Rede von
Dr.
Victor-Emanuel
Preusker
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Aufgabe, den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bergarbeiterwohnungsbaugesetzes — Drucksache 2356 — zu begründen, über den — das darf ich wohl einmal in aller Offenheit hier sagen — seit der Zeit, zu der er von der Bundesregierung beim Bundesrat und Bundestag eingebracht worden ist, die Entwicklung hinweggegangen ist. Ich habe also nicht die Absicht, diesen Entwurf als noch in allen Einzelheiten der gegenwärtigen Situation Rechnung tragend zu begründen, sondern möchte von vornherein bitten, ihn in der Weise abzuändern, wie er auf Grund der gegebenen Verhältnisse zweckmäßigerweise realisiert werden kann.
Ich muß einige kurze Bemerkungen über die historische Entwicklung dieses Antrags machen. Ab 1. Juli 1955 wurde für den Bereich des Steinkohlenbergbaus die bisherige Bergarbeiterwohnungsbauabgabe im Ausmaß von 9/10, d. h. mit 90 Pf je Tonne, gestundet
*) Siehe Anlage 3. **) Siehe Anlage 4. ***) Siehe Anlage 5. — leider —, weil die Bundesregierung damals mit dieser Stundung einen wesentlichen Beitrag zur Stabilhaltung des Kohlepreises zu leisten gewillt war. Sie wissen, daß damals die Löhne der Bergarbeiter um 91/2 % erhöht wurden, um sie wieder an die Spitze der Lohnpyramide zu bringen, den Beruf des Bergarbeiters wieder attraktiv zu machen und auf diese Weise der Kohlenförderung neue Impulse zu geben. Die Stundung der Bergarbeiterwohnungsbauabgabe im Steinkohlenbergbau hat praktisch dazu geführt, daß ein Drittel dieser Lohnerhöhungen sich nicht auf den Kohlepreis für die Wirtschaft und für den Verbraucher auszuwirken brauchten.
Was nach dem ursprünglichen Zweiten Gesetz zur Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaus auch im Steinkohlenbergbau in der Durchführung der Programme durch Zurverfügungstellung von insgesamt 100 Millionen DM Vorschüssen plus 8 Millionen DM noch aus dem Überhang an Rückflüssen von seiten des Bundes geschehen konnte, ist in der Zwischenzeit geschehen. Bis zur Vorlage des Entwurfs, also bis zum Inkrafttreten der Stundung und der Erhöhung der Bergarbeiterlöhne, sind im Rahmen der Geltung des Zweiten Gesetzes 10 000 Wohnungen programmiert gewesen. Es wurden dann über 11 000 fertig, und es sind auch im Laufe des Jahres 1956 die Mittel für weitere 10 000 Wohnungen vom Bund im Wege der Vorschußgewährung zur Verfügung gestellt worden, darüber hinaus noch einiges aus den aufgekommenen Rückflüssen.
Der Plan dieses Gesetzentwurfs war es, dafür zu sorgen, daß die fehlenden Mittel nicht aus Vorschüssen des Bundes, sondern im Wege der Anleiheaufnahme am Kapitalmarkt aufgebracht werden. Nun wissen Sie alle, daß aus Gründen der notwendig gewordenen allgemeinen Restriktionsmaßnahmen der Bundesnotenbank, der leider schwächer gewordenen Sparneigung und der Zurückhaltung der Sozialversicherungsträger im Hinblick auf die noch nicht gegebene Klarheit über die Rentenreform der Kapitalmarkt im ganzen Jahr 1956 weit weniger ergiebig gewesen ist, als damals, als diese Entscheidung der Bundesregierung getroffen wurde, im Interesse der Stabilhaltung der Kohlenpreise erhofft werden durfte. Insofern ist also nunmehr eine andere Lage gegeben.
Ich darf nun auf einiges zurückkommen, was der Kollege Bleiß hier schon ausgeführt hat und was mir in einigen Punkten die Sache wesentlich erleichtert. Offensichtlich ist es gemeinsame Auffassung des ganzen Hauses, daß der Bergarbeiterwohnungsbau als eine ganz besonders wichtige Aufgabe unserer Volkswirtschaft fortgeführt werden muß. Hierüber gibt es, glaube ich, keine Zweifel. Wir brauchen es also nicht weiter zu vertiefen.
Zum zweiten hat sich nun allerdings etwas erwiesen, was bei dem Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes noch nicht zu übersehen war. Wir sind damals auf Grund der gemeinsamen Schätzungen sowohl der Unternehmensverbände wie auch der Arbeitnehmerseite von einem noch erforderlichen Bedarf von 40 000 Wohnungen ausgegangen. Heute wird dieser Bedarf — und das hat der Kollege Bleiß auch ausgeführt — auf 60- bis 70 000 geschätzt. Nach unserer Überprüfung liegt der ungedeckte Bedarf tatsächlich in der Größenordnung von 60 000 Wohnungen. Dieses Wiederanwachsen des Bedarfes ist nicht etwa auf Grund einer nichtplanmäßigen Entwicklung des Bergarbeiterwohnungsbaus, sondern einmal auf Grund des wesentlich stärker angewachsenen Kohlebedarfs
der deutschen Volkswirtschaft zustande gekommen; zweitens hat sich auf Grund der jetzt erfolgten Arbeitszeitverkürzung ein einmaliger Zuwachsbedarf in der Größenordnung von fast 10 000 Bergarbeiterwohnungen ergeben. So entstand aus einem inzwischen auf etwa 25 600 Wohnungen als Restfehlbestand zurückgeführten Defizit durch diesen Zuwachs an Arbeitskräften infolge der Steigerung der Produktion, infolge der Arbeitszeitverkürzung und infolge der im ganzen leider im Laufe des letzten Jahres wesentlich höheren Fluktuation bei den Arbeitskräften doch wieder eine ganz erhebliche Aufstockung.
Nun kommt die Frage: wie soll der neue Bedarf gedeckt werden? Die Opposition schlägt mit ihrem Antrag vor, in den Bundeshaushalt einen Betrag von 150 Millionen DM — als eine erste Maßnahme — einzustellen. Ich darf dazu, abgesehen von den haushaltsrechtlichen Fragen. die hinsichtlich der Deckung dieses Betrages für das Jahr 1957 aufgeworfen werden. zwei grundsätzliche Anmerkungen für die weitere Diskussion in den Ausschüssen machen.
Erstens: das Bergarbeiter-Wohnungsbaugesetz in seiner zweiten Fassung vom Oktober 1954 besteht noch in vollem Umfange für den gesamten Braunkohlenbergbau. Dort ist es bisher überhaupt nicht durch Stundung oder auf andere Weise tangiert worden, sondern läuft wie vorgesehen bis zu seinem Ausgang fort. Zweitens: der Braunkohlenbergbau ist in der Frage der Versorgung der breiten Bevölkerungsschichten mit Hausbrand viel stärker im Empfinden der Verbraucher, als es weite Bereiche des Steinkohlenbergbaues sind. Es erhebt sich also die Frage: ist es zweckmäßig, Braunkohlenbergbau und Steinkohlenbergbau hier in unterschiedlicher Weise zu behandeln? Das ist das eine.
Eine weitere Frage darf ich hier ebenfalls einmal zur Diskussion stellen. Wenn wir die Lasten zugunsten des Bergarbeiterwohnungsbaus im Steinkohlenbergbau ausschließlich auf den Bundeshaushalt übernehmen, entfällt die bisher doch ohne weiteres auch im Rahmen des Montanunion-Vertrages zugestandene Möglichkeit, den Verbrauch innerhalb der Bundesrenublik einschließlich des Exports mit der Kohlenabgabe zu belasten. Damit würde ein Aufkommen von etwa 25 Millionen t. das bisher unbestritten unter der bisherigen
tigkeit des Bergarbeiter-Wohnungsbauabgabengesetzesbelastungsfähig war. aus dieser Belastung entlassen werden. Dieser Ausfall würde ausschließlich auf den Haushalt zukommen.
Die Bundesregierung ist daher aus allen Überlegungen heraus zu der Auffassung gekommen daß zwar der Anleiheplan im Augenblick für den Steinkohlenbergbau nicht mehr weiter zu verfolgen ist, daß auch der Weg der Vorschüsse aus dem Bundeshaushalt auf die Dauer nicht weitergegangen werden kann. daß infolge der Erhöhung des Bedarfs auf rund 60 000 Wohnungen, der nicht bestreitbar ist, das Volumen der im Rahmen des Zweiten Gesetzes vorgesehenen Mittel auch nicht ausreichen würde, daß es aber richtig wäre, das Bergarbeiter-Wohnungsbaugesetz auch für den Steinkohlensektor wieder in Kraft treten zu lassen.
Dazu kommt noch als weitere Überlegung, daß im Rahmen des Montanunion-Vertrages die Preisfestsetzung oder die Preisbildung nach dem Vertrag weiter in weitem Maße auch den Bergbauunternehmen überlassen ist und daß nun einmal eine Preiserhöhung seit dem 20. Oktober als ein Faktum vorliegt. Wir sind aber der Auffassung gewesen, daß es schon prizipiell nicht so sein kann, daß die Unternehmen etwa für sich allein beschließen, einen bestimmten Teil des Preises für einen bestimmten Zweck, in diesem Fall den Wohnungsbau, zu separieren, zumal das ja auch sehr schwierige Probleme in steuerlicher Hinsicht aufwerfen würde. Die Vorstellung, die der Kohlenbergbau dabei hatte, war doch die Freistellung dieses Teils des Preises von den steuerlichen Belastungen. Das läßt sich schon aus präjudiziellen Gründen nicht verwirklichen.
Es bleibt folglich die Wiederherstellung der Abgabe als einer öffentlichen Abgabe, die es über das Treuhandvermögen, wie es bisher geschehen und wie es auch beim Braunkohlenbergbau weiter geschehen ist, gleichzeitig auch gestattet, die Maßnahmen wieder unter den Gesichtspunkten der allgemeinen Bedarfsdeckung — und nicht der vom Unternehmen aus individuell gesteuerten Bedarfsdeckung — an Wohnungen durchzuführen.
Die Bundesregierung hatte daher, unmittelbar nachdem aus den Verhandlungen klargeworden war, wie die Vorstellungen des Bergbaus liefen, und nachdem die neuen Preislisten eingereicht waren, den Beschluß gefaßt, die Stundung als solche wiederaufzuheben. Sie ist allerdings der Überzeugung, daß es im Bundestagsausschuß angesichts der veränderten Bedarfsziffern noch eingehender Beratungen darüber bedarf, in welcher Höhe und bis zu welchem endgültigen Termin diese für den Steinkohlenbergbau wiederherzustellende Abgabe bestehen soll.
Sie wissen, daß es hier zwei Möglichkeiten gibt. Man kann entweder von den 2 DM, die im Rahmen der Unternehmensplanungen für den Bergarbeiterwohnungsbau vorgesehen sind, für die Steinkohle und von 2,60 DM für den Koks ausgehen. Man würde dann zur Abdeckung des fehlenden Bestandes einschließlich der Verpflichtung zur Rückzahlung der 100 Millionen DM mit einer Laufzeit vom 20. Oktober 1956 bis Ende 1958 auskommen. Oder man kann bei der Steinkohle auf 1 DM gehen und beim Koks bei 2,60 DM bleiben. Dann würde man, wenn man das gleiche Gesamtergebnis erreichen will, die Laufzeit allerdings bis 1959 erstrecken müssen.
Im Aufkommen würde sich die Differenz etwa so auswirken. Die Verwirklichung der ersten Möglichkeit würde ein Aufkommen von 333 Millionen DM in der Zeit vom Oktober 1956 bis 31. März 1958 ergeben, während sich im zweiten Fall in der vergleichbaren Zeit 242 Millionen DM ergeben würden. Sie sehen auch daraus, daß die Summen ohnehin höher liegen, als sie in dem von Ihnen begründeten, allerdings auch nur als erste Maßnahme bezeichneten Antrag vorgesehen sind.
Wie die Dinge entschieden werden, mag den Beratungen im Ausschuß vorbehalten bleiben.
— Sie werden sicher nicht leicht sein. Ich gebe mich darüber nach allen bisherigen Erfahrungen auf Grund der Differenzen, die wir zwischen kohleverbrauchenden und kohleproduzierenden Ländern und ihren Interessen erlebt haben, auch keinen übermäßigen Illusionen hin. Ich darf aber darauf hinweisen, daß der Kohlenbergbau schon von sich aus, d. h. freiwillig eine erste Teilzahlung etwa auf der Basis der bisherigen Überlegungen auf die zwi-
schenzeitlich fälligen Wohnungsbauabgaben geleistet hat, so daß die Zeit vom 20. Oktober bis zum Inkrafttreten eines solchen Gesetzes überbrückt werden kann. Ich glaube, daß das bei den Überlegungen nicht ganz unwesentlich ist. Darüber hinaus werden uns die Überlegungen insgesamt vielleicht dadurch erleichtert, daß die Wiederherstellung dieser Abgabe der sicherste, sozial gerechteste und volkswirtschaftlich wirksamste Weg sein wird, um das gemeinsame Anliegen des Bergarbeiterwohnungsbaus als einer der entscheidenden Voraussetzungen — so ist es ja auch eben vom Herrn Kollegen Dr. Bleiß begründet worden — für die Steigerung der Kohlenförderung und damit für die Verringerung des Bedarfs an den sehr viel teureren Importkohlen zu erfüllen. Wenn man die Frage unter dem Gesichtspunkt des volkswirtschaftlichen Nutzens und gleichzeitig der größten sozialen und steuerrechtlichen Transparenz betrachtet, erscheint der Weg der Wiederherstellung der Abgabe ohne Zweifel als der bei weitem beste. Die Aufnahme des Antrags der Bundesregierung in dieser Form hat sich ohne Zweifel auch aus der weiteren zwischenzeitlichen Entwicklung des Bedarfs und der insgesamt eingetretenen Lohnentwicklung ergeben, bei der die erneute Gefahr auftauchte, daß der Bergarbeiter von der Spitze der Lohnskala verdrängt würde. Käme er von dieser Spitze weg, dann würde sich bei diesem durch so viele Gefahren bedrohten Beruf nur ein noch viel schwerwiegenderes Problem, ein viel größeres Loch für unsere Kohleversorgung ergeben. Wir können uns alle miteinander diesen Überlegungen nicht entziehen. Diesen Appell richte ich insbesondere an die Kollegen aus den Ländern, die nun einmal in erster Linie nur Verbraucher sind. Sie haben aus der Begründung des Antrags der sozialdemokratischen Fraktion vorhin schon gehört, um wieviel teurer die Versorgung mit Importkohle für unsere Wirtschaft wäre. Die Versorgung der Bergarbeiter mit Wohnungen als einer der neben dem Spitzenlohn liegenden unabdingbaren Voraussetzungen für die Steigerung der heimischen Produktion ist bei weitem der billigste volkswirtschaftliche Weg. Ich glaube, der Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaus im Kohlenbergbau wird doch in der Form, wie ich sie Ihnen eben vorgetragen habe, später von diesem Haus akzeptiert werden können.