Wird dazu weiter das Wort gewünscht? — Frau Abgeordnete Kalinke, bitte sehr.
Frau Kalinke : Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Fraktion der Deutschen Partei begrüßt die Vorlage der Regierung und die Beendigung der Rechtsunsicherheit sowie die Herstellung der Rechtseinheit mit dem Lande Berlin. Wir glauben, daß all die Erklärungen, die in diesem Hause bei so vielen Gelegenheiten über die Rechtseinheit und die Zugehörigkeit Berlins zur Bundesrepublik abgegeben wurden, nur Erklärungen blieben, wenn wir nicht in diesem Parlament noch in dieser Legislaturperiode dafür Sorge trügen, den Schlußstrich unter das Kapitel des Berliner besonderen Sozialversicherungsrechts zu ziehen. Deshalb hoffen wir, daß auch diejenigen, die das „Berliner Experiment", wie der Herr Arbeitsminister bei seiner Begründung sagte — ich bin nicht ganz einig mit ihm —, unter dem Zwang der Situation nach 1945 gemacht haben, heute die Notwendigkeit der Rechtseinheit einsehen werden.
Ich will jetzt nicht darauf eingehen, daß wir vor der gleichen Notwendigkeit, die für Berlin zugegeben wird, auch im Bundesgebiet gestanden haben, und zwar unter sehr viel schwierigeren Verhältnissen. Ich bin der Meinung, daß wir im Zusammenhang mit der Wiederherstellung der Rechtseinheit über das Vergangene heute nicht mehr sprechen sollten, uns aber um so eindeutiger gemeinsam dafür entscheiden sollten, daß in Zukunft das, was in der Bundesrepublik Rechtens ist, ohne Sonderregelungen auch für Berlin Rechtens sein muß. Wir begrüßen insbesondere, daß endlich mit dem unterschiedlichen Recht in der Selbstverwaltung aufgehört werden soll. Wer die Selbstverwaltung als die höchste Schule der Demokratie auch in der Sozialversicherung nach einheitlichen Begriffen verwirklicht sehen will, muß allen Vertretern der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber die gleichen Rechte für die Benennung ihrer Vertreter in den Organen der Selbstverwaltung zubilligen. Darum glauben wir, daß die vielen Bedenken, die in der Vergangenheit laut geworden sind, für eine Stadt wie Berlin am allerwenigsten gelten. Denn wenn jemand vor undemokratischen Einflüssen, von welcher Seite sie auch kommen mögen, sicher ist, dann sind es, scheint mir, unsere Berliner Arbeiter und Angestellten und ihre Arbeitgeber. Deshalb ist auch dieses so oft in die Diskussion geworfene Argument wirklich jeder Bedeutung entkleidet.
Schon 1951, also vor mehr als sechs Jahren, ist im Abgeordnetenhaus in Berlin immer wieder erklärt worden, daß diese Rechtseinheit auch das Ziel der Berliner Abgeordneten, ich möchte heute sagen: aller Parteien sei. Ich denke daran, daß der Beschluß immer noch nicht verwirklicht ist, den der Berliner Senat gefaßt und im Mai 1955 als Senatsbeschluß Nr. 525 veröffentlicht hat. Wir erwarten, daß der Senat heute die Verwirklichung dieses damaligen Beschlusses eindeutig unterstützt, den er, wohlgemerkt, bereits im Mai 1955 veröffentlicht hat: „Der Senat hält es für angebracht, die Angleichung an den Rechtszustand der Bundesrepublik vorzunehmen."
Ich will nicht verschweigen, daß damals wie schon in der Regierungserklärung des verstorbenen Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Reuter, 1955 — —
— Ich habe mich versprochen, ich meinte 1952. Vielen Dank für den Hinweis. Schon damals hat Herr Reuter darauf hingewiesen, daß es selbstverständlich kein verschiedenes Recht zwischen Berlin und der Bundesrepublik geben sollte. In der Regierungserklärung von 1955 wurde dieselbe Auffassung bestätigt und vertreten, allerdings mit der einschränkenden Bemerkung, „daß die gleichen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse erreicht sein sollten." — Herr Professor Schellenberg lacht schon vor Vergnügen, weil er uns nachweisen will, daß diese Verhältnisse nicht erreicht sind, und ich freue mich auf die Diskussion mit ihm.
— Mit Trauer, ja. Aber ich werde Ihnen an dem Geschäftsbericht Ihrer KVA nachweisen, daß auch eine Berliner Ortskrankenkasse durchaus die Möglichkeit hat, mit ihren Problemen unter denselben Voraussetzungen fertig zu werden, unter denen große Ortskrankenkassen in der Bundesrepublik damit fertig werden müssen. Ich bin da nicht der Auffassung des Sprechers der CDU, daß die Schwierigkeiten zu groß seien.
Ich darf also hoffen, daß nach Überweisung der Vorlage an den Ausschuß mit Eifer dafür gesorgt wird, daß die Rechtseinheit endlich Wirklichkeit wird und die Angestellten und Arbeiter in Berlin das gleiche demokratische Recht wie in der Bun-
desrepublik erhalten, ihre Innungskassen, ihre Ersatzkassen und ihre Betriebskassen selbst zu wählen.