Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist nicht verwunderlich, daß sich die Reihen des Hohen Hauses schon sehr stark gelichtet haben; denn es ist eine nicht gerade geringe Zumutung, aus dem Munde von acht bis zehn Kollegen — wenn auch der verschiedensten Fraktionen — immer wieder dasselbe Problem erörtert zu hören.
Ich habe den Auftrag, mich im Namen der Arbeitsgemeinschaft der Fraktionen DP/FVP lediglich zum Bericht zu äußern. Auch ich hätte durchaus Anlaß, die vielen Fragen, die einmal mehr von der einen, dann von der anderen Seite angeschnitten worden sind, zu erörtern und viele Zahlen dabei mit zu erwähnen. Ich halte es aber wirklich nicht mehr für vertretbar. Ich bin der Meinung, daß wir gerade deshalb, weil wir in den alljährlichen Bericht die Fülle der sehr anerkennenswerten und begrüßenswerten Förderungsmaßnahmen, ihre Methode, ihre bereits beobachteten Auswirkungen zu dem spezifischen Zweck und Inhalt des Berichts — nämlich darüber Auskunft zu
ob die Zielsetzungen des Landwirtschaftsgesetzes erreicht worden sind — hinzugenommen haben, den Bericht überladen. Daher kommt es, daß zu leicht über durchaus nicht unwichtige, aber am Kerngedanken gemessen doch nicht allzu maßgebliche Dinge gesprochen wird.
Lassen Sie mich deshalb in aller Kürze auf diesen Kernpunkt — wie er es meiner Meinung nach in diesem Bericht sein sollte — zu sprechen kommen. Aus dem Bericht muß sich doch eine Beantwortung der Frage ergeben: Wie steht oder wie stand es im Berichtsjahr in der Landwirtschaft? Hat sie die im Gesetz gewollten Zielsetzungen erreicht? Nun, das drückt der Bericht ganz klipp und klar und objektiv aus. Die Zielsetzung des Gesetzes ist nicht nur nicht erreicht worden, sondern der Abstand der Landwirtschaft von den anderen Wirtschaftsbereichen hat sich noch vergrößert.
Es wird nicht nur diese Feststellung getroffen, sondern es wird auch auf die wichtigsten Gründe verwiesen, als da sind: schlechte Witterung, stürmische Aufwärtsentwicklung der übrigen Wirtschaft, Verknappung der Arbeitskräfte und Kapitalmangel. — Ja, für die schlechte Witterung kann nun weiß Gott niemand, und dafür können wir
niemand verantwortlich machen. Aber die anderen drei Punkte stehen in einem engen Zusammenhang und haben eine eindeutig negative Rückwirkung für die Landwirtschaft gehabt. Sie gehen insbesondere von dieser mit Recht so beschriebenen, „allzu stürmisch" genannten Entwicklung der übrigen Wirtschaft aus. Dazu möchte ich einschränkend sagen: Es dürfte auch nicht schlechthin „der übrigen Wirtschaft" gesagt werden, sondern müßte „der besonders konjunkturbegünstigten Wirtschaft" oder „der konjunkturbegünstigten Wirtschaftszweige" gesagt werden. Diese Wirtschaftszweige haben insbesondere in der zweiten Hälfte des Berichtsjahrs den starken zusätzlichen Sog auf die in der Landwirtschaft tätigen Menschen ausgeübt und haben auch die starke Lohnentwicklung bei den Verbliebenen ausgelöst, die mit einem Sprung eine Verbesserung von 43 Indexpunkten ergab, so daß die Indexziffer 316 erreicht wurde.
Um nun den laufend größer werdenden Arbeitskräftemangel oder die zu starke arbeitsmäßige Belastung der noch verbliebenen Kräfte zu mindern, war zwangsweise eine große Rationalisierungsaufgabe gestellt, deren Lösung aber angesichts der unzulänglichen Rentabilitätslage in der Hauptsache nur über Fremdfinanzierung möglich war. Dies war ja auch besonders im Förderungsprogramm des ersten Grünen Plans vorgesehen, ließ sich aber leider nur teilweise auf diesem Finanzierungsweg realisieren, weil — wie Ihnen allen bekannt — infolge der Diskont- und Kreditrestriktionspolitik der Bank deutscher Länder diese Aktion stockte.
Trotzdem mußten unerläßliche und unvermeidliche Neuinvestitionen vorgenommen werden, und zwar — wie nicht anders möglich — vornehmlich auf dem Wege über Wechselfinanzierungen. Es ist keine Schwarzmalerei, wenn man aus der Kenntnis der Dinge, aus der Praxis heraus feststellt, daß viele wirtschaftliche Entscheidungen im vergangenen Jahr sehr oft nicht auf Grund echter betriebswirtschaftlicher Überlegungen in den Betrieben getroffen werden mußten, sondern auf Grund von Wechselfälligkeiten.
Nun ist zwar richtig, wenn für das Berichtsjahr festgestellt wird, daß sich der Gesamtertrag recht beachtlich verbessert hat, und zwar um rund 1,1 Milliarden DM, und bei gleichzeitiger Erhöhung der Gesamtkosten von 500 Millionen DM immerhin eine Verbesserung der Rohdifferenz um 600 Millionen eingetreten ist, was insgesamt die hier schon mehrfach genannte Zahl von 3,4 Milliarden Rohüberschuß ergibt.
Was ist nun um diese Zahl für ein Aufheben gemacht worden, nachdem sie im Spätsommer vergangenen Jahres bekanntgeworden ist! Aus wirklich sehr zahlreichen Publikationen und sonstigen Auslassungen konnte man den Eindruck gewinnen, als sei man dort der Meinung, für die Landwirtschaft sei nun auch eine Art überhitzte Konjunktur oder das goldene Zeitalter angebrochen. Dem ist nicht so. Insofern muß auch ich bedauern, daß nicht an Hand eines globalen Vergleichs Einschränkungen gemacht worden sind. Ich habe Verständnis dafür, daß die Methode, die völlig eindeutig und wissenschaftlich erhärtet ist, noch weiterer Entwicklung und Ergänzung bedarf. Aber zur Beseitigung all der vielen Irrtümer und Irreführungen, die mit dieser Zahl entstanden sind,
wäre der globale Vergleich unbedingt notwendig gewesen.
Ich will mich nicht wie viele meiner verehrten Vorredner in die gewagte Berechnung mit unzulänglichen Mitteln hineinbegeben. Wir wissen, daß, weil nicht die Stelle, die den Bericht angefertigt hat und die wohl allen voraus über das beste und umfangreichste Unterlagenmaterial verfügt, diese Berechnung angestellt hat, draußen sehr viele von sich aus — und jeder mit anderen Voraussetzungen und mit anderen Berechnungsgrundlagen — zu horrend abweichenden Zahlenergebnissen gelangt sind. Ich will in diesen Streit, der sich zwischen 3,5 und 8 bis 9 Milliarden bewegt, nicht mit einer eigenen Errechnung eintreten. Ich möchte aber sagen, daß man doch sehr bald approximativ zu einem Betrag von 4 oder 41/2 kommen kann, ohne dabei das schlechte Gewissen zu haben, durch gestellte Anhalts- und Annäherungswerte die Dinge bewußt in die Höhe zu treiben. Wir wollen uns gar nicht einmal auf die Zahl festlegen. Aber jeder hat hier doch zum Ausdruck gebracht, daß an der Tatsache der Unterbewertung des großen Abstandes, insbesondere in der Entlohnung, einfach nicht zu rütteln ist.
Eine Feststellung des Kollegen Bauknecht möchte ich besonders unterstreichen: der aus einer ganzen Reihe von Sparten der gewerblichen Wirtschaft herangezogene Vergleichslohn ist eindeutig zu niedrig gehalten, ist nicht nur inzwischen durch die Entwicklung überholt, sondern auch schon für den damaligen Zeitpunkt, so will mir scheinen, zu niedrig gewesen. Denn eine ganze Reihe von Momenten — die angeblich viel billigere Lebensweise auf dem Lande usw. — sind herangezogen worden, die heute im Gegensatz zu früher einfach nicht mehr stimmen. Im Gegenteil, es gibt heute in vielerlei Hinsicht einfachere und billigere Einkaufs- und Versorgungsmöglichkeiten in der Großstadt mit ihren Warenhäusern und ähnlichen Einrichtungen als auf dem flachen Lande. Treten wir also gar nicht in den Streit um den wirklichen Milliardenumfang der Disparität ein, sondern bleiben wir bei der Feststellung, daß sie vorhanden ist, vornehmlich auf dem Lohnabstand beruht und in die Milliarden geht. Das ist doch das beengende, von Tag zu Tag stärker werdende, beunruhigende Gefühl der Landbevölkerung: daß sie sich einfach von der Entwicklung überrollt, in den Hintergrund gedrängt fühlt allen anderen gegenüber, die sie umgeben, mit denen sie zum großen Teil unter einem Dach wohnt. Mit sorgenvoller Erwartung blickt die Landbevölkerung am heutigen Tag auf den Bundestag und fragt, was er in dieser Sache entscheidet: Kommen wir noch einmal zu einer beruhigten Situation, von der aus wir einen Ausblick auf eine Besserung nehmen können? Der erste Grüne Plan wurde allenthalben hoffnungsvoll als ein neuer Start angesehen, und man ist bereit, auch den zweiten noch einmal als einen neuen Start, als eine neue Möglichkeit des HoffnungSchöpfens aufzufassen. Aber wenn immer wieder, bevor die Maßnahmen eingeleitet sind, die Entwicklung so weit fortgeschritten ist, daß noch nicht einmal ein Schritthalten, geschweige ein Verkürzen des Abstands oder gar ein Aufholen des inzwischen vergrößerten Abstands möglich ist, dann sind alle Appelle an die Landbevölkerung, sie möge doch aushalten, weil ihre Arbeit und ihre Rolle im Rahmen der Gesamtbevölkerung so wichtig sei, auf die Dauer zwecklos. Es gibt sehr viele Momente —
sie sind von allen Seiten oft und nachdrücklich erwähnt worden —, die die Erhaltung einer leistungsfähigen Landwirtschaft nicht nur der Nahrungsmittelversorgung wegen, sondern auch zur Wahrung des Bestandes des Bauerntums als eines mit 13 % immer noch beachtlichen Teiles unserer Bevölkerung notwendig erscheinen lassen.
Das schließt keineswegs aus, daß die von uns allen sehr begrüßten und vor zwei Jahren eingeleiteten Strukturverbesserungsmaßnahmen weiter verfolgt werden. Sie können aber nur in evolutionärer oder, wie Herr Kollege Lücker gesagt hat, organischer Weise betrieben werden und niemals im Sinne einer revolutionären Umgestaltung der Struktur. Allerdings muß, wenn die wirtschaftliche Entwicklung zum Nachteil der Landwirtschaft so weitergehen sollte, eine solche revolutionäre Umgestaltung befürchtet werden.
Nun ist ja nicht nur die Unkostensenkung, auf die wir jahrelang gehofft haben, ausgeblieben, sondern es sind laufend weitere Belastungen auf uns zugekommen. Auf dem anderen Weg über Subventionen wird nicht entfernt der erforderliche Effekt erzielt. Denn wir wissen ja alle, daß es der Herr Minister bei der gegebenen Haushaltslage selbst bei den vorgesehenen Beträgen nicht leicht gehabt hat, diese Summen dem Herrn Finanzminister abzuringen.
So muß, wenn man diesen großen. Millionen zählenden Bevölkerungsteil nicht in seiner wachsenden Sorge belassen will, die Frage aufgeworfen werden, ob bei uns nicht der dritte Weg zumindest diskutiert und, wenn auch mit kleinen Schritten, betreten werden muß. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt doch nur eine dritte Seite, die zu überprüfen ist, nämlich die, wie man den Ertrag, die Einnahmen oder die Erlöse der Landwirtschaft verbessern kann. Ich habe mich über die Feststellungen im Bericht des Herrn Ministers außerordentlich gefreut. Nachdem er nämlich dieses sehr betrübliche Bild gegeben hat, trifft er nämlich die zweite Feststellung, daß es aus dieser Lage praktisch nur zwei Auswege geben könne. Der erste ist, allgemein maßzuhalten und die volkswirtschaftlichen Fortschritte auch in Preissenkungen zum Ausdruck kommen zu lassen. Dazu wird wohl jeder aus der Landwirtschaft und sicherlich auch aus der Verwaltung ja sagen. Wie glücklich wären wir gewesen, wenn sich die Entwicklung allenthalben gleichmäßig und nicht auf dem einen Sektor im Schneckentempo und auf anderen Sektoren im Galopp vollzogen hätte! Dann wären uns all diese Diskrepanzen erspart geblieben. Unsere Geduld, wenn ich in diesem Plural von mir zusammen mit der Landwirtschaft sprechen darf. die wir jahrelang vergeblich auf diese Umkehr der Entwicklung gehofft haben, ist erschöpft. Dann müssen wir eben den zweiten in der Regierungserklärung angeführten Weg beschreiten, die Landwirtschaft über ein günstigeres Preisgefüge daran zu beteiligen.
Nun weiß man: wenn man diese Frage anspricht, dann ist sehr schnell Alarm gegeben. Wir sind auch nicht diejenigen, die hier einfach unzumutbare Forderungen gegenüber der Verbraucherschaft erheben, ohne zunächst einmal nachgesehen zu haben, wie es sich mit der Kaufkraft verhält. Hier ist doch wohl festzustellen, daß wir in den letzten Jahren eine Steigerung der Massenkaufkraft zu verzeichnen haben, an der gemessen die Verbesserung der landwirtschaftlichen Erträge nur sehr gering ist. Diese Zahlen muß ich Ihnen nun doch