Sie haben zuerst gefragt, ob ich ihn kenne. Da muß ich sagen: ich kenne ihn nicht. Ich habe ihn jetzt durch Ihre Freundlichkeit kennengelernt, und ich sage: ich billige ihn nicht, ich lehne ihn ab. Ich kann ihn ja nicht billigen, weil wir für das Selbstbestimmungsrecht jedes Volkes und jedes Staates sind
und weil ich für die Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten jedes anderen Staates eintrete und es ernst damit meine, kann ich ihn nicht billigen.
— Ja, wollen Sie noch mehr hören? Vielleicht ist es dann schon wieder zuviel.
— Sie haben mich gefragt und nicht den Fraktionsvorsitzenden. Bei uns ist es nicht so, daß jeder so daherlabert, und wenn Sie es von ihm noch hören wollen, er wird es Ihnen, nehme ich an, auch noch geben.
Ich glaube, meine Damen ,und Herren, hier liegt der schwierige Punkt. Man kann, wenn man sich über die Grenzen klar ist, in denen eine Einwirkung auf jenes komplizierte Geschehen in osteuropäischen Ländern vor sich geht, nicht sorgfältig genug nachdenken und herauszufinden versuchen, in welcher Weise man das, was dann positiv sein kann — positiv sowohl für die Völker selbst als auch für das Verhältnis der Völker zu uns und von uns zu ihnen —, fördern und anbringen kann.
Nun, meine Damen und Herren, wollte ich zum Schluß noch eine Bemerkung zu den Fragen machen, die die westeuropäische Zusammenarbeit betreffen. Einer der Kollegen, die hier gesprochen haben — wenn ich mich nicht täusche, war es Herr Kollege Dr. Lenz, der ja solche Dinge genau kennen muß —, wunderte sich über unser jetziges Interesse an diesen Fragen. Daher möchte ich, weil ja wohl einige unter uns sind, die über die Rolle der Sozialdemokraten in diesen Dingen nicht im einzelnen informiert sind — ich kann es mir wenigstens vorstellen —, sagen, daß wir zu den Gründungsmitgliedern des von Präsident Monnet geführten Komitees für die Vereinigten Staaten von Europa gehören und daß wir dort in den verschiedenen Zeitläuften des Auf und Ab der Vorschläge um eine europäische Gemeinschaft für die ausschließlich friedliche Nutzung der Atomenergie und für einen gemeinsamen Markt, soweit es uns zukam, unsern Mann gestanden haben.
— Ja, aber hier werden wir behandelt, als sollten wir uns mit irgendeiner lapidaren Formel abgeben. So einfach geht das nicht. Wenn es der französischen Kammer erlaubt ist, zu fragen, was denn drin ist, obwohl die Verträge noch nicht vorliegen, und sich auf der Basis ausführlicher Berichte und Gutachten ihres Staatssekretärs usw. ein Bild zu machen, warum sollte es uns dann nicht auch erlaubt sein? Warum sollte es nicht schon längst zumindest in den Ausschüssen möglich gewesen sein? Bei der Beratung des Saarvertrages ist es doch auch gegangen, meine Damen und Herren,
als es um so viel Geld ging! Wir haben uns dieser informellen Methode der Mitarbeit gar nicht versagt, aus nationalpolitischen Gründen nicht versagt und nicht versagen wollen. Warum hier plötzlich diese Art, uns vor Tatsachen zu stellen, von denen Sie wissen müssen, daß sie unangenehm sind!? Sie werden auch für Sie nicht angenehm sein, wenn sie einmal in die Kreide gehen.
Zu einer Atomgemeinschaft, die ihrer wesentlichen Kerngedanken völlig entblößt ist, ja zu sagen, wird schwer sein. Ich könnte dann nur unter großen Bedenken ja sagen, wenn ich wüßte, daß mit dem Torso immerhin so viele Zwangsläufigkeiten in Gang gebracht würden, daß man sich sagen könnte: Es wird nun zwar viel länger dauern, als es sonst der Fall gewesen wäre; aber es wird kein Schaden dabei erwachsen. Wir mußten uns das holen, in Brüssel selbst und in Luxemburg, und wir mußten zu unseren sozialistischen Kollegen der anderen Länder gehen, um zu erfahren, was eigentlich darin steht; denn hier im Hause kriegt man ja keine Informationen über diese Fragen; wir werden dann ja wie Unmündige behandelt. Unter diesen Umständen muß ich sagen, daß die Bedenken auch beim Gemeinsamen Markt sehr groß sind. Wir sind ja für den Gemeinsamen Markt, weil wir meinen, daß das so anfällige und in mancher Beziehung auch fragwürdige Gebilde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl überhaupt nur dann eine Zukunftsmöglichkeit hat, wenn sie in den allgemeinen gemeinsamen Markt eingebettet werden kann, in eine in Übereinstimmung zu bringende Konjunkturpolitik und alles, was dazu gehört.
Aus dieser Einstellung heraus sind wir für diese Einrichtungen. Aber, meine Damen und Herren, nützen Sie doch die Gelegenheit, hier über das, was dort wirklich geschieht, zu sprechen, damit sich auch dieser Bundestag noch in der letzten Phase der Verhandlungen Gehör verschaffen kann, ebenso wie andere es versucht haben! Es ist auch keine Kleinigkeit, sozusagen über Nacht — noch ist die Gefahr nicht gebannt — auf diesem Umweg in eine im Konkurs befindliche französische Nordafrika-Politik einbezogen zu werden.
Wer kann denn das wollen? Das kann doch keiner wollen! Darüber muß man doch sachlich reden können. Wir können uns doch nicht in eine solche Lage gegenüber Tunis und Marokko versetzen lassen, von Algerien gar nicht zu reden, weil man denen in dieser Beziehung gar nicht helfen kann, denn die werden als Franzosen muselmanischen Glaubens reklamiert.
Aber die beiden inzwischen selbständig gewordenen Länder Tunis und Marokko sollen auch so mit eingebürgert werden, weil sie zum Frankenwährungsblock gehören.
Also darüber muß man reden. Wir können uns doch denen gegenüber nicht ,als Leute präsentieren, die sich einfach an die Seite eines Koloniallandes stellen und sagen: Jetzt sind wir Teilhaber; wir haben euch einige Dinge in Aussicht zu stellen, vieleicht werdet ihr in kürzerer Zeit die eine oder andere Vergünstigung haben. — Aber das löst doch nicht das verwickelter werdende politische Problem.
Aus all diesen Gründen sage ich noch einmal: Wir müssen hier ein Bild von dem bekommen, was in den Verträgen steht, bevor sie unabänderlich geworden sind. Denn wir möchten, daß es zum Gemeinsamen Markt kommt, und wir möchten, daß es zur Europäischen Gemeinschaft für die friedliche Nutzung der Atomenergie kommt, und weil wir das möchten, wünschen wir, vorher noch Gelegenheit zu haben, uns zu äußern, ehe es zu spät ist und man unter Umständen an Dingen nichts mehr
ändern kann, die noch zu ändern gewesen wären.