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ID0219501700

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    2. Deutscher Bundestag — 195. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 27. Februar 1957 11093 195. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 27. Februar 1957. Geschäftliche Mitteilungen 11100 A Beschlußfassung des Bundesrats zu Gesetzesbeschlüssen des Bundestags . . . . 11093 D Vorlage des Berichts des Bundesministers des Innern über die berufliche und gesellschaftliche Eingliederung der aus der Sowjetzone geflüchteten Jugend (Drucksache 2034, 3237) 11093 D Aussprache über den Bericht der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 3200, zu 3200, Umdrucke 961, 962, 963) 11093 D Lücker (München) (CDU/CSU) . . 11093 D Kriedemann (SPD) . . . . 11100 A, 11144 C Bauknecht (CDU/CSU) 11109 D Mauk (FDP) 11114 B, 11115 B, C Lahr (FVP) 11115 B, C, 11139 A Elsner (GB/BHE) 11119 D Dr. Preiß (FVP) 11122 A Müller (Wehdel) (DP) 11124 D Dr. h. c. Lübke, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 11128 D Frehsee (SPD) 11132 D Struve (CDU/CSU) 11135 B Lermer (CDU/CSU) 11137 B Dr. von Buchka (CDU/CSU) . . . 11138 D Fassbender (DP) 11140 B Dr. Horlacher (CDU/CSU) 11142 A Ausschußüberweisungen . . . . 11144 D, 11145 A Beschlußfassung zum Entschließungsantrag Umdruck 963 11145 A Nächste Sitzung 11145 C Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 11145 A Anlage 2: Entschließungsantrag der Fraktionen der DP, FVP zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Umdruck 961) 11146 A Anlage 3: Entschließungsantrag der Fraktionen der DP, FVP zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Umdruck 962) 11146 C Anlage 4: Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Umdruck 963) 11146 D Die Sitzung wird um 14 Uhr durch den Vizepräsidenten Dr. Schneider eröffnet.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten a) Beurlaubungen Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Ackermann 16. 3. Albers 3. 3. Albrecht (Hamburg) 27. 2. Dr. Arndt 27. 2. Bals 4. 3. Dr. Bartram 27. 2. Dr. Becker (Hersfeld) 16. 3. Behrisch 2. 3. Bender 1. 3. Berendsen 27. 2. Brese 9. 3. Brück 27. 2. Cillien 2. 3. Dr. Czaja 6. 3. Dr. Dehler 28. 2. Dr. Dresbach 27. 2. Eberhard 28. 2. Frau Finselberger 1. 3. Freidhof 27. 2. Geiger (München) 1. 3. Gerns 16. 3. Giencke 27. 2. Gockeln 2. 3. Dr. Götz 1. 3. Dr. Greve 27. 2. Günther 27. 2. Hahn 28. 2. Häussler 27. 2. Frau Heise 6. 3. Hepp 2. 3. Heye 27. 2. Dr. Höck 28. 2. Höfler 2. 3. Hoogen 1. 3. Frau Dr. Ilk 1. 3. Karpf 27. 2. Kiesinger 9. 3. Frau Kipp-Kaule 27. 2. Koenen (Lippstadt) 1. 3. Dr. Köhler 2. 3. Könen (Düsseldorf) 1. 3. Frau Korspeter 2. 3. Kramel 27. 2. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Kreyssig 1. 3. Kühn (Köln) 27. 2. Kunze (Bethel) 28. 2. Lange (Essen) 27. 2. Dr. Leiske 27. 2. Dr. Leverkuehn 27. 2. Dr. Löhr 27. 2. Lücke 6. 3. Lulay 27. 2. Dr. Mende 28. 2. Merten 1. 3. Metzger 27. 2. Mißmahl 1. 3. Dr. Mocker 28. 2. Morgenthaler 30. 4. Müller-Hermann 27. 2. Neuburger 2. 3. Neumann 1. 3. Neumayer 16. 3. Oetzel 27. 2. Ollenhauer 27. 2. Onnen 27. 2. Pelster 27. . Rademacher 1. .3 Rehs 27. 2 Dr. Reichstein 1. 3. Dr. Rinke 1. 3. Frau Rudoll 27. 2. Ruhnike 28. 2. Ruland 27. 2. Rümmele 27. 2. Dr. Schild (Düsseldorf) 27. 2. Schill (Freiburg) 27. 2. Schloß 27. 2. Dr. Schmid (Frankfurt) 2. 3. Schmücker 16. 3. Schneider (Bremerhaven) 27. 2. Schneider (Hamburg) 2. 3. Frau Schroeder (Berlin) 31. 5. Seiboth 28. 2. Dr. Starke 27. 2. Frau Dr. Steinbiß 28. 2. Stingl 28. 2. Stücklen 6. 3. Wedel 1. 3. Wehr 6. 3. Dr. Wellhausen 27. 2. Frau Welter (Aachen) 27. 2. Dr. Werber 27. 2. Wolf (Stuttgart) 4. 3. ****) Siehe Anlage 4. b) Urlaubsanträge Abgeordnete(r) bis einschließlich Arnholz 30. 3. Hellenbrock 10. 3. Dr. Keller 9. 3. Moll 1. 4. Dr. Pohle (Düsseldorf) 9. 3. Raestrup 16. 3. Richter 9. 3. Dr. Schranz 11. 3. Srock 9. 3. Anlage 2 Umdruck 961 (Vgl. S. 11139 A, 11144 D) Entschließungsantrag der Fraktionen der DP, FVP zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 3200, zu 3200). Der Bundestag wolle beschließen: Zu Abschnitt B Ziffer II des Grünen Planes 1957 (zu Drucksache 3200) Die Bundesregierung wird ersucht, 1. über die zur Verbilligung von Handelsdünger (Nr. 2 Buchstabe a) bereitgestellten Mittel von 260 Millionen DM hinaus weitere Mittel bereitzustellen, um die bereits eingetretene Preiserhöhung der Phosphatdüngemittel und die angekündigte Preiserhöhung der Stickstoffdüngemittel auszugleichen; 2. bezüglich der Förderung der Verwendung von anerkanntem Kartoffelpflanzgut (Nr. 2 Buchstabe b Absatz 2) ,die teilweise Beschränkung auf bestimmte Betriebsgrößenklassen und Bodennutzungssysteme wegfallen zu lassen; 3. die unter Nr. 2 vorgesehenen Maßnahmen zur rationelleren Gestaltung der Erzeugung dahin zu ergänzen, daß zur Verbilligung des Dieselkraftstoffs ein Betrag eingesetzt wird, der ausreicht, um den Preisstand vom Mai 1956 wiederherzustellen. Gleichzeitig soll ein ausreichender Betrag bereitgestellt werden, um ,eine ,der Dieselkraftstoffverbilligung entsprechende Verbilligung des Vergaserkraftstoffes für Kleinaggregrate in landwirtschaftlichen Betrieben zu erreichen; 4. die unter Nr. 3 Buchstabe a Absatz 3 vorgesehene Beschränkung, wonach der Tierbestand amtlich als seuchenfrei anerkannt sein oder sich nach einem Plan in Sanierung befinden muß, der im Einvernehmen mit der zuständigen Landesbehörde aufgestellt ist, wegfallen zu lassen; 5. die unter Nr. 3 Buchstabe a Absatz 5 vorgesehenen Mittel für Seuchenbekämpfung - siehe auch Überblick unter Ziffer III Nr. 3 Buchstabe a (2) - um 100 Millionen DM auf 120 Millionen DM zu erhöhen; 6. im Zuge der Stärkung der kleinbäuerlichen Geflügelwirtschaft (Nr. 3 Buchstabe b Absatz 7) zur Verjüngung der Bestände und Erhöhung der Legeleistung einen Betrag von 10 Millionen DM als Beihilfe zur Beschaffung von Küken und Junghennen aus anerkannten Vermehrungszuchten bereitzustellen; 7. zusätzlich zu den Maßnahmen unter Nr. 3 Buchstabe b 'einen Betrag von 7,5 Millionen DM zur Wiederherstellung der Rentabilität der Schafhaltung (Stützung des Wollpreises) und einen Betrag von 1,5 Millionen DM zur Förderung der Imkerei (Verbilligung des Futterzuckers) bereitzustellen; 8. zusätzlich zu den Maßnahmen unter Nr. 4 Absatz 1 einen Betrag bereitzustellen, der es ermöglicht, unter Einbeziehung der seit der Währungsumstellung entstandenen 'dinglich gesicherten Schulden den vom letzten Kreditnehmer zu zahlenden Zinssatz auf 4 v. H. zu senken. Bonn, den 27. Februar 1957 Dr. Brühler und Fraktion Dr. Schneider (Lollar) und Fraktion Anlage 3 Umdruck 962 (Vgl. S. 11140 B, 11144 D) Entschließungsantrag der Fraktionen der DP, FVP zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 ,und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 3200, zu 3200). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird verpflichtet, in Anwendung der ihr nach § 1 des Landwirtschaftsgesetzes vorgeschriebenen Mittel der Landwirtschaft für ihre Erzeugnisse kostendeckende Preise zu sichern. Bonn, den 27. Februar 1957 Dr. Brühler und Fraktion Dr. Schneider (Lollar) und Fraktion Anlage 4 Umdruck 963 (Vgl. S. 11144 B, 11145 A) Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 3200, zu 3200). Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag hat den Bericht der Bundesregierung über die Lage ,der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes zur Kenntnis genommen und stimmt den vorgeschlagenen Maßnahmen im Grundsatz zu. Er erwartet, ,daß die Richtlinien zu ihrer Durchführung im Benehmen mit den Ländern umgehend erlassen werden. Die Bundesregierung wird ersucht, im Rahmen der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung ihre Anstrengungen gemäß § 1 des Landwirtschaftsgesetzes zu verstärken, um den Ausgleich zwischen Ertrag und Aufwand in den landwirtschaftlichen Betrieben im Sinne des § 5 des Landwirtschaftsgesetzes zu erreichen. Der Bundestag erwartet ferner, daß die Länder sich an den Förderungsmaßnahmen zugunsten der landwirtschaftlichen Erzeugung und ihres Absatzes sowie zur Verbesserung der Agrarstruktur auch mit finanziellen Beiträgen entsprechend der Regelung beim vorjährigen „Grünen Plan" beteiligen. Bonn, den 27. Februar 1957 Dr. Krone und Fraktion
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (GB/BHE)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Trotz aller Förderungsmaßnahmen und trotz eigener großer Anstrengungen und außerordentlicher Leistungen blieb der westdeutschen Landwirtschaft der materielle Erfolg vorenthalten. Diese nüchterne Feststellung ist heute


    (Elsner)

    mehrfach getroffen worden, und das ist auch notwendig angesichts der Tatsache, daß es ihr in wenigen Jahren gelang, den Eigenbedarf der Volksernährung zu 70 % zu decken trotz der enorm gestiegenen Bevölkerungsdichte von 369 Menschen pro Quadratkilometer landwirtschaftlicher Nutzfläche.
    Um so mehr ist zu bedauern, daß es ihr nicht gelang, an der allgemeinen Aufwärtsentwicklung der Wirtschaft teilzunehmen, wie es dem überwiegenden Teil der anderen Wirtschaftszweige doch möglich war. Nach den amtlichen Erhebungen des Grünen Berichts 1957 erreichte die Landwirtschaft mit Ausnahme eines prozentual geringen Teils weder eine angemessene Entlohnung ihrer Arbeit noch eine Verzinsung des Anlagekapitals. Das Verhältnis zwischen den ständig steigenden Ausgaben und den erzielten Mehrerlösen verschob sich von Jahr zu Jahr zunehmend zuungunsten der Landwirtschaft. Alle Hilfsmaßnahmen der Agrarpolitik wurden von der allgemeinen Entwicklung weit überholt.
    Der Grüne Bericht 1956 wies einen Fehlbetrag von rund 2 Milliarden DM aus. Zu seiner Behebung setzte die Bundesregierung im Grünen Plan 1956 900 Millionen DM ein. Trotz der durchgeführten und eingeleiteten Maßnahmen stieg der Fehlbetrag auf 3,5 Milliarden DM. Diese Zahl läßt sich trotz der fehlenden Globalrechnung aus den Unterlagen des Grünen Berichts leicht zusammenstellen.
    Die landwirtschaftliche Verschuldung stieg bis zum 1. Juli 1956 auf 8,2 Milliarden und dürfte heute bei 9 Milliarden DM liegen und damit 50 % des bisherigen Umsatzes betragen. Man sollte diese Tatsache nicht so leicht nehmen; sie wiegt in der Landwirtschaft schwerer als in irgendeinem anderen Wirtschaftszweig, weil die Landwirtschaft ja nur einmal im Jahr umsetzt. Die Landwirtschaft ist heute vom kostendeckenden Preis, den jeder andere Wirtschaftszweig mit aller Selbstverständlichkeit fordert und auch zugebilligt erhält, weiter entfernt als vor Jahresfrist. Daran ändert auch die beschwörendste Schönfärberei nichts.
    Daß bei dieser Situation die eingegliederten heimatvertriebenen Bauern einen ungleich schwereren Existenzkampf führen müssen, braucht nicht besonders betont zu werden. Hohe Pachtleistungen, hohe Rentenleistungen, der Kapitaldienst für die Eingliederungskredite und das Fehlen einer eigenen Vermögensgrundlage kennzeichnen ihre Lage.

    (Abg. Dr. Strosche: Traurig, aber wahr!)

    Schon im Vorjahr trug der Grüne Bericht dieser besonderen Lage keine Rechnung. Auch die Zusage, einen Grünen Plan für die heimatvertriebenen Bauern vorzulegen, blieb ein nicht eingelöstes Versprechen des Herrn Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

    (Abg. Dr. Strosche: Hört! Hört!)

    Aber auch im Grünen Bericht und im Grünen Plan 1957 ist kein Wort über vertriebene oder geflüchtete Bauern zu finden.
    Mit großem Interesse habe ich der Statistik des Grünen Berichts entnommen, daß von 1946 bis 1957 nur 7037 Vollbauernstellen für Einheimische und Vertriebene geschaffen wurden. Der Anteil der Vertriebenen daran beträgt mit 3848 Stellen nur 54 %. Meine Damen und Herren, diese Feststellung ist besonders wichtig im Zusammenhang mit der Vorschrift des § 38 des Bundesvertriebenengesetzes, wonach der Anteil der Vertriebenen 75 % betragen soll. Diese Bestimmung hat sich auch auf Vollbauernstellen zu erstrecken. Meine Damen und Herren, angesichts der weit schwereren Lage der eingegliederten ostvertriebenen Bauern bedarf es auch besonderer Maßnahmen im Rahmen des Grünen Plans.
    Trotzdem haben sich die vertriebenen Bauern auf den Eingliederungsbetrieben voll bewährt. Sie konnten die schwierige Lage nur durchstehen, weil sie auf die all erbescheidensten Lebensansprüche verzichteten. Ihr Lohnanspruch jedoch konnte in keiner Weise auch nur annähernd realisiert werden. Eine Reihe von ihnen konnten ohne neue Personalverschuldung überhaupt nicht weiterarbeiten. Hierfür ist leider eine Hilfe im Grünen Plan nicht vorgesehen. Das ist um so bedauerlicher, weil die Zinsverbilligungsmittel nicht helfen können, da das Kapital nicht zu Verfügung steht und keine Möglichkeit der Absicherung besteht und zum andern die Zins- und Rückzahlungsbedingungen, mögen sie auch noch so günstig sein, für diese Betriebe keine wirkliche, echte Hilfe bringen. Diese Betriebe sind in ihrer Wirtschaftsführung dauernd gefährdet und bedürfen dringend der Hilfe zur Betriebsfestigung.
    Bei einem Mitteleinsatz, wie ihn der Grüne Plan 1957 vorsieht sollte es recht und billig sein, der besonderen Lage der Vertriebenen durch Bereitstellung von Mitteln zur Betriebsfestigung Rechnung zu tragen. Nach unserer Berechnung würde hierfür ein Betrag von 12 Millionen DM für das nächste Jahr ausreichen. Ich möchte die Erwartung aussprechen, daß das Versäumte bereits in der Ausschußarbeit nachgeholt wird. Ein entsprechender Antrag wird von uns vorgelegt werden.
    Meine Damen und Herren! Die mangelnde Wirkung der agrarpolitischen Maßnahmen ist in entscheidendem Umfange in der Lohn- und Preisspirale begründet, die zu steigenden Produktionsmittelpreisen bei stehenden oder fallenden landwirtschaftlichen Erzeugerpreisen führte. Die oft in starkem Maße überhöhten Verbraucherpreise bedauert die Landwirtschaft; aber sie hat sie nicht zu vertreten. Auch das Versagen der Kapitalversorgung bei der Umschuldung hochverzinslicher, drückender Darlehen ist ein wichtiger Grund für die erschwerte Lage. Der überwiegende Teil der für diese Zwecke bereitgestellten Mittel zur Zinsverbilligung blieb leider ungenutzt. Hier machte sich das Fehlen eines entsprechenden Kredithilfegesetzes, das im Vorjahr von dieser Stelle aus wiederholt gefordert wurde, bemerkbar. Ein weiterer Grund ist die Tatsache, daß erhebliche subsidiäre Mittel ausfielen, weil die finanzschwachen Länder sich nicht in der Weise, wie es im Grünen Plan vorgesehen war, beteiligen konnten.
    Schließlich muß auf die Subvention aus einer Vielzahl von Töpfen und Töpfchen hingewiesen werden. Von dieser Töpfchenwirtschaft kann die erforderliche Durchschlagskraft nicht erwartet werden; sie führt vielmehr zu einer gefährlichen Abwertung der eingesetzten Mittel durch den bürokratischen Apparat.
    Vor allem entspricht das Verhältnis der Mittel aus Direktmaßnahmen und aus dem langfristigen Strukturprogramm nicht mehr der realen Lage der Landwirtschaft. Mit dieser Feststellung soll das Strukturprogramm in keiner Weise eine Abwertung erfahren. Der mangelnde Erfolg der agrarpolitischen Maßnahmen liegt ja nicht so sehr bei


    (Elsner)

    den einzelnen Maßnahmen, sondern im wesentlichen im Grundsätzlichen der Wirtschafts- und Agrarpolitik, und das ist die Tragik des Herrn Bundesernährungsministers. Wenn die soziale Marktwirtschaft kein besseres Verständnis für die Funktionen der einheimischen Landwirtschaft gewinnt und die Agrarpolitik nicht zur grundsätzlichen Änderung ihrer Methoden kommt, wird zwar das Ziel des Strukturplanes schneller erreicht sein, als der Minister es erwartet; allein mit den strukturellen Maßnahmen, so wichtig und so wertvoll sie sind, wird das Ziel des Landwirtschaftsgesetzes nicht erreicht.

    (Zuruf von der Mitte.)

    — Meine Damen und Herren, die Vorschläge kommen gleich. Gedulden Sie sich nur einen Moment!
    Die aktive und robuste soziale Marktwirtschaft hat die Arbeitgeber und Arbeitnehmer im industriellen und großgewerblichen Raum zu einem begrüßenswerten Wohlstand geführt. Von dieser Entwicklung blieben leider der Bauer und der bäuerliche Arbeiter ausgeschlossen. Ihnen werden Löhne zugemutet, die einer sozialen Entrechtung gleichkommen. Der Lohn des Bauern und der seiner eigenen sowie der familienfremden Arbeitskräfte ist das Kernproblem in der agrarpolitischen Situation. Der Abstand des Vergleichslohnes, der mit 1,64 DM je Stunde gewiß nicht zu hoch berechnet ist, zum landwirtschaftlichen Tariflohn beträgt heute, wie mehrfach dargelegt warden ist, 41 Pf und ist damit nicht kleiner, sondern größer geworden als im Vorjahr. Allein hier beträgt die Lohndisparität bei 843 000 familienfremden Arbeitskräften bei Zugrundelegung von 2700 Arbeitsstunden rund 900 Millionen DM. Wenn man in Betracht zieht, daß von den familienfremden Arbeitskräften in der Landwirtschaft heute noch 40 % vertriebene Ostbauern sind, entfällt auf sie eine Lohndisparität von 360 Millionen.
    Noch ungünstiger sieht die Situation für den Bauern und die familieneigenen Vollarbeitskräfte aus. Der Herr Minister nannte einen Jahresbarlohn von 830 DM ohne Wohnung und Verpflegung je Vollarbeitskraft. Das sind bei jährlich 2700 Arbeitsstunden 30,7 Pfennige pro Arbeitstunde einschließlich Feiertags- und Sonntagsarbeit. Wenn man Wohnung und Verpflegung am Tische des Arbeitgebers mit 150 DM im Monat in Ansatz bringt, so entfallen auf die Arbeitsstunde 70 Pfennig. Das ergibt einen Bar- und Naturallohn pro Stunde von 1 DM und führt zu einer Disparität von 64 Pf die Stunde. Bei 5,4 Milliarden Arbeitsstunden ergibt sich daraus eine Gesamtlohndisparität von 3,45 Milliarden DM.
    Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß diese Lohndisparität nur durch kostendeckende Preise behoben werden kann. Der kürzeste und gerechteste Weg zum kostendeckenden Preis in der Landwirtschaft ist ,die Subvention der Erzeugnisse und nicht die Subvention der Produktionsmittel. Der Weg, über Erhöhung der Marktpreise zu kostendeckenden Preisen zu kommen, scheidet aus, weil er zu erheblichen Verbraucherbelastungen führen würde und auch politisch gar nicht durchsetzbar ist. Die Subvention der Produktionsmittel ist ungerecht und muß zu Spannungen führen. Sie engt die Initiative des Bauern ein, weil sie ihn bei seinen Anschaffungen in eine bestimmte Richtung drängt, Anschaffungen, die er vielleicht gar nicht nötig hat, weil sie bereits getätigt sind. Er kann deshalb gerade von dieser Art der Subvention, die seinen Aufwand entlasten soll, keinen Gebrauch machen und wird praktisch für seine fortschrittliche Leistung bestraft, während der rückständige Berufsfreund belohnt wird. Produktionsmittelsubventionen bleiben ein Kurieren an den Randproblemen, ein Vorbeidrücken am zentralen Kernproblem.
    Der kürzeste Weg zum kostendeckenden Preis ist eine Subvention der Erzeugnisse in der Form eines Ausgleichspreises, der die Lücke zwischen dem festgesetzten kostendeckenden Preis und dem Marktpreis schließt. Dieses System wendet Großbritannien, das eine ähnliche Wirtschaftstruktur hat wie wir, seit über einem Jahrzehnt neben direkten Verbrauchersubventionen bei Brot und Milch erfolgreich an. Es läßt die Inlandsmarktpreise für landwirtschaftliche Erzeugnisse auf der Grundlage der Commonwealth-Preise einpendeln, setzt den kostendeckenden Preis für die landwirtschaftlichen Inlandserzeugnisse fest, für pflanzliche Erzeugnisse z. B. 18 Monate im voraus, für tierische Erzeugnisse 12 Monate im voraus, und zahlt dann die Differenz zwischen den Garantiepreisen und den Marktpreisen aus Subventionsmitteln, wobei bei den Inlandspreisen der Jahresdurchschnitt zugrunde gelegt wird. Der Konsument erhält dadurch preisgünstige Nahrungsmittel, und der Bauer ist in der glücklichen Lage, auf sicherer Einkommensgrundlage zu planen und das Beste aus seinem Betrieb für sich und die Volkswirtschaft herauszuholen.
    Das britische Landwirtschaftsgesetz, das diesem System zugrunde liegt, stammt aus dem Jahre 1947 und geht auf die Initiative der Labour Party zurück. Die Konservativen haben diese Lösung beibehalten und folgerichtig weiterentwickelt. Im Jahre 1955/56 betrug der Jahresaufwand der Subventionen für die englische Landwirtschaft und die englischen Konsumenten rund 4 Milliarden. Davon entfielen 3 Milliarden auf Erzeugersubventionen und 1 Milliarde auf die Verbraucher. Dieses Subventionssystem hat die einst völlig am Boden liegende englische Landwirtschaft in die Lage versetzt, eine 50%ige Bedarfsdeckung der Ernährung aus eigener Scholle sicherzustellen. Der Engländer zahlt diese hohen Subventionen aus nüchterner Erwägung als Risikoprämie, denn er hat nicht vergessen, daß er in zwei Kriegen gehungert hat.
    Wir sollten die englischen Erfahrungen nicht übersehen, sondern sie überprüfen und schließlich zu notwendigen Schlußfolgerungen kommen. Denn auch wir brauchen eine preiswürdige Ernährung für unser Volk, um unserer Exportwirtschaft für ihren Export auf den Weltmarkt eine sichere Leistungsgrundlage zu geben.
    Wir können ,aber auch aus anderen Gründen eine leistungsfähige Landwirtschaft nicht entbehren. Die Weltmarktpreise für landwirtschaftliche Erzeugnisse liegen zwar heute erheblich unter den inländischen Erzeugerpreisen. Das wird sich aber in den nächsten Jahrzehnten ändern, denn nach den statistischen Erhebungen sind die Weltmarktpreise für landwirtschaftliche Erzeugnisse im letzten Jahrzehnt um das Vierfache gestiegen, die Inlandspreise in Westdeutschlandaber nur um das Zweifache. Diese Entwicklung wird in Zukunft eher rascher als langsamer verlaufen. Hierfür sind zwei wesentliche Gründe entscheidend: Die jungfräulichen Böden stehen nicht mehr wie ehedem unbeschränkt zur Verfügung. Sie sind im ganzen gesehen bereits in Kultur genommen. Hinzu kommt, daß riesige Bodenerosionen jährliche große Flächen von Kulturland vernichten und auch der Produktionsaufwand


    (Elsner)

    in Übersee in raschem Steigen begriffen ist, insbesondere der Lebensstandard und Lohnanspruch des Arbeiters. Schließlich wird die Aufwärtsentwicklung der Weltmarktpreise durch das rasche Wachstum der Weltbevölkerung entscheidend bestimmt werden. Die jährliche Zuwachsrate beträgt zur Zeit 30 bis 40 Millionen Menschen, die Weltbevölkerung insgesamt zur Zeit 2,5 Milliarden. In 25 Jahren werden es 31/2 bis 4 Milliarden sein. Diese Tatsache macht deutlich, vor welchen Erzeugungsproblemen die Landwirtschaft in naher Zukunft stehen wird. Man ist der Meinung, daß in naher Zeit eine leistungsfähige Landwirtschaft genauso wichtig sein wird wie Öl und Kohle, vielleicht noch wichtiger. In dieser Sicht sollte uns klarwerden, wie wichtig es ist. unserem Volk eine leistungsfähige Landwirtschaft und ein gesundes Bauerntum zu erhalten.

    (Beifall beim GB/BHE.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Preiß.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ludwig Preiß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist nicht verwunderlich, daß sich die Reihen des Hohen Hauses schon sehr stark gelichtet haben; denn es ist eine nicht gerade geringe Zumutung, aus dem Munde von acht bis zehn Kollegen — wenn auch der verschiedensten Fraktionen — immer wieder dasselbe Problem erörtert zu hören.
    Ich habe den Auftrag, mich im Namen der Arbeitsgemeinschaft der Fraktionen DP/FVP lediglich zum Bericht zu äußern. Auch ich hätte durchaus Anlaß, die vielen Fragen, die einmal mehr von der einen, dann von der anderen Seite angeschnitten worden sind, zu erörtern und viele Zahlen dabei mit zu erwähnen. Ich halte es aber wirklich nicht mehr für vertretbar. Ich bin der Meinung, daß wir gerade deshalb, weil wir in den alljährlichen Bericht die Fülle der sehr anerkennenswerten und begrüßenswerten Förderungsmaßnahmen, ihre Methode, ihre bereits beobachteten Auswirkungen zu dem spezifischen Zweck und Inhalt des Berichts — nämlich darüber Auskunft zu
    ob die Zielsetzungen des Landwirtschaftsgesetzes erreicht worden sind — hinzugenommen haben, den Bericht überladen. Daher kommt es, daß zu leicht über durchaus nicht unwichtige, aber am Kerngedanken gemessen doch nicht allzu maßgebliche Dinge gesprochen wird.
    Lassen Sie mich deshalb in aller Kürze auf diesen Kernpunkt — wie er es meiner Meinung nach in diesem Bericht sein sollte — zu sprechen kommen. Aus dem Bericht muß sich doch eine Beantwortung der Frage ergeben: Wie steht oder wie stand es im Berichtsjahr in der Landwirtschaft? Hat sie die im Gesetz gewollten Zielsetzungen erreicht? Nun, das drückt der Bericht ganz klipp und klar und objektiv aus. Die Zielsetzung des Gesetzes ist nicht nur nicht erreicht worden, sondern der Abstand der Landwirtschaft von den anderen Wirtschaftsbereichen hat sich noch vergrößert.
    Es wird nicht nur diese Feststellung getroffen, sondern es wird auch auf die wichtigsten Gründe verwiesen, als da sind: schlechte Witterung, stürmische Aufwärtsentwicklung der übrigen Wirtschaft, Verknappung der Arbeitskräfte und Kapitalmangel. — Ja, für die schlechte Witterung kann nun weiß Gott niemand, und dafür können wir
    niemand verantwortlich machen. Aber die anderen drei Punkte stehen in einem engen Zusammenhang und haben eine eindeutig negative Rückwirkung für die Landwirtschaft gehabt. Sie gehen insbesondere von dieser mit Recht so beschriebenen, „allzu stürmisch" genannten Entwicklung der übrigen Wirtschaft aus. Dazu möchte ich einschränkend sagen: Es dürfte auch nicht schlechthin „der übrigen Wirtschaft" gesagt werden, sondern müßte „der besonders konjunkturbegünstigten Wirtschaft" oder „der konjunkturbegünstigten Wirtschaftszweige" gesagt werden. Diese Wirtschaftszweige haben insbesondere in der zweiten Hälfte des Berichtsjahrs den starken zusätzlichen Sog auf die in der Landwirtschaft tätigen Menschen ausgeübt und haben auch die starke Lohnentwicklung bei den Verbliebenen ausgelöst, die mit einem Sprung eine Verbesserung von 43 Indexpunkten ergab, so daß die Indexziffer 316 erreicht wurde.
    Um nun den laufend größer werdenden Arbeitskräftemangel oder die zu starke arbeitsmäßige Belastung der noch verbliebenen Kräfte zu mindern, war zwangsweise eine große Rationalisierungsaufgabe gestellt, deren Lösung aber angesichts der unzulänglichen Rentabilitätslage in der Hauptsache nur über Fremdfinanzierung möglich war. Dies war ja auch besonders im Förderungsprogramm des ersten Grünen Plans vorgesehen, ließ sich aber leider nur teilweise auf diesem Finanzierungsweg realisieren, weil — wie Ihnen allen bekannt — infolge der Diskont- und Kreditrestriktionspolitik der Bank deutscher Länder diese Aktion stockte.
    Trotzdem mußten unerläßliche und unvermeidliche Neuinvestitionen vorgenommen werden, und zwar — wie nicht anders möglich — vornehmlich auf dem Wege über Wechselfinanzierungen. Es ist keine Schwarzmalerei, wenn man aus der Kenntnis der Dinge, aus der Praxis heraus feststellt, daß viele wirtschaftliche Entscheidungen im vergangenen Jahr sehr oft nicht auf Grund echter betriebswirtschaftlicher Überlegungen in den Betrieben getroffen werden mußten, sondern auf Grund von Wechselfälligkeiten.
    Nun ist zwar richtig, wenn für das Berichtsjahr festgestellt wird, daß sich der Gesamtertrag recht beachtlich verbessert hat, und zwar um rund 1,1 Milliarden DM, und bei gleichzeitiger Erhöhung der Gesamtkosten von 500 Millionen DM immerhin eine Verbesserung der Rohdifferenz um 600 Millionen eingetreten ist, was insgesamt die hier schon mehrfach genannte Zahl von 3,4 Milliarden Rohüberschuß ergibt.
    Was ist nun um diese Zahl für ein Aufheben gemacht worden, nachdem sie im Spätsommer vergangenen Jahres bekanntgeworden ist! Aus wirklich sehr zahlreichen Publikationen und sonstigen Auslassungen konnte man den Eindruck gewinnen, als sei man dort der Meinung, für die Landwirtschaft sei nun auch eine Art überhitzte Konjunktur oder das goldene Zeitalter angebrochen. Dem ist nicht so. Insofern muß auch ich bedauern, daß nicht an Hand eines globalen Vergleichs Einschränkungen gemacht worden sind. Ich habe Verständnis dafür, daß die Methode, die völlig eindeutig und wissenschaftlich erhärtet ist, noch weiterer Entwicklung und Ergänzung bedarf. Aber zur Beseitigung all der vielen Irrtümer und Irreführungen, die mit dieser Zahl entstanden sind,


    (Dr. Preiß)

    wäre der globale Vergleich unbedingt notwendig gewesen.

    (Zustimmung rechts.)

    Ich will mich nicht wie viele meiner verehrten Vorredner in die gewagte Berechnung mit unzulänglichen Mitteln hineinbegeben. Wir wissen, daß, weil nicht die Stelle, die den Bericht angefertigt hat und die wohl allen voraus über das beste und umfangreichste Unterlagenmaterial verfügt, diese Berechnung angestellt hat, draußen sehr viele von sich aus — und jeder mit anderen Voraussetzungen und mit anderen Berechnungsgrundlagen — zu horrend abweichenden Zahlenergebnissen gelangt sind. Ich will in diesen Streit, der sich zwischen 3,5 und 8 bis 9 Milliarden bewegt, nicht mit einer eigenen Errechnung eintreten. Ich möchte aber sagen, daß man doch sehr bald approximativ zu einem Betrag von 4 oder 41/2 kommen kann, ohne dabei das schlechte Gewissen zu haben, durch gestellte Anhalts- und Annäherungswerte die Dinge bewußt in die Höhe zu treiben. Wir wollen uns gar nicht einmal auf die Zahl festlegen. Aber jeder hat hier doch zum Ausdruck gebracht, daß an der Tatsache der Unterbewertung des großen Abstandes, insbesondere in der Entlohnung, einfach nicht zu rütteln ist.
    Eine Feststellung des Kollegen Bauknecht möchte ich besonders unterstreichen: der aus einer ganzen Reihe von Sparten der gewerblichen Wirtschaft herangezogene Vergleichslohn ist eindeutig zu niedrig gehalten, ist nicht nur inzwischen durch die Entwicklung überholt, sondern auch schon für den damaligen Zeitpunkt, so will mir scheinen, zu niedrig gewesen. Denn eine ganze Reihe von Momenten — die angeblich viel billigere Lebensweise auf dem Lande usw. — sind herangezogen worden, die heute im Gegensatz zu früher einfach nicht mehr stimmen. Im Gegenteil, es gibt heute in vielerlei Hinsicht einfachere und billigere Einkaufs- und Versorgungsmöglichkeiten in der Großstadt mit ihren Warenhäusern und ähnlichen Einrichtungen als auf dem flachen Lande. Treten wir also gar nicht in den Streit um den wirklichen Milliardenumfang der Disparität ein, sondern bleiben wir bei der Feststellung, daß sie vorhanden ist, vornehmlich auf dem Lohnabstand beruht und in die Milliarden geht. Das ist doch das beengende, von Tag zu Tag stärker werdende, beunruhigende Gefühl der Landbevölkerung: daß sie sich einfach von der Entwicklung überrollt, in den Hintergrund gedrängt fühlt allen anderen gegenüber, die sie umgeben, mit denen sie zum großen Teil unter einem Dach wohnt. Mit sorgenvoller Erwartung blickt die Landbevölkerung am heutigen Tag auf den Bundestag und fragt, was er in dieser Sache entscheidet: Kommen wir noch einmal zu einer beruhigten Situation, von der aus wir einen Ausblick auf eine Besserung nehmen können? Der erste Grüne Plan wurde allenthalben hoffnungsvoll als ein neuer Start angesehen, und man ist bereit, auch den zweiten noch einmal als einen neuen Start, als eine neue Möglichkeit des HoffnungSchöpfens aufzufassen. Aber wenn immer wieder, bevor die Maßnahmen eingeleitet sind, die Entwicklung so weit fortgeschritten ist, daß noch nicht einmal ein Schritthalten, geschweige ein Verkürzen des Abstands oder gar ein Aufholen des inzwischen vergrößerten Abstands möglich ist, dann sind alle Appelle an die Landbevölkerung, sie möge doch aushalten, weil ihre Arbeit und ihre Rolle im Rahmen der Gesamtbevölkerung so wichtig sei, auf die Dauer zwecklos. Es gibt sehr viele Momente —
    sie sind von allen Seiten oft und nachdrücklich erwähnt worden —, die die Erhaltung einer leistungsfähigen Landwirtschaft nicht nur der Nahrungsmittelversorgung wegen, sondern auch zur Wahrung des Bestandes des Bauerntums als eines mit 13 % immer noch beachtlichen Teiles unserer Bevölkerung notwendig erscheinen lassen.
    Das schließt keineswegs aus, daß die von uns allen sehr begrüßten und vor zwei Jahren eingeleiteten Strukturverbesserungsmaßnahmen weiter verfolgt werden. Sie können aber nur in evolutionärer oder, wie Herr Kollege Lücker gesagt hat, organischer Weise betrieben werden und niemals im Sinne einer revolutionären Umgestaltung der Struktur. Allerdings muß, wenn die wirtschaftliche Entwicklung zum Nachteil der Landwirtschaft so weitergehen sollte, eine solche revolutionäre Umgestaltung befürchtet werden.
    Nun ist ja nicht nur die Unkostensenkung, auf die wir jahrelang gehofft haben, ausgeblieben, sondern es sind laufend weitere Belastungen auf uns zugekommen. Auf dem anderen Weg über Subventionen wird nicht entfernt der erforderliche Effekt erzielt. Denn wir wissen ja alle, daß es der Herr Minister bei der gegebenen Haushaltslage selbst bei den vorgesehenen Beträgen nicht leicht gehabt hat, diese Summen dem Herrn Finanzminister abzuringen.
    So muß, wenn man diesen großen. Millionen zählenden Bevölkerungsteil nicht in seiner wachsenden Sorge belassen will, die Frage aufgeworfen werden, ob bei uns nicht der dritte Weg zumindest diskutiert und, wenn auch mit kleinen Schritten, betreten werden muß. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt doch nur eine dritte Seite, die zu überprüfen ist, nämlich die, wie man den Ertrag, die Einnahmen oder die Erlöse der Landwirtschaft verbessern kann. Ich habe mich über die Feststellungen im Bericht des Herrn Ministers außerordentlich gefreut. Nachdem er nämlich dieses sehr betrübliche Bild gegeben hat, trifft er nämlich die zweite Feststellung, daß es aus dieser Lage praktisch nur zwei Auswege geben könne. Der erste ist, allgemein maßzuhalten und die volkswirtschaftlichen Fortschritte auch in Preissenkungen zum Ausdruck kommen zu lassen. Dazu wird wohl jeder aus der Landwirtschaft und sicherlich auch aus der Verwaltung ja sagen. Wie glücklich wären wir gewesen, wenn sich die Entwicklung allenthalben gleichmäßig und nicht auf dem einen Sektor im Schneckentempo und auf anderen Sektoren im Galopp vollzogen hätte! Dann wären uns all diese Diskrepanzen erspart geblieben. Unsere Geduld, wenn ich in diesem Plural von mir zusammen mit der Landwirtschaft sprechen darf. die wir jahrelang vergeblich auf diese Umkehr der Entwicklung gehofft haben, ist erschöpft. Dann müssen wir eben den zweiten in der Regierungserklärung angeführten Weg beschreiten, die Landwirtschaft über ein günstigeres Preisgefüge daran zu beteiligen.
    Nun weiß man: wenn man diese Frage anspricht, dann ist sehr schnell Alarm gegeben. Wir sind auch nicht diejenigen, die hier einfach unzumutbare Forderungen gegenüber der Verbraucherschaft erheben, ohne zunächst einmal nachgesehen zu haben, wie es sich mit der Kaufkraft verhält. Hier ist doch wohl festzustellen, daß wir in den letzten Jahren eine Steigerung der Massenkaufkraft zu verzeichnen haben, an der gemessen die Verbesserung der landwirtschaftlichen Erträge nur sehr gering ist. Diese Zahlen muß ich Ihnen nun doch


    (Dr. Preiß; nennen und hoffe, Sie damit nicht zu langweilen. Wir haben von 1951/52 zu 1955/56 ein Ansteigen der Massenkaufkraft und damit des privaten Verbrauchs von 65 auf 91,9 Milliarden zu verzeichnen. Der Nahrungsverbrauch stieg in dem gleichen Zeitraum von 21,9 auf 29,7 Milliarden. Anteilig fiel er, am Gesamtverbrauch gemessen, von 33,8 auf 31,8 % ab. Dem steht die Steigerung des Verzehrs von Genußmitteln aller Art von 9,6 auf 14,3 gegenüber. Das ist, an dem Nahrungsmittelverbrauch gemessen, eine Steigerung von 44 auf 48,3 %. Das heißt, daß wir in diesem Berichtsjahr einen Verzehr an Genußmitteln in Höhe von nahezu 50 % der gesamten Nahrungsausgaben unseres Volkes einschließlich des Selbstversorgeranteils zu verzeichnen haben. Daß daneben noch 47,5 Milliarden für die Bedürfnisdeckung auf allen anderen Gebieten verblieben, ist hier doch wohl außerordentlich eindrucksvoll. Nun möchte ich meinen — ich glaube, da auch im Namen meiner Fraktionsarbeitsgemeinschaft sprechen zu dürfen —, daß einem Volke, das einen derartigen Verbrauchsstatus im ganzen zeigt, auch eine gewisse Ausgabenverlagerung, so möchte ich es einmal ausdrücken, von den nicht lebenswichtigen zu den lebenswichtigen Gebieten zugemutet werden kann, wenn das quasi der einzige Ausweg ist, einen wichtigen Wirtschaftsund Volksteil lebensfähig zu erhalten. Wenn diese Fragen angesprochen werden, werden immer — das klang auch vorhin wieder an — Hinweise darauf gemacht, daß wir eben in der unglücklichen Lage sind, zu teuer zu produzieren und die Auslandskonkurrenz nicht ertragen zu können. In Erwartung etwaiger solcher Einwände habe ich mich der Mühe unterzogen, für die interessantesten Gebiete, Milch und Fleisch, noch einmal einige Vergleichszahlen herbeizuholen. Nun soll man aber nicht Mark mit Francs und Pence usw. vergleichen, sondern einmal nachprüfen, meine Damen und Herren: wie steht es denn mit den Lohnaufwendungen für die Einheiten dieser wichtigen Veredelungserzeugnisse innerhalb der europäischen Gebiete, die demnächst gemeinsamen Markt machen wollen? Mit diesem drohenden Hinweis ist man ja immer sehr schnell zur Stelle. Für 1 kg Milch muß der Arbeiter in Italien 25,7, in Frankreich 20,0, in Österreich 15,7, in Belgien 14,5 und in der Bundesrepublik 12,6 Minuten und für 1 kg Schweinefleisch in Italien 293, in den Niederlanden 224, in Österreich 218, in Belgien 189, in Frankreich 178 und in der Bundesrepublik 159 Minuten arbeiten. Der Zeitaufwand in der Bundesrepublik ist also in weitem Abstand der niedrigste aller europäischen Länder. Einen eindrucksvolleren Vergleich bezüglich der unterschiedlichen Beanspruchung der Verbraucherschaft bei diesen wichtigsten Veredelungserzeugnissen als die beiden Zahlenreihen, die ich Ihnen soeben genannt habe, kann es doch wohl nicht geben. Wir brauchen deshalb auch keine Bange vor einer europäischen Konkurrenz zu haben, der wir vielleicht im Augenblick des Entstehens des Gemeinsamen Marktes nicht gewachsen sein könnten. Aber wir werden immer wieder auf die Vergleiche mit Übersee hingewiesen, wo völlig andere Voraussetzungen bestehen, die mit denen bei uns einfach nicht verglichen werden können. Dazu kann ich nur feststellen: dann sind alle die von diesen Seiten sonst gemachten Beschwörungen, daß man ja alles Interesse an der Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit und auch der Erhaltung des deutschen Bauerntums habe, nur fingierte Hinweise. Denn derartige Konkurrenzmöglichkeiten auszuhalten sind wir nicht nur in der Landwirtschaft nicht in der Lage, sondern in vielen, wenn nicht in den meisten Gebieten der gewerblichen Wirtschaft. Hier geht es in sehr vielen Fällen letztlich nur um das Problem, ob man den bei uns in der Landwirtschaft tätigen Menschen einen Sozialstatus zumuten will, wie er in den primitiven Kolonialgebieten herrschen mag. Es könnte sich also letzten Endes um ein soziales Dumping schlimmster Art handeln. Ich glaube, meine Damen und Herren, wir müssen den Weg beschreiten, auf den vorhin auch einige Kollegen hingewiesen haben. Er muß nun nicht gleich Gott weiß wie befürchtete Rückwirkungen und Mehrbelastungen für die Verbraucher haben. Zwischen dem, was der landwirtschaftliche Ertrag oder die landwirtschaftlichen Einnahmen sind, und dem, was unsere gesamte Verbraucherschaft für Nahrungsgüter ausgibt, besteht eine gewaltige Lücke, die wir einmal scharf unter die Lupe zu nehmen haben. Das ist vielleicht auch eine zeitgemäße und wichtige Aufgabe im Rahmen derartiger Überlegungen. Ich habe mir die von Ihnen, Kollege Kriedemann, vorhin gemachte Anspielung auf die Marktpflege sehr gut gemerkt. Unter Marktpflege verstehen wir allerdings -und ich habe den Mut, es beim Namen zu nennen —, es zu vermeiden, daß durch unangebrachte, weil zu hohe Stoßimporte auf unseren Märkten immer wieder Beunruhigung eintritt oder gar Preisnachlässe oder Preiseinbrüche passieren, welche auf wenigen Märkten Einbußen zur Folge haben, die alle Förderungs und Hilfsmaßnahmen im Rahmen des Grünen Plans erfolglos bleiben lassen. Eben deshalb haben wir diese Anträge gestellt, im besonderen diesen Entschließungsantrag, damit noch einmal an das erinnert wird, was eigentlich gesetzliche Verpflichtung der Regierung nach dem Landwirtschaftsgesetz ist. Das Wort hat der Abgeordnete Müller Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Aufgabe, im Namen der Arbeitsgemeinschaft der DP/FVP über den Grünen Plan zu sprechen. Ich möchte zunächst feststellen, daß sich die Ertragslage, wie von meinen Vorrednern eingehend dargestellt worden ist, im letzten Jahr weiter verschlechtert hat. Wir müssen uns daher darüber klarwerden, mit welchen Maßnahmen geholfen werden kann. Es ist klar, daß zur Beseitigung einer sehr hohen Disparität auch Maßnahmen erforderlich sind, die direkt wirksam sind. Wir sind uns hier im Hause alle darüber einig, daß die Verbesserung der Agrarstruktur außerordentlich wichtig ist. Unsere Arbeitsgemeinschaft begrüßt die Erhöhung der Mittel auf diesem Sektor. Ich möchte aber gleich hinzufügen, daß die Aufstockung der Mittel für die Flurbereinigung noch größer sein muß. Weite Flächen sind von den bisherigen Bewirtschaftern liegengelassen worden, und wir müssen daraus in den nächsten Jahren gesunde mittelbäuerliche Betriebe schaffen. Die Mittel zur Verbesserung der Agrarstruktur müssen daher fortlaufend weiter erhöht werden, um nicht das Kulturland verkommen zu lassen, sondern der landwirtschaftlichen Nutzung zu erhalten. Zur Verbesserung der Betriebsgrundlage werden in Zukunft auch die Mittel für die Wasserwirtschaft noch erhöht werden müssen. Wir begrüßen es, daß gegenüber dem Vorjahr eine Aufstockung erfolgt ist. Wir müssen uns aber vor Augen halten, daß im letzten Jahr ungeheure Schäden durch Hochwasser entstanden sind. In weiten Gebieten kann wegen der wasserwirtschaftlichen Verhältnisse von der Möglichkeit des verbilligten Bezugs von Düngemitteln, von der Herr Kollege Kriedemann vorhin sprach, gar kein oder jedenfalls nicht in dem notwendigen Umfang Gebrauch gemacht werden. Wir müssen an Gebiete denken, in denen es einfach aus wasserwirtschaftlichen Gründen nicht zu einer intensiveren Nutzung kommen kann. Es muß daher damit gerechnet werden, daß weiterhin erhöhte Mittel für die Wasserwirtschaft erforderlich werden, und vielleicht können wir schon in diesem Jahre auf dem einen oder anderen Sektor mit einer weiteren Erhöhung der Mittel rechnen. Ich stelle nur die Frage, ob es auf die Dauer nicht billiger ist, zur Verbesserung der wasserwirtschaftlichen Verhältnisse vorbeugend Geld auszugeben, als jährlich Mittel zur Beseitigung der Hochwasserschäden aufzuwenden. (Abg. Kriedemann: Da haben Sie schon recht!)


    (Vizepräsident Dr. Schneider übernimmt den Vorsitz.)


    (Beifall rechts und in der Mitte.)