Rede von
Dr.
Erich
Mende
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der VIII. Ordentliche Bundesparteitag der Freien Demokraten in Berlin hat vor wenigen Tagen einmütig zum Ausdruck gebracht, daß Fragen der nationalen Verteidigung Angelegenheit des ganzen Volkes sind, nicht einer Partei. Um so bedauerlicher sind die Spannungen und die Schärfe der Auseinandersetzung zwischen den beiden größten Fraktionen dieses Hauses. Wir Freien Demokraten als die drittgrößte Fraktion haben uns —wie CDU und SPD bestätigen müssen—jahrelang bemüht, die Schärfen zwischen diesen beiden Auffassungen zu mildern und in den Grundfragen der nationalen Verteidigung möglichst zu einer Gemeinsamkeit zu kommen. Aber genauso wie der gestrige Tag kein großer Tag des Deutschen Bundestages war — Sie brauchen nur das heutige Presseecho zu prüfen —, ist auch der heutige Tag mit dieser übersteigerten Auseinandersetzung kein Ruhmesblatt. Ich fürchte, wir verwechseln immer mehr dieses Haus mit der Wahlarena, und das dient dem deutschen Parlamentarismus nicht!
Lassen Sie mich nun zunächst zu einigen grundsätzlichen Fragen im Zusammenhang mit der Einbringung dieses Haushalts Stellung nehmen, um dann eine wesentliche, in diesem Hause bisher noch nicht diskutierte Angelegenheit Ihnen vorzutragen.
Wenn man nach den Ursachen der hier zutage getretenen Spannungen forscht, so ist eines jetzt schon durch die beiden Sprecher der CDU und SPD bewiesen: die CDU/CSU hat sich als Regierungspartei durch die Auflösung der Unterausschüsse einen sehr schlechten Dienst erwiesen.
Vieles, was in diesen Unterausschüssen hätte sachlich geprüft werden können, muß nunmehr vor dem ganzen Hause dargestellt werden. Wir sind sehr daran interessiert, die schwerwiegenden Vorwürfe zu prüfen, die der Kollege Schmidt von der sozialdemokratischen Opposition hier erhoben hat. Wir unterstützen daher die Arbeit eines Untersuchungsausschusses, der in der Lage sein muß, zu prüfen, was an diesen schwerwiegenden Behauptungen der Wahrheit entspricht, was entstellt oder was möglicherweise Mißverständnis ist. Wir haben auch die Überzeugung, daß der Bundesverteidigungsminister seinerseits Untersuchungen einleiten wird. Denn an der Abstellung solcher Mängel, meine Damen und Herren, sind wir alle gleichermaßen interessiert, wo immer wir politisch auch stehen. Wir alle tragen die Verantwortung dafür, daß die neue Bundeswehr auf den Schultern des ganzen deutschen Volkes ruht, nicht auf denen nur einer Partei oder Koalition, schon lange aber nicht Instrument einiger noch immer nicht Bekehrter sein darf.
— Da ich nie Nationalsozialist und nie Pg. war, brauche ich nicht bekehrt zu werden wie manches andere ältere Mitglied dieses Hauses.
Wir haben in Berlin grundsätzlich unsere Auffassung zur Wehrpolitik dargelegt, indem wir als Leitsatz verkünden:
Wir sind bereit, die Freiheit mit allen Kräften zu verteidigen. Wir bejahen daher eine Wehrpolitik, die der politisch-geographischen Lage der Bundesrepublik, den militärischen Gegebenheiten und der Entwicklung der Rüstungstechnik entspricht!
Die Freien Demokraten sind sich darüber im klaren, daß die Freiheit niemals nur durch Bekenntnisse gesichert werden kann. Man muß bereit sein, sie in der Notwehr sogar mit der Waffe zu verteidigen. Es ist daher unser Bemühen, eine Verteidigung aufzubauen, die im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten unsere Volkskraft wirkungsvoll zur Geltung bringt. Diese Aufgabe sollte nicht gelöst werden ohne eine zeitgemäße Verbindung mit der geschichtlichen Entwicklung unserer soldatischen Vergangenheit.
Auf sich allein gestellt wird nach unserer Auffassung die Bundesrepublik ihre Sicherheit nicht gewährleisten können. Wir bejahen deshalb unsere gleichberechtigte Teilnahme an der NATO in der Überzeugung, daß die für uns notwendige Verteidigungsbereitschaft und die deutsche Wiedervereinigung sich gegenseitig nicht ausschließen. Wir Freien Demokraten sind von der Notwendigkeit überzeugt, im Einvernehmen mit unseren Vertragspartnern die bestehenden Militärpakte zu einem allgemeinen europäischen Sicherheitssystem zu erweitern, um dadurch eine weltweite Entspannung zu erreichen. Dabei muß auch nach unserer Auffassung die NATO so lange erhalten bleiben, bis das neue europäische Sicherheitssystem unter Einschluß der beiden Giganten dieser Erde, Washington und Moskau, seine Zuverlässigkeit und Wirksamkeit nach menschlichem Ermessen erreicht hat.
Wir bekennen uns zu einer allgemeinen Verteidigungsdienstpflicht. Wir glauben, daß die herkömmliche Form der Wehrpflicht den Notwendigkeiten einer neuzeitlichen Landesverteidigung nicht mehr gerecht wird. Es bedarf einer umfassenderen Regelung. — Ich verweise hier auf meine Ausführungen sowohl beim Wehrpflichtgesetz im Sommer vorigen Jahres wie beim Dienstzeitgesetz im Herbst des vergangenen Jahres. — Die allgemeine Verteidigungsdienstpflicht scheint uns die modernere Form jenes Opfers des Bürgers für die Sicherheit seiner Nation zu sein. Sie hat, nach Art und Zeit abgestuft, den personellen Bedarf für den Verteidigungsfall rechtzeitig unter Berücksichtigung aller Faktoren sicherzustellen. Sie ist entsprechend gesetzlich zu regeln.
Im einzelnen schwebt uns als die ideale Lösung der Gliederung des deutschen Verteidigungsbeitrags folgendes vor. Der deutsche Verteidigungsbeitrag soll sich im militärischen Bereich auf drei Säulen aufbauen.
Erstens auf dem vertraglichen NATO-Kontingent, d. h. einer operativen Truppe unter dem übernationalen Kommando der NATO als dem Schwert. Diese Truppe wird gebildet aus Berufssoldaten und längerdienenden Freiwilligen, den sogenannten Soldaten auf Zeit; aus Verteidigungsdienstpflichtigen nur insoweit, als letztere zur Einhaltung der vertraglichen Stärke und zur Bildung der notwendigen Reserven erforderlich sind. — Schon der Bundesverteidigungsminister hat hier vor Monaten vorgetragen, daß sich der Schwerpunkt unseres Verteidigungsbeitrags aus der technischen Entwicklung zwangsläufig nach der Seite der Berufssoldaten und längerdienenden Freiwilligen verlagert — eine Frage, die in der ganzen Welt aktuell ist. Es werden bei dem Heer daher 60 % des geplanten Verteidigungsbeitrags, bei Marine und Luftwaffe sogar 90 % Berufssoldaten und längerdienende Freiwillige sein.
Auch der vorliegende Fünfte Nachtragshaushalt fordert daher 40 000 Planstellen für Berufssoldaten und längerdienende Freiwillige und nur 10 000 für die sogenannten Wehrpflichtigen an.
Die zweite Säule soll die bodenständige Heimatverteidigung sein, die unter deutscher Wehrhoheit — zum Unterschied von dem supranationalen Kommando des NATO-Kontingents — mit der Aufgabe des unmittelbaren Schutzes der deutschen Heimat betraut werden soll, gewissermaßen als Schild. Sie wird sich aus kleinen aktiven Stämmen von Berufssoldaten und längerdienenden Freiwilligen und großen Kontingenten der Verteidigungsdienstpflichtigen zusammensetzen.
Die dritte Säule ist der zivile Bevölkerungsschutz mit seinen Freiwilligengliederungen — Atomschutz, Luftschutz, Technisches Hilfswerk, Feuerwehr und Rotes Kreuz —, ebenfalls unter deutscher Verantwortlichkeit. Dieser Bevölkerungsschutz soll der Ergänzung der militärischen Landesverteidigung dienen und ist daher nach unserer Auffassung in die wehrgesetzliche Gesamtplanung einzubeziehen. Im Verteidigungsfall wird auch der zivile Bevölkerungsschutz auf eine Verpflichtung im Rahmen der allgemeinen Verteidigungsdienstpflicht angewiesen sein.
Lassen Sie mich nach dieser Darlegung der grundsätzlichen Einstellung zu der Wehrpolitik und der Gliederung des deutschen Wehrbeitrages nunmehr auf eine Frage zu sprechen kommen, die in diesem Hause bisher nicht diskutiert wurde, die normalerweise auch im Unterausschuß hätte diskutiert werden sollen, die aber nach Auflösung der Unterausschüsse ebenfalls hier vor dem Hause ausgebreitet werden muß. Wir haben bisher auch in diesem Hause immer nur entweder von der personellen Frage, d. h. also von den jeweiligen personellen Stärken, oder von der Frage der Ausrüstung gesprochen. Wir wissen aber, daß zu einem Soldaten auch die Munitionierung gehört. Auf dem Gebiet der Munitionsversorgung der neuen Bundeswehr herrscht noch eine ziemliche Unklarheit. Nach einer Entscheidung des Verteidigungsministeriums soll die Munition bis zu 40 mm Kaliber in der Bundesrepublik gefertigt, darüber hinaus im Ausland beschafft werden. Bei der jetzigen Ausstattung der NATO hieße das, daß die Wurfgranaten der Kaliber 60 mm, 81 mm und 120 mm sowie die Granaten der Kaliber 75, 90, 88 und 105 mm im Ausland beschafft werden sollen. Bezüglich der Kaliber 155 mm und größer verlautet, daß die Amerikaner die geringen erforderlichen Mengen zur Verfügung stellen. — Für die Vergabe an das Ausland spricht einmal die Tatsache, daß gegenwärtig in Deutschland keine Laborieranstalten vorhanden sind. Die frühere Wehrmacht fertigte die einzelnen Munitionselemente selbst.
Die erste Frage lautet daher — und wir hoffen, die Antwort entweder hier oder im Verteidigungsausschuß zu erhalten —: Erwartet das Verteidigungsministerium für die Zukunft die Einrichtung deutscher Fertigungsanstalten durch die Industrie, oder wird es die alte Übung wieder aufnehmen, indem die Bundeswehr eigene Munitionierungsfertigungen errichtet?
Die zweite Frage. Es ist, für die größeren Kaliber zumindest, weder in der Bundesrepublik noch anderswo eine nennenswerte Kapazität für Geschosse und Hülsen da. Für diese beiden Munitionselemente sind aber Einzweckanlagen erforderlich, die nicht mit ziviler Produktion ausgelastet werden können. Die deutsche Wehrmacht, später auch die Amerikaner haben deshalb 'die Werkstätten auf eigene Kosten gebaut und an Industriebetriebe verpachtet. Im Falle des Auftragsmangels sind dann nur die Stillegungskosten zu zahlen. Wenn die Bundesregierung an ihrer Auffassung festhält, auch diese Geräte von der Industrie in eigener finanzieller Verantwortung fertigen zu lassen, wird die Industrie Auftragsgarantien verlangen müssen und die Investitionskosten über den Preis dieser garantierten Mindestmengen zu amortisieren haben. Das bedeutet, daß die Preise für diese Geräte sich erheblich er-
höhen werden und im Endergebnis höher liegen werden, als wenn der Staat die Investitionskosten auf sich nimmt. Wir möchten also die zweite Frage stellen: Welche Absichten hat das Bundesverteidigungsministerium bezüglich dieser Investitionsprobleme?
Die dritte Frage. Die Amerikaner haben durch die Offshore-Aufträge wesentlich zur Errichtung moderner Kapizitäten in den NATO-Ländern beigetragen. Nach diesem Programm entstanden Anlagen in Belgien, in Frankreich, in Italien, in Griechenland und in der Türkei. Mit einem Geringerwerden der Offshore-Aufträge konzentrierten sich die Amerikaner darauf, nicht mehr neue Kapazitäten zu fordern, sondern die volle Amortisation der im Anfangsstadium neu errichteten Kapazitäten sicherzustellen. Es bietet sich also für die Bundesregierung an, in diese Länder im Rahmen der so entstandenen Kapazitäten Aufträge zu erteilen, wobei die bestehende Konkurrenz und die Tatsache, daß die Anlagen weitgehend abgeschrieben sind, billigste Preise bewirken können.
Bekanntgeworden ist nun in der deutschen Öffentlichkeit das Türkei-Projekt. Es ist sehr umstritten. Die Bundesregierung soll beabsichtigen, für 700 Millionen DM Munition in der Türkei zu bestellen. Hier erheben sich folgende Fragen: Welche Mengen welcher Kaliber sollen bestellt werden? Über welchen Zeitraum soll sich die Lieferung erstrecken? Welche Munitionsmengen sollen darüber hinaus nach anderer Seite vergeben werden, und woher gedenkt die Bundesregierung später nach Abwicklung des 700-Millionen-Auftrags ihre Munition zu beziehen? Der Betrag von 700 Millionen DM ergibt nach der Rechnung von Fachleuten Liefermengen, die den Bedarf der Bundesregierung auf viele Jahre decken. Die türkische Regierung hat in Aussicht genommen, Investitionen in Höhe von etwa 250 bis 300 Millionen für diesen Auftrag vorzunehmen. Das bedeutet gleichzeitig, daß das Schwergewicht der Liefermengen auf den Jahren 1960 und 1961 liegen würde; denn selbst bei schnellstem Fertigungstempo müssen mindestens zwei Jahre für die Errichtung neuer Werkstätten einkalkuliert werden.
Es ist verständlich, ,daß das Bundeswirtschaftsministerium danach trachtet, die deutschen Guthaben in der Türkei abzubauen. Aber bei einer derartigen Auftragsgröße wird wahrscheinlich nicht viel mehr von den Zahlungen in der Türkei bleiben als im Fall kleinerer Aufträge, die mit den vorhandenen Kapizitäten abgewickelt werden können. Es erhebt sich also wiederum die Frage: Stimmt der Investitionsbedarf von 250 bis 300 Millionen, und was muß die Türkei an Stahl, Sprengstoffen und Zündern importieren, um dem deutschen Auftrag gerecht werden zu können?
Die türkische Regierung hat beispielsweise bereits bei deutschen Firmen angefragt, ob nicht nur Anlagen seitens deutscher Firmen, sondern auch 81-
mm-Wurfgranatengeschoßhülsen aus deutscher Produktion geliefert werden können. Es würde also die groteske Situation eintreten, daß wir nach der Türkei liefern, seien es Maschinen, seien es Geschoßhülsen, um dann die so verfertigte Munition aus der Türkei wieder anzunehmen. Es besteht natürlich ein großes Interesse bei der deutschen Investitionsgüterindustrie, daß die Guthaben in der Türkei aufgetaut werden. Wenn die Investitionsgüterindustrie dadurch wieder Lieferungen übernehmen kann, kann es dieser Industrie gleichgültig sein, ob sie statt Einrichtungen für Munitionswerkstätten Ausrüstung für Bergwerke, Kraftwerke oder dergleichen produktive Projekte liefert. Im Gegenteil, man möchte sagen, daß derartige Lieferungen an die Türkei viel besser geeignet sind, einen ständigen Markt zu schaffen, als die Aufblähung einer Munitionskapazität über den normalen türkischen Bedarf hinaus.
Bei aller Freundschaft zu der Türkei — und ich gehöre zu denen, die als Vorstandsmitglieder einer deutsch-türkischen Freundschaftsvereinigung besonderes Verständnis für die wirtschaftlichen Sorgen der Türkei haben — muß man doch einmal prüfen, ob wir der Türkei einen Dienst dadurch erweisen, daß wir ihr einen Munitionslieferungsauftrag im Umfang von 700 Millionen DM geben.
Ich darf außerdem darauf hinweisen, daß die strategischen Versorgungsgesichtspunkte nicht von der Hand zu weisen sind. Schließlich ist das Mittelmeer nicht mehr eine ungefährdete Zone — man denke an die vielen U-Boote des möglichen Gegners —, und auch der Landweg über Jugoslawien dürfte für eine Munitionsversorgung nicht ungefährdet sein. Wir bitten, daß uns dieses bisher nicht bis ins einzelne geprüfte Projekt auch der Munitionsfertigung und Munitionsversorgung der neuen deutschen Bundeswehr bekanntgegeben wird, möglichst im Ausschuß. Verzeihen Sie, daß ich diese Dinge hier vortragen mußte. Der Unterausschuß „Beschaffung" ist aufgelöst.
Als letztes noch einige Bemerkungen zu dem psychologischen Problem des Aufbaus unserer Bundeswehr. Wir wissen, daß vieles von dem, was der Kollege Schmidt hier vorgetragen hat, nicht dem jetzt amtierenden Bundesverteidigungsminister FranzJosef Strauß angelastet werden kann, sondern die Objektivität gebietet, festzustellen, daß er hier noch an der großen Hypothek trägt, die ihm sein Vorgänger leider hinterlassen hat. Um so mehr müssen wir den Verteidigungsminister in dem Bemühen unterstützen, diese Hypothek schlechter Planungen und falscher Entschlüsse abzutragen.
Hier erhebt sich auch die Frage: Was können wir alle gemeinsam tun, um die schwierige psychologische Situation der neuen Bundeswehr zu erleichtern? Wir Freien Demokraten haben bereits vor Jahresfrist, am 31. Januar vorigen Jahres, in einem Memorandum an den Bundeskanzler die sehr problematische Frage der Uniformgestaltung aufgeworfen. Es ist selbstverständlich, daß für die Uniformierung unserer neuen Soldaten in erster Linie die Zweckmäßigkeit ausschlaggebend sein muß. Über die eingeführten Kampfanzüge besteht also gar kein Streit. Aber die sonstigen Uniformen sind nach unserer Auffassung zu sehr aus den alten Vorstellungen der EVG entstanden, wo man bestrebt war, möglichst nicht an das äußere Bild des Soldaten der früheren Wehrmacht zu erinnern. Das war bei der Planung im Jahre 1951/52 noch verständlich. Man mußte damals auf die Überempfindlichkeit eines Teils der Bevölkerung in den Partnerstaaten Rücksicht nehmen. Wir glauben aber, daß das heute nicht mehr so ist, sondern ein großer Teil der damaligen Ressentiments abgebaut ist und man sich des guten Willens auch unserer Soldaten versichern kann, abgesehen von den wenigen Einzelfällen, die Herr Kollege Schmidt zitiert hat. Wir glauben, daß es daher zweckmäßig wäre, nunmehr bei einer neuen Auffüllung um weitere 50 000 zu prüfen, ob man beim bisherigen Uniformbild bleiben will oder ob man nicht das Uniformbild wählen sollte, das bisher der Bundesgrenzschutz und die Polizei mit we-
sentlich weniger Angriffsflächen in der öffentlichen Meinung geboten haben, als sie die mißgestaltete Bundeswehruniform leider bietet.
Wir wissen, daß diese äußeren Formen auch mit der inneren Gesinnung in Zusamenhang stehen. Die katholische Kirche weiß, warum sie seit 2000 Jahren die Symbolkraft ihrer Zeremonien betont und pflegt. Der Mensch ist nun einmal nicht nur eine Addition von Fleisch und Blut und Geist. Die Seele ist nach unserer Auffassung der entscheidende Teil. Auch die Bundeswehr ist keine Addition von Offizieren, Unteroffizieren, Soldaten und Material, sondern ein sehr empfindlicher Organismus. Der Geist dieser Bundeswehr kann nicht gut sein, wenn man nicht einmal die bescheidensten soldatischen Traditionen der Vergangenheit pflegt.
Man sollte daher in der Neugestaltung der Uniformen ein Bild wählen, das in der Bevölkerung populärer ist. Man braucht nicht alle Einzelheiten aus der Vergangenheit wiederkommen zu lassen. Niemand von uns denkt an den Kaiser-WilhelmGedächtnis-Rock der alten Wehrmacht. Aber ebensowenig ist es nötig, die Uniformgestaltung durch eine Kombination südamerikanischer, europäischer und operettenhafter Elemente zusammenzufügen.
— Nein, der Verteidigungsausschuß hat gar keine Möglichkeit, das Recht der letzten Entscheidung für sich in Anspruch zu nehmen. Er wurde im übrigen vor vollendete Tatsachen gestellt. Das Entscheidungsrecht liegt beim Bundespräsidenten. Der Bundespräsident hat damals auf Vorschlag des Ministers entschieden. Ich hoffe, daß der neue Bundesverteidigungsminister dem Herrn Bundespräsidenten die besseren und moderneren Vorschläge macht, die zur Ablösung der jetzigen Fehlentwicklung führen können. Was das — Herr Kollege Heiland, Sie sind ja Oberbürgermeister — an Fehlinvestitionen und damit Steuergeldern für die einigen Hunderttausend bereits fertigen Uniformen kostet, ist eine andere Frage. Es wäre überhaupt interessant, einmal zu prüfen, was man als Steuerzahler auf Grund falscher Planungen schon alles zahlen muß, die weder auf die Zeit noch auf die Schwierigkeiten eines Neuaufbaus bei der Bundeswehr genügend Rücksicht nahmen. Aber das ist die Hypothek, von der ich soeben sprach und um die wir den neuen Verteidigungsminister keineswegs beneiden.
Lassen Sie mich, da ich von Herrn Kollegen Schmidt angesprochen wurde, noch mit wenigen Sätzen auf die Unterausschüsse eingehen. Der Vorwurf, den uns der CDU-Pressedienst „DUD" gemacht hat, die Unterausschüsse hätten aufgelöst werden müssen, weil sie den Neuaufbau der Bundeswehr verzögert hätten, ist völlig ungerechtfertigt, im Gegenteil! Ich zitiere hier die beiden Kollegen der CDU, die uns begleitet haben, als der Unterausschuß militärische Anlagen in SchleswigHolstein, Hamburg und Bayern besichtigt hat. Ich zitiere sie, um zu zeigen, wieviel Schwierigkeiten überhaupt erst an Ort und Stelle ausgeräumt werden konnten. Es ist doch leider so, daß in unserem Verteidigungsministerium in den vergangenen Jahren zuviel Generalstäbler aus höchsten Stäben theoretisch geplant haben und viel zuwenig Offiziere aus der Truppe da waren, die Theorie mit der Praxis in Einklang zu bringen.
Wir haben vor drei Jahren hier in einer Wehrdebatte dem Herrn Bundeskanzler schon nahegelegt: Sehen Sie sich im Verteidigungsministerium einmal daraufhin um, daß neben den selbstverständlichen Mitgliedern aus dem Generalstab des OKH, des OKW und des OKL auch jene Menschen in den Aufbau der Bundeswehr eingeschaltet werden, die über praktische Truppenerfahrung verfügen. Gottlob scheint das jetzt mehr und mehr der Fall zu sein.
Wie weit die theoretischen Planungen hoher und höchster Stäbe im Widerspruch zu der grausamen Praxis standen, das hat niemand mehr erlebt als der Landser des zweiten Weltkrieges, der mit Blut bezahlen mußte, was man oben fahrlässig versäumt oder falsch gemacht hatte.
Wir hoffen, daß es möglich sein wird, eine Lösung zu finden, mit der man zu so guten Ergebnissen kommt, wie sie beispielsweise der Besuch unseres Unterausschusses in Kiel mit sich gebracht hat. Wir, die Mitglieder des Unterausschusses, die einzelnen Bundesministerien, die Vertreter der Stadt Kiel — an der Spitze Oberbürgermeister Dr. Müthling —, der Landesregierung SchleswigHolsteins haben einen Streit entschieden, der vorher nicht durch Notenwechsel innerhalb der Ressorts oder zwischen Landesregierung und Stadt Kiel, zwischen Landesregierung und Bundesverteidigungsministerium entschieden werden konnte, nämlich: Welche Hafenanlagen werden in Kiel auch weiterhin der Stadt Kiel zur Verfügung stehen — der Admiral-Scheer-Hafen wurde gewünscht —, und welche Hafenanlagen muß die Bundesmarine haben? Natürlich hat die Bundesmarine nach Möglichkeit alles gefordert, was früher die alte Kriegsmarine einmal hatte. Jede Wehrmacht hat ein einnehmendes Wesen, das ist bei allen Staaten der Fall. An Ort und Stelle haben wir eine Synthese gefunden zwischen den berechtigten Ansprüchen der Stadt Kiel und ihres Außenhandels und den berechtigten Ansprüchen der Bundesmarine. Was in Kiel möglich war, ist in Hamburg, ist in Bayern ebenfalls möglich gewesen: sehr viel an Ort und Stelle zu klären.
Allerdings haben wir — hier hat der Herr Kollege Schmidt recht — auch an Ort und Stelle festgestellt, daß die baulichen Planungen des Verteidigungsministeriums sich in keiner Weise mit den realen Möglichkeiten deckten und daß Verzögerungen in der Fertigstellung der Militärbauten zu erwarten waren, die bis zu 18 Monaten bei dem jeweiligen Objekt gingen, beispielsweise bei der Fischbek-Kaserne in Hamburg.
Als wir zurückkamen, haben wir dem Verteidigungsausschuß zwei Schriftliche Berichte — einen hat Herr Kollege Gerns von der CDU, den anderen Herr Kollege Frenzel von der SPD verfaßt — übergeben. Der Verteidigungsausschuß hat diese Berichte einstimmig angenommen und hat das Verteidigungsministerium ersucht, eine neue, realistischere Planung aufzustellen und gleichzeitig die Mängel abzustellen, die wir an Ort und Stelle festgestellt hatten.
So war beispielsweise der Flugplatz Ütersen völlig überbelegt. Wo höchstens 1400 Mann sein durften, lagen 3200 Mann. Der Oberstleutnant Taubert bat uns: „Sorgen Sie, daß wir baldigst entlastet werden; denn nichts von neuem innerem Gefüge,
nichts von einem besseren Neuaufbau ist zu erwarten, wenn wir so zusammengepfercht bleiben, wie es im Augenblick der Fall ist."
Angesichts dieser Fälle können Sie doch nicht den Vorwurf erheben, wir hätten in unseren Unterausschüssen den Aufbau der Bundeswehr verzögert! Ganz im Gegenteil, wir haben alle mit gutem Willen dazu beigetragen, daß erkannte Mängel abgestellt werden und das uns gemeinsame Anliegen, nämlich der Aufbau einer nationalen Verteidigung, gefördert wird. Wir hoffen, daß eine Lösung gefunden werden kann, die den vielleicht spontanen, vielleicht aus Unkenntnis der parlamentarischen Möglichkeiten gefaßten Beschluß — Möglichkeiten, die man jetzt der Opposition bietet — wieder aufhebt und viele Dinge wieder in die Unterausschüsse zurückbringt, die nunmehr zwangsläufig im Plenum auch dann diskutiert werden müssen, wenn es bereits Freitagmittag 14.30 Uhr ist.
Wir Freien Demokraten stimmen der Überweisung des Fünften Nachtragshaushalts in die Ausschüsse zu und werden diesen Nachtragshaushalt genauso annehmen wie die bisherigen vier Vorwegbewilligungen.