Rede von
Dr.
Gerhard
Schröder
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst nur mit dem Punkt „Forschungsrat" beschäftigen, werde mich dann im zweiten Teil meiner Darlegungen kurz mit der teils an mir, teils an der Bundesregierung geübten Kritik befassen und behalte mir vor, im Laufe der Debatte zu weiteren Einzelfragen Stellung zu nehmen.
Die Förderung der wissenschaftlichen Forschung und Lehre und die Koordinierung der Wissenschaftsfinanzierung sowohl zwischen den Bundesressorts als auch besonders zwischen Bund und Ländern gehören zu den Themen, die im Augenblick in der politischen Diskussion stark hervortreten. Nachdem jahrelang die Sorgen um wirtschaftliche und soziale Existenzfragen notgedrungen im Vordergrund des Bewußtseins gestanden haben, empfindet es unser Volk als eines seiner vornehmsten Anliegen, den Wissenschaften den ihnen gebührenden Platz einzuräumen. Dafür werden von allen Seiten eine schier unübersehbare Fülle von Vorschlägen gemacht. Der vorliegende Entwurf der SPD für ein Gesetz über die Errichtung eines Deutschen Forschungsrates ist einer von den vielen Vorschlägen, die sich besonders mit organisatorischen Fragen befassen. Den ersten Vorschlag dieser Art hat schon im Juli des vorigen Jahres der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft gemacht.
Wie ich am 19. Januar in Stuttgart, zwei Tage vor dem Datum des vorliegenden Gesetzentwurfs vom 21. Januar, erklärt habe, erscheint es der Bundesregierung dringend notwendig, daß ein Gremium von höchster Autorität berufen wird, dem die Aufgabe obliegt, sich einen umfassenden Überblick über die Bedürfnisse der deutschen Wissenschaft zu verschaffen und Vorschläge auszuarbeiten, die den Regierungen von Bund und Ländern als Grundlage für ihre Finanzierungs- und Koordinierungsmaßnahmen dienen können.
Ich bezweifle, ob der Initiativantrag der SPD zur Erreichung dieses Ziels geeignet ist. Ich möchte kurz dazu Stellung nehmen.
Zunächst muß die Frage gestellt werden, ob wirklich ein neues Gesetz erforderlich ist. Ein Gesetz erscheint mir unnötig, weil die Aufgabe anders lösbar ist. Es erscheint mir gefährlich, weil die Länder gerade im kulturellen Bereich besonders empfindlich sind, und schließlich erscheint mir die vorgeschlagene Einrichtung zu starr, um mit der Dynamik der Aufgaben fertig werden zu können.
Es ist daher nach Auffassung der Bundesregierung vorzuziehen, daß Bund und Länder eine Verwaltungsvereinbarung schließen. Diese hat den Vorteil, daß sie schneller und leichter den sich ändernden Verhältnissen angepaßt werden kann. Die Bundesregierung ist zum Abschluß eines solchen Abkommens bereit. Ohne den Entscheidungen der heutigen Ministerpräsidentenkonferenz in Wiesbaden vorgreifen zu wollen, die sich gerade in diesen Stunden mit diesem Problem befaßt, möchte ich annehmen, daß eine entsprechende Bereitschaft auch auf seiten der Länderregierungen vorhanden ist. Die Kultusminister haben jedenfalls bei ihrer letzten Plenarsitzung vom 17. und 18. Januar dieses Jahres ein entsprechendes Abkommen angeregt. Der Herr Bundeskanzler hat die Ministerpräsidenten zu einer gemeinsamen Erörterung auf den 21. März 1957 eingeladen.
In formeller Hinsicht mußte zunächst die Frage gestellt werden, ob wirklich ein neues Gesetz erforderlich ist. In materieller Hinsicht möchte ich das Folgende hervorheben.
Man sollte dem vorgeschlagenen Gremium nicht den Namen „Deutscher Forschungsrat", sondern „Deutscher Wissenschaftsrat" geben. Das ist nicht etwa, wie vielleicht der eine oder andere zunächst denken möchte, eine nebensächliche Frage, eine Belanglosigkeit in der Namensgebung. Vielmehr muß von vornherein zum Ausdruck gebracht werden, daß wissenschaftliche Forschung und Lehre eine untrennbare Einheit bilden. Die wissenschaftliche Lehre ist die Voraussetzung für die wissenschaftliche Forschung. Nach guter deutscher Wissenschaftstradition bilden Forschung und Lehre auf den deutschen Universitäten ein einheitliches Ganzes, das in dieser Art erhalten bleiben muß. Die deutsche wissenschaftliche Hochschule vereint damit in glücklicher Weise die beiden Seiten der Aufgaben, welche die Wissenschaft zu erfüllen hat: nämlich der Wahrheit in ständigem geistigem Bemühen näherzukommen und das Erkannte der nachdrängenden jungen Generation zu eigenem Besitz zu vermitteln. Der Wissenschaftsrat sollte sich daher nicht nur um die Notwendigkeiten der deutschen wissenschaftlichen Forschung bemühen, sein Augenmerk sollte vielmehr auf das Ganze von Forschung und Lehre gerichtet sein. Er sollte bei seinen Bemühungen alle Institutionen einbeziehen, die den Wissenschaften zu dienen bestimmt sind, mag es sich um Einrichtungen handeln, die nur der Forschung dienen, oder die — wie die wissenschaftlichen Hochschulen — Forschung und Lehre miteinander verbinden.
Bevor ich nun auf den Inhalt des vorliegenden Gesetzentwurfs näher eingehe, gestatten Sie mir, meine Damen und Herren, noch einige weitere grundsätzliche Hinweise, die für die Kritik an diesem Entwurf den Maßstab abgeben.
Es wird von prinzipieller kulturpolitischer wie staatspolitischer Bedeutung sein, daß bei der Bildung des Wissenschaftsrates die in Deutschland traditionellen und wohlbewährten Formen der Wissenschaftspflege nicht außer acht gelassen werden. Die Selbstverwaltung der Wissenschaften ist die uns überlieferte lebendige Ausprägung der in der Verfassung niedergelegten Garantie der Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre.
Diese Selbstverwaltung sollte eine wesentliche Grundlage für die Tätigkeit eines deutschen Wissenschaftsrats sein. Forschung und Lehre können sich nur in Freiheit entfalten. Die Selbstverwaltungstradition der Wissenschaft in Deutschland bietet Beispiele genug, wie sich in glücklicher Weise Initiative von seiten der Forschung und Hilfe von seiten des Staates im Interesse der Wissenschaft zusammenfinden. Ich denke hier z. B. an Konstruktion und Funktion der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Sie hat vorbildlich die Zusammen-
arbeit von Repräsentanten der Wissenschaft mit Vertretern des Staates und privater Förderungsorganisationen verwirklicht und zugleich auch ein Beispiel für das Zusammenwirken von Bund und Ländern bei der gemeinsamen Aufgabe der Förderung der Wissenschaften gegeben.
Ich betrachte es als entscheidend, daß mit einem deutschen Wissenschaftsrat eine Organisation geschaffen wird. die jeder Tendenz zur staatsverwalteten Wissenschaft widersteht und in Selbstverantwortung der Wissenschaft und unter Mitwirkung von Vertretern des Staates die zu meisternden Aufgaben ohne Dirigismus löst. Ich habe Zweifel, ob der vorliegende Gesetzentwurf diesen grundsätzlichen Überlegungen Rechnung trägt.
Die SPD, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte ihrem Forschungsrat, wie Sie in § 2 finden, die Beobachtung der gesellschaftlichen, wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und technischen Entwicklung übertragen. Ferner soll er neben der Darlegung der Möglichkeiten zur Förderung der deutschen Wissenschaft auch „die mit der Kontrolle der Macht im demokratischen Staat verbundenen Probleme" beobachten.
Das steht in Abs. 2 Ziffer 3. Diese Aufgabenstellung, meine Damen und Herren, würde einem solchen Gremium Befugnisse überantworten, die über das hinausgehen war in sinnvoller Weise an Aufgaben gestellt werden kann,
nämlich diese: Vorschläge für eine alle Notwendigkeiten der deutschen Wissenschaft berücksichtigende finanzielle Förderung zu erarbeiten und den entscheidenden Instanzen von Bund und Ländern vorzulegen. Man kann ihm nicht die Aufgabe stellen, als Kontrollorgan über das gesamte öffentliche Leben tätig zu sein.
Im demokratischen Staat wird diese Kontrolle von den hierfür eingesetzten verfassungsmäßigen Organen ausgeübt.
— Wo das steht, das läßt sich durch leichte Lektüre von § 2 ermitteln.
— Ich sage es noch einmal: das läßt sich leicht bei der Lektüre von § 2 ermitteln.
Gestatten Sie mir, meine Damen und Herren, daß ich Ihnen nach diesen Bemerkungen zu dem vorliegenden Gesetzentwurf in großen Zügen einige weitere Überlegungen zum Problem „Wissenschaftsrat" vortrage, wobei ich Sie bitten darf, sich die grundsätzlichen Erwägungen über die Stellung, die er als höchstes Selbstverwaltungsorgan der deutschen Wissenschaft einnehmen sollte, ins Gedächtnis zurückzurufen.
Zunächst zu den Aufgaben. Für einen deutschen Wissenschaftsrat stellen sich zwei Aufgabenkreise. Er sollte für einen gewissen Zeitraum, der vielleicht zunächst auf vier bis fünf Jahre zu bemessen wäre, einen Bedarfsplan für die Förderung der Wissenschaften erarbeiten. Er sollte ferner Pläne über den jeweils jährlich anfallenden entsprechenden Finanzbedarf aufstellen und den zuständigen Instanzen von Bund und Ländern vorlegen.
Der Deutsche Wissenschaftsrat müßte nach unseren Vorstellungen so zusammengesetzt sein, daß er mit größter Autorität sprechen kann, mit einer Autorität, die sich aus der Stellung und dem persönlichen Rang seiner Mitglieder ergibt. Nicht nur hervorragende Wissenschaftler und die Spitzen der großen Wissenschaftsförderungsorganisationen sollten ihm angehören, sondern auch hochgestellte Vertreter der Kultus- und Finanzverwaltungen von Bund und Ländern sowie angesehene Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben, die entsprechend ihren Aufgaben und ihrer Neigung ein enges Verhältnis zu den Wissenschaften besitzen. Damit würde, so scheint uns, die Gewähr gegeben sein, daß die für die Förderung der deutschen Wissenschaft zuständigen Stellen des Bundes und der Länder, die Repräsentanten der an der Selbstverwaltung der Forschung beteiligten Institutionen und ein Kreis von Persönlichkeiten, die dem wissenschaftlichen Leben nahestehen, jedoch an keinen Auftrag gebunden sind, mit den Vertretern der Forschung selbst zur Planung und Beratung zusammengeführt werden. Sachfremde Einflüsse bei der Arbeit des deutschen Wissenschaftsrats wären damit ausgeschlossen. In wohlabgewogener Weise wären Vertreter der Wissenschaft und des Staates beteiligt. Dies entspricht der deutschen Tradition einer modifizierten Selbstverwaltung des Wissenschaftsbereichs.
Man könnte schließlich daran denken, die Förderung sowohl der Wissenschaften wie auch der Studenten und des technischen Nachwuchses der Beratung eines zentralen Gremiums anzuvertrauen. Man wird prüfen müssen, ob dieser Weg zweckmäßig ist, oder ob es nicht besser ist, gesonderte Wege der Förderung für jeden dieser Aufgabenbereiche zu suchen. Sollte sich die Überzeugung durchsetzen, daß ein alle erwähnten Bereiche umfassendes Gremium als die beste Lösung erscheint, könnte man entsprechend der verschiedenen Aufgabenstellung eine Unterteilung in verschiedene Ausschüsse vorsehen.
Lassen Sie mich meine kritischen Bemerkungen zu dem vorliegenden Gesetzentwurf dahin zusammenfassen: Nach Rechtsform, Aufgabenstellung, Arbeitsmethode, Entstehung und Zusammensetzung erscheint dieses Gremium wenig erfolgversprechend. Es wäre eine starre neue, durch Gesetz errichtete Institution an Stelle eines unserer Wirklichkeit angepaßten Arbeitsinstruments.
Der Entwurf erscheint mir etwas wie eine Kunststeinfassade und ist im übrigen — die Herren werden mir das nicht übelnehmen — offenbar im Schnellbauverfahren errichtet worden. Sollte diese Behauptung beanstandet werden, bin ich gern bereit, sie ausführlicher zu erläutern.
Was wir wirklich brauchen, ist ein einfacheres und schlichteres Haus aus den uns zur Verfügung stehenden Baustoffen. Wenn der von mir in den Grundzügen skizzierte Deutsche Wissenschaftsrat durch ein Abkommen mit den Ländern zustande kommt, hätte er den Vorteil, von vornherein die Reibungen, ,die sich aus der Kompetenzverteilung ergeben, auf ein Minimum zu beschränken.
Meine Damen und Herren, nun darf ich mich mit dem, was ich Angriffe nannte, auseinandersetzen.
— Herr Kollege Eschmann, ich kann Sie nur schwer verstehen. Wenn Sie durch Zwischenrufe teilnehmen möchten, auf die ich antworten soll, ist hier vorn oder dort durch das Mikrophon eine bessere Gelegenheit dazu gegeben. — Wenn ich es richtig verstanden habe, richteten sich die kritischen Bemerkungen gegen einen Brief, den ich am 15. Dezember an den Herrn Präsidenten dieses Hohen Hauses gerichtet habe, und zwar, weil ich ein entsprechendes Versprechen, wenn ich mich so ausdrücken darf, in der Bundestagsdebatte am 7. Juni gegeben hatte. Sie werden sich erinnern, daß man von der damaligen Debatte den Eindruck :gewinnen mußte, als ob wir in puncto Kultur wirklich am Ende 'der Schlange vergleichbarer Nationen rangierten.
Ich habe damals gesagt, wir sollten den Versuch machen über den Stand der kulturpolitischen Förderungsmaßnahmen in der Bundesrepublik im Vergleich zum Ausland Auskunft zu bekommen. Eine solche Untersuchung hatte es bis dahin überhaupt noch nicht gegeben. Den Zahlen, die hier ermittelt worden sind, gingen sehr schwierige und umfangreiche Arbeiten sowohl des Statistischen Bundesamts als auch anderer Stellen voraus. Im übrigen habe ich die Genugtuung — wenn ich das hier sagen darf —, daß diese Zahlen in ihrer absoluten Größenordnung inzwischen völlig unbestritten sind, ganz gleichgültig, was man für Kommentare daran knüpfen will, und daß sie geradezu zum Bestandteil der augenblicklichen Diskussion, nicht hier in diesem Hause, sondern ganz allgemein, gehören.
Das war der Zweck dieser Untersuchung. Ich darf hier einschaltend sagen, daß ich gerade in den letzten Tagen mit einem der hervorragendsten Vertreter der deutschen Wissenschaft rund Forschung gesprochen habe, der mir auf meine ausdrückliche Frage, was er denn glaube, wie stark wir in den letzten Jahren international .aufgeholt hätten, sagte, daß das ein ganz beträchtliches Stück auch internationalen Aufholens sei. Sie würden, wenn Sie den Gesprächspartner kennten, nicht daran zweifeln, daß er für solche Feststellungen wie kaum ein anderer legitimiert erscheint.
Das war zunächst der Zweck dieser Zahlen.
Zum anderen ist einiges herausgekommen, was, wie ich gerade gehört habe, wenn ich es richtig deute, auch Herr Kollege Ratzel mit Zustimmung verzeichnet. Wir haben nämlich zum erstenmal gesehen, was wir bis dahin nicht wußten: daß wir früher bis zum Jahre 1928 im kulturellen Aufwand eine steigende Linie hatten, daß aber .dann erst im Jahre 1951 der kulturelle Aufwand das Jahr 1928 wieder überholt hat. Und wohlgemerkt, wir sind natürlich nicht so naiv, das etwa ohne Korrekturen von Preisen usw. darzustellen, sondern nach den dafür gegebenen statistischen Ausgleichsmethoden.
Das war eine sehr interessante Erkenntnis, und man sollte sie nicht herabsetzen, sondern man sollte den Stellen, die sie erarbeitet haben, dafür getrost den Kredit zukommen lassen.
Diese Zahlen haben im übrigen ein Drittes ergeben, nämlich, daß wir im Vergleich mit Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden und Belgien in Beziehung zum Bruttosozialprodukt des einzelnen Landes mit 3,6 % kulturellen Ausgaben, gemessen am Sozialprodukt, an der Spitze liegen. Auch das ist eine Zahl, die nicht etwa dazu verleiten könnte, nun zu sagen: „Wir haben alles erreicht!", aber sie kann mindestens unberechtigte Minderwertigkeitskomplexe etwas mildern.
Meine Damen und Herren, ich habe dann aus diesen Zahlen einige Schlußfolgerungen gezogen, Schlußfolgerungen, deretwegen man mir offenbar besonders böse ist. Ich habe gesagt — ich darf den Satz vorlesen —:
Die geforderte Steigerung der bisher vom Bund in Höhe von 28 Millionen DM gezahlten Ausbildungsbeihilfen für Studenten auf 200 oder gar 500 Millionen DM jährlich würde die Grenzen der Begabtenförderung weit überschreiten.
Ich habe hinzugefügt, daß es vergleichbare Stipendienmittel nicht gibt. Ich werde vielleicht Gelegenheit haben, im Laufe der Debatte darauf noch einmal ausführlicher zurückzukommen.
Aber, meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen doch eines vorlesen, etwas, das uns zum Nachdenken veranlassen könnte. Als vorsichtiger Mann lese ich das Zitat gleich aus einer sozialdemokratischen Zeitung vor; das erleichtert mir natürlich die Beweisführung ganz außerordentlich.
— Ich habe Sie nicht verstanden, Herr Kollege Mellies. — Es ist — um es gleich zu sagen — die „Neue Rhein-Zeitung" vom 26. Februar 1957; Sie sehen, eine durchaus noch aktuelle Nummer. Dort heißt es folgendermaßen:
Wie ein überraschender Paukenschlag wirkt deshalb die Nachricht aus dem NRW-Kultusministerium: Die Studenten schöpfen die ihnen von der Landesregierung gebotenen finanziellen Hilfsquellen nicht voll aus.
Ich lese es Ihnen weiter vor:
Der zuständige Referent im NRW-Kultusministerium hat jetzt die Meldung bekommen, daß im Sommer-Semester 1956 genau 25,2 Prozent aller Studenten in NRW keine Gebühren bezahlt haben. Die Gebühren betragen etwa 200 DM je Semester. Das Land hat aber so viel Mittel bereitgestellt, daß 30 Prozent aller Studenten in NRW ohne Gebühren studieren könnten; rund 2,4 Millionen DM. Warum, so fragt sich der ahnungslose Staatsbürger, werden diese Millionen zum Teil verschmäht?
Meine Damen und Herren, das ist doch eine Meldung, die uns, glaube ich, veranlassen sollte, aufzuhorchen, wenn wir uns im selben Augenblick vor Millionen-, vor Hunderte-von-Millionen-Forderungen sehen.
Diese Sache wird dann hier so erklärt, daß „ohne Fleiß-Billett kein Preis" sei, und es wird gesagt, daß es schwierig sei, eine Fleißprüfung zu machen. Meine Damen und Herren — gleich, Herr Kollege Kahn-Ackermann! —, soviel scheint mir sicher — viele von uns sind doch einen zum Teil mühseligen Weg durch die Hochschulen gegangen —: Es müssen zwei Dinge zusammenkommen, wenn man von der Gesamtheit Leistungen für sich entgegennehmen möchte; es genügt nicht die allgemeine Forde-
rung, sondern zu einer ausreichenden Begabung auch ein entsprechendes Fleißtestat.
Und es wurde offensichtlich nur von 25,2 % der Studenten für wert erachtet, diese 200 Mark Gebührenerlaß pro Semester zu bekommen.
Bitte sehr, Herr Kollege Kahn-Ackermann!