Meine eigene Abstimmung spielt hier keine Rolle.
Es scheint mir aber, daß Sie auf eine Zollsenkung anspielen, die im Zusammenhang mit der damaligen Debatte über die Konjunktur in der gesamten Wirtschaft gestanden und die mit einem einzelnen Produkt überhaupt nichts zu tun hat. Ihre Frage ist so gestellt, daß Sie damit die Lage verfälschen; das möchte ich ausdrücklich feststellen.
Ich darf hier das unterstreichen, was auch Herr Kollege Bauknecht gesagt hat. Wenn wir die Disparität beseitigen wollen, wenn wir erreichen wollen, daß auch die Landwirtschaft zu dem kostendeckenden Preis kommt, ist das letzten Endes nur dadurch möglich, daß der § 1 des Landwirtschaftsgesetzes so angewendet wird, wie es vom Gesetzgeber vorgesehen ist.
Ich möchte noch zu einigen anderen Dingen des Grünen Berichtes kommen. Leider fehlen im Grünen Bericht ausreichende Hinweise auf die Tatsache, daß der Erzeugeranteil an dem Endpreis, den der Verbraucher zahlt und der uns immer wieder vorgehalten wird, ständig geringer geworden ist. Es wäre dringend zu wünschen, daß der Informationsdienst des Bundesernährungsministeriums diese Dinge einmal eindeutiger und klarer aufzeigt, damit draußen in der Öffentlichkeit endlich ein anderes Bild entsteht, als es in der Vergangenheit bestanden hat.
Im übrigen muß ich sagen, daß der Grüne Bericht für den Bauern leider nichts Neues gebracht hat. Der Bauer spürte die Lage der deutschen Landwirtschaft schon längst an seinem Geldbeutel. Der Grüne Bericht hat auch nichts Neues für uns gebracht, die wir in der agrarpolitischen Verantwortung stehen. Denn wer Augen hatte, Herr Kriedemann, der konnte an der Entwicklung der Indexpreise längst ablesen, wie sich die Lage der Landwirtschaft in der Zwischenzeit entwickelt hat. Die wirkliche Lage zeigt sich deutlich daran — und das ging auch aus den Ausführungen des Herrn Bundesernährungsministers in der letzten Woche hervor —, daß nur knapp 5 % der Betriebe eine Kostendeckung erreichen, daß bei rund 20 % der Betriebe zwar der Lohnanteil erreicht worden ist, aber keine Verzinsung mehr des im Betrieb investierten Kapitals, und daß bei rund 75 % der bäuerlichen Betriebe bzw. bei rund 75 % der Betriebsfläche weder ein echter Lohnanteil noch eine Verzinsung des Kapitals noch ein Entgelt für das Unternehmerrisiko erreicht worden ist.
Ich darf auf folgende Tatsache hinweisen. Die Verschuldung der Landwirtschaft betrug im Juli 1955, also vor der Ernte, 7,2 Milliarden DM. Sie betrug 1956 vor der Ernte, also am Schluß des Berichtsjahres, 8,5 Milliarden DM. Sie beträgt nach neuesten Erhebungen am Ende des Jahres 1956 8,8 bis 8,9 Milliarden DM, wovon über 5 Milliarden DM kurzfristige Schulden mit hohen Zinssätzen sind. Die Experten sagen, daß in Bälde die 9-Milliarden-Grenze erreicht sein wird. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß der Grüne Be-
richt einen Verkaufserlös von insgesamt 15 Milliarden DM ausweist. Das bedeutet, daß schon heute, vor der Ernte, die Ernte des Jahres 1957 mit über 50 % verschuldet ist. Der Bericht sagt leider auch nichts aus, ob man sich bei der Bundesregierung Gedanken darüber gemacht hat, wie diese 5 Milliarden DM kurzfristige Schulden konsolidiert werden könnten. Man sollte sich einmal Gedanken darüber machen, ob nicht die Verwendung eines Teiles des Juliusturmes hier angebracht wäre. Ich glaube, er könnte hier eingesetzt werden, ohne daß das die Marktwirtschaft in irgendeiner Weise stören würde.
Bei näherer Untersuchung des Grünen Berichtes muß man leider noch einen anderen Fehler feststellen. Herr Kollege Bauknecht hat bereits darauf hingewiesen — ich kann mich deshalb kurz fassen —, daß eine riesengroße Diskrepanz besteht zwischen den 3,9 Millionen Familienarbeitskräften, die in der amtlichen Statistik angegeben sind, und den 2,2 Millionen, die im Grünen Bericht zugrunde gelegt werden. Wie man die Umrechnung auch vornahm, — ich glaube, die Leistung unserer Bauersfrauen wurde dabei nicht entsprechend gewürdigt.
Auch in der Frage des Lohnansatzes kann ich mich auf das beziehen, was Herr Bauknecht bereits hier gesagt hat. Man hat einen manipulierten — ich unterstreiche dieses Wort besonders — Jahresdurchschnittslohn zugrunde gelegt, anstatt einen echten Vergleich anzustellen. Das ist nur möglich, wenn man den Stundenlohn zugrunde legt.
Trotz dieser prinzipiellen Fehler kann man aus diesem Bericht interessante Zahlen entnehmen. Es wurde, glaube ich, schon von zwei meiner Herren Vorredner angeführt, daß bei dem Vergleich zwischen Erlös und Aufwand auf Seite 48 des Berichts von der Bundesregierung festgestellt worden ist, daß für die familieneigenen Arbeitskräfte noch ein Barlohn von 830 DM verbleibt. Wenn man diesen Barlohn einmal auf die Stunden umrechnet — und der Bericht unterstellt ja 2700 Arbeitsstunden im Jahresdurchschnitt für die landwirtschaftlichen Arbeitskräfte; die Zahl ist anfechtbar, ich will sie aber unterstellen —, ergibt sich ein Stunden-Barlohn von 30,75 Pf, also von knapp 31 Pf je Stunde, allerdings neben Kost und Wohnung. Es ist nur der Barlohn allein gemeint; ich will das der Ordnung halber ausdrücklich feststellen.
Man muß sich wundern, daß die deutschen Kleinbauern — denn sie geht das in erster Linie an — das bisher noch ausgehalten haben. Diejenigen, die die Verhältnisse draußen nicht kennen, müssen wissen, daß das bisher nur dadurch möglich gewesen ist, daß man den Riemen von Jahr zu Jahr enger geschnallt hat. Wie lange das noch weitergehen soll, wissen wir nicht. Wie lange wir bei einem Stundenlohn von rund 30 Pf die Menschen noch bei der Scholle halten können, wird wohl kaum einer vorauszusagen in der Lage sein. Das soziale Problem unseres Volkes ist heute — neben den Problemen der Kleinrentner und neben denen des Mittelstandes, die in zwei Geldabwertungen ihr Vermögen verloren haben — draußen auf dem Dorf bei unseren Kleinbauern zu suchen und nirgendwo anders.
Vergeblich sucht man im Bericht nach einer Globalbilanz. Auch darüber wurde bereits gesprochen. Man ist deshalb darauf angewiesen, da und dort Berechnungen 'anzustellen. Zwar ist im
Bericht gesagt, daß die Unterlagen nicht ausreichen, eine solche Bilanz zu erstellen; aber wenn man sich ein bißchen Mühe gemacht hätte — und ich glaube, daß der Bundesregierung doch ganz große Experten zur Verfügung gestanden hätten, wenn man sich hätte der Mühe unterziehen wollen —, hätte man eine solche Bilanz, eine Aufwands-Ertragsrechnung, wie sie im Gesetz vorgeschrieben ist, erstellen können. Ich darf jedenfalls eindeutig feststellen, daß, als der Gedanke einer Disparitätsrechnung vor etwa sechs Jahren erstmalig aufkam, das Industrieforschungsinstitut sofort eine solche Rechnung aufmachte. Auch das Wirtschaftswissenschaftliche Institut der Gewerkschaften hat sich der Mühe unterzogen, eine solche Bilanz aufzustellen. Damals lagen dieser Bilanz keine besseren Unterlagen zugrunde, als heute vorhanden sind; heute wären die Unterlagen sogar etwas besser gewesen. Eine wenigstens ungefähr stimmende Bilanz hätte man schon vorlegen können. Man kann sich des Eindrucks nicht. erwehren, daß man diese Bilanz nicht erstellen wollte, um der Öffentlichkeit nicht sagen zu müssen, wie die wirkliche Lage der Landwirtschaft ist.
Leider ist es für denjenigen, der mit den Dingen nicht so ganz vertraut ist, der nicht dauernd drinsteht, nicht sehr leicht, aus dem vorliegenden Bericht eine solche Bilanz zu ziehen. Das käme einer Doktorarbeit gleich. Aber ich darf darauf hinweisen, daß sich andere Experten dieser Aufgabe unterzogen haben und man dieser Tage einer Veröffentlichung entnehmen konnte, daß Fachleute die derzeitig bestehende Disparität bei Einsatz aller kalkulatorischen Posten in der Weise, wie es heute von meinen Vorrednern vorgeschlagen wurde, bei echten Stundenlöhnen, bei echter Verzinsung des Kapitals zwischen 8 und 10 Milliarden ermittelt haben. Sie werden über diese Summe erschrecken. Ich bin genauso erschrocken wie Sie und habe mir einmal Gedanken darüber gemacht, wie man zu solchen Phantasiezahlen kommen kann. Es ist mir genauso ergangen, wie es manchen von Ihnen jetzt ergangen ist.
Man muß da einige Dinge kennen, um einmal die Größenverhältnisse überhaupt zu begreifen. Sie haben gehört, daß wir 3 Millionen Vollarbeitskräfte in der Landwirtschaft haben, — die bereinigte Zahl; ich zähle nicht diejenigen, die außerdem noch da sind, sondern nur die amtlich zugegebenen 3 Millionen. Auch ist amtlich zugegeben, daß sie auf 2700 Arbeitsstunden pro Jahr kommen. Wenn Sie das multiplizieren, ergeben sich 8,1 Milliarden Arbeitsstunden insgesamt. Wenn Sie auch nur 10 Pfennig Stundenlohn annehmen, gibt das 810 Millionen DM im Jahr. Wenn also eine Lohndifferenz von 41 Pf besteht, wie es Herr Minister Lübke hier ausgewiesen hat, gibt das schon 3,32 Milliarden DM Differenz allein als Lohndisparität. Ich 'unterstelle hierbei die amtlichen Zahlen, die uns bekanntgegeben worden sind. Und wenn das stimmt, was Herr Kollege Bauknecht vorhin gesagt hat, daß nach seinen Unterlagen die Lohndifferenz zwischen Landwirtschaft und gewerblicher Wirtschaft 60 Pf beträgt — genau 59; ich runde es jetzt der Einfachheit halber auf 60 auf; Sie können ja nachher einen Pfennig wieder abziehen —, dann ergeben sich aus 6 mal 810 Millionen rund 4,8 Milliarden DM. Wenn Sie diese Zahl herausstellen, kommt Ihnen die Disparitätszahl von 8 Milliarden vielleicht nicht mehr ganz so böhmisch vor. Wenn man dann damit rechnet, daß die Verzinsung, der Betriebsleiterzuschlag — es
gibt Experten, die das ausgerechnet haben — bei richtigem Ansatz auch mindestens 3 bis 4 Milliarden betragen müßten, dann kommen wir der Summe schon wesentlich näher. Ich will weiter zu diesen Dingen jetzt nicht sprechen.
— Dann darf ich Sie freundschaftlich daran erinnern, daß Sie einen großen Fehler gemacht haben, als Sie unsere Konzeption nicht annahmen. Es war eine Lüge, wenn man sagte: Die FDP will eine Indexautomatik. Ich will jetzt keinen Vergleich mit dem vor einigen Tagen verabschiedeten Rentenreformgesetz ziehen, um festzustellen, wer eine Indexautomatik will und wer nicht. Es war aus dem Gesetzentwurf klarherauszulesen, daß wir den Indexvergleich nur für die laufende Untersuchung heranziehen wollten. Aber, Herr Kriedemann, wenn man das jetzt täte — entschuldigen Sie, wenn ich ein bißchen dabei verweile —,
müssen Sie folgendes bedenken. Wir lesen im Grünen Bericht, daß die Löhne, die eingesetzt worden sind, auf der Tarifbasis vom 1. März 1956 fußen, wenn ich mich recht erinnere — ich konnte es jetzt in der Eile nicht mehr nachlesen —, und daß inzwischen eine Lohnerhöhung von 13 Pf eingetreten ist. Ich habe vorhin ausgerechnet, was 10 Pf Lohnerhöhung ausmachen: allein diese eine Lohnerhöhung ergibt rund i Milliarde D-Mark. Sehen Sie, Herr Kriedemann, das kann man jetzt, ein Jahr später, im Bericht noch nicht einmal feststellen, weil der Bericht zwangsläufig eineinhalb Jahre nachhinkt.
— Wir haben den Aufwand-Ertrag-Vergleich auch richtig gefunden zur Nachprüfung, ob die Maßnahmen geeignet sind, nicht abgelehnt, sondern auch gefordert. Aber wenn man Maßnahmen nach § 1 des Gesetzes ergreifen will — sei es auf Außenhandels-, sei es auf preispolitischem Gebiet —, kann man das nur tun unter Anwendung der Indizes, weil man sonst immer um ein, eineinhalb oder auch zwei Jahre mit den Maßnahmen nachhinkt. Das haben wir doch gesehen.
Ich habe noch einen kleinen Vergleich: Wir hatten im vorigen Jahr im Grünen Plan 600 Millionen DM. Die Lohnerhöhung von 13 Pfennig machte bereits eine Milliarde DM aus, fraß also die ganzen Planmittel auf. Wir haben jetzt angeblich 1,2 Milliarden DM im Grünen Plan.
— Das dürfte nicht ganz stimmen.
— So; ich glaube noch nicht ganz an die Zahl. Ich komme nachher noch auf einige zahlenakrobatische Kunststücke zu sprechen, die im Grünen Bericht und im Grünen Plan enthalten sind; Sie haben auch schon darauf hingewiesen.
Die Gewerkschaften haben — ich mache niemandem einen Vorwurf daraus — schon wieder eine Lohnerhöhung um 20 % beantragt. Das macht 1,62 Milliarden DM aus.
Ich wollte mit diesen Feststellungen nur die Größenordnung zeigen, damit Sie sehen, wie lächerlich es ist, wenn man so ein großes Gedöns — wie die Rheinländer sagen — um diese Millionen macht, die da gegeben werden.
— Bitte, ich muß feststellen, daß die Dinge davongelaufen sind, daß die Entwicklung in der gewerblichen Wirtschaft durch die Lohnpreisspirale ein Tempo angenommen hat, das alle Maßnahmen, die wir heute treffen, leider Gottes nur als einen Tropfen auf den heißen Stein erscheinen läßt. Das ist eine Tatsache, die leider nicht wegdiskutiert werden kann. Man hätte andere Maßnahmen grundsätzlicher Art ergreifen müssen.
Vieles, was ich mir notiert habe, würde eine Wiederholung dessen sein, was meine Herren Vorredner über den Bericht selbst und über den Plan gesagt haben. Ich will die Damen und Herren des Hohen Hauses damit nicht langweilen. Ich möchte nur noch auf zwei Dinge ganz kurz eingehen.
Die Disparität werden wir nie allein mit irgendwelchen Subventionsmaßnahmen beseitigen können. Das ist wohl uns allen klargeworden. Subventionsmaßnahmen können dann zugestanden werden, wenn es gar keine andere Möglichkeit der Hilfe mehr gibt. Auch wir sagen heute ja z. B. zu den auf dem Gebiet der Milchwirtschaft vorgesehenen Subventionsmaßnahmen, weil man, wenn man heute den Ausgleich schaffen wollte, nachdem man die Milchpreisregelung seit 1951 hat hängen lassen und im Vorjahr nur eine unbefriedigende Maßnahme getroffen hat, den Trinkmilchpreis um 20 Pfennig erhöhen müßte.
Denn bekanntlich gelangen nur 25 % der Milch als Trinkmilch auf den Markt, und der Rest findet als Werkmilch in der Butter- und Käsezubereitung Verwendung.
Nun möchte ich noch zu den Mitteln des Grünen Plans sprechen, die zur Verbesserung der Agrarstruktur vorgesehen sind. Es wurde angegeben, daß es sich im vorigen Jahre um 80 Millionen, in diesem Jahre um 160 Millionen DM für die Flurbereinigung handelt. Es wurde aber von Herrn Minister Lübke selbst zugegeben, daß 220 Millionen DM schon beantragt sind. Ich muß doch fragen: warum hat man diese Mittel dann nicht wenigstens genehmigt, als es darum ging, die Posten auszuhandeln?
— So genau wußte ich es nicht. Man darf ja auch einmal etwas fragen.
Wir von der FDP haben vor einiger Zeit einen Antrag betreffend ein Investitionsprogramm ge-
stellt. Wir vermissen leider im Grünen Bericht einen entscheidenden Hinweis darauf. Wir sind uns längst klargeworden, daß mit den Mitteln, mit denen man jetzt die Strukturwandlung durchführt — ich glaube, das geht auch Herrn Minister Lübke so —, in vielen Jahren das Ziel nicht erreicht wird. Es wird zwar gesagt, daß man schon heute Agrarpolitik in der Richtung mache, daß wir in spätestens 15 Jahren in das europäische Marktgeschehen eingegliedert werden können. Man gibt auf der anderen Seite zu, daß wir bei den Mitteln, die wir heute für die Strukturverbesserung aufwenden, noch mindestens 30 bis 40, wenn nicht noch viel, viel mehr Jahre brauchen, bis der deutsche Landwirt so weit ist, daß er in das europäische Marktgeschehen eingeschaltet werden kann.
Ferner möchte ich darauf hinweisen, daß es mit der Strukturwandlung allein beim besten Willen nicht getan ist. Man muß dazu eine Wandlung des Maschinenbesatzes, eine echte Umwandlung durchführen, wenn wir diese Konkurrenz aushalten sollen. Da sind andere Mittel nötig, als bisher eingesetzt worden sind. Von Experten ist veranschlagt worden — zu diesen Experten gehören meines Wissens Herr Professor Baade, Herr Professor Rüstow und Herr Professor Niehaus —, daß für die vollständige Modernisierung, für die echte Umstellung der Landwirtschaft ein Kapital von etwa 40 bis 45 Milliarden DM notwendig wäre. Diese Zahl mag phantastisch klingen. Aber wenn man die Voraussetzungen dafür schafft, daß die Landwirtschaft dabei viel Eigeninitiative entwickeln kann — ich erinnere an unser Investitionssparkassen-Programm —, und wenn man nur in einem ähnlichen Maße, lange nicht so hoch, aber in ähnlichem Maße wie beim Bausparen die Mittel gibt und dann wie beim Wohnungsbau die Zuschüsse gibt und diese Summe von 45 Milliarden auf 15 Jahre verteilt, sich also nur 3 Milliarden jährlich als Ziel setzt, dann ist es, glaube ich, durchaus im Bereich der Möglichkeiten, ein solches Programm durchzuziehen. Ich möchte auf weitere Einzelheiten jetzt nicht eingehen. Ich glaube, daß die Experten, die es angeht, mich schon richtig verstanden haben.
Eines hat mich beim Lesen des Grünen Berichts ganz besonders beeindruckt. Auch wenn man sonst die Dinge, die über den Grünen Bericht, über die Lage der Landwirtschaft verbreitet werden, vergleicht, muß man als Agrarwirtschaftler beinahe erschüttert sein über die Auffassungen, die da und dort draußen herrschen. Dieser Tage hat jemand zu mir gesagt — vielleicht ist diese Auffassung ganz drastisch ausgesprochen, aber sie ist ausgesprochen worden —: „Na, Ihre Bauern können ja nun zufrieden sein, jetzt bekommen sie wiederum 1,5 Milliarden" —, „ihr braucht ja jetzt bald nichts mehr zu tun; euch wächst das Geld in die Tasche hinein." So geht es, Herr Bundesminister, wenn man nur die Summen klarstellt, die man ausgibt, und vergißt, der Öffentlichkeit die Summen bekanntzugeben, die die wirkliche Disparität ausmachen. Das ist einfach das Schlimmste an der ganzen Lage heute, daß wir feststellen müssen, daß sich die breite Öffentlichkeit über uns ärgert, daß allmählich diese 87 % Nicht-Landwirte eine völlig falsche Vorstellung von der Landwirtschaft bekommen, daß sie zwangsläufig zu der Überzeugung kommen: Diese Bauern können nie satt werden, sie können nie genug bekommen, sie sind unerschöpflich in ihren Forderungen.
— Bitte, lesen Sie die Presse! „Milliardenrausch", „Geschenke der Steuerzahler an die Landwirtschaft" —, ich könnte Ihnen Dutzende solcher Überschriften in der Tagespresse zeigen. Um den Dingen nachzugehen, habe ich hier im Hause einen Journalisten wegen eines solchen Artikels zur Rede gestellt. Er hat mir gesagt: „Bitte, Herr Mauk, was wollen Sie denn, die Zahlen, die ich verwendet habe, stammen vom Informationsdienst des Bundesernährungsministeriums." Ich darf nur dies eine Beispiel nennen. Man könnte publizistisch eine andere Atmosphäre und andere Voraussetzungen schaffen.
England zahlt an seine viel kleinere Landwirtschaft jährlich etwa 4 Milliarden DM, in erster Linie für Preisstützungen und für einige andere Maßnahmen. Ich habe nichts davon gehört, daß in England deshalb ein Aufruhr entstanden ist oder die Landwirtschaft schief angeschaut wird. Aber drüben schreibt man public relations eben ganz groß. Herr Minister Lübke hat kürzlich in diesem Hause ausgeführt: Wir müssen uns leider immer erst von anderen Ländern die Beispiele vorführen lassen, z. B. die Schulmilchspeisung. Ich möchte ihn dringend bitten, auch hier bei den public relations einmal das Beispiel der anderen Länder anzuwenden; dann bekommt man draußen in der breiten Öffentlichkeit ein ganz anderes Bild über die wirkliche Lage der deutschen Landwirtschaft.
Ich glaube, daß ich auf die Maßnahmen des Grünen Plans nicht mehr allzubreit einzugehen brauche. Ich habe vorhin schon angedeutet, daß wir die Subvention in diesem einen Ausnahmefall bei der Milch bejahen, weil eine andere Lösung nicht mehr möglich ist. Über die Kostendeckung für Milch draußen beim Erzeuger liegt ein gutes wissenschaftliches Gutachten vor, das sagt, daß die Kosten heute eigentlich um 6 Pf höher liegen als die durchschnittlichen Auszahlungspreise der Monate Oktober/Dezember. Wenn man also die Kostendeckung schaffen will, muß man nicht nur 400 Millionen, sondern etwa 600 Millionen DM einsetzen. Ich möchte darauf nur hingewiesen haben. Ich möchte dringend bitten, daß man, wenn man den § 1 des Gesetzes — und da deckt sich meine Meinung hundertprozentig mit der des Herrn Bauknecht — in Zukunft auch nur einigermaßen anwenden will, es möglich macht, auf dem Gebiet der Importpolitik für viele Produkte den kostendeckenden Preis zu erreichen. Das wäre möglich, wenn man dazu willens wäre.
Über die Summen, die hier eingesetzt sind, will ich mich nicht beklagen. Ich kann nur sagen, daß sie die Disparität nicht beseitigen können. Ich freue mich über jeden Betrag, der eingesetzt ist. Aber interessant ist zu hören, daß z. B. die vorn Herrn Bundeslandwirtschaftsminister geforderten 70 Millionen DM für die Altersversorgung vom Bundesfinanzminister ausgerechnet an dem Tag abgelehnt worden sind, an dem der Bundeskanzler aus Paris berichtete, daß man für die Kolonien 168 Millionen DM jährlich genehmigt hat.
Meine Damen und Herren, die FDP hat in bestem Glauben an die Zusicherung der Bundesregierung zum ersten Grünen Bericht und Grünen Plan ja gesagt. Wir haben im Vorjahr geglaubt, daß es ein Anfang sein soll und daß man auf den Erfahrungen im nächsten Jahr aufbauen und die Maßnahmen wesentlich verbessern würde, daß man vor allen Dingen auch die Konsequenzen nach § 1 ziehen würde. Wir müssen am Jahresende leider
feststellen, daß man das nicht getan hat, und wir sind in unseren Hoffnungen wieder enttäuscht worden. Aus diesem Bericht ist eindeutig zu erkennen, daß man dem Ziele eines Ausgleichs der naturbedingten landwirtschaftlichen Nachteile, wie es heißt, gegenüber den anderen Bereichen und der Angleichung der sozialen Lage der in der Landwirtschaft tätigen Menschen an die vergleichbarer Berufsgruppen ferner ist als je einmal zuvor. Ich glaube, die Landwirtschaft wird sich, nachdem nun der zweite Grüne Bericht und der zweite Grüne Plan vorliegen, einmal sehr ernstlich die Frage vorlegen müssen, wieviel von dem, was seit 1951 bezüglich der Beseitigung der Disparität versprochen wurde, eingelöst worden ist. Ich muß leider feststellen, daß die Disparität in jedem Jahr größer geworden ist. Als das Gesetz verabschiedet wurde, habe ich den zuständigen Ressortminister, Herrn Lübke, dringend gebeten, ja beinahe beschworen, dieses Gesetz zu einem Instrument zu machen. Ich möchte heute nicht beurteilen, inwieweit er allein die Macht dazu hatte, muß aber leider feststellen, daß das Gesetz nicht zu diesem Instrument geworden ist, wie wir es erwartet haben. Wir hatten dem Gesetz zwar nicht ganz vorbehaltlos, aber schließlich doch zugestimmt. Unsere Erwartungen haben sich leider nicht erfüllt.
Ich bin der Meinung — ich teile da die Auffassung von Herrn Kriedemann —, daß man im Ernährungsausschuß einmal ernstlich prüfen muß, inwieweit die auf Grund des ersten Grünen Plans durchgeführten und die nach dem zweiten Grünen Bericht und Plan vorgesehenen Maßnahmen dem Befehl des Gesetzgebers entsprechen. Leider kann ich nicht in das Loblied des Herrn Kollegen Lücker einstimmen. Ich habe auch voriges Jahr nicht mit einstimmen können, als er den Bundesfinanzminister so sehr lobte. Ich mußte damals Vorbehalte anmelden. Sie dagegen, Herr Lücker, haben sich, von wenigen Ausnahmen abgesehen, mit dem jetzigen Grünen Bericht zufriedengegeben.
Ich muß Sie leider noch einmal ansprechen, Herr Kollege Kriedemann. Sie haben zwei Dinge in einen Topf geworfen, nämlich die Düngemittelsubvention und das, was für die Milch gegeben werden soll, und haben bedauert, daß keine gezielten Maßnahmen daraus gemacht würden. Herr Kollege Kriedemann, ich will mich jetzt nicht in Einzelheiten ergehen, aber doch sagen, daß es auch mir lieber wäre, wenn man der kleinen Landwirtschaft, die besonders in Not ist, mit besonderen Maßnahmen helfen könnte.
Glauben Sie mir, ich komme aus einem Gebiet, wo die Dinge bekannt sind. Ich weiß, daß insbesondere die kleinen Bauern unter der Disparität zu leiden haben. Ich habe aber z. B. bei der Kunstdüngersubvention bisher noch Furcht vor einer gezielten Maßnahme, weil ich nicht weiß, welcher Verwaltungsapparat dazu notwendig wäre und welche Mittel die Verwaltung dann wieder fressen würde. Darüber müßten wir uns noch unterhalten. Wir müßten da, glaube ich, ganz andere Wege beschreiten, viel einfachere Lösungen finden.
Sie haben gesagt, Herr Kollege Kriedemann, daß der Mehrerlös von 1 Milliarde DM in der Landwirtschaft in erster Linie durch Preiserhöhungen gekommen sei und daß diese nicht möglich gewesen wären, wenn nicht Lohnerhöhungen vorausgegangen wären. Ich bin hundertprozentig einverstanden mit Ihnen. Wir freuen uns, wenn sich das Einkommen der Allgemeinheit steigert, denn auch die Landwirtschaft nimmt an jeder Einkommensteigerung teil; das ist ganz selbstverständlich. Aber die Steigerung des Einkommens hat nur einen begrenzten Einfluß auf den Lebensmittelabsatz, denn man kann eben — das möchte ich noch zu dem hinzufügen, was Herr Bauknecht gesagt hat — nicht mehr als sich den Magen vollessen, und dann hört es eines Tages auf.
— Daß es noch nicht in allen Schichten erreicht ist, gebe ich durchaus zu.
Ich möchte aber noch eines sagen, und zwar gerade unter dem Eindruck der Ausführungen, die Sie, Herr Kollege Kriedemann, gemacht haben. Wir müssen am Ende des ersten Berichtsjahres feststellen, daß die Maßnahmen des ersten Berichts nicht ausgereicht haben, um die Disparität zu beseitigen. Daß auch die neuen Maßnahmen nicht ausreichen werden, können wir heute schon klar und deutlich voraussagen, es sei denn, daß es uns gelingt, der Entwicklung auf einem anderen Gebiet Einhalt zu gebieten. Die Lohn-Preis-Entwicklung bereitet mir — das muß ich doch sagen —eine große Sorge. Die Lohnforderungen auf der einen Seite und die Lohnbewilligungen auf der anderen Seite gehen laufend über das hinaus, was die Produktivitätssteigerung ausmacht.
— Ich habe gar nichts dagegen, daß jeder einen höheren Lohn bekommt; Sie wollen mich da nicht falsch verstehen! Ich gönne dem, der heute 2 DM Lohn hat, daß er morgen 3 DM hat. Ich möchte aber dann nicht, daß er nachher für 3 DM weniger einkaufen kann als vorher für 2 DM.
Bei einer Übersteigerung der Lohnerhöhung tritt das später einmal ein.
Deshalb müssen wir uns einmal Gedanken darüber machen, wohin diese Entwicklung führen soll, und deshalb muß ich Ihnen am Ende meiner Ausführungen im Namen meiner Fraktion leider sagen, daß dieser zweite Grüne Bericht nach unserer Meinung nicht das gebracht hat, was wir von ihm erwartet haben. Wir sind zu der Erkenntnis gekommen, daß er vermutlich dem Gesetz nicht entspricht, was noch im Ausschuß untersucht werden soll, wie ich sagte. Ich muß Ihnen sagen, daß wir über den Inhalt und die Auswirkungen dieses Berichts, von dem wir mehr erwartet haben als von dem ersten Grünen Bericht, enttäuscht sind.