Rede von
Dr.
Heinrich
Deist
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Ich möchte zunächst den einleitenden Worten des Herrn Bundeswirtschaftsministers Dr. Er har d zustimmen. Er sagte: Wer hart im Geben ist, sollte auch hart im Nehmen sein. Ich finde nur, das müßte auf Gegenseitigkeit beruhen.
Es ist nun einmal mit den Zeitläuften so, daß der eine zu bestimmten Zeiten mehr am Nehmen und der andere am Geben ist, und zu anderen Zeiten ist es umgekehrt. Ich glaube, man sollte dann nicht so reagieren, Herr Bundeswirtschaftsminister, wie Sie das getan haben.
— Ich fand, um es ganz offen zu sagen, die Argumentation nicht ganz sachlich.
Aber bitte, ich möchte mich auf einer vernünftigen Basis mit dem Herrn Bundeswirtschaftsminister unterhalten und in diesem Sinne einige seiner Bemerkungen etwas eingehender behandeln. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat sich erregt, daß ich von Schönfärberei gesprochen habe. Da seien so einzelne Einzelhändler, die sich of fen-bar nicht ganz marktwirtschaftlich verhielten. Ich hätte nicht eine einzige seiner Zahlenangaben als falsch kritisiert; die seien sämtlich richtig. — Nun, bis auf eine Zahl — und die war falsch — habe ich die Zahlen des Herrn Bundeswirtschaftsministers wirklich nicht kritisiert, weil sie richtig waren. Nur war ich der Auffassung, daß zur Beleuchtung der Situation einige weitere Zahlen hinzugefügt werden müßten, um das Bild vollständig zu machen.
Darum habe ich keine Zahl bestritten, aber einiges dazu getan, um eine richtige Beleuchtung der augenblicklichen Situation zu geben. Ich glaube, das war nur in der Ordnung.
Es trifft auch zu, daß im ersten Halbjahr des Jahres 1956 an Hausbrand bereits 53 % — statt 45 % im vergangenen Jahr — ausgeliefert worden sind. Nur muß ich leider gestehen, daß das die Situation nicht verbessert, sondern verschlechtert. Denn was über die Hälfte hinaus geliefert wurde, ist doch a conto der Gesamtmenge des Jahres geliefert worden. Und es ist leider zu einem erheblichen Teil nicht mehr vorhanden, weil es in diesem kühlen Sommer verbraucht wurde.
Ich habe gar nicht prophezeit und wer weiß wie schwarz gemalt, sondern ich habe einige Tatsachen festgestellt, die sich im übrigen aus dem eigenen Material und den Unterlagen des Herrn Bundeswirtschaftsministers ergeben.
Im übrigen zu dem letzten Diskussionsredner nur ein Wort. Er sprach von dem Wirbel über die Preissituation und von dem Wirbel über die Versorgung, den wir hier verursachten. Herr Kollege, soviel es mir scheint, sind wir nur ein deutlicher und genauer Interpret dessen, was man draußen in der Bevölkerung empfindet.
Mir scheint, das Parlament hat die Aufgabe, sich mit diesen Dingen zu befassen. Ich hoffe, daß es nicht ironisch von Ihnen gemeint war, als Sie sagten, ich hätte mir Mühe gegeben, die Dinge sachlich und gründlich darzustellen. — Ich sehe, daß Sie es nicht ironisch gemeint haben. Darum meine ich: eine solche Debatte sollte nun nicht so bagatellisiert werden, daß man sagt: draußen ist alles prima in Ordnung, wir haben hier einen geheizten Saal, aber man macht hier einen Wirbel um die Versorgung. Ganz so sollte man die Dinge nicht darstellen.
Es ist mir gerade von einem Kollegen aus Schleswig-Holstein gesagt worden: es ist nicht so einfach zu sagen: ich schmeiße meinen Brenner raus und verheize keine Braunkohlenbriketts mehr, sondern eine andere, sehr teure Kohle. In Schleswig-Holstein sind alle Flüchtlingslager mit solchen Dauerbrennern ausgerüstet und auf Braunkohlenbriketts angewiesen. Wir sollten also die Dinge auch so sehen und nicht so tun, als ob es ein parlamentarischer Wirbel wäre, der hier veranstaltet wird.
Eine Zahl, Herr Bundeswirtschaftsminister, habe ich allerdings bestritten. Ich glaube, ich habe das in einer sehr netten und höflichen Form gemacht. Das war die Zahl über das, was an die Militärdienststellen geliefert worden ist. Bitte, Herr Bundeswirtschaftsminister, ich will mich mit Ihnen nicht darüber streiten, was im Truppenvertrag steht, sondern ich halte mich an die von der Statistik der Kohlewirtschaft e. V. in Essen veröffentlichten Zahlen zur Kohlenwirtschaft. In der letzten Ausgabe vom August 1956 finde ich folgende Zahlen. Für das ganze Jahr 1955 haben die Militärdienststellen 2,7 Millionen t erhalten, davon 43 600 aus der Einfuhr, macht 1,6 % — daran ist nun nicht mehr zu deuteln —, und in den ersten fünf Monaten dieses Jahres erhielten diese Stellen nach derselben Angabe insgesamt 241 000 t, von denen rund 5800 aus der Einfuhr stammen; das sind gut 2 %. Auch das scheint mir eine einwandfreie Rechnung zu sein. Bitte, Herr Bundeswirtschaftsminister, warum das Herumhandeln mit dem Truppenvertrag oder dergleichen mehr? Sagen Sie, daß die Zahlen der Kohlewirtschaft e. V. falsch sind und daß Sie die richtigen Zahlen haben! Dann bin ich bereit, mich zu korrigieren. Aber solange das nicht der Fall ist, muß ich unterstellen, daß diese statistischen Angaben zutreffen.
Dann darf ich eines zu der Frage der Enquete sagen. Ich finde es etwas merkwürdig, daß jeder meint: Nun ja, an der Enquete ist schon etwas dran. Herr Kollege Friedensburg hat dankenswerterweise in seinen Ausführungen einige Probleme berührt. Er hat sogar dem Bundeswirtschaftsminister einige Ratschläge bezüglich der langfristigen Investitionslenkung gegeben. Hier lohnt es sich durchaus, einmal gründliche Untersuchungen anzustellen. Herr Kollege Friedensburg, wir haben doch vorgesehen, daß dieser EnqueteAusschuß nicht ständig mit 29 bis 35 Mann als Plenum arbeitet, sondern Arbeitsausschüsse für die vielfältigen Probleme bildet. Wir haben natürlich weiterhin vorgesehen, daß er sich das Material, das bei den Wirtschaftsforschungsinstituten, aber auch bei sehr vielen technischen und sonstigen Stellen liegt, zunutze macht und nicht etwa meint, er müsse jede Angelegenheit, über die eine sachliche Klärung vorliegt, noch einmal persönlich von unten untersuchen. So haben wir uns natürlich eine Enquete vernünftigerweise nicht vorgestellt.
Aber wenn dem so ist, dann verstehe ich eigentlich nicht: warum immer diese Reserven? Der Kollege von der FVP ist ganz offen gewesen. Er sagt: ich fürchte, daß bei dieser Untersuchung herauskommt: der Kohlenbergbau muß sozialisiert werden; darum darf die Enquete nicht gemacht werden. Ja, dann läßt sich natürlich nicht diskutieren. Von uns können Sie doch eigentlich nur folgendes erwarten, und das haben wir getan. Wir haben gesagt: die Bundesregierung — bitte, die Bundesregierung! — bestellt eine Sachverständigenkommission. Es tut mir leid: weder die Industrieverbände noch die Gewerkschaften als Verbände scheinen mir eine zuständige Instanz für die Untersuchung solcher Dinge als Grundlage für wirtschaftspolitische Entscheidungen zu sein.
Darum möchten wir eine solche unabhängige Sachverständigenkonferenz. Wir sind bereit, dieses Material dann als Grundlage für Entscheidungen zu akzeptieren. Dann wollen wir uns darüber unterhalten. Dieser Enquete-Ausschuß hat ja keine wirtschaftspolitischen Entscheidungen zu treffen, sondern er soll das Material sichten, sammeln und übersichtlich darstellen, so daß uns und der Bundesregierung, und wer sonst zuständig ist, die Möglichkeit einer sachverständigen Beurteilung und die Möglichkeit, daraufhin wirtschaftspolitische Entscheidungen zu fällen, gegeben wird.
Meine Damen und Herren, ich bitte dringend: mißverstehen Sie dieses Anliegen nicht. Es liegt im Interesse des Kohlenbergbaus, und deswegen bringen wir es vor. Ich sehe auch nicht ein, warum bei uns so gefährlich sein soll, was in vielen anderen Ländern durchgeführt wind, wo man solche Sachverständigenuntersuchungen mit sehr viel Nutzen anstellt. — Das wollte ich zur Enquete noch abschließend sagen.
Dann hat der Herr Bundeswirtschaftsminister etwas zum Selbstverbrauchsrecht gesagt. Ich muß auch dazu einiges korrigierend bemerken. Ich habe vor einer Entwicklung des Werkselbstverbrauchs gewarnt, die dazu führt, daß praktisch für die Kohleverteilung an den simplen Hausbrandverbraucher nicht mehr sehr viel übrigbleibt. Es ist keineswegs so, daß über den Werkselbstverbrauch nur Sorten verbraucht werden, die nicht für den Hausbrandverbraucher geeignet sind. Ich konzediere gern: die Ballastkohle, die in die Kraftwerke geht, ist natürlich eine Kohle, die sich für den Hausbrand sehr schlecht eignet. Es geht aber ganz ausgezeichnete Fett-, Ess- und Gasflammkohle an die Hüttenwerke, die sehr gut für den Hausbrand verwendet werden kann. Und darum liegt in dieser Entwicklung eine Gefahr.
Ich glaube, es war der Herr Bundeswirtschaftsminister, der meinte, mein Kollege Baade habe sich immer so stark für die Verbundwirtschaft eingesetzt und damit selbstverständlich auch den Werkselbstverbrauch mit bejaht. Zunächst einmal ist diese Kombination nicht so selbstverständlich. Meine Fraktion und die Kollegen, die mit diesen Dingen seinerzeit befaßt worden sind, als die Dekartellierungsabsichten schwebten, sind sämtlich für die Aufrechterhaltung einer gesunden technischen Verbundwirtschaft zwischen Kohle und Eisen eingetreten. Das ist nicht nur das Verdienst des Kollegen Baade, sondern diese Auffassung haben wir alle vertreten, auch meine Fraktion, soweit sie daran beteiligt war; ich erinnere an Kurt Schumacher, ich erinnere an Nölting und andere, die diese Auffassung bei jenen schweren Verhandlungen immer vertreten haben.
Aber, Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie dürfen nun nicht den Sprung machen und sagen: Damit haben Sie diese Entwicklung — und die habe ich kritisiert — des Werkselbstverbrauchs bejaht. Zunächst einmal dient nur ein Teil dieses Werkselbstverbrauchs der gesunden technischen Verbundwirtschaft. Im übrigen dient er dazu, die Kohlenquelle ohne Rücksicht darauf zu sichern, ob echter technischer Verbund mit den entsprechenden wirtschaftlichen Effekten vorhanden ist oder nicht. Ich deutete an, Herr Bundeswirtschaftsminister, daß die Tendenz zur Erlangung von Werkselbstverbrauchsrechten in allen Kreisen besteht. Ich nannte die Bundesbahn — da müssen Sie es selbst wissen —, ich nannte das Großkraftwerk in Nürnberg, ich deutete einige Entwicklungen an der Ruhr an, mehr Kohle für den Werkselbstverbrauch zu sichern. Wenn das so weitergeht, ist eine vernünftige Ordnung auf dem Kohlemarkt nicht mehr möglich. Herr Bundeswirtschaftsminister, ich finde, Sie sollten nicht undankbar dafür sein, daß diese Dinge hier so offen auf den Tisch des Hauses gelegt werden; denn Sie werden, solange Sie Bundeswirtschaftsminister sind, den Kummer mit den Werkselbstverbrauchern haben und nicht wir.
Dann einige Bemerkungen über das, was ich in Straßburg gesagt habe, Herr Bundeswirtschaftsminister. Nun bin ich ja besser unterrichtet über das, was ich gesagt habe, als — wie ich feststellen muß — Sie. Ich habe dort gesagt, Herr Bundeswirtschaftsminister, daß ich bedaure, daß die Tendenz in der Montanunion dahin führt, daß praktisch wesentliche Entscheidungen der Kohlepolitik in die nationale Sphäre abrutschen, obwohl es eigentlich Aufgabe dieser Institution ist, die wirtschaftliche Zusammenarbeit auf dem Gebiet von Stahl und Kohle zu fördern. Ich habe dann gesagt: es ist sehr bemerkenswert, welche Initiative auf der einen Seite die Regierungen der Mitgliedstaaten, in einigen Fällen aber auch handfeste private Kartelle an Stelle der Regierungen zu entfalten pflegen, und damit habe ich Deutschland gemeint.
Sie hätten sich das ersparen können, Herr Bundeswirtschaftsminister, wenn Sie zutreffend über das unterrichtet worden wären, was drüben in Straßburg gesagt worden ist. Aber bitte, das ist auch nur im Sinne einer Richtigstellung; ich habe nicht die Absicht, Sie damit persönlich zu treffen. Denn ich finde, daß die Art der Reaktion, zu der Sie sich vorhin veranlaßt gesehen haben, der Sache nicht dient.
Dann zur Frage des Wohnungsbaus! Herr Wohnungsbauminister, man soll, wenn man über die kritische Lage des Bergarbeiterwohnungsbaus und vielleicht daneben — daran sind Sie schuld, nicht ich; ich habe das nicht angebracht — über die kritische Lage des sozialen Wohnungsbaus von heute und morgen spricht, es sich nicht so leicht machen, daß man sagt: Was haben wir doch für große Lorbeeren auf dem Gebiete des Wohnungsbaus in den vergangenen Jahren sammeln können. Auf dem Gebiete des Wohnungsbaus ist in den letzten Jahren — seit Kriegsende — Großes bei uns in Deutschland geschehen. Ich unterstreiche das besonders gern, weil es eine gemeinsame Aufgabe sämtlicher Fraktionen dieses Hauses war und weil ich für meine Fraktion in Anspruch nehme, daß sie sehr ernsthaft und sehr erfolgreich dabei mitgewirkt hat.
Ich freue mich, daß Sie mir dabei zustimmen, Herr Bundeswohnungsbauminister, und daß also über diesen Punkt jedenfalls Einmütigkeit besteht.
Ich brauche dann nur daran zu erinnern — ich will darüber hinaus nicht auf den allgemeinen Wohnungsbau übergehen —, was Sie, Herr Bundeswohnungsbauminister, vor 14 Tagen — an Stelle der Kohlendebatte — in der Debatte über die steuerliche Begünstigung des Sparens usw. über den Stand des Wohnungsbaues heute und morgen gesagt haben. Dem brauche ich nichts hinzuzufügen.
Darin waren genügend Sorge und Kritik enthalten, die alles das unterstreichen, was ich hier gesagt habe.
Aber, Herr Bundeswohnungsbauminister, wenn wir nun schon der Auffassung sind, daß der Bergbau besonders zu betrachten ist, daß er eine volkswirtschaftliche Bedeutung hat, die über den Rahmen anderer Industriezweige hinausgeht, daß wir den Bergbau in gewissem Umfang privilegieren müssen —, warum dann die Überlegung, daß andere Wirtschaftszweige schließlich auch verlangen könnten, daß der Staat bei ihnen Wohnungsbau für die Angehörigen ihres Wirtschaftszweiges betreibe? Ja, Herr Bundeswohnungsbauminister, das kann nur jemand machen, der sich gegenüber diesen Interessengruppen so schwer durchsetzt. — Sie meinen nicht? Doch, doch! Wenn die Bundesregierung wirklich der Auffassung ist: hier liegt ein entscheidendes volkswirtschaftliches Problem, dann treten Sie einmal an den Bundestag heran. Ich kann Ihnen versprechen: bei meiner Fraktion wird ein solches Vorgehen jedenfalls Unterstützung finden.
Eine Bemerkung zu der Zersplitterung an der Ruhr. Herr Kollege — Ihren Namen habe ich vergessen —, das war ein böses Wort, als Sie sagten, die Zersplitterung an der Ruhr sei auf die unselige Dekartellisierung zurückzuführen, womit Sie vielleicht andeuten wollten, daß die Leute, die auf deutscher Seite an der Neuordnung mitgewirkt haben, daran etwa mit Schuld trügen. — Schön, ich nehme zur Kenntnis und möchte das hier feststellen, daß dieser Anwurf in Ihren Außerungen nicht enthalten ist.
Zur Sache möchte ich folgendes sagen. Sie wissen genau, daß damals von deutscher Seite ver-
langt worden war, höchstens etwa 20 bis 25 Gesellschaften zu bilden, und daß Aussicht bestand, wenn man auf deutscher Seite energisch darauf bestanden hätte, daß wir eine solche vernünftige Regelung im Kohlenbergbau durchgesetzt hätten. Denn damals waren sich Unternehmensverband und Gewerkschaften im Rahmen der Deutschen Kohlenbergbauleitung einig. Dann kam das Problem der sogenannten C-Gesellschaften, das sind die kleinen Splittergesellschaften — ich glaube, es gibt darunter auch ein paar große —, die auf ihre Selbständigkeit pochen. Es wäre schon gut gewesen, wenn man aus den Trümmern dieses Krieges und aus der Dekartellisierung wenigstens das Beste gemacht hätte, was möglich war, und eine vernünftige Organisation des Kohlenbergbaus auf die Beine gestellt hätte. Und was ist geschehen? Die Alliierte Hohe Kommission hat die Bundesregierung gefragt, ob sie damit einverstanden sei, daß eine solche Ordnung geschaffen werde, wobei man natürlich über die Eigentumsrechte dieser kleinen Splittergruppen hätte hinweggehen müssen. Die Bundesregierung hat gesagt: Komme, was da will, das Eigentumsrecht dieser Gesellschaften darf nicht angetastet werden. Die Folge davon ist diese Zersplitterung.
Was meine Fraktion und ich jetzt möchten, ist doch, daß wir uns auch einmal in der EnqueteKommission hinsetzen und uns mit diesem Faktum — es ist ja nun einmal da — vernünftig auseinandersetzen und daß diese Enquete-Kommission auch untersucht, welche Mittel und Wege es gibt, diese Zersplitterung zu überwinden und zu einer rationellen Führung des Kohlenbergbaus zu kommen.
Damit komme ich zum letzten. Herr Bundeswirtschaftsminister, es tut mir leid, daß Sie geglaubt haben, diese Diskussion durch ein Ausweichen auf die allgemeine Preis- und Lohnsituation, Arbeitszeitverkürzung usw. zu beleben. Für mich besteht nun die Möglichkeit, daß ich auf dieses Thema in aller Breite eingehe. Wenn ich auf die Uhr sehe, scheint mir der Augenblick dafür nicht geeignet zu sein. Darum beschränke ich mich auf einige kurze Bemerkungen. Herr Bundeswirtschaftsminister, die Bundesregierung sollte sich überlegen, ob sie nicht eine unangemessene Verschärfung der sozialen Spannungen herbeiführt, wenn sie bei jeder Preisdebatte immer in dieser Einseitigkeit auf Lohnerhöhung und Arbeitszeitverkürzung hinweist.
Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie wissen oder müßten wissen — jedenfalls haben wir es hier wiederholt vertreten —, daß die ersten starken Preiserhöhungen auf Gebieten eingetreten sind, die in der Zuständigkeit der Bundesregierung lagen und die mit Lohnerhöhungen nicht das mindeste zu tun hatten.
Und Sie sollten wissen, daß ein Teil der Kettenreaktion auch darin besteht, daß steigender Preistrend den Sparsinn beeinträchtigt, daß das Lamentieren über geringes Sparen gar nichts nützt und daß auf der anderen Seite die Tendenzen zur Lohnsteigerung verstärkt werden, weil kein Arbeitnehmer sich die Kaufkraft des errungenen Lohnes hintenherum durch Preiserhöhungen wieder zunichte machen lassen will. Das ist die eine Seite.
Und dann, Herr Bundeswirtschaftsminister, sollte man — und Sie tun das wenigstens in Parenthese in Ihren Lageberichten immer — bei solchen Diskussionen einige andere Dinge nicht vergessen. Die Lohnerhöhungen des ersten halben Jahres 1956 haben nach den statistischen Feststellungen zu einer Erhöhung der Verbrauchsquote geführt, die für das erste Halbjahr einer Summe von 500 Millionen DM, für das ganze Jahr also einem Betrag von einer Milliarde DM entspricht. Das ist also die Steigerung der Verbrauchsquote über die Steigerung des Sozialproduktes hinaus. Ich kann Ihnen die Zahlen vorlegen. Das ist eine Milliarde. Durch die Zoll-und Einfuhrpolitik der Bundesregierung gehen dieses Jahr wiederum für 3 Milliarden DM Erzeugnisse dem deutschen Markt verloren und fallen damit auf der Seite des Angebotes aus.
Durch die Haushaltspolitik der Bundesregierung, die plant, ausgerechnet in der Hochkonjunktur auf 2,2 Milliarden DM aus dem Juliusturm mit seinen Kassenreserven zurückzugreifen, um laufende Ausgaben zu decken, wird eine weitere stark inflatorische Tendenz entfacht. Ich bin der Auffassung, daß Sie diese Dinge mit erwähnen müssen, wenn Sie über die Kettenreaktion von Lohnerhöhung, Arbeitszeitverkürzung und Preiserhöhung sprechen.
Ich will im Augenblick nicht breiter auf dieses Thema eingehen, Herr Bundeswirtschaftsminister; aber wir werden Gelegenheit geben, diese Probleme hier einmal in aller Ausführlichkeit zu besprechen. Das dürfte, glaube ich, der Sache mehr angemessen sein, als wenn ich jetzt in größerem Umfang erwidere.