Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ja nun sicher noch nicht der Zeitpunkt gekommen, ein Fazit dieser großen Debatte zu ziehen, und es kommt mir auch gar nicht zu. Aber immerhin, wir debattieren nun schon seit dem frühen Morgen, und da erlauben Sie mir bitte — ohne daß ich Ihnen zu nahe treten will —, auch wenn es Ihnen schwerfällt, mir das zu erlauben, einen nachdenklichen Gedanken vorauszuschicken.
Wenn Sie sich einmal — nicht heute abend, aber in absehbarer Zeit — nicht nur in der Gruppe Ihrer Strategen, sondern auch in der Gruppe derer, die politisch nachdenklicher als Ihre Strategen sind, Gedanken über den Sinn dieser Debatte machen werden, dann werden Sie finden: Die Sache war — obwohl sie Ihnen von Ihren Strategen eingebrockt worden ist — doch nicht so gut, wie man es sich gedacht hatte.
Da will ich Sie gleich warnen: Schieben Sie die Schuld nicht auf die, die hier wacker in den Kampf gezogen sind.
Sie haben ja ihr Bestes getan — einschließlich des Ministers und dann des ehemaligen Ministers, der eben hier als Abgeordneter gesprochen hat ----, um zu zeigen, wie man die Sozialdemokraten in der Luft zerreißen, auf dem Boden zerstören kann.
Aber an ihnen hat es nicht gelegen, nein. Wissen Sie, das hatte einen sachlichen Grund, und wenn ich Ihnen den jetzt sage, so bitte, Herr Rasner und all die anderen vom Stabe der Strategen, glauben Sie nicht, ich wollte Ihnen für das nächste Mal einen Tip geben!
Aber ich wollte Ihnen sagen, warum solche Pläne schiefgehen müssen. Wissen Sie, warum? Das hat einen Grund, der in der Sache liegt und nicht in den Personen, die sich hier heute redlich gemüht, und nicht in den Zitatensammlern, die ganze Kartotheken gewälzt und wirklich im Archiv fleißige Arbeit geleistet haben.
Wissen Sie, woran das liegt? Das liegt daran, — —
— Oh Gott, sehr gern; aber da Sie wahrscheinlich weder zu den Strategen noch zu den politisch Nachdenklichen der Koalition gehören, interessiert Sie das nicht so sehr. Ich spreche nicht direkt die Haushaltsexperten in diesem Moment an, also bitte, entschuldigen Sie, wenn ich über Sie hinweggeredet haben sollte.
Daß es so gekommen ist und bei dieser Debatte nicht anders kommen konnte, meine Damen und Herren, das liegt hauptsächlich daran, daß man hier weder über einen konkreten Vorschlag noch über einen wirklichen Plan oder über einen Entwurf hat sprechen können, sondern die ganze Sache fing doch damit an, meine Damen und Herren, daß Sie sich Gedanken gemacht haben, wie man konkreten Forderungen, Vorschlägen, die mit einem sehr naheliegenden Fall zu tun haben, nämlich mit der Hauptstadt Berlin. durch eine solche Debatte einen Rahmen geben könnte — einen illustren Rahmen, das gebe ich zu. Und dann sind Sie in die Debatte hineingegangen, zwar mit einem strategischen Plan, aber nicht mit einem politischen Plan. Denn der Sozialdemokratie eins auszuwischen,
ist ja kein politischer Plan, das ist ja nur ein strategischer Plan, Herr Rasner.
Wir haben leider auch nicht Gelegenheit gehabt
— das wäre ein gewisser Ersatz gewesen —, darüber zu debattieren, was uns der Herr Bundesminister des Auswärtigen in einer Übersicht über die internationale Entwicklung, so wie er sie sieht, oder über die Lage in einer Reihe von Ländern, mit denen wir es zu tun haben, über die außenpolitische Auffassung der Bundesregierung hätte sagen können. Das alles lag dieser Debatte nicht zugrunde. So sind Sie in die unangenehme Lage gekommen, daß Sie hier während des ganzen Tages zu beweisen versucht und den Eindruck zu schaffen versucht haben, daß Sie in der Vergangenheit alles, aber auch alles getan haben, was zur Wiedervereinigung zu tun ist, und daß Sie, weil man Ihnen aus der Vergangenheit nichts nachsagen kann, in der Frage der Bemühungen um die Wiedervereinigung diejenigen sind, die für das, was morgen und übermorgen zu tun ist, prädestiniert sind, das Vertrauen aller zu haben, zu denen Sie heute — denn Sie haben gar nicht zu uns gesprochen — eigentlich gesprochen haben.
Wir sind dadurch in die auch nicht einfache Lage gekommen, hier darlegen zu müssen, was uns bewegt. Uns bewegt die Frage, ob Sie, die Sie die Regierung tragen — es ist manchmal mühselig, das glaube ich. sie zu tragen —,
mit dem, worüber Sie verfügen, ausreichend gerüstet sind für das, was heute, morgen und übermorgen in den Fragen der Wiedervereinigung und der Sicherheit geschehen muß. Ich sage hier noch einmal: Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit, damit Sie nicht gleich wieder fragen, was für eine Wiedervereinigung wir meinen. Das gilt für jedesmal, wenn wir von Wiedervereinigung sprechen.
— Es mag sein, daß man bei Ihnen in der Frage, was das praktisch bedeutet, manchmal Fragezeichen setzen muß.
Aber selbst wenn es Ihnen gelungen wäre, hier darzutun, daß von der Regierung und ihren Parteien wirklich alles getan wurde, was möglich war — ich will nicht sagen: alles, was notwendig war —, oder wenn Sie hier hätten dartun können, daß das, was Sie getan haben, überhaupt das einzig Mögliche gewesen ist, dann — und da ist die schwache Seite Ihrer Debatte — wäre immer noch nicht bewiesen, daß Sie für das, was morgen und übermorgen auf uns zukommt, imstande sind, das zu tun, was Sie in der Vergangenheit zu verstehen behauptet haben.
Es sind schwierige Fragen. Wenn es bisher — und da haben Sie sich eben geirrt — zu solchen sogenannten großen Debatten kam, ging es immer um irgendwelche Verträge, die Ihnen vorlagen und von denen Sie meinten, sie müßten aus vielen, vielen Gründen, die Sie immer dargelegt haben, unbedingt durchgesetzt werden. Der Streitpunkt in diesen Debatten waren Verträge. Während dieser Auseinandersetzungen haben Sie sich selber — ich glaube, Sie waren dabei guten Glaubens in ihrer eigenen Sache — und denen, zu denen Sie gesprochen haben — wieder nicht zu uns, sondern zu denen draußen —, immer klarzumachen versucht, gerade diese Verträge und keine anderen Wege würden die Wiedervereinigung herbeiführen; sie seien das Mittel, sie seien der Schlüssel. Erinnern Sie sich noch, wie es damals etwas vorwitzig, aber doch frohlockend und etwas erleichtert hieß: Moskau kommt, gleich nachdem Sie die Verträge ratifiziert haben würden? Erinnern Sie sich noch, wie Sie damals gesagt haben, die ganzen brutalen Drohungen der Russen seien Bluff gewesen, man brauchte damit gar nicht zu rechnen, das sei ein Versuch, uns unsicher zu machen? War es nicht so? Aber das wird je nach den Umständen ausgelegt.
— Bitte!