jawohl, er sei bereit, unmittelbar nach der Ratifikation der Verträge der Sowjetregierung einen Katalog von Fragen vorzulegen, die im Hinblick auf die Wiedervereinigung der Klärung bedürften. Ich selbst habe damals einige dieser Fragen genannt. Darunter waren solche, die sich auf jene Erklärungen der Sowjetregierung vom November des Jahres 1954 bezogen, in denen, wenn auch noch mit Klauseln, freie Wahlen und eine Ordnungsfolge der Vorgänge zur Wiedervereinigung zugestanden zu werden schienen.
— Ich bin ja gerade dabei, das näher darzulegen. Es wird auch Ihnen gleich ein Mond aufgehen, daß eh da nicht geirrt habe. — Da ging es darum, festzustellen, was dahinter steckt. Hinzu kam jene Erklärung vom Januar, die freie Wahlen mit der Möglichkeit der internationalen Kontrolle in Aussicht zu stellen schien. War es nicht legitim, damals
zu fragen, was denn eigentlich dahinter steckt und was die Russen damit verbinden? Das war unsere Absicht. Sie keimen diese Fragen noch ganz genau; vielleicht ist einiges in der Erinnerung verwischt. Damals hat der Herr Bundeskanzler gesagt: jawohl, er sei bereit, unmittelbar nach der Ratifikation diesen Fragenkatalog mit diesen zu klärenden Dingen aus der Zeit des Streites um die Verträge dort drüben vorzulegen.
Nun, meine Damen und Herren, haben Sie Ihre Verträge, und das unterscheidet diese Debatte von den anderen Debatten, in denen es Ihnen noch um Ihre Verträge ging. Damals haben Sie immer gesagt: wenn wir sie erst haben — und nun wurde in Nuancen gedacht —, kommen entweder die Russen mit Verhandlungsangeboten oder wir werden sie schließlich in die Ecke bekommen, in der sie nicht anders können, als zu verhandeln. Nun, es ist so gekommen, wie es die Russen für ihren Teil brutal vorausgesagt haben. Sie haben gesagt: es gibt dann keine Grundlage mehr für Viermächteverhandlungen über die Wiedervereinigung. Sie haben ja leider wahrgemacht, was sie damals brutal angedroht haben.
Und nun wollten Sie eine Debatte, diese hier. Da man nicht mehr über neue Verträge sprechen kann, müssen Sie nun sagen, was man mit den Verträgen, die Sie haben, machen kann. Und da brauchen Sie jetzt Schwarzmalerei, ja, eine Steigerung der Schwarzmalerei bis zur Panik, damit Sie beweisen können: man muß nach diesen Verträgen einfach rüsten; mehr steckt darin gar nicht.
— Das werden Sie gleich hören. „Schwarz" habe ich hier nicht politisch gemeint, sondern im Sinne von — na, Sie wissen schon.
Meine Damen und Herren, wir haben heute gehört, wir dürften uns durch russische Propaganda nicht in eine Wiedervereinigungshysterie hineintreiben lassen. Das Wort muß man ganz langsam auf der Zunge zergehen lassen
und dann Vergleiche zu den Debatten ziehen, in denen es um die Verträge ging, um zu begreifen, wie sehr sich die Situation, auch Ihre Situtation, verändert hat.
Da werden wir plötzlich gewarnt, nicht einer Wiedervereinigungshysterie zum Opfer zu fallen. Und damit das auch richtig sitzt, wird die Zuverlässigkeit der Sozialdemokraten in puncto Sicherheit in Zweifel gestellt. Das ist nicht ganz neu. Wer regiert hier denn eigentlich? Sie haben doch Ihre Verträge, und Sie haben damit doch das Instrument in der Hand, in Fragen der Sicherheit zu tun, was Sie sich vorgestellt haben, oder nicht?
— Ja, das haben wir gemerkt. Wir haben auch gemerkt, wie es dabei auf und ab geht. Wenn man darüber klaren Bescheid wissen will, so kann man heute hier und da bei Pressekonferenzen des neuen
Verteidigungsministers darüber etwas erfahren, der etwas pressefreudiger, und ich sage: erheblich pressefreudiger zu sein scheint als der alte, — ich meine: der alte Minister.
Ich habe damit Herrn Blank gemeint.
Nun, meine Damen und Herren, lassen Sie mich Ihnen noch eines deutlich zu machen versuchen, gerade weil Sie mit diesem, ich möchte schon sagen: verunglückten Versuch einer sozusagen großen Debatte im Andenken an die Zeiten um die EVG und die Pariser Verträge an einem Punkt angekommen sind, an dem man so nicht weiterkommt. Wenn man weiterkommen will in den politischen Dingen, muß man es anders machen, auch in der Methode.
— Das möchte ich den Strategen sagen: Sie können hier nicht früh forsch anfangen und allerlei Kübel auf die Sozialdemokraten ausschütten und dann gegen Abend elegisch werden und sagen: Wir möchten gern gemeinsam. Das geht eben nicht.
Dann ging es um die Grundhaltung der Sozialdemokraten in den Fragen der Sicherheit und der Verträge. Diese Haltung bestand einfach darin, daß wir uns — so möchte ich es einmal sagen — für den Vorrang von Wiedervereinigungsverhandlungen vor militärischen Bindungen eingesetzt haben, und zwar bis zum letzten Moment, in dem es noch möglich war, mit einer Warnung, mit einer Mahnung Ihr Ohr zu erreichen. Umsonst! Wie sehr es in der Bevölkerung auch gewirkt haben mag, — bei Ihnen war es umsonst. Nun gut. Jetzt, nachdem die Sozialdemokratische Partei feststellen mußte, daß Sie Bindungen schwerwiegender Art eingegangen sind, haben wir uns dafür eingesetzt, das Thema über diese Bindungen in die Verhandlungen um die Wiedervereinigung und um ein Sicherheitssystem einzubringen. Und da beginnen wir uns schon wieder von Ihnen zu unterscheiden. Denn Sie haben ja von Ihrem Standpunkt aus allerlei gewichtige Argumente gegen das Hineinbringen dieser militärischen Bindungen in die Verhandlungen. Die Sozialdemokratische Partei hat sich nie für Schutzlosigkeit oder gegen Sicherheit ausgesprochen.
— Warum sagen Sie denn: „Na, na"?
— Weil Sie die Regierung bilden und weil Sie in diesen Fragen keine Möglichkeit lassen zu einer — —
— Das hat Ihnen heute schon Herr Ollenhauer gesagt, wie verantwortlich wir uns fühlen; aber vielleicht waren Sie gerade draußen, und deswegen sollten Sie das sein lassen.
Die Sozialdemokratische Partei hat in Frage gestellt, daß die Sicherheit, das, was Sie für Sicher-
heit halten, durch Ihre Abkommen gewährleistet sei.
— Sehen Sie, ich entziehe mich weder einer Arbeit noch einer Verantwortung; aber Sie können mir, solange Sie nicht noch andere Gesetze schaffen, was ich Ihnen durchaus zutraue, nicht das Recht entziehen, meine Meinung zu sagen.
Wir haben uns dagegen gewandt, daß von dieser Stelle aus gesagt worden ist, mit der Eingliederung in den Nordatlantikpakt habe die Bundesrepublik
— man hat sogar gesagt, Deutschland — aufgehört, vor der Gefahr zu stehen, Kriegsschauplatz zu werden. Ist das hier gesagt worden oder nicht? Ich habe es jedenfalls noch so in Erinnerung. Nun, seither bemühen wir uns.
Ja, wird gefragt, was hat aber denn die Opposition an die Stelle dieses Verteidigungsblockes zu setzen?
Herr Lenz, Sie haben, wenn ich mich nicht irre, diese Frage gestellt. Ich muß daran erinnern, daß wir z. B. zur Genfer Konferenz — sowohl zu der Konferenz der Regierungschefs als auch dann zu der Konferenz der vier Außenminister — mit präzisen Vorschlägen gekommen sind und versucht haben, sie bei der Regierung und den Regierungsparteien zur Diskussion zu stellen. Wir sind damit nicht durchgedrungen. Wir haben damals z. B. erklärt, die Bundesregierung müsse verlangen, daß die Sowjetregierung ihre Vorstellungen vom militärischen Status eines wiedervereinigten Deutschlands klargelegt
und daß die Westmächte sich bereit erklären, in Verhandlungen über die Veränderung der in den Pariser Verträgen enthaltenen militärischen Bestimmungen einzutreten, um die gleichzeitige oder zeitlich aufeinander abgestimmte und voneinander abhängig gemachte Lösung der Probleme der europäischen Sicherheit und der staatlichen Einheit Deutschlands sicherzustellen. Und da fing es doch schon an. Sie waren doch nicht dafür. Vielleicht waren welche von den Damen und Herren, die hier sitzen, dafür; aber die Regierung, der Außenminister war nicht dafür, daß man die Frage stellte.
— Die Frage, Herr Lenz, ist nicht gestellt worden. Es gibt sogar eine Begründung der Regierung dafür. Ich will loyalerweise sagen: sie hat ihre Stellungnahme begründet. Da müssen Sie sich die Kartothek auch noch besorgen, wenn Sie mitreden wollen. Die Regierung hat erklärt — und das ist ein Standpunkt, gegen den ich mich wende —, sie meine, diese Frage könne erst gestellt werden, nachdem die Russen die Wiedervereinigung konzediert hätten. Das paßt also nicht zu Ihrem Schuh, den Sie hier offerieren wollen; entweder das eine oder das andere. Es ging um diese Frage nach den Vorstellungen der Russen über den militärischen Status, die ja nicht einmal gestellt wurde, weil Ihr zuständiger Minister sagte, man könne die Frage erst stellen, wenn man das Versprechen der Russen habe, daß sie der Wiedervereinigung zustimmten.
Nun, da haben wir den Punkt, an dem es eben so
schwierig geworden ist. Ich kann Ihnen nicht zumuten, die Beschlüsse und Vorschläge der Sozialdemokratischen Partei durchzulesen. Aber wenn man es Ihnen nicht zumuten kann, muß man Sie andererseits bitten dürfen, über die Stellungnahme der Sozialdemokratischen Partei nicht so bestimmt zu reden; dann müssen Sie sagen, soweit Sie sich eben hätten informieren wollen, könnten Sie etwas dazu sagen.
Wir haben leider auch erleben müssen, daß Versuche — ich gebe zu, es waren zum Teil problematische, zum Teil auch unausgegorene Versuche —, die auf internationaler Ebene angestellt worden sind, einen neuen Ansatz für die Wiedervereinigungsfrage zu finden, zunächst immer auf den Einwand der Bundesregierung gestoßen sind. Der Herr Bundeskanzler hat kürzlich gesagt, er habe sich schon 1953 für ein Sicherheitssystem ausgesprochen. Das geschah wohl in jenem Brief an den amerikanischen Staatssekretär Mister Dulles, von dem wir leider bisher vergeblich versucht haben, ihn wenigstens im Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten vorgelegt zu bekommen.
Aber einige Sätze daraus sind uns vorgelesen worden, und da, meine Damen und Herren, ging es eben um etwas anderes als um das, was zu einem Sicherheitssystem gehört oder was als solches bezeichnet werden kann. Es ging um ein Angebot — das ich nicht geringachten will, das aber zunächst nicht den Namen „Sicherheitssystem" beanspruchen kann —, ein Gebiet, das die Russen heute in ihrer Hand haben, wenn sie es freigeben und sich mit uns vereinigen lassen, nicht von fremden Truppen besetzen zu lassen. Etwas dünn, muß ich sagen, um auszureichen für eine so schwierige Sache, aber immerhin ein Gedanke.
Als aber der entsprechende Gedanke z. B. auf der Viererkonferenz der Regierungschefs in Genf von dem damaligen Premierminister Eden in der Form eines Vorschlags über eine militärisch von beiden Seiten zu inspizierende Zone mit herabgesetzter Rüstung vorgelegt wurde, da kam die Bundesregierung zu der schweren Besorgnis: Ja, das dürfe nicht weitergehen, und bis zur nächsten Konferenz war der Vorschlag als solcher so weit verschoben, daß er uns dann nur noch in russischer Fassung entgegentreten konnte
— ja, bitte, Herr Bundeskanzler, lassen Sie sich orientieren! —, weil inzwischen jener Gedanke über eine Zone entlang der jetzigen Demarkationslinie
— von dem ich zugebe: er hat auch seine Schattenseiten — einfach an die jetzige Oder-Neiße-Linie hin verschoben worden war, womit er noch weniger diskussionsfähig wurde.
Nun gut, man kann sagen, Sie hätten da schwere Bedenken gehabt. Aber Sie haben sie auch gehabt, als z. B. der französische Regierungschef bei Antritt seines Amtes und dann kurze Zeit später in einem Interview mit einer amerikanischen Zeitschrift den Gedanken ventilierte, ob man vielleicht von der Abrüstungsseite aus einmal einen neuen Ansatzpunkt für die deutsche Wiedervereinigungsfrage und ihre Aufnahme finden könne. Da hat das Auswärtige Amt in einer Form Einspruch dagegen
erhoben, die mir noch lange zu denken gegeben hat, wie entschieden unser Herr Bundesminister für Auswärtiges sein kann, wenn es um solche Vorstellungen und Vorschläge geht.
Oder nehmen wir etwas anderes. Als der Gedanke der Begrenzung der Zahl fremder Truppen auf deutschem Boden damals in einem Schreiben des russischen Ministerpräsidenten Bulganin aufkam, da war die erste Antwort, die leider gleich öffentlich in Amerika von unserem Bundeskanzler gegeben wurde, verbunden mit der Erklärung, an der NATO-Zugehörigkeit Deutschlands dürfe nicht gerüttelt werden.
Daß das alles sehr wenig zu der Förderung des Eindrucks — auch auf der internationalen Ebene — beitragen konnte, wir nähmen es besonders ernst mit dem immer wieder anzustellenden Versuch, unsere zentrale Frage, unsere Existenzfrage hineinzubringen in die internationalen Gespräche, das kann man wohl nicht bestreiten. Wir wissen — in dem Punkte, kann man sagen, haben wir wohl eine Übereinstimmung —, wie wenig mit fertigen Rezepten und mit Schablonen zur Wiedervereinigung zu erreichen ist. Sie werden bei uns solche Schablonen auch nicht finden, aber nicht, weil wir nicht, imstande wären, sie zu machen, sondern weil sie der Natur der Sache nach keinen Zweck hätten, weil es auf das Schaffen der Ausgangspunkte, der Ausgangspositionen und dann der Grundlinien für die Verhandlungen ankommt und nicht auf irgendein Rezept, auf irgendeine Schablone.
Aber wie nervös werden Sie schon, wenn — ich denke da an den vergangenen November — eine doch sicher der Regierung nicht feindlich gesonnene Einrichtung wie das unschuldige Kuratorium Unteilbares Deutschland unter dem Eindruck der internationalen Ereignisse erklärt, man müsse die Wiedervereinigungspolitik ernstlich überprüfen, um zu sehen, was man angesichts dieser Sachlage machen könne. Zu all diesem kommt es leider nicht, und nicht zuletzt aus folgendem Grunde. Entschuldigen Sie, ich muß hier ein Wort, das der Herr Bundesminister des Auswärtigen heute morgen in anderer Richtung angewandt hat, jetzt in einer m i r genehmen Richtung anwenden. Er hat von einem beklagenswerten Tiefstand der Kritik an der entsprechenden Politik seines Amtes oder der Regierung gesprochen. Ich möchte von einem beklagenswerten Tiefstand der Unterrichtung und der Rechenschaftslegung vor diesem Hause in dieser Frage sprechen.
Sie werden nicht umhinkönnen, zuzugeben, daß das leider ein beklagenswerter Tiefstand ist. In diesem Hause werden in dieser Frage kaum — kaum, sage ich — Tatsachen vorgebracht. Auch seinen zuständigen Ausschüssen wird kaum Gelegenheit gegeben, in einigermaßen entscheidenden Stadien der Vorbereitung von Schritten — wenn schon einmal ein Schritt erfolgt, in langen Intervallen — mitzuwirken. Ich denke an die Note, die im September übergeben worden ist, auf die dann geantwortet worden ist, nun müsse ja irgendwann wieder einmal eine Antwort kommen. Wir haben davon nichts gehört; das ist auch schon von anderer Seite hier gerügt worden. Aber in allen diesen Fragen geschieht praktisch mit diesem Hause nichts. Es mag sein, daß es mit den Koalitionsfraktionen anders gemacht wird. Nur, das ist, entschuldigen Sie, bis wir eine andere Verfassung haben, noch kein Ersatz
für die mangelhafte und schlechte Unterrichtung und Heranziehung des Hauses und seiner Ausschüsse zu diesen Arbeiten. Hier wird doch im Grunde genommen versucht, Propaganda zu treiben.
Zu diesem Versuch, den Sie heute gemacht haben, sollte man sagen: Das geht nicht.
— Ja, Propaganda machen Sie auf andere Weise, an anderer Stelle, Sie haben genug Mittel dazu. Aber schaden Sie nicht zusätzlich zu der Sache auch noch dem Parlament, wenn Sie die Dinge auf diese Weise handhaben!
Sie dürfen sich nicht darauf verlassen, daß unser Volk zuwenig zu unterscheiden verstünde. Es hat leider in der Vergangenheit — und wir alle haben davon irgend etwas gehabt — wenig Unterscheidungsvermögen, oft in sehr schwerwiegenden Dingen, gehabt, aber es hat wohl einiges dazugelernt. Sie sind doch — und da wird es eben tragisch — auf eine Politik festgelegt, die es zwar zuläßt, von der Wiedervereinigung zu sprechen, die aber noch keinen Raum läßt für einen einzigen entscheidenden konkreten Schritt.
Gewiß, wir haben in der zu Ende gehenden Periode dieses Bundestages zwei Viermächtekonferenzen gehabt. Viermächtekonferenzen können, wenn's gut geht, helfen zur Schaffung von Wiedervereinigungsbedingungen; sie müssen es nicht. Kam es in jenen im doppelten Sinne kalten Wochen des Jahres 1954 nicht im Grunde genommen einfach darauf an, durch den Verlauf der Konferenz festzulegen, wer der Alleinschuldige an der Aufrechterhaltung der Spaltung ist, und ihn abzustempeln? Das war leider damals die Quintessenz der Strategie für diese Konferenz. Würde man sich heute die Mühe machen, in den Archiven, in den Papieren, die vor dieser Konferenz zusammengeschrieben und erarbeitet worden sind, nachzublättern, dann würde man wohl feststellen müssen, z. B.: die Wiedervereinigung Deutschlands dürfe nicht unter Bedingungen erfolgen, die die Integration Deutschlands in die europäische Gemeinschaft — das hieß damals: in die EVG — unmöglich machen würden, und zweitens: die Einsetzung einer gesamtdeutschen Regierung dürfe nicht unter Bedingungen erfolgen, die auf die Schaffung einer österreichischen Situation hinausliefen. Wie makaber klingt das heute, nachdem inzwischen Österreich seinen Staatsvertrag bekommen hat! Damals schien es dem, der es verfaßt hat, als sei das der beste Begriff, um zu sagen, wie hoffnungslos eine solche Situation sei. Und drittens: es muß alles nur Mögliche getan werden, um hervortreten zu lassen, daß die Verantwortung für die Aufrechterhaltung der Teilung Deutschlands bei der Sowjetunion und nicht bei den Westalliierten liegt. — Sehen Sie nach, Sie werden diese Sätze finden, meine Damen und Herren! Sie werden auch die taktischen Grundregeln finden. In der Annahme, daß die Sowjetregierung selbst vorschlagen werde, die Befugnisse der gesamtdeutschen Regierung zu begrenzen, wurde es damals als nicht vorteilhaft erachtet, wenn die Westmächte den ersten Schritt in Richtung einer Begrenzung der Befugnisse der gesamtdeutschen Regierung täten, und so wurde geschluß-
folgert, es liege im Interesse der Westmächte, den Schwerpunkt der Aussprache zunächst auf die Frage der freien Wahlen und der Bildung einer aus diesen Wahlen hervorgegangenen vorläufigen Regierung zu legen und nicht auf den Status dieser Regierung.
Da haben wir genau den wunden Punkt all dieser Verhandlungen: daß man im Widerspruch zu einer Note der Alliierten vom September 1953, war es wohl, wo die Verhandlungsbereitschaft über den Status Gesamtdeutschlands neben der Verhandlungsbereitschaft über freie Wahlen ausdrücklich zugesichert war, von der eigenen Zusicherung wieder stillschweigend heruntergegangen ist. Das hat die Lage nicht verbessert, sondern leider verschlechtert.
Meine Damen und Herren, erinnern Sie sich noch des Dokuments, das wir damals hier einstimmig beschlossen haben — einstimmig! — nach der erbitterten und ermüdenden Debatte der zweiten und der dritten Lesung der Pariser Verträge? Das war dann so der Balsam, der aufgelegt wurde. Da steht am Schluß:
Es soll eine ständige Kommission, bestehend aus je einem Vertreter der drei Westmächte und der Bundesrepublik Deutschland gebildet werden, deren Aufgabe es ist, alle zur friedlichen Wiedervereinigung Deutschlands sich bietenden Gelegenheiten zu erörtern und Vorschläge auszuarbeiten, um aussichtsreiche Verhandlungen vorzubereiten.
Nicht einmal die Kommission ist gebildet worden!
So ernst geht es zu, wenn es um solche Beschlüsse geht! Und was ist damals alles zu diesem Ding gesagt worden, um die Besorgnisse, auch die Besorgnisse vieler aus Ihren eigenen Reihen, zu beschwichtigen, die gedacht haben, wenn sie trotz mancher Hemmungen den Verträgen zustimmen, daß sie dann, wenn man es so macht, doch zur Wiedervereinigung beitragen. Aber nicht einmal das haben Sie gemacht, sondern haben es einfach kalt liegenlassen.
Oder wollen Sie sagen — was ich sozusagen voraushöre —, Sie hätten das dann ja bei der Vorbereitung der Konferenz von Genf auf einer viel höheren Ebene zustande gebracht? Das war schon damals etwas, was Sinn gehabt hätte: eine solche ständige Kommission zu bilden. Wir haben damals keinen Unsinn beschlossen. Es war nicht viel. Aber was wir da beschlossen haben, hätte man durchführen müssen.
Und dann, meine Damen und Herren: Bei der Genfer Konferenz war die Bundesregierung zwar bei den Vorbesprechungen mit dabei. Aber die Frage, die sogenannte Gretchenfrage, an die Russen zu stellen: Was stellt Ihr Euch denn unter dem militärischen Status Deutschlands vor?, wurde vom Bundesminister des Auswärtigen, ich nehme an, im Einvernehmen mit dem übrigen Kabinett und vor allen Dingen mit dem Bundeskanzler damals abgelehnt. Diese Frage wäre die Grundlage gewesen — um es ganz bescheiden zu sagen —, um sich weiterzutasten.
Heute morgen hörte ich, daß einer der Kollegen Erwägungen darüber anstellte, was wohl — wer weiß — hätte sein können, wenn zur Zeit des Höhepunktes der Ungarnkrise wir stärker gewesen wären.
— Überhaupt!
Das ist eine Frage von unter Umständen unglaublicher Tragweite.
Eines aber — ich will mich da gar nicht in irgendwelchem Rätselraten ergehen — hätte ich doch gern gewußt: ob nicht feststand und noch feststeht, daß es keine Möglichkeit gegeben hat, vom Westen aus in der Ungarnkrise mit militärischen Mitteln Ordnung zu schaffen. Ich bin nämlich dieser Meinung, weil das An- und Einsetzen militärischer Mittel den dritten Weltkrieg bedeutet haben würde.
— Ja, sicher, die anderen haben militärische Mittel. Aber dieses Kannegießern, verehrter Herr Kollege Schütz, führt uns ja nicht weiter. Wir haben es dort mit einer Macht zu tun, die über sehr erhebliche Mittel verfügt, die sie heute zum Teil interessanterweise braucht, um Ordnung in ihrem eigenen Machtbereich zu halten, und sie hat allerlei mit sich selbst zu tun.
— Bitte sehr!