den Vorwurf, daß wir bei internationalen Verträgen sozusagen immer eine Politik des sozialen Rückschritts betrieben. Das ist einfach nicht wahr. Das ist eine Verleumdung; ich kann es nicht anders bezeichnen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der SPD.)

    Der Sozialrat ist in diesem Vertrag als ein beratendes Gremium enthalten, und mehr kann er auch nicht sein. Im übrigen würde meiner Ansicht nach ein Sozialrat seine Funktion — auch nur eine beratende Funktion — nur dann recht erfüllen können, wenn er nicht etwa nur paritätisch aus den Sozialpartnern zusammengesetzt wäre, sondern wenn er alle Volkskreise einschlösse. Denn es gibt in jeder Volkswirtschaft nicht nur Ange- hörige der beiden Sozialpartner, sondern auch noch sehr viele andere Volkskreise wie die freien Berufe, die Rentner; diese gehören dazu.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wenn Sie einem Sozialrat weitergehende Vollmachten geben wollten und das für richtig hielten, müßten Sie ein frei gewähltes Parlament setzen; das wäre dann echte Demokratie.

    (Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich darf noch einen anderen Punkt erwähnen; aber ich glaube, Herr Deist, das war nur ein Irrtum Ihrerseits. Die Zölle nach außen sind keine gewogenen Zölle, die zu der Menge der Einfuhr in Beziehung stehen; die Zollsätze wurden einfach addiert und dividiert. Es ist also ein reines


    (Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhard) arithmetisches Mittel, kein gewogenes Mittel, das da zustande gekommen ist.

    Ich glaube also, ganz deutlich gemacht zu haben, wo ich stehe und daß meine Kritik, wo immer ich sie geübt habe, nicht etwa als eine Flucht aus Europa, als eine Angst vor Europa gedeutet werden kann und nicht etwa von einem deutschen wirtschaftspolitischen Egoismus getragen war, sondern umgekehrt: von der Sehnsucht und dem Verlangen — so wie ich seit neun Jahren praktisch gehandelt habe —, dieses Europa schneller und wirksamer zu bauen und möglichst schnell auf eine gesunde freiheitliche Grundlage zu stellen.
    Ich habe nicht von Romantikern gesprochen, sondern ich habe gesagt, es sei eine romantische Vorstellung, zu glauben, daß jeder Vertrag, gleichgültig wie er auch aussehe, dieses Ziel — und im Ziel sind wir uns ganz bestimmt einig — erreichen würde.
    Es wird meiner Ansicht nach darauf ankommen — und diese Frage wird die Regierung und dieses Hohe Haus noch zu beschäftigen haben —, daß dieser Vertrag im rechten Geiste, aus der gemeinsamen Verantwortung heraus gehandhabt wird. Wenn Sie nur die Paragraphen nehmen, dann liegen das Gute und das Böse nahe beieinander. Man kann aus einem solchen Vertragswerk dieses oder jenes machen. Aber wenn wir ein freiheitliches Europa bauen wollen — und dieser Wille steht am Anfang —, wird es darauf ankommen, daß die richtigen Menschen mit der richtigen Haltung an dieses Vertragswerk herangehen.
    Noch eine Schlußbemerkung, meine Damen und Herren. Wenn ich, der ich, wie gesagt, manche Kritik geübt habe — und ich habe hier nichts von meiner Kritik verschwiegen, ich habe die einzelnen Punkte dieser Kritik hier vor diesem Kreise lückenlos aufgezählt, um deutlich zu machen, was mich zu dieser Kritik bewogen hat —, trotzdem, weil ich zu der Idee des Gemeinsamen Marktes stehe und weil ich vor allen Dingen zutiefst davon überzeugt bin, daß es unser Schicksal ausmacht, auch politisch zusammenzufinden, — wenn ich also trotz mancher kritischen volkswirtschaftlichen Anmerkungen ja sage, dann gilt dieses Bekenntnis, dieses Ja mehr als die Zustimmung von irgendeinem, der sich nicht diese Sorge und so viele Gedanken um das Zustandekommen dieses Vertrages gemacht hat.

    (Anhaltender Beifall bei den Regierungsparteien. — Beifall bei Abgeordneten der FDP.)