Rede von
Dr.
Adolf
Arndt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Kollegin, ich habe nicht die Absicht, in dieser sehr delikaten und sehr ernsten Frage mit Ihnen zu polemisieren. Ich habe in aller Offenheit gefragt, wie Ihre Ausführungen — die ich ja nur mit dem Ohr schnell gehört habe — zu verstehen sind.
Ich will Ihnen auch den Grund sagen, warum ich das gefragt habe: weil das Vertrauen auf eine Regelung ja in seinem Grade jeweils danach verschieden ist, ob eine Ordnung nur hingenommen wird, weil sie gegenwärtig legal ist, oder ob diese Ordnung — ich will ein sehr kühnes Wort sagen — geliebt wird, weil sie legitim ist. Das ist ein ganz beträchtlicher Unterschied, und das Vertrauen in die Zukunft in dieser für den konfessionellen Frieden in unserem Volke so wichtigen Frage wird namentlich auch evangelischerseits anders sein, wenn man glaubt sich darauf verlassen zu können, daß das Prinzip der obligatorischen Zivilehe als ein den konfessionellen Frieden wahrendes gutes Prinzip anerkannt wird. Deshalb wären manche hier im Saale, glaube ich, erleichtert gewesen, wenn eine solche Erklärung — nicht Ihre private Meinung, Frau Kollegin, sondern eine Erklärung namens der Unionspartei — hätte abgegeben werden können. Und das hätte deshalb auch eigentlich nicht schwierig zu sein brauchen, weil der Herr Bundesminister des Innern ja erst noch im vorvergangenen Jahre, in der 111. Sitzung am 10. November 1955, eine formulierte Regierungserklärung abgegeben hat, die sich im Prinzip — sogar mit Folgen, die heute wohl auch von der Bundesregierung nicht mehr gewünscht werden — zur obligatorischen Zivilehe bekannte.
In einem Punkte bin ich nun mit der Frau Vorrednerin nicht einig, nämlich, daß auch bei einem ersatzlosen Fortfall des § 67 des Personenstandsgesetzes der Grundsatz der obligatorischen Zivilehe gesichert sei, und zwar deshalb gesichert sei, weil er im Ehegesetz stehe und weil die bürgerlichen Folgen sich nur an die Zivilehe knüpften. Man kann manche mindestens dieser bürgerlichen Folgen auch durch Unterhaltsverträge, Erbverträge und Adoptionen herbeiführen, und man könnte — ich komme noch darauf zu sprechen — einen für den konfessionellen Frieden immerhin schwierigen und bedrohlichen Zustand bekommen, wenn es zu einem Auseinanderklaffen zwischen konfessioneller, religiöser Ehe und staatlicher Ehe käme. Ich stehe aber nicht an — und ich tue das gern —, es als dankenswert zu begrüßen, daß in der Frage der sogenannten Onkelehen zwischen der Bundesregierung und dem Heiligen Stuhl eine befriedigende Übereinkunft erzielt worden ist, Einverständnis darüber herrscht, daß diese Onkelehen nicht als ein sittlicher Notstand anerkannt werden können, so daß von jenem Mißstand her keine Gefahr mehr droht.
Ich darf jedoch darauf hinweisen, daß hier eben doch noch Grundsatzfragen unausgetragen sind. Ohne daß ich bei dieser Gelegenheit die jetzt nicht zur Debatte stehende Frage zu erörtern wünsche, ob das Reichskonkordat gültig zustande gekommen und noch wirksam ist, enthält gerade jener Art. 26 des Reichskonkordats, auf den im Notenwechsel zwischen der Bundesregierung und dem Heiligen Stuhl Bezug genommen wird, die ausdrückliche Klausel, daß die Übereinkunft unter Vorbehalt einer umfassenden späteren Regelung der eherechtlichen Fragen getroffen wird. Man kann nicht verkennen — und wenn wir die Pflicht haben, miteinander ehrlich zu sein, dann muß man auch darüber sprechen —, daß es nach wie vor eine starke Bewegung gegen die obligatorische Zivilehe gibt und daß aus dieser Bewegung eine gewisse oder teilweise starke Beunruhigung erwächst.
Ich darf da eine Zwischenbemerkung machen, auch um die Dinge in das richtige Verhältnis zu bringen. Es geht ja nicht nur um eine mögliche Meinungsverschiedenheit oder Auseinandersetzung
zwischen der Katholischen und der Evangelischen Kirche, sondern wir haben außer diesen beiden großen Kirchen noch eine ganze Reihe weiterer Denominationen, die ebenfalls mit öffentlich-rechtlichen Befugnissen ausgestattet sind, und wir haben auch — das hat in mancher Hinsicht eine erhebliche Rolle im Rechtsleben gespielt — Eheschließungen nach mosaischem Recht. Das wollen Sie nicht außer acht lassen. Aber davon abgesehen, wenn ich mich jetzt wie Frau Kollegin Schwarzhaupt auf die Beziehungen zur Katholischen Kirche oder auf die Frage beschränke, ob das Prinzip der obligatorischen Zivilehe in rechtspolitischer Hinsicht für die Zukunft nicht unbedroht erscheint, dann darf ich an den bekannten Ausspruch erinnern, den der jetzige Vizepräsident des Bundestages, Herr Dr. Jaeger, 1953 getan hat. Ich darf an eine wissenschaftliche Polemik erinnern, die von den Professoren Bosch, Dürig und anderen geführt wird, die eine eigene Zeitschrift mit zu dem Zweck gegründet haben, die Frage der obligatorischen Zivilehe aufzurollen. Ich darf Sie an Vorgänge in unserem Nachbarlande Österreich erinnern und schließlich daran, daß die Übereinkunft, die jetzt zwischen der Bunderegierung und dem Heiligen Stuhl getroffen worden ist, wiederum zu ganz erheblichen Pressepolemiken geführt hat, Pressepolemiken, die ich als unbegründet und für Teile der nichtkatholischen Bevölkerung als kränkend ansehe. So hat das „Fränkische Volksblatt" am 4. Februar dieses Jahres im Anschluß an die Veröffentlichung des Notenwechsels mit dem Heiligen Stuhl folgendes geschrieben:
Zwei andere Probleme, noch schwerwiegender als das des bürgerlichen Rechtsschutzes für den eine religiöse Handlung vornehmenden Geistlichen, bleiben indes durch diese Klärung zwischen dem Heiligen Stuhl und Bonn unberührt und ungelöst. Nr. 1, die zivile Zwangsehe, ein fragwürdiges Kind der Französischen Revolution, das im Kulturkampf durch Bismarck für Deutschland adoptiert wurde, bleibt eine nach unserer Ansicht nicht zu rechtfertigende Institution. Es bleibt die Frage, wann unser Gesetzgeber sich endlich entschließt, dem Beispiel anderer Kulturstaaten zu folgen und die fakultative Zivilehe einzuführen, die es den Eheschließenden überläßt, entweder zum Altar oder zum Standesamt zu gehen.
Meine Damen und Herren, die Bezeichnung der nach dem Recht des Staates geschlossenen Ehe als eine „zivile Zwangsehe", als ein „fragwürdiges Kind der französischen Revolution" und Ähnliches mehr ist recht bedenklich. Ich darf daran erinnern, daß diese auch nach weltlich-staatlichem Recht mit Würde, der Würde einer Institution, geschlossene Ehe unter dem ausdrücklichen Grundrechtsschutz des Art. 6 des Bonner Grundgesetzes steht; denn zu der Ehe, die durch Art. 6 des Bonner Grundgesetzes grundrechtlich verbürgt wird, gehört auch, sogar in erster Linie, die nach staatlich-weltlichem Recht geschlossene Ehe, worüber keinerlei Zweifel sein kann. — Ich freue mich, Herr Kollege Pelster, daß Sie mir da zustimmen.
Dann liegt hier ein Irrtum vor, der auch Frau Kollegin Schwarzhaupt unterlaufen ist. Wir müssen hier einmal gewisse Legenden aus der Welt bringen, um in den Dingen klarer zu sehen als bisher. Ich meine die Auffassung, daß es sich hier um Vorschriften handle, die im Kulturkampf entstanden seien und nur aus der vergifteten Atmosphäre des Kulturkampfes erklärt werden könnten. Ich habe hier das Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes vom Jahre 1870. Dort finden Sie das Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund vom 31. Mai 1870, dessen § 337 lautet:
Ein Geistlicher oder anderer Religionsdiener, welcher zu den religiösen Feierlichkeiten einer Eheschließung schreitet, bevor ihm nachgewiesen worden ist, daß eine Heiratsurkunde von dem Personenstandsbeamten aufgenommen sei, wird, wenn zur bürgerlichen Gültigkeit der Ehe die Aufnahme einer Heiratsurkunde erforderlich ist, mit Geldstrafe bis zu 100 Talern oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft.
Mit dem Kulturkampf hat das also absolut nichts zu tun; denn niemand wird guten Gewissens behaupten können, daß im Mai 1870 in Deutschland Kulturkampf gewesen sei. Man soll doch endlich solche der historischen Nachprüfung nicht standhaltende Behauptungen aus der Welt bringen. — Herr Kollege Kliesing, bitte sehr.