Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen sowohl von Herrn Neumann wie auch von Herrn Schellenberg veranlassen mich, obwohl das Hohe Haus sicherlich schon wielder etwas stark mit sozialpolitischen Fragen strapaziert wird, doch noch ein paar Bemerkungen zu machen. Herr Kollege Neumann, ich bin durchaus mit Ihnen einig, wenn Sie bei der Schilderung der Zustände, die 1945 in Berlin herrschten, darauf hinweisen, daß diese besondere Not besondere Maßnahmen erfordert hat. Ich bin sehr dankbar, daß Sie dann bei 1950 erwähnten, daß die Zusammenarbeit ,aller Parteien maßgebend war. Gestatten Sie mir, ganz bescheiden die Anmerkung zu machen, daß auch schon 1945 Leute der Christlich-Demokratischen Union mit der SPD zusammengearbeitet haben. Ich bitte Sie dringend, das nicht geflissentlich zu übersehen und im Zuge der Ausführungen zu vergessen. Aber ich nehme an, daß das nur ein Versehen war. Sie sprachen nämlich hinsichtlich der Zeit von 1945 nur von „wir".
— Gut! Wenn Sie uns dabei einschließen, Herr Kollege Neumann, dann ist ,das selbstverständlich in Ordnung.
Herr Kollege Schellenberg, ich habe mich sehr gefreut, Sie hier von der Tribüne des Parlaments sagen zu hören, in welch hohem Maße die Bundesrepublik dazu beiträgt, daß wir in Berlin die Renten zahlen können, wie wir sie jetzt beschlossen haben. Herr Kollege, darf ich Sie freundlichst auffordern, dies auch in den Berliner Rentnerversammlungen entsprechend zum Ausdruck zu bringen
und zu sagen: hier haben wir eine echte Leistung der Bundesrepublik Deutschland — und die Berliner Rentner wissen ja auch, daß die Beschlüsse im Bundestag der Bundesrepublik Deutschland schließlich und endlich von der Mehrheit der CDU abhängen.
Wenn Sie also freundlichst sagen wollen, daß die Mehrheit der CDU diese Leistungen beschlossen hat, bin ich Ihnen in Zukunft sehr dankbar.
— Ich spreche von den Leistungen, ,die jetzt neu nach Berlin fließen, Herr Kollege Neumann. — Ich bin gern bereit, mich mit dem Herrn Kollegen Schellenberg — wir haben es schon einmal vor 8000 gemacht — auseinanderzusetzen, um klarzustellen, daß diese Leistungen aus der Bundesrepublik — hier sind wir uns alle einig — maßgebend sind in ihrer Bedeutung für ,die Aufrechterhaltung des Lebensstandards unserer Rentner.
— Mit der kleinen Einschränkung der 60jährigen Frauen. Aber, Herr Kollege Schellenberg, da sind wir ja auf dem Gebiet: Wir können als Berliner doch nicht immer sagen, wir wollen nur die Zuckerbonbons haben, und die Pillen, die dazugehören, wollen wir nicht schlucken! So geht es nicht. Man kann doch nicht sagen: Berlin muß immer nur das Gute haben, und wenn es einmal nach der anderen Seite ausschlagen sollte, wollen wir uns dem entziehen.
Der Herr Kollege Neumann hat gesagt, an den verschiedenen Grenzen unserer Stadt herrsche verschiedenes Recht in bezug auf die Krankenversicherung. Herr Kollege Neumann, niemand bedauert das mehr als wir. Aber diese Unterschiedlichkeit in den Rechtszuständen ist heute gegeben und wird in Zukunft, wenn wir und die Bundesrepublik einheitliches Recht haben, auch gegeben sein. Dort, wo es an uns liegt, die Menschen unter das gleiche Recht zu bringen, müssen wir es tun.
Wir hören in diesem Haus immer wieder, die Christlich-Demokratische Union oder insbesondere die Regierung tue zuwenig in bezug auf die Verlegung von Bundesbehörden nach Berlin. Es wird gesagt, die Bundesregierung solle Ministerien nach Berlin legen. Ja, dann müssen Sie doch auch sehen, welche Konsequenzen es z. B. auf unserem Gebiet hat. Sie haben das Drängen nach einem ,einheitlichen Recht auf sozialpolitischem Gebiet in Berlin bezweifelt. Frag en Sie einmal die Angestellten der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte! Hier haben Sie zwei Kategorien von Angestellten.
— Das sage ich ja eben, Frau Kollegin Kalinke. Ich bin Ihnen dankbar, daß Sie das Wort „in einem Haus" noch hinzufügen. In einem Haus also — da darf ich mich Frau Kalinke anschließen — haben Sie zwei Kategorien von Angestellten. Einer Kategorie geben Sie erst einmal das Recht, sich die Kasse zu wählen, und zweitens das Recht, auch noch die Vertreter in der Krankenkasse selber zu wählen. Und den Berlinern, die sich nachgewiesenermaßen — wie auch Sie immer wieder sagen — ihr Gespür für freie Wahlen bewahrt haben, die nachgewiesenermaßen bei freien Wahlen ganz eindeutig entscheiden, gerade diesen Berlinern enthalten Sie das Wahlrecht an zwei verschiedenen Stellen vor!
Sie sagten weiter, Herr Kollege Neumann, daß die größten Betriebe Betriebskrankenkassen gar nicht wollen. Nun, wir wissen, wie man das ansehen kann. Sie haben bezeichnenderweise auch die BEWAG zitiert. Aber, Herr Kollege Neumann,
wenn es um den Beweis der Solidarität geht, ist es doch viel günstiger, wenn man diesen Beweis in Freiheit bringt, als wenn man einfach gar nichts anderes wählen kann.
So glaube ich also, daß das notwendig ist.
Kollege Schellenberg, Sie haben vorhin gesagt: Machen wir es jetzt nicht, dann machen wir es im nächsten Bundestag. Sie wissen genauso gut wie ich, wann die Wahlen sind. Sie haben sich den Argumenten des Kollegen Grantze angeschlossen, daß man eine lange Zeit braucht, bis wir wählen können. Gerade deshalb müssen wir das jetzt noch beschließen, damit auch die Vorbereitungen für die freien Wahlen in den Körperschaften getätigt werden können.
Herr Kollege Schellenberg, Sie haben davon gesprochen, die Gleichstellung der Arbeitnehmer im Krankheitsfalle verhindere die Angleichung. Das ist einfach nicht richtig. Das ist ein Problem, das sich auf die gesamte Bundesrepublik erstreckt, aber kein besonderes Berliner Problem. Dieses Problem stellt sich überall, wie wir alle auch aus unseren Vereinbarungen im Ausschuß wissen. Selbst wenn also der Herr Bundesarbeitsminister gesagt hätte, er schließe sich dem nicht an, oder das Gegenteil gesagt hätte, ergäbe sich doch einfach aus den Vereinbarungen bei unserer praktischen Arbeit im Ausschuß, daß wir erst Ihren Gesetzentwurf über die Gleichstellung der Arbeitnehmer im Krankheitsfall beraten. Dann aber können wir diesen Gesetzentwurf nicht mehr vorher beraten. Das ist eindeutige Abmachung. Sollten Sie daran allerdings die Vorstellung knüpfen, ,die An-
i) gleichurig der Berliner Krankenversicherung könne nur kommen, wenn wir Ihren Vorstellungen über die Gleichstellung der Arbeitnehmer im Krankheitsfalle folgten, dann werden wir noch zu harten Auseinandersetzungen miteinander kommen.
Das Gesetz zur Einführung der Selbstverwaltung in Berlin hat erst einmal — ich darf das mit aller Deutlichkeit sagen — das Ziel, die bisherige Benachteiligung der Berliner in der freien Wahl ihrer Kasse wie in der Wahl ihrer Selbstverwaltungskörperschaften zu beseitigen, und es hat die Aufgabe, diese Selbstverwaltungswahl und diese Entscheidungsfreiheit durch organisatorische Neuordnung einzuführen. Gerade das, was Sie uns vorgeworfen haben, ist nicht drin. Wir wollen das Leistungsrecht in Berlin nicht verschlechtern, sondern es erhalten. Dazu gibt es sogar eine Garantie, und bis zu ihrem Auslaufen werden wir gemeinsam dafür sorgen, daß das Gesamtleistungsrecht der Krankenkassen neu geregelt, wenn auch vielleicht nicht so geregelt wird, wie es Ihren Vorstellungen entspricht.
Der Anregung des Kollegen Neumann, das Gesetz auch im Gesamtdeutschen und Berliner Ausschuß zu beraten, müssen wir widersprechen, weil es sich um eine sozialversicherungstechnische Angelegenheit handelt,
weil es um die Einführung der Selbstverwaltung geht, die nicht mit den anderen Problemen zusammenhängt.