Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich war gerade im Begriff, in wildem Zorn die Anwesenheit des Bundesfinanzministers zu verlangen, als er auftauchte; ich kann mir also den Zornesausbruch ersparen und gleich zu meiner Haushaltsrede kommen.
Der Herr Bundesfinanzminister hat am vergangenen Freitag dem Hohen Hause eine mehr als dreistündige Vorlesung über den neuen Bundeshaushalt 1957 gehalten. Ich möchte mich heute nicht mehr zur Form des Vortrags äußern, obwohl die Versuchung naheläge und einige Kollegen aus allen Fraktionen des Hauses mit mir einig waren in den Gefühlen, die mich am Freitag bewegt haben.
Nur eine formelle Beschwerde möchte ich gleich zu Beginn anbringen. Daß das Haus selbst nicht gut besetzt war, das hat die Kenner leider nicht überrascht. Daran haben wir uns in sieben Haushaltsjahren in diesem Hause gewöhnt und gewöhnen müssen. Aber der Herr Bundesfinanzminister hat schließlich vorige Woche nicht seinen eigenen Haushalt, sondern den Haushalt der Bundesregierung eingebracht, und da finde ich und fanden es viele meiner Freunde befremdend, daß die Regierungsbank bis auf einige Beobachter leer war, die vielleicht keine anderweitige Beschäftigung gefunden hatten.
Ich meine, auch der Empfang eines ausländischen Staatsoberhauptes ist keine genügende Begründung dafür, daß die Einbringung des wichtigsten Gesetzgebungswerks eines Haushaltsjahrs von der Regierung so behandelt wird. Ich sage das für alle künftigen Fälle. Ich könnte mir denken, daß unsere Beratungen gerade über das finanzielle Grundgesetz der Bundesrepublik etwas mehr Aufmerksamkeit fänden, wenn auch die Regierung selber schon bei der Einbringung zeigte, wie wichtig ihr diese Sache ist.
Bitte, ich will hier keine pädagogische Mission ausüben. Aber ich möchte das gesagt haben, weil ich glaube, daß es so nicht in Ordnung ist.
— Auch das Parlament gehört in den Vorwurf hinein, Herr Kollege Dresbach; ich stimme Ihnen da voll zu. Aber ich habe ja vorweg gesagt: Wir haben uns leider daran gewöhnen müssen, daß in den vergangenen Jahren die Teilnahme des Hauses
an den Haushaltsberatungen außerordentlich kümmerlich war.
Auf jeden Fall war der letzte Freitag kein großer Tag. Wie gesagt, es handelt sich hier um eine formale Beanstandung, die ich gleich am Anfang vorbringe. Die Gründe dafür glaube ich Ihnen dargelegt zu haben.
Der Herr Bundesfinanzminister hat den Entwurf des Haushalts 1957 einen Haushalt der Stabilität und der sozialen Sicherheit genannt. Es bleibt die Frage zu prüfen, inwiefern diese kühne Bezeichnung durch die Tatsachen gerechtfertigt wird. Der Herr Bundesfinanzminister — dazu kennen wir seine politische Vergangenheit zu genau — ist sicher über den Verdacht erhaben, daß er mit solchen klingenden Titeln die Erinnerung an eine Zeit heraufbeschwören wollte, die ihre sogenannten Parteitage mit ebenso schönen wie falschen Firmenschildern versah.
Ein Bundeshaushalt ist aber schließlich keine Demonstration, sondern ein nüchternes Zahlengebäude, das die Absichten und Programme der Regierung wiedergibt.
Diese erste Beratung kann dem Vertreter der Opposition nur Anlaß sein zu einer allgemeinen Auseinandersetzung mit dem vorgelegten Entwurf und seiner politischen Grundlage. Es ist mir unmöglich, auf alle die zahllosen Einzelheiten einzugehen, die der Minister auf 96 Schreibmaschinenseiten vor dem Hause ausgebreitet hat. Es ist mir auch unmöglich, das volkswirtschaftliche Zahlenwerk im einzelnen zu analysieren, das er hier mitgeteilt hat und das wir im wesentlichen in den Allgemeinen Vorbemerkungen zum Bundeshaushalt nachlesen können, zumal der Ausgangspunkt für viele dieser volkswirtschaftlichen Statistiken und Analysen das Jahr 1949 war, von dem wir alle wissen, daß es ein sehr ungeeignetes Jahr für Vergleiche ist. Aber wollen wir das zunächst einmal lassen; wir werden ja noch genügend Gelegenheit haben, uns mit diesen Dingen zu beschäftigen. Im übrigen bedürfte es , wenn ich das tun wollte, dazu des ministeriellen Stabes, über den der Herr Bundesfinanzminister selbst verfügt. Und der steht mir leider nicht zur Verfügung.
Lassen Sie mich, ehe ich zu dem kritischen Teil meiner Ausführungen komme, einige positive Bemerkungen machen. Die erste ist diese: Die äußere Gestalt des Entwurfs des Haushaltsplans 1957 stellt nach meiner Meinung eine weitere Stufe in dem Prozeß einer Modernisierung unseres öffentlichen Haushalts dar. Ich spreche hier nicht vom Haushaltsgesetz — dazu haben wir eine Reihe von Anmerkungen zu machen; ich will das auf später verschieben —, sondern von dem Rahmenwerk des Haushalts selbst und von dem, was sich im Laufe der letzten Jahre in ihm an Neuerungen und neuen Einsichten niedergeschlagen hat.
Die Allgemeinen Vorbemerkungen zum Haushalt sind in der Darstellung der Einzelheiten umfangreicher geworden, vielleicht zu umfangreich in den Einzelheiten und nicht gründlich genug in den Analysen und Prognosen. Sie sind aber im Kern — das muß man anerkennen — der Beginn dessen, was man in der weiteren Entwicklung als eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung ansehen könnte, freilich nur im Kern. Es ist immerhin erfreulich, daß der Bundesfinanzminister in seiner Etatrede selbst die Notwendigkeit anerkannt hat, zur volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zu kommen, wenn auch ohne Vollzugsverbindlichkeit. Da wir diese Forderung ständig erhoben haben, möchte ich hinzufügen: wir sind in diesem Punkt mit ihm einer Meinung und sind, wenn wir in den vergangenen Jahren dieses Thema hier im Hause zur Sprache gebracht haben, auch nie über die Formel „volkswirtschaftliche Gesamtrechnung ohne Vollzugsverbindlichkeit" hinausgegangen. Ich halte diese Bemerkung für notwendig, damit aus meinen Forderungen nach einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung nicht falsche Schlußfolgerungen gezogen werden, wie das aus propagandistischen Gründen leicht denkbar wäre.
Meine Freunde und ich finden es allerdings bedauerlich, daß die Allgemeinen Vorbemerkungen auf ihrer ersten Seite den ausdrücklichen Vermerk tragen — das halte ich für eine Abwertung ihrer Bedeutung —, daß sie von der Bundesregierung nicht förmlich beschlossen seien und daß sie im wesentlichen nur die Auffassung des Bundesministeriums der Finanzen darstellten. Dies erscheint uns deshalb bedauerlich, weil die in den Allgemeinen Vorbemerkungen enthaltenen Untersuchungen und statistischen Darstellungen volkswirtschaftlicher Tendenzen und Ergebnisse nach den Aussagen des Bundesfinanzministers die Grundlage für entscheidende Positionen des Haushalts sind. Daß sich die Bundesregierung und ihre einzelnen Mitglieder diese Grundlagen durch einen Kabinettsbeschluß expressis verbis zu eigen machen, ist vielleicht etwas zuviel verlangt angesichts der Tatsache, daß wichtige Kabinettsmitglieder, angefangen vom Herrn Bundeskanzler über den Wirtschafts-, den Ernährungs- und den Arbeitsminister bis zum — last, but not least — Finanzminister nicht selten die widerspruchsvollsten wirtschaftspolitischen Auffassungen vertreten.
Das letzte gehörte nicht zum Positiven; ich hoffe, daß es so auch verstanden wurde.
Lassen Sie mich noch eine positive Anmerkung machen. Zum erstenmal, wie ich glaube, ist im Gesamtplan des Bundeshaushalts in der Drucksache 2900 von der Seite 33 ab — ich zitiere genau, weil ich wünsche, daß viele Mitglieder des Hauses das auch wirklich nachlesen — ein Funktionenplan beigefügt, der die Ausgaben des Haushalts nach Zweckbestimmungen ohne Rücksicht auf ihre Bewirtschaftung durch die einzelnen Ressorts zusammenfaßt. Wenn dieses Instrument weiterentwickelt wird, kann es zu einer weit größeren Übersichtlichkeit und Durchsichtigkeit des Bundeshaushalts führen, als wir das bisher gewohnt waren.
Und nun zur Vorlage selbst. Es sei ein Haushalt der Stabilität und der sozialen Sicherheit, sagte der Bundesfinanzminister. Der „Volkswirt", dieses sicherlich nicht der Opposition nahestehende Wirtschaftsblatt, sprach unhöflicherweise von einem Haushaltsplan der optischen Täuschung. Und von anderer Seite ist der Bundeshaushalt 1957 als Verschiebebahnhof bezeichnet worden.
Das sind sehr harte Charakterisierungen, von
denen ich nur so viel sagen kann, daß ein Körnchen
Wahrheit in ihnen steckt; das ist nicht zu leugnen, wenn man die Details kennt.
Das gilt vor allem für jene merkwürdige Erscheinung der Schäfferschen Finanzpolitik, die unter dem Namen „Juliusturm" in die Geschichte eingegangen ist. Und dabei hat der Herr Bundesfinanzminister noch vor ganz kurzer Zeit öffentlich erklärt, daß es ihn eigentlich nicht mehr gebe. Vermutlich, „weil nicht sein kann, was nicht sein darf". Dabei beruht der jetzige Haushaltsausgleich nahezu ausschließlich, wenn man von dem fünfprozentigen Abstrich bei einer Reihe von Positionen absieht, auf der Heranziehung von 2,2 Milliarden DM aus dem „Juliusturm". Das ist eine Methode des Haushaltsausgleichs, die den allergrößten Bedenken begegnet, und zwar nicht nur auf der Seite der Opposition; denn diese Methode bricht mit dem Grundsatz, daß die Ausgaben eines Haushaltsjahrs durch die Einnahmen dieses Jahres gedeckt sein sollen, und mobilisiert Ausgabenreste vergangener Jahre, die unter allen Gesichtspunkten, vor allem aber unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten, für den öffentlichen Haushalt eigentlich tot sein sollten. Sie mobilisiert diese Rücklagen für die Schließung einer Haushaltslücke, für die man sonst keine Deckung gefunden hätte. Dabei steht heute schon fest — ich will das gleich hier sagen —, daß die im Verteidigungshaushalt veranschlagten rund 9 Milliarden DM im Haushaltsjahr 1957 ebensowenig ausgegeben werden können, wie das in früheren Jahren möglich war, und daß dadurch erneut ein gewaltiger Ausgabenrest entsteht, der wieder dem „Juliusturm" zufließen wird. Wenn die Bundesregierung und ihr Finanzminister nicht wie hypnotisiert auf den Verteidigungshaushalt starren würden und seine Summe ohne Rücksicht auf die Möglichkeit ihrer Verwendbarkeit für tabu erklärt hätten, wäre hier ein ausgezeichnetes Mittel für den Haushaltsausgleich und für die Erfüllung einiger anderer wichtiger Zwecke, die in diesem Haushalt nach unserer Meinung zu kurz kommen.
Aber darauf werde ich in einem anderen Zusammenhang noch zu sprechen kommen.
Hier möchte ich die Mitglieder des Hauses auf den grünen „Schnellbrief" Nr. 16 des Instituts Finanzen und Steuern hinweisen. Es lohnt sich, ihn eingehend zu studieren; denn dieses Dokument gibt über die Entwicklung des „Juliusturms" und seinen voraussichtlichen Stand Ende des Haushaltsjahres 1957 eine bessere Auskunft als alle Erklärungen des Herrn Bundesfinanzministers und seines Hauses. Bei diesen Erklärungen kann man manchmal den Eindruck nicht loswerden, daß damit die Absicht verfolgt wird, weniger Klarheit als Verwirrung zu stiften.
Aber noch einmal zum Thema „Haushalt der Stabilität". Wenn der Herr Bundesfinanzminister damit sagen will, daß der Haushalt des Bundes im Rahmen unserer gesamten Volkswirtschaft ein Element der Stabilität oder der Stabilisierung darstelle, so wird das nicht unbestritten bleiben können. Die Stabilität unserer volkswirtschaftlichen Entwicklung wurzelt in ganz anderen Bereichen, und die Finanzpolitik der Bundesregierung in den letzten Jahren muß eher als ein Element der Beunruhigung und Gefährdung der volkswirtschaftlichen Stabilität angesehen werden. Daß sie sich nicht so auswirken konnte, liegt an den glücklichen Umständen, unter denen sich die Hochkonjunktur über Jahre hinweg fortsetzen konnte. Wer könnte eine Garantie dafür übernehmen, daß diese Umstände fortdauern? Meine Damen und Herren, wir sollten ja nicht vergessen, wie rasch internationale Ereignisse, wie wir sie im Monat November erlebt haben, die Fundamente einer nationalen Volkswirtschaft erschüttern können, weil sie die Voraussetzungen zerstören, unter denen Konjunkturen und wirtschaftliche Blüte entstehen. Wir sind aus dieser Gefahrenzone nicht heraus. Es gibt besorgte Leute, die darauf aufmerksam machen, daß der Bundeshaushalt 1957 vermutlich schon der letzte relativ bequeme Haushalt sei.
Wenn der Herr Bundesfinanzminister allerdings gemeint haben sollte, daß der von ihm vorgelegte Haushaltsentwurf selbst stabil sei, dann muß hinter eine solche Auffassung bei dieser ersten Beratung ein starkes Fragezeichen 'gesetzt werden angesichts der Tatsache, daß eine Reihe von wichtigen Bestandteilen des Haushalts in ihren letzten Umrissen noch gar nicht feststehen, daß sicher zu erwartende Ausgaben nicht veranschlagt sind und daß bei anderen Ausgabepositionen führende Regierungsmitglieder Auffassungen vertreten haben, die mit denen nicht übereinstimmen, die ihren Niederschlag im Haushaltsentwurf gefunden haben. Ganz abgesehen davon sind wichtige volkswirtschaftliche und nationalpolitische Aufgaben entweder überhaupt nicht oder nur unzulänglich veranschlagt.
Zum Beweis dieser Behauptung einige Beispiele. Der Herr Bundesfinanzminister hat in seiner Freitagrede selbst davon gesprochen, daß die Finanzhilfe für die Saar, die ohne Zweifel im Haushalt 1957 auf die Bundesregierung zukommt, nicht in den Haushalt aufgenommen worden ist. Man weiß, daß es sich dabei zunächst mindestens um eine Größenordnung von 350 bis 360 Millionen DM handelt. Der Finanzminister sprach davon, daß diese Mittel aus freien Beträgen genommen werden sollten. Ich habe immer noch die gegenteilige Behauptung im Ohr, daß es keine freien Beträge gebe. Vielleicht hat der Herr Bundesfinanzminister an das ERP-Sondervermögen gedacht, von dem uns allerdings wiederholt gesagt worden ist, daß es vom interministeriellen Ausschuß restlos und voll verplant sei. Wo sind da die freien Beträge? Vielleicht wissen wir nichts von ihnen. Hier klafft auf jeden Fall eine Lücke im Haushaltsentwurf, und zwar eine Lücke von beträchtlichem Ausmaß.
Eine andere Lücke droht der Entwurf noch zu bekommen, wenn die Erhöhung der Beamtengehälter spruchreif wird. Sie muß im Haushalt 1957 mit absoluter Sicherheit kommen. Die Erhöhung der Beamtengehälter ist lange fällig. Der Entwurf beruht in diesem Punkt auf der Annahme einer Erhöhung der jetzigen Bezüge auf 160 % des Standes von 1927. Darauf hat sich der Herr Bundesfinanzminister festgelegt. Aber unwidersprochen ist eine Mitteilung geblieben, die die Vertreter des Deutschen Beamtenbundes, an ihrer Spitze der Herr Kollege Kramel von der größten Regierungsfraktion, über eine Unterhaltung mit dem Herrn Bundeskanzler veröffentlicht haben. Nach dieser Mitteilung hat Herr Dr. Adenauer den Beamtenvertretern in seiner eindrucksvollen knappen Art erklärt, daß eine Erhöhung der Gehälter auf 160 % in keiner Weise genüge. Man muß also, da der Herr Bundeskanzler bekanntlich die Richt-
linien der Politik bestimmt, damit rechnen, daß er seine Auffassung auch in diesem Falle durchsetzt. Das würde eine beträchtliche Erhöhung des jetzigen Haushaltsansatzes bedeuten.
Aber vielleicht handelt es sich auch hier nur um die zarte Rücksichtnahme des Regierungschefs auf die herannahende Bundestagswahl. Wir sind gespannt darauf, wie es in einem solchen Falle mit der Anwendung des vom Herrn Bundesfinanzminister hier geschwungenen Schwertes des Art. 113 des Grundgesetzes stehen wird.
Selbstverständlich möchte ich den Herrn Bundesfinanzminister gerade in diesem Fall nicht ermutigen — ich möchte das ausdrücklich sagen —, zu Art. 113 zu greifen; denn auch wir glauben, daß die Bezüge der öffentlich Bediensteten einer wirklichen Angleichung an die gesteigerten Lebenshaltungskosten und an das allgemeine Lohn- und Gehaltsniveau bedürfen.
— Meine Damen und Herren, was dem einen recht ist, mag dem anderen doch wohl billig sein. Im übrigen sind wir vermutlich einer Meinung: daß es nicht Wahlspeck ist, sondern einigermaßen den Realitäten gerecht wird.
Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang noch eine Bemerkung zu einer anderen Seite des Themas Stabilität. Mit großem Nachdruck hat Herr Schäffer in seiner Rede auf die Tatsache hingewiesen, daß die D-Mark heute zu den härtesten Währungen der Welt gehört. Jeder, der einmal eine Reise gemacht hat, wie ich es in der letzten Zeit zu tun Gelegenheit hatte, weiß, daß diese Behauptung stimmt. Der Herr Bundesfinanzminister hat es als eine der wichtigsten Aufgaben der Bundesregierung bezeichnet, die Stabilität der Währung zu sichern. Ich darf für meine Freunde von der sozialdemokratischen Opposition erklären, daß wir dieses Ziel der Stabilität der Währung in vollem Umfang billigen und daß wir in unserer eigenen Politik — sei es in der Opposition oder, wie wir hoffen, in absehbarer Zeit in der Regierungsverantwortung
— sei es, sage ich, in der Opposition oder, wie wir hoffen, in absehbarer Zeit in der Regierungsverantwortung — stabile Währung, Steigerung der Produktivität unserer nationalen Wirtschaft und Vollbeschäftigung als fundamentale Voraussetzungen einer gesunden Entwicklung betrachten.
Dazu gehört aber auch, meine Damen und Herren, eine gesunde Preisentwicklung.
Im Außenverkehr ist unsere Währung sicher außerordentlich stabil und hart. Im Innenverkehr sollte man dabei aber nicht übersehen, daß die ständige Steigerung des Preisniveaus zu einer gewissen Abwertung geführt hat. Die Bundesregierung kann gerade auf diesem Gebiet nicht von sich behaupten, daß sie erfolgreich gewesen sei. Sie hat mit ihrer Mehrheit in diesem Hause durch die Erhöhung staatlich festgesetzter Preise, wie für Milch, Mieten usw., und infolge der durch staatliche Maßnahmen manipulierten Preise bei Fleisch, Butter und Kartoffeln nicht unwesentlich zur Erhöhung des Preisniveaus beigetragen. Und zuletzt war sie nicht imstande, weil sie die Mittel nicht genützt hat oder ihr die Mittel nicht zu Gebote standen, die Preiserhöhungen bei Kohle und Stahl und die dadurch ausgelöste Preiswelle zu verhindern.
— Ach, „worauf beruht das wohl?" Kommen Sie nicht mit den Löhnen! Das Argument kennen wir schon!
Auf jeden Fall: die Art des Haushaltsausgleichs, die der Herr Bundesfinanzminister für 1957 gewählt hat, nämlich die Auflösung von Zentralbankguthaben des Bundes, ist ebenfalls kein Element der Stabilität.
Ich komme zu dem Anspruch, den der Herr Bundesfinanzminister für seinen Entwurf erhoben hat, daß er ein Haushalt der sozialen Sicherheit sei. Er hat in diesem Zusammenhang auf die Steigerung der Soziallasten im Bundeshaushalt verwiesen, wie sie sich seit 1954 ergeben haben. Leider hat er darüber hinaus auch wieder das alte Kunststück vorgeführt, im Rahmen seiner Haushaltsbegründung die gesamten Sozialleistungen in der Bundesrepublik zu addieren, in denen doch — was auch der Herr Bundesfinanzminister weiß — ein großer Prozentsatz von Eigenleistungen der Versicherten enthalten ist.
Man sollte mit diesem Spiel doch endlich aufhören
und sollte sich damit begnügen, von den tatsächlichen Leistungen zu sprechen. Wenn man von Sozialleistungen spricht, sollte man auch ehrlich sein und sagen: In dem, was man da addiert, steckt eine große Menge von Kriegsfolgelasten, und außerdem sind die Verpflichtungen des Staates gegenüber seinen eigenen Bediensteten und denen, die in den Ruhestand getreten sind, darin enthalten. Die ganzen Pensionslasten in diesen Zusammenhang hineinzustellen, heißt doch einfach das Bild verschieben.
Im übrigen ist soziale Sicherheit nicht dadurch zu beweisen, daß man Globalsummen ausweist. Entscheidend ist das Niveau der individuellen Existenzsicherheit, und bei dieser Gelegenheit kann ich nicht umhin, einige Bemerkungen zum Thema Sozialreform zu machen.
Im Bundeshaushalt 1957 sind die Zahlen veranschlagt, die sich aus dem Regierungsentwurf für die Reform der Rentenversicherung ergeben. Für dieses Teilstück der großen Sozialreform, die uns in allen Regierungserklärungen seit 1949, zuletzt 1953 noch einmal besonders betont, als eine umfassende Reform versprochen wurde, kann man im Hinblick auf den Gang der Dinge nur die allergrößten Sorgen haben.
Zunächst muß überhaupt bezweifelt werden, daß die im Entwurf veranschlagten Summen für die Steigerung der Rentenleistungen der endgültigen Fassung des Gesetzes gerecht werden.
Daß die ganze Rentenreform durch die Regierung in einer geradezu fahrlässigen Weise verzögert wurde — ich benütze dieses scharfe Wort, weil es einfach der Realität entspricht — und erst durch einen sozialdemokratischen Initiativgesetzentwurf vorwärtsgetrieben wurde, sei nur nebenbei bemerkt.
Wichtiger erscheint mir in diesem Zusammenhang, daß auch in dieser Frage die Bundesregierung keinerlei einheitliche Konzeption hat.
Der Herr Bundeskanzler hat sich noch auf dem Kongreß des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Hamburg vor wenigen Monaten feierlich für die Produktivitätsrente ausgesprochen. Was er darunter verstanden hat und wieweit seine Auffassungen mit den sonst üblichen etwas zu tun hatten, vermag ich hier nicht zu untersuchen. Der Herr Bundesarbeitsminister hat einen Entwurf geliefert, der für einen großen Teil der Rentner überhaupt keine oder nur ganz geringfügige Erhöhungen ihrer bisherigen Bezüge bringt
bzw. bringen würde, wenn er Gesetz würde. Die Korrektur dieser Fehlleistung soll nach den Absichten der Koalition und des Finanzministers in der Weise erfolgen, daß für rund 21/2 Millionen Rentner durchschnittlich 8 DM pro Monat Rentenaufbesserung herauskommen.
Was aber ganz besonders vermerkt werden muß, ist der Umstand, daß der Bundesfinanzminister unter Berufung auf seine finanzielle Verantwortung die Versicherungsmathematiker gegen den Bundesarbeitsminister mobilisiert und damit erneut ein Element der Unsicherheit und Verwirrung in die Beratungen der Rentenreform hineingetragen hat. Ich will an dieser Stelle nicht mit dem Finanzminister über die Weisheit seiner Aktion rechten. Aber festgestellt muß werden, daß bei der Regierung auch hier wieder das völlige Fehlen einer gemeinsamen Linie drastisch zutage tritt. Es sind nicht nur die Beamten der Bundesregierung, von denen kürzlich Herr Staatssekretär Hartmann hier im Hause festgestellt hat, daß sie sich in Sachen Sozialreform nicht einig seien; es sind die Spitzen der Regierung, die in voller Konfusion durcheinanderlaufen.
Wenn man sich das Schicksal dieses so oft als Aufgabe Nr. 1 bezeichneten Gesetzgebungswerks ansieht, wenn man weiß, wieviel Haushaltsmittel allein schon in die Vorbereitung hineingesteckt worden sind, dann wundert man sich nachträglich noch, warum die damalige Mehrheit im 1. Deutschen Bundestag den sozialdemokratischen Antrag auf Schaffung einer unabhängigen Sachverständigenkommission mit der Aufgabenstellung der in England üblichen „Königlichen Kommissionen" abgelehnt hat.
Hätte man damals unseren Vorschlag nicht aus kurzsichtigen parteipolitischen Motiven begraben, wir wären früher und billiger zu besseren Vorschlägen für die Sozialreform gekommen.
Zusammenfassend zu diesem Punkt stelle ich fest, daß aller Voraussicht nach auch hier der Entwurf des Bundeshaushalts 1957 noch nicht das letzte Wort darstellt und darstellen kann, daß also auch hier ein schwacher Punkt des Entwurfs vorliegt.
Dasselbe gilt für den Haushalt des Bundesernährungsministeriums und in engerem Sinne für den Grünen Plan, der nach dem Gesetz erst am 15. Februar 1957 vorgelegt werden muß, was anerkanntermaßen gewisse Schwierigkeiten bietet für die Verarbeitung im Rahmen des ordentlichen Haushalts. Die finanzielle Seite des Grünen Berichts ist noch eine völlig unbekannte Größe. Ich bin überzeugt, daß gerade in diesem Fall die Interessenten und die Wahlüberlegungen ihre Rolle mitspielen werden.
Apropos Interessenten! Von ihnen hat der Herr Bundesfinanzminister in seiner Rede mit bitteren Worten gesagt, daß sie die Gesetzgebung komplizieren und — das wollte er vermutlich dazu sagen — auch verteuern. Er mag sich in den Reihen seiner eigenen politischen Freunde umsehen, und er wird dort genügend Leute von dem Typus finden, der sonst in der sogenannten Lobby anzutreffen wäre.
Nach diesem Seitenhieb wieder zur Sache.
Daß von den sechseinhalb Milliarden DM Mehranforderungen, die die Bundesressorts zum Haushalt 1957 eingereicht hatten, ein großer Teil dem Rotstift des Bundesfinanzministers zum Opfer gefallen ist, wird man nicht bedauern können. Es bleibt noch genügend übrig. Man wird vor allem die Stellenanforderungen und Stellenhebungen bei den Beratungen im Haushaltsausschuß sehr gründlich zu überprüfen haben. Da scheint uns auch einiges sich getan zu haben, was nicht durchgehen darf.
Auf der anderen Seite sind auch eine Reihe von Kürzungen gegenüber früheren Haushaltsansätzen vorgenommen worden, die nicht einfach geschluckt werden dürfen. Ich denke da vor allem an zwei Kürzungen: an die Bundeszuschüsse für die Zonenrandgebiete, die eine Kürzung um 30 % erfahren haben, und an die Herabsetzung des Bundeszuschusses und des Bundesdarlehens an das Land Berlin um insgesamt rund 100 Millionen DM.
Die Herabsetzung der Bundesleistungen für die Zonenrandgebiete hat der Herr Bundesfinanzminister vor allem damit begründet, daß die Intensivierung des Finanzausgleichs und andere finanzwirtschaftliche Vorgänge es den beteiligten Ländern möglich machten, mit größeren Mitteln in diesen Gebieten einzugreifen. Meine Freunde halten diese Begründung nicht für stichhaltig und die Kürzung der Zuschüsse nationalpolitisch nicht für vertretbar, zumindest in diesem Zeitpunkt nicht vertretbar.
Wir werden in den Beratungen darauf zurückkommen.
Das gleiche gilt für die Kürzungen bei den Berlinzuschüssen. Wir werden uns auch in diesem letzteren Fall darum bemühen, die alte Leistung wiederherzustellen, zumal gerade jetzt das Thema „Bundeshauptstadt Berlin" eine besondere Aktualität gewonnen hat. Dieses Problem ist sicher nicht durch bravouröse Anträge zu lösen, wie sie kürzlich
aus diesem Hause gekommen sind. Es muß aber gelöst werden, und zwar auf eine systematische Weise, die beginnt mit dem Aufbau, dem Wiederaufbau der bundeseigenen Liegenschaften in Berlin, die es in großer Zahl gibt, und mit der Schaffung von Räumen für die Unterbringung von Bundesbehörden. Wenn so planmäßig begonnen wird mit der bewußten Absicht, tatsächlich so viele Bundesbehörden wie möglich unter Erhaltung ihrer vollen Aktionsfähigkeit nach Berlin zu verlegen, dann, glaube ich, ist auf diesem Gebiet etwas Wichtiges getan.
Zu den wesentlichen Aufgaben, die in diesem Bundeshaushalt nicht im Verhältnis zu ihrer aktuellen Bedeutung ausgestattet sind, gehört auch der Verkehrshaushalt. Jahr um Jahr beklagen wir Zehntausende von Verkehrstoten, eine um das Vielfache größere Zahl von Verletzten und viele Millionen Mark an volkswirtschaftlichem Verlust. Der Bundesverkehrsminister hat ein Zehnjahresprogramm entwickelt, über dessen Einzelheiten man streiten kann. Aber die Frage erhebt sich, wo denn auch nur ein Teil dieses Programms in diesem Haushalt in Erscheinung tritt.
Solange solche Planungen im Schoße der Regierung nicht auch ihren haushaltsmäßigen Niederschlag finden, sind sie wohl nichts anderes als unverbindliche Propaganda.
Es ist von symptomatischer Bedeutung, daß in diesem Haushaltsentwurf die Mittel zum Ausbau der Bundesautobahn und der Bundesstraßen im außerordentlichen Etat auftauchen und im Wege einer Anleihe aufgebracht werden sollen. Die Lage auf dem Kapitalmarkt ist wohl derart, daß diese Finanzierungsmethode von vornherein als reichlich aussichtslos angesehen werden muß. Wenn überhaupt dieser Ausgabeposten gedeckt werden soll, dann wird es vermutlich auf dieselbe Weise geschehen wie in den vergangenen Jahren, indem nämlich der Herr Bundesfinanzminister aus laufenden Einnahmen dank der günstigen Entwicklung die Ausgaben des Extraordinariums finanziert. Die Frage ist erlaubt, warum man denn unter solchen Umständen noch immer die Fiktion eines außerordentlichen Haushalts überhaupt aufrechterhält. Vielleicht kommt man einmal dazu, einen Investitionshaushalt zu machen, so daß diese Frage sich dann von selber beantwortet.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat übrigens — worauf ich bei dieser Gelegenheit hinweisen möchte — in der Bundestagsdrucksache 2707 Vorschläge für die Finanzierung eines großzügigen Straßenbau- und -unterhaltungsprogramms gemacht, an denen das Haus und die Bundesregierung nicht vorübergehen können. Ich glaube, diese Vorschläge sind durchzuführen, ohne daß dabei unüberwindliche Haushaltsschwierigkeiten auftauchen.
In der Rede des Herrn Bundesfinanzministers ist übrigens der Passus besonders aufgefallen, den er dem Problem der Sanierung der Bundesbahn gewidmet hat. Er sprach davon, daß der Abbau der betriebsfremden Lasten bei der Bundesbahn allein eine Gesundung dieses größten Wirtschaftsunternehmens der öffentlichen Hand nicht bewirken könne, sondern daß dazu auch tarifpolitische Maßnahmen nötig seien. Wie war das gemeint, Herr
Bundesfinanzminister? Man möchte gern etwas mehr darüber wissen, wie Sie sich das vorstellen. Will der Herr Minister eine allgemeine Tariferhöhung einschließlich der Sozialtarife propagieren? Wenn ja, dann möge er das schon bald bewerkstelligen. Es würde sicherlich hervorragend in eine Politik der Währungsstabilisierung passen, wenn auf diese Weise neue Preissteigerungstendenzen ausgelöst würden. Der Herr Bundesfinanzminister sollte den Ruhm für eine solche Maßnahme nicht seinem etwaigen Amtsnachfolger überlassen.
Schließlich muß ich noch ein Thema in die Debatte werfen und dazu sozialdemokratische Anträge für die Ausschußberatungen ankündigen. Es ist seit langem Gegenstand der Sorge aller Unterrichteten, daß Deutschland trotz der großen wirtschaftlichen Blüte der letzten Jahre auf wesentlichen Gebieten seiner geistigen Ausrüstung in einer gefahrdrohenden Weise gegenüber anderen Ländern im Rückstand geblieben ist. Die Förderung der wissenschaftlichen Forschung auf allen Gebieten, nicht nur im Bereich der Naturwissenschaften und der Technik, sondern auch auf dem Gebiet der Geisteswissenschaften, die Förderung des wissenschaftlichen und technischen Nachwuchses, die Erweiterung der wissenschaftlichen und technischen Ausbildungsstätten stehen weit hinter dem zurück, was in anderen Ländern geleistet wird
und bringen die Bundesrepublik auf die Länge gesehen in einen schwer zu überwindenden Nachteil, der seine Konsequenzen für die gesamte nationale Wirtschaft haben wird.
Die sozialdemokratische Partei hat auf ihrem Münchener Parteitag im Frühsommer dieses Jahres diese Aufgabe zur Debatte gestellt und schließlich über das letzte Wochenende auf einer großen Konferenz in Düsseldorf ein umfassendes Programm zur Lösung dieser im wahrsten Sinne des Wortes nationalen Aufgabe verkündet.
Es ist eine nationale Aufgabe, meine Damen und Herren, und man möge denen, die sie zuerst auf die Tagesordnung setzten, nicht den Vorwurf machen, sie wollten damit parteipolitische Geschäfte besorgen.
Die Aktivität der Sozialdemokraten auf diesem Gebiete hat niemand das Recht genommen, von sich aus selber in der gleichen Richtung aktiv zu werden;
aber sie hat dazu geführt, daß auch die größte Regierungspartei in Bewegung geraten ist und einen Briefwechsel mit dem Herrn Bundeskanzler in der Richtung führt, daß Kabinettsausschüsse und andere Institutionen gebildet werden sollen, die sich mit der Materie befassen. Wir Sozialdemokraten glauben nicht, daß die Größe und die Schwierigkeit der Aufgabe, die wir auch kennen, durch solche Maßnahmen am Rande wirklich erfaßt werden. Wir sind uns bewußt, daß es vielerlei Schwierigkeiten geben wird, die sich der Verwirklichung dieser Dinge in den Weg stellen können. Die finanzielle Schwierigkeit allerdings dürfte angesichts der Dringlichkeit der Aufgabe nicht allein entscheidend sein. Von den verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten möchte ich hier schweigen; die wären zu untersuchen.
— Wenn man sich auf den Standpunkt stellt, Herr Kollege Willeke, daß es besser ist, nichts zu tun, als Schwierigkeiten zu überwinden zu suchen, so brauchen wir uns allerdings nicht zu unterhalten.
Im Bundeshaushalt 1957 sind — und darauf wird der Herr Bundesfinanzminister in der Abwehr unserer Forderungen ja wohl hinweisen — an zahlreichen Stellen unter dem Titel „Wissenschaft und Forschung" insgesamt 336 Millionen DM veranschlagt. Wenn man sich diese Positionen im einzelnen ansieht, schrumpfen sie allerdings, was die eigentliche Forschung betrifft, beträchtlich zusammen. Daß man auf dem Gebiet der Kleintierzucht und auf anderen wichtigen Wirtschaftsgebieten Forschung treiben muß, haben wir allerdings auch begriffen und immer wieder im Bundeshaushalt honoriert. Aber das trifft ja den Kern der Frage nicht. In der Regel handelt es sich um reine Zweckforschung oder um die finanzielle Ausstattung von Bundesinstituten. Was darüber hinaus der eigentlichen Forschung und der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses zufällt, ist ein geringer Bruchteil dessen, was wirklich nötig wäre. Wir werden dem Hause konkrete Anträge unterbreiten und sie in den Haushaltsberatungen vertreten, und dann wird sich zeigen, wieweit auf diesem wichtigen Gebiet unserer nationalen Existenz in diesem Hause und mit dieser Regierung eine Verständigung möglich ist.
Das Argument der unmöglichen Finanzierung akzeptieren wir nicht. Solange der Verteidigungshaushalt erklärtermaßen weit über das Maß dessen hinaus dotiert ist, was in diesem Haushaltsjahr ausgegeben werden kann, und solange für die Rüstungsaufwendungen der Bundesrepublik Milliardenbeträge aus dem „Juliusturm" zur Verfügung stehen, ist die Möglichkeit der Förderung einer für die Gesamtposition der Bundesrepublik ebenso wichtigen Aufgabe im Rahmen der Einnahmen dieses Haushalts durchaus gegeben.
Ehe ich zum Schluß komme, meine Damen und Herren, gestatten Sie mir noch einen Punkt zu berühren, der mir trotz seiner zahlenmäßigen Geringfügigkeit wichtig erscheint, weil er ein kleines Streiflicht auf die Möglichkeiten einer Verwaltungsreform im Bundesbereich wirft. Bei der letzten Kabinettsumbildung sind die beiden noch verbliebenen Sonderminister über Bord gegangen. Folgerichtig ist deshalb der Einzelplan 30 in diesem Haushaltsentwurf nicht mehr zu finden. Aber sind deshalb die Ministerien verschwunden? Keine Spur! Sie sind in das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit übergeführt worden und leben dort fröhlich weiter, wahrscheinlich mit den ehemaligen Herren Ministern als Sonderbeauftragten an der Spitze. Wir sind nicht bereit, uns mit dieser Art von Verwaltungsvereinfachung abzufinden, und werden bei den Haushaltsberatungen im Ausschuß darauf zurückkommen.
— Ich danke Ihnen für diesen Hinweis und hoffe, daß dabei praktisch wenigstens etwas herauskommt.
— Schön!
Es ist davon gesprochen worden — das sei mein letztes Wort zum Haushalt selber —, daß dieser Haushalt seine Aufgabe im Wahljahr 1957 erfüllen solle. Ich habe vergeblich den Haushalt durchsucht, um festzustellen, wo denn nun die ganz großen Brocken Wahlspeck verteilt sind, und ich muß gestehen, daß mir das allerdings nicht gelungen ist. Vielleicht kommt es noch, wenn die Auflockerung des Schäfferschen Entwurfs bei den Beratungen im Laufe der nächsten Monate eintritt. Aber ein Punkt ist mir doch aufgefallen, von dem man annehmen kann, daß er tatsächlich mit dem Wahljahr zu tun hat, und das ist die bemerkenswerte Steigerung des Titels für Korrespondenzen, d. h. für den Bezug von Nachrichtendiensten beim Bundespresse- und Informationsamt. Der Posten steigt nämlich von 350 000 auf 2 350 000 DM.
Da muß man sich denn doch die Frage vorlegen, was eigentlich mit diesen 2 Millionen DM beabsichtigt ist. Korrespondenzen gibt es nicht so viele; die sind einem ja auch bekannt. Sollen etwa neue geschaffen werden mit dem Zweck der Finanzierung bestimmter Wahlhelfer auf dem Gebiet der Propaganda, oder was soll sonst mit diesen 2 Millionen DM geschehen? Hier riecht es aber wirklich verflucht nach Wahlspeck und nach Wahlvorbereitungen.
— Ich weiß ja auch, daß Sie viel mehr zur Verfügung haben werden. So naiv bin ich nicht, Herr Kollege Niederalt, daß ich die 2 Millionen DM für entscheidend halte, aber daß sie gerade an dieser Stelle im Bundeshaushalt auftauchen, ist immerhin interessant und einer Bemerkung würdig.
Nun gestatten Sie mir noch einige Schlußbemerkungen. Der Herr Bundesminister für Finanzen hat, wie wir das von ihm nun schon gewohnt sind, auch in seiner diesjährigen Haushaltsrede der sparsamen, auf finanzielle Stabilität bedachten Tätigkeit der Bundesregierung, insbesondere selbstverständlich des Bundesfinanzministers, die Ausgabefreudigkeit des Parlaments und der Abgeordneten gegenübergestellt. Ich hoffe, daß Sie sich jetzt alle in Ihren Sitzen aufrichten und sich entweder besonders geehrt oder besonders getadelt fühlen. Der Herr Bundesfinanzminister hat gleichzeitig im Hinblick auf die Versuchungen des Wahljahrs den Knüppel des Art. 113 geschwungen und versprochen, daß er davon gegebenenfalls rücksichtslos Gebrauch machen werde.
Hier hat sich unter aktiver Mitwirkung des Herrn Bundesfinanzministers eine Legende gebildet, die von der Presse leider weitgehend ohne genauere Prüfung übernommen worden ist. Wir von der sozialdemokratischen Opposition könnten angesichts der Mehrheitsverhältnisse in diesem Hause solchen ministeriellen Ermahnungen gegenüber sagen: „Wem sagst du das? Betrifft mir nicht!"
Und gegenüber der Behauptung, daß wir mit unseren Forderungen und Wünschen, wenn sie erfüllt worden wären, noch viel größere finanzielle Belastungen verursacht hätten — das wird jetzt auch so herumgeboten —, können wir wohl darauf verweisen, daß es die Aufgabe der Opposition ist, auf
allen Gebieten stoßend und drängend tätig zu sein. Außerdem sind wir stolz darauf, daß oft unser Anstoß erst bestimmte Dinge von unmittelbarer Dringlichkeit in Bewegung gebracht hat.
Im ganzen aber stellen wir die Frage an die Mitglieder dieses Hauses: Meine Damen und Herren, was halten Sie eigentlich von sich selber,
wenn Sie sich immer wieder ohne Widerspruch gefallen lassen, daß Sie von der Regierungsbank der Verantwortungslosigkeit und der verantwortungslosen Ausgabefreudigkeit bezichtigt werden? Was halten Sie eigentlich von sich selber? Waren die Beschlüsse dieses Hauses über die Erhöhung der Renten in der Sozialversicherung und in der Kriegsopferversorgung verantwortungslos? Waren die Beschlüsse dieses Hauses zum Grünen Plan in der Landwirtschaft verantwortungslos? Waren die Beschlüsse zur Steuerreform verantwortungslos? Prüfen Sie selber und geben Sie die Antwort darauf!
Man sollte endlich mit diesem Gerede aufhören, das doch nur dazu geeignet ist, das Parlament und die Parlamentarier im Bewußtsein der Bevölkerung abzuwerten, ohne daß unser Staatswesen als Ganzes etwas dabei gewinnt.
Im übrigen, meine Damen und Herren, werden wir in den Ausschußberatungen das Unsere dazu tun, nach Möglichkeit das Rechte, das Bessere zu erreichen und diesem Haushalt das Gesicht zu geben, das er haben sollte.