Rede von
Dr.
Ferdinand
Friedensburg
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Trotz der begreiflichen Ungeduld des Hauses angesichts der vorrückenden Zeit bitte ich um etwas Geduld, Gehör und Verständnis für Ausführungen, die in erster Linie zur Ergänzung der Berichterstattung unseres ersten Fraktionsredners bestimmt sind.
Der Herr Kollege Deist hatte die Freundlichkeit, wiederholt meine Rede zu zitieren, die ich hier im Februar zu dem gleichen Thema gehalten habe. Ich will deshalb auf Wiederholungen meinerseits verzichten, bitte aber jedenfalls davon ausgehen zu dürfen, daß wir einer sehr ernsten Mangellage in der deutschen Kohlenversorgung entgegengehen, wenn nicht rechtzeitig großzügige und umfassende Maßnahmen getroffen werden, und zwar bald. Ich bin mit den sozialdemokratischen Kollegen insofern nicht ganz einig, als ich im Augenblick einen Grund zu besonderer Sorge nicht erkennen zu können glaube. Der Herr Wirtschaftsminister hat bereits ausgeführt, daß diese Besorgnis nicht begründet ist. Ich bin selber Normalverbraucher und würde es deshalb spüren, wenn irgendwo in der Versorgung der Bevölkerung mit Kohle ein Mangel einträte. Kollege Deist, Sie mögen meinen: vielleicht weil ich Bergassessor oder Domherr oder sonst was bin, würde ich bevorzugt beliefert. Ich habe mir aber einige Zahlen ver-
schafft und festgestellt, daß der Kohleneinzelhandel in der Bundesrepublik während des letzten halben Jahres 1,3 Millionen t mehr erhalten hat als im gleichen Zeitraum des vorigen Jahres.
Wenn wir diese Zahlen hören, meine verehrten Kollegen, sind wir, glaube ich, gegen die Annahme gefeit, daß von irgendeiner ernsten Krisis in der Versorgung des Kleinhandels und der Verbraucher in den Haushalten die Rede sein könne. Dafür sollten wir aber um so mehr die weitere Entwicklung ins Auge fassen. Diese wird durch die Tatsache gekennzeichnet, daß unser Steinkohlenbergbau in geradezu sensationeller Weise hinter der allgemeinen industriellen Entwicklung zurückbleibt. Ichmeine die berühmten Indexzahlen von 112 % für den Steinkohlenbergbau und von 205 % für die allgemeine Industrie im Jahre 1955 verglichen mit dem Jahr 1936. Man braucht sich diesen Unterschied als Laie oder als Wissenschaftler nur einen Augenblick vorzustellen, um zu erkennen, daß hier unbedingt etwas getan werden muß. Meinen Appell an Bundesregierung und Volksvertretung, sich mit diesem Problem zu beschäftigen, wiederhole ich heute in vollkommen gleicher Weise, ja vielleicht sogar mit verschärfter Dringlichkeit, weil, worauf Kollege Blank bereits hingewiesen hat, uns die neueste politische Entwicklung wohl einer gewissen Sicherheit hinsichtlich der zukünftigen Versorgung aus anderen Ländern beraubt hat. Es wäre sehr leichtfertig, es als sicher anzunehmen, daß uns die anderen Länder auf absehbare Zeit das zur Verfügung stellen werden, was wir an unentbehrlichen Rohstoffen und Energieträgern brauchen und was wir uns, wenn wir vernünftig disponieren wollten, durchaus aus eigener Kraft beschaffen könnten.
In diesem Jahre werden wir allein in der Energieträgerversorgung unseres Landes ein Defizit in Höhe von einer Milliarde DM haben, unseres Landes, das bisher immer Ausfuhrüberschüsse in den Energieträgern hat erzielen und aus diesen Ausfuhrüberschüssen einen großen Teil seines sonstigen Rohstoffbedarfs hat decken können. Der Rohstoffbedarf ist weiter angestiegen, und zur gleichen Zeit sind unsere Ausfuhrüberschüsse gesunken. Wir haben allein in der Energieversorgung für das Jahr 1956 ein Defizit von mindestens einer Milliarde DM zu erwarten, und wenn die Entwicklung so weitergeht, wie wir es mit einiger Gewißheit voraussehen können, werden wir im Jahre 1960 ein Defizit von 4 Milliarden DM haben. Es ist mir durchaus ungewiß, ob wir aus den Oberschüssen der übrigen Wirtschaft dann eine so gewaltige Lücke werden stopfen können.
Das Problem hat seine kurzfristige und seine langfristige Bedeutung. Wir wollen einen Augenblick bei der kurzfristigen Bedeutung bleiben, zumal auch hier eine Reihe von wichtigen Gesichtspunkten zur Sprache gekommen sind. Lassen Sie mich auch vor allen Dingen noch ein Wort zur Kohlenprämie sagen! Ich kenne den Kollegen Sabaß lange genug, um annehmen zu können, daß es sich bei diesem Teil seiner Ausführungen wohl um einen falschen Zungenschlag gehandelt hat. Ich kann jedenfalls feststellen, daß die Christlich-Demokratische Union völlig einig ist in der Betrachtungsweise, wie sie vom Herrn Bundeswirtschaftsminister vorgetragen worden ist, und ich halte seine Bezeichnung, daß es sich um ein Privileg handelt — vom Kollegen Deist dankenswerterweise aufgenommen —, sogar für sehr glücklich.
Meine Damen und Herren, es handelt sich um eine geradlinige Fortsetzung eines Brauchs, einer Tradition, die seit dem Mittelalter für den deutschen Bergmann gilt. Eine Bevorzugung des Bergmanns, der unter Tage, unter Ausnahmeumständen zu arbeiten hat, durch den Staat ist vom Staate immer als staatspolitische Notwendigkeit und nicht als irgendeine wirtschaftliche Maßnahme angesehen worden. Wenn früher ,der Landesherr Bergbau einrichten wollte, dann gewährte er Privilegien, wie es der Herr Bundeswirtschaftsminister ausdrücklich gesagt hat, d. h. die Bergleute erhielten freien Raum für ihren Hausbau, sie bekamen freies Holz in den herrschaftlichen Forsten, sie wurden für lange Zeit von Steuern befreit, und sie genossen eine Reihe von Vorzügen, die andere Staatsbürger, andere Untertanen der betreffenden Dynastien nicht genossen. Es handelte sich aber hierbei weniger um den Wunsch, irgendwelche wirtschaftlichen Vorteile zu gewähren, sondern um eine Anerkennung, idaß der Mann, der unter Tage arbeitet und sich dadurch von allen lübrigen Menschen im Lande unterscheidet, einer Hervorhebung bedurfte. Es war heute wie damals zugleich auch eine praktische Notwendigkeit; denn der Nachwuchsfür diesen schwierigen undbisweilen auch etwas gefährlichen Beruf fand sich nicht zusammen, wenn er nicht in der von mir gekennzeichneten Art privilegiert wurde. Das ganze Haus ist mit der Regierung einig gewesen, daß wir die Schichtprämien genau im Sinne der alten deutschen Überlieferung als eine staatspolitische Notwendigkeit, nicht aber als irgendeine lohnpolitische Zuwendung aufzufassen haben. Ich möchte das mit allem Nachdruck auch für meine politischen Freunde einmal zum Ausdruck gebracht haben.
Nun zum Kohlenpreis! Kollege Deist meint, er sei tabu, und man dürfe darüber nicht reden. — Wir reden eigentlich hier den ganzen Abend darüber. Ich kann nicht recht verstehen, warum er meint, daß wir hier nicht darüber reden wollen. — Natürlich ist es nicht ganz leicht, eine einmal beschlossene Preiserhöhung nachträglich wieder rückgängig zu machen, den Preis wieder herabzusetzen. Ich habe mir aber sagen lassen, daß es bei Löhnen auch nicht ganz einfach ist, sie wieder herunterzusetzen, wenn sie einmal heraufgesetzt worden sind. Umgekehrt ist es ja auch nicht ganz leicht, sie heraufzusetzen. Wir haben den begreiflichen Wunsch, daß Löhne und Preise eine gewisse Stabilität aufweisen. Das ist durchaus auch wirtschaftswissenschaftlich zu begründen, und so sind wir im allgemeinen bemüht, Preiserhöhungen, wenn mögich, zu vermeiden.
Aber bei aller Würdigung dieses Wunsches kann ich doch nur feststellen, daß die letzte Kohlenpreiserhöhung, die für die meisten — auch für mich — als Überraschung gekommen ist, erstaunlich glatt von der Wirtschaft aufgenommen worden ist, ohne jene berüchtigte Kettenreaktion auszulösen.
Ich habe es damals gleich feststellen zu können geglaubt. Man hat es mir bestritten; aber ich kann nur bestätigen, was die Wirtschaftswissenschaftler vorausgesagt haben, daß nämlich die Geringfügigkeit des Lohnanteils an den Selbstkosten fast der gesamten Wirtschaft nennenswerte Preissteigerungen — sofern überhaupt Kosten eine Rolle spielen — verhindern würde. Diese Voraussage hat sich durchaus erfüllt, und heute, nachdem eine ganze Zeit vergangen ist, können wir sagen: Jene berüch-
tigte Kettenreaktion ist einfach ausgeblieben. Es mag nicht ganz in gewisse Vorstellungen hineinpassen, aber wir können doch die Tatsachen nicht anders darstellen, als sie wirklich gewesen sind.
Wir haben gehört, daß wir ausländische Kohle um einen sehr erheblichen Preisaufschlag beziehen müssen, um 40 his 50 DM. Kollege Sabaß nannte sogar 70 DM je Tonne bei Koks. Ja, wenn ich mir als Wirtschaftler überlege, was ich im Interesse meiner Verbraucher für besser halte: den einheimischen Kohlenbergbau ein wenig besserzustellen, weil er dann mehr fördern kann, oder ob ich ihn rigoros auf Grund irgendeiner Doktrin niederhalte und dafür dann teure ausländische Kohle kaufe, so weiß ich nicht, ob ich mich nicht durchaus für eine mäßige Preiserhöhung der inländischen Kohle entscheiden würde. Ich halte das für ökonomisch auch wesentlich besser, sowohl im Interesse der Volkswirtschaft wie auch im Interesse der Privatwirtschaft.
Daß keine Krisis besteht, daß wir keine ernste Mangellage haben, verdient um so mehr hervorgehoben zu werden, als man nach Zeitungsmeldungen in der Hohen Behörde in Luxemburg erwägt, die Mangellage, wie sie im Vertrag der Montanunion vorgesehen ist, zu erklären und damit eine gewisse Lenkung der Versorgung herbeizuführen. Sicherlich werden wir uns den Konsequenzen des von uns geschlossenen und auch von der Mehrheit dieses Hohen Hauses beschlossenen Montanvertrags nicht entziehen dürfen. Wenn eine solche Mangellage ernstlich eintritt und die Schwierigkeiten der Versorgung auf anderem Wege nicht behoben werden können, dürfen wir nicht aus irgendeiner nationalen Selbstsucht versuchen, uns herauszuhalten. Aber die Voraussetzungen hierfür sind nicht gegeben, und solange die Voraussetzungen nicht gegeben sind, wollen wir doch sehr, sehr vorsichtig sein in der Anwendung einer so zweischneidigen, so gefährlichen Waffe, wie sie die Erklärung der Mangellage mit den dann einsetzenden Lenkungsbefugnissen der Hohen Behörde sein würde. Wir haben doch alle unsere trüben Erfahrungen mit . den Lenkungsmaßnahmen des Staates gemacht, und ich glaube nicht, daß irgend jemand sich danach sehnen könnte.
Was den Werkselbstverbrauch betrifft, Kollege Deist, so denke ich auch hier ein wenig anders als Sie. Zunächst hat der Werkselbstverbrauch zwei volkswirtschaftlich außerordentlich wichtige Funktionen, die wir keineswegs beseitigt sehen wollen. Im Werkselbstverbrauch verbraucht man vor allen Dingen die Sorten, die man auf dem freien Markt nicht so gut absetzen kann. Es werden namentlich Zwischenprodukte auf diese Weise verbraucht, nutzbringend verbraucht, die im Absatz an Dritte nicht verkauft werden können. Ferner haben die vertraglichen und organisatorischen Beziehungen zwischen den Werken den sehr großen Vorteil, die sehr große Bedeutung, daß sie den Kohlengruben auch dann, wenn es ihnen nicht gut geht, über schlechte Zeiten hinweghelfen. In der ganzen Geschichte des deutschen Kohlenbergbaus hat es sich erwiesen, daß gerade die Zechen, die durch eine organisatorische oder vertragliche Verbindung mit anderen, vieleicht besser rentierenden Industriegruppen gesichert waren, besser abgeschnitten haben. In einem Zeitpunkt, wo wir uns Sorgen um die zukünftige Entwicklung unseres Kohlenbergbaus machen, möchte ich ernstlich fragen, ob es empfehlenswert wäre, an diese Dinge zu rühren, die für die zukünftige Entwicklung doch eine sehr nützliche, vorteilhafte Bedeutung haben können.
Endlich ein Wort zum Wohnungsbau. Kollege Deist, Sie meinen, es sei nicht die Aufgabe des Bergbaues, sich um die Wohnungen zu kümmern; das sei die Aufgabe des Staates. Ich möchte einmal Ihre Entrüstung hören, wenn der Bergbau mit verschränkten Armen zusähe, wie die Belegschaften schlecht untergebracht wären.
Ich könnte mir denken, daß Sie sich dann noch mit einer ganz anderen Schärfe gegen diese unsoziale Haltung des Bergbaus wenden würden, der sich nicht um eine so dringende und zwingende Notwendigkeit seiner Bergleute kümmerte.
Ich muß sagen, ich bin in die letzten Finessen der Wohnungsbauabgabe nicht eingedrungen; die Herren vom Wohnungsbauministerium mögen das entschuldigen. Ich habe das primitive Gefühl: die Hauptsache ist, daß Wohnungen gebaut werden. Wenn es der Bergbau macht, freue ich mich; wenn es der Staat macht, freue ich mich auch. Jedenfalls: aus Kompetenzschwierigkeiten — das kann ich als alter preußischer Beamter sagen — ist noch nie etwas Gutes herausgekommen. Wir wollen froh sein, daß beim Bergbau genug Verantwortungsgefühl für diese in er Tat auch wirtschaftlich außerordentlich dringende und brennende Frage bestanden hat. Und daß das mit einem mäßigen Preiszuschlag bezahlt werden muß, das ist nun mal so: Wenn man etwas haben will, muß man irgendwie dafür das Geld beschaffen.
Aber, meine Damen und Herren, als wichtiger noch als diese Erwägungen zur augenblicklichen Lage sind die Probleme anzusehen, die sich mit der langfristigen Kohleförderung beschäftigen. Wir müssen — und darüber besteht gewiß volle Einmütigkeit — die Kohleförderung steigern, und der Herr Bundeswirtschaftsminister, mein verehrter Herr Kollege und Freund, wird es mir nicht übelnehmen, wenn ich sage: Hierzu waren die Erklärungen der Regierung ein klein wenig mager; ich hätte gern etwas mehr gehört. Wir werden darauf noch kurz zu sprechen kommen. Vielleicht werden die Vorschläge des Kollegen Blank nach dieser Richtung zu verwenden sein.
Die Investitionen sind einfach nicht ausreichend. Wir müssen jedenfalls im Laufe der nächsten fünf Jahre etwa 6 Milliarden DM zusätzlich investieren, und die kommen nicht vom Himmel herunter. Man muß sich rechtzeitig überlegen, wo dieses Geld herkommen soll. Ich würde deshalb glauben, daß wir vor allen Dingen die Investitionen steuerlich noch besser behandeln sollten als bisher. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat gesagt, daß bereits für vier Schachtanlagen durch das Zusammenwirken der nordrhein-westfälischen Ressorts und der Bundesressorts eine Steuererleichterung hinsichtlich der Investitionen, also eine Abschreibungserleichterung, herbeigeführt worden sei. Ich glaube, Herr Staatssekretär Hartmann, so ganz wohl ist uns dabei nicht, wenn so grundsätzlich und praktisch wichtige Regelungen allein der Exekutive überlassen bleiben. Ich glaube, wir sollten uns überlegen, ob da nicht der Gesetzgeber rechtzeitig grundsätzliche Festlegungen treffen sollte. Es ist nicht nur nicht gut — wir sind bei uns wohl dagegen geschützt —, daß dann Entscheidungen auf
nicht ganz objektiver Basis erfolgen — ich würde diese Sorge nicht haben —; aber ich möchte, daß der Bergbau weiß, woran er ist. Der Bergbau muß seine Pläne zur Steigerung der Förderung aus eigener Verantwortung auf einer festen, klaren, gesetzlichen Grundlage treffen können. Wenn er kalkuliert, in welcher Weise er sich künftig das Geld beschaffen kann, um eine Schachtanlage auf dem grünen Rasen zu errichten, dann soll er nicht erst mit einer Reihe von Vertretern überall in den Bundesressorts und in den Ressorts des Landes Nordrhein-Westfalen antichambrieren müssen, sondern er muß wissen, woran er ist, und der Gesetzgeber hat bei einer so dringend wichtigen Frage die Pflicht, die Regelungen grundsätzlich und auf lange Zeit hinaus zu treffen.
Also die Abschreibungsfreiheit halte ich für unbedingt notwendig, und zwar ganz umfassend, allgemein. Ich glaube, das Bundesfinanzministerium wird hierbei sehr auf seine Kosten kommen. Denn jede Tonne Kohle, die auf dem Wege einer Investitionserleichterung künftig mehr gefördert wird, bringt dem Bundesfinanzminister auf die Dauer wesentlich mehr Geld — das Vielfache an Geld — ein, als er jetzt vielleicht im Augenblick dadurch einbüßt, daß er gewisse Investitionserleichterungen gewährt.
Die Anlage neuer Schächte dauert Gott sei Dank nicht 15 bis 20 Jahre. Es ist schon, wie Kollege Deist meinte, genug, wenn wir von 10 bis 12 Jahren sprechen. Aber wir wollen die Sache nicht noch mehr erschweren und wollen uns also mit 10 bis 12 Jahren begnügen. Das ist jedenfalls eine Frist, für die der normale Privatkapitalist in der Regel nicht zur Hergabe seines Geldes bewogen werden kann.
Soweit die Investitionserleichterungen also nicht ausreichen, stimme ich dem Kollegen Deist völlig darin zu, daß hier die öffentliche Hand in großem Stile eingreifen müßte. Ich glaube nach den Erfahrungen in England und vor allen Dingen in Frankreich nicht, daß wir irgendeine Regelung treffen können, die zu einer versteckten Sozialisierung führen würde. Aber ich glaube, wenn wir vernünftig zusammenwirken, werden wir Mittel und Wege finden, bei denen die uns unentbehrlich erscheinende Initiative des Privatunternehmers verbunden wird mit einer gesunden Unterstützung durch die öffentliche Hand. Da lassen sich sicher organisatorische Wege finden, die für beide Seiten annehmbar sein werden.
Aber ich glaube — und da appelliere ich auch an den Herrn Bundeswirtschaftsminister —, wir werden um eine großzügige Investitionshilfe nicht herumkommen. Sie ist wahrscheinlich überhaupt die entscheidende Maßnahme, um die Energielücke der Zukunft in angemessener Weise zu schließen.
Ich weise auch noch auf eine Möglichkeit hin, die bisher in der Debatte zu diesem Punkte wohl überhaupt noch nicht erörtert worden ist. Meiner Ansicht nach sollten wir auch einen gewissen Zwang auf die Erschließung der schlafenden Verleihungen ausüben. Wir haben in allen deutschen Landesteilen viele Tausende — ich habe mir schnell eine Statistik zu beschaffen versucht; wahrscheinlich über 10 000 — Grubenfelder, die zum Teil seit Jahrzehnten, zum Teil seit fast hundert Jahren verliehen sind, in denen noch niemals ein Bergmann auch nur einen Hieb mit der Hacke ausgeführt hat. Wir haben auch in Nordrhein-Westfalen und im Ruhrrevier zahlreiche Felder, deren Besitzer gar keine Beziehung mehr zum Bergbau haben, die froh sind, diese schöne Zukunftsreserve zu haben — sie leben zum Teil im Ausland —, und die nicht bereit sind, ohne einen völlig exorbitanten und jede wirtschaftliche Entwicklung ausschließenden Preis diese Felder der praktischen Erschließung durch Dritte zuzuführen. Ich könnte mir denken — das ist ein alter Lieblingsgedanke von mir, und vielleicht hellen sich dann auch die Mienen im Bundesfinanzministerium etwas auf —, daß eine progressive Feldersteuer, d. h. eine Steuer, die nach einer gewissen Karenzzeit von 10 oder 20 Jahren von Jahr zu Jahr steigt, viele Kohlenfelder gerade im Ruhrgebiet zur beschleunigten Erschließung bringt, wenn wir den Mut haben, sie wirklich in einer fühlbaren Höhe einzuführen. Das ist etwas, was bei den Verhandlungen in den Ausschüssen durchaus wird behandelt werden müssen.
Nun ein Wort zur Enquete. Auch meine Freunde — ich glaube, das brauche ich nicht zu versichern — stehen dem Gedanken einer Enquete nicht gerade von vornherein mit einer besonderen Aufgeschlossenheit gegenüber. Wenn sie notwendig wäre, Herr Kollege Deist, würden auch wir einer Enquete zustimmen müssen. Aber ich habe in der ganzen Debatte eines vermißt: wo sind die Tatsachen, die durch eine Enquete überhaupt erst der Feststellung oder Aufklärung bedürfen? Auch Herr Kollege Deist hat Tatsachen dieser Art nicht angeführt. Was uns fehlt, ist eine gute, sorgfältige Zusammenfassung der bekannten Tatsachen und eine gute volkswirtschaftliche Analyse. Ich bezweifle sehr, daß gerade eine Enquete der rechte Weg sein wird, eine solche Analyse und Beurteilung durchzuführen. Ich kann mir das jedenfalls nicht vorstellen.
Herr Kollege Bleiß hat die Enquete damit begründet, daß die Öffentlichkeit in größtem Umfang Anspruch darauf habe, gründlich informiert zu werden. — Ich glaube, ich zitiere Sie wörtlich. — Wenn das der Sinn der Enquete ist, würde ich Sie und uns auf das dringendste vor einer solchen Enquete warnen. Eine Enquete, die in unserem Sinne wirklich Wert haben soll, die uns also, was heute vielleicht noch nicht in vollem Umfang besteht, eine klare Beurteilung der Lage ermöglichen und die zu ziehenden Schlußfolgerungen herausarbeiten soll, kann meiner Ansicht nach nur im stillen geschehen, aber nicht, wenn unaufhörlich das Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit auf die einzelnen Verhandlungen gerichtet ist.
Ich stelle mir die armen Leute vor — nach dem Gesetzentwurf unserer sozialdemokratischen Kollegen sollen es 29 bis 35 Leute sein —, das müssen doch alles Spitzenkräfte sein, die nun mindestens für ein, zwei Jahre praktisch immobilisiert werden und jeder anderen vernünftigen Arbeit entzogen werden. Einen solchen Überschuß an wirklich tüchtigen und schöpferischen Kräften haben wir leider nicht.
Ich wiederhole: Wenn es gar nicht anders ginge, wenn wir noch das Gefühl hätten, daß uns hier wichtiges vorenthalten wird, daß es sich um ein großes dunkles Gebiet handelt, in das wir endlich hineinleuchten müssen, Herr Kollege Deist, dann würde ich Ihnen zustimmen. Aber diese Voraussetzung ist einfach nicht gegeben.
Der Gedanke des Herrn Kollegen B 1 a n k, daß man die deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute heranziehen sollte, erscheint mir sehr nützlich und fruchtbar, und ich danke ihm für seinen sehr guten Rat. Ich sage das, auch wenn ich Leiter eines solchen Instituts und der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der wirtschaftswissenschaftlichen Institute bin. Ich habe für die Institute keine Erklärung abzugeben, aber über einen solchen Plan ließe sich natürlich reden. Die Wirtschaftsforschungsinstitute wären wahrscheinlich diejenige Stelle, wo das zu geschehen hätte, was mir vorschwebt: eine Zusammenfassung und eine angemessene Durchleuchtung des vorgetragenen Tatsachenmaterials sowie das Herausarbeiten von volkswirtschaftlichen Schlußfolgerungen.
Lassen Sie mich zum Schluß noch folgendes sagen. Ich bin nicht doktrinär genug, um zu sagen: das muß sich alles im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft oder außerhalb der sozialen Marktwirtschaft abspielen. Wir wollen, daß dem Bergbau geholfen wird nicht so sehr um des Bergbaus willen — obwohl die vielen tüchtigen Menschen, die darin tätig sind, das verdienen —, sondern weil wir der Überzeugung sind, daß die deutsche Volkswirtschaft eine Lösung dieses Problems braucht. Wir werden zu dieser Lösung um so eher kommen, je besser wir zusammenarbeiten und je mehr wir auf doktrinäre Zuspitzungen und irgendwelche prinzipiellen Forderungen verzichten, die letzten Endes in der Sache nicht weiterführen. Meine politischen Freunde sind jedenfalls entschlossen, in den Ausschüssen, an die die Vorlagen überwiesen werden sollen, herzhaft und nachdrücklich zusammenzuarbeiten, und ich bin gewiß, daß etwas Gutes dabei herauskommen wird.