Selbstverständlich, Herr Mommer; ich komme sofort auf diese Gedankengänge zurück.
Meine Herren, lassen Sie mich genau ausführen, wie die Dinge gekommen sind. Ich stelle noch einmal fest: der entscheidende Wendepunkt im ganzen Saarproblem war jenes deutsch-französische Abkommen über das Saarstatut, weil es durch die Einräumung dieses zweiten Plebiszits der Saarbevölkerung die Entscheidung über ihr eigenes Schicksal zusprach.
Damit war die Frage im Prinzip gelöst. Bei Unterhaltungen mit führenden französischen Politikern, die ich unmittelbar darauf hatte, wurde mir von diesen freimütig zugestanden, daß sie selbst glaubten, daß das Saarproblem damit praktisch schon entschieden sei.
Es gab aber nicht nur ein zweites Plebiszit. Bei jenen Unterhandlungen stritt man auch noch um ein anderes, sehr Bedeutsames, nämlich darum, daß im Saarland endlich eine freigewählte, wirklich unabhängige Volksvertretung ihre politische Meinung bekunden dürfe.
Wir konnten also, wenn es nach den Plänen des Abkommens gegangen wäre und wenn die Saarbevölkerung das Saarstatut bejaht hätte, mit folgenden zwei Etappen rechnen: erstens mit der Wahl eines freien Landtages in der Hoffnung, daß die überwältigende Mehrheit dieses Landtages ein eindeutiges Bekenntnis der Saarbevölkerung zu Deutschland repräsentieren würde,
zweitens, daß am Ende der Entwicklung jenes Plebiszit der Saarbevölkerung stünde, mit dem die Saarbevölkerung nach diesem Abkommen Rechtens zu Deutschland zurückkehren würde.
— Wann? Das ist eine Frage, verehrter Herr
Becker, über die Sie so wenig entscheiden konnten
wie wir. Die Frage des Wann liegt in solchen Fällen nicht in der Hand des Politikers, der vorbereiten und bereit sein muß für die Ereignisse der Geschichte.
Diejenigen, die mit dem Kopf durch die Wand wollen, haben noch nie etwas erreicht.
Ja, dieses Wann in der Saarfrage, dieses Wann in der Wiedervereinigungsfrage im Osten, die Hybris, dieses hektische Bemühen, in einer Zeit der Unreife eines politischen Problems die reife Frucht pflücken zu wollen, das ist wieder die alte treuherzige politische Romantik!
Ich habe damals mit vielen Menschen, mit Leuten aus dem Saargebiet, mit Menschen meiner eigenen Fraktion und Ihrer Fraktion Gespräche über die mögliche Haltung der Saarbevölkerung bei der Entscheidung über das Saarstatut geführt. Nun, ich gehörte damals zu jenen — meine Freunde aus dem Saargebiet wissen das —, die davon überzeugt waren, daß die Saarbevölkerung schon bei der Entscheidung über dieses Statut ihren klaren Willen zu Deutschland bekunden werde. Ich habe das seinerzeit auch meinen Freunden aus dem Saargebiet gesagt.
— Und der Herr Bundeskanzler? Der Herr Bundeskanzler hat durch den Abschluß jenes entscheidenden Abkommens, dadurch, daß er das Vertrauen der französischen Unterhändler gewann, den ersten und entscheidenden Schritt zu der Befreiung getan.
Konnten Sie vom Bundeskanzler, konnte jemand vom Bundeskanzler erwarten, daß er, nachdem er dieses Abkommen geschlossen hatte, sich öffentlich hinstellte und die Saarbevölkerung aufforderte, gegen dieses Abkommen zu stimmen?
Wenn Sie einem deutschen Politiker,
einem deutschen Staatsmann diesen Ratschlag geben, meine Damen und Herren,
dann werden Sie für alle Zukunft jedes Abkommen, das irgendein deutscher Staatsmann mit einem fremden Staate schließen wird, dadurch entwerten, daß Sie den Eindruck erwecken: Der Deutsche sagt heute ja, und morgen bricht er schon sein Wort.
Wenn Sie dem Bundeskanzler einen Vorwurf machen wollen — wenn Sie sachlich blieben bei Ihren Vorwürfen —,
dann könnten Sie folgendes sagen: — —
— Nun lassen Sie doch mal Herrn Schröder, befassen Sie sich doch einen Augenblick mit mir!
Dann könnten Sie sagen: Jawohl, der Bundeskanzler war zur loyalen Einhaltung des von ihm geschlossenen Abkommens verpflichtet.
Man konnte vom Bundeskanzler nicht erwarten, daß er die Saarbevölkerung zum Gegenteil aufforderte.
Sie konnten sagen: Warum hat dann der Bundeskanzler die Dinge nicht sich selbst überlassen?
— Jawohl, so konnten Sie fragen.
Ich will Ihnen die Antwort geben: weil sehr viele Leute und nicht nur der Bundeskanzler das befürchteten, was der Außenminister in seinen Erklärungen bereits gesagt hat. Die Rechtslage war die, daß, wenn die Saarbevölkerung das Statut ablehnte, ein Vakuum entstand, d. h., daß sich Rechtens Frankreich dann hätte darauf berufen können, daß nunmehr der alte Zustand wiederhergestellt sei. Weil der Bundeskanzler eine solche Möglichkeit befürchtete und weil er darüber hinaus nicht nur eine Erstarrung des Saarproblems, sondern auch eine Erstarrung der deutsch-französischen Beziehungen und des Fortgangs der europäischen Integration befürchtete, hat ihm die große Sorge um diese mögliche Entwicklung
seine Haltung vorgeschrieben.
Dabei bleibt festzuhalten, daß es bei der Haltung der Saarbevölkerung gar keinen Zweifel gegeben hätte, daß, wenn das Statut angenommen worden wäre und ein freier Landtag gewählt worden wäre, die Entwicklung — Herr Becker, Ihr „Wann"! — im Saargebiet ebenfalls mit großer Geschwindigkeit auf eine Lösung gedrängt hätte, wie wir sie auf andere Weise erlebt haben. Ob das ein Jahr früher oder später geschah, spielte in dem großen Zusammenhang der europäischen Dinge nicht die überragende Rolle, die Sie ihr zusprechen wollen.
— Wenn Sie einem Argument wirklich nichts sachlich entgegenzuhalten vermögen: dann nennen Sie die Argumentation „geschickt"! Sie ist nicht „geschickt", sie ist wahr.
Was kam dann, nach der Ablehnung des Saarstatuts durch die Saarbevölkerung? Jene Reaktion Frankreichs, die auch die kühnsten Träumer von Ihnen nicht zu erhoffen gewagt hatten, meine Damen und Herren.
Frankreich hat sich dem manifestierten Willen der Saarbevölkerung gebeugt. Warum hat es das wohl getan?
— Es mag, Herr Metzger, manche unter Ihnen geben, die glauben, daß Frankreich dies nur getan habe, weil eben die Bevölkerung an der Saar ihr Bekenntnis zu Deutschland abgelegt habe. Wir aber sind davon überzeugt: diese Haltung Frankreichs ist nur dadurch zu erklären, daß das Verhandlungsklima, in dem die ganzen Jahre hindurch dieses schwierigste aller Probleme zwischen unseren beiden Ländern behandelt worden ist, daß gerade die Loyalität auf deutscher Seite, die niemals bezweifelt werden konnte, das Entscheidende dazu beigetragen hat, daß Frankreich sich schließlich den Tatsachen beugte.
Meine Damen und Herren von der Opposition, ich erinnere mich der furchtbaren Isolierung, in die Ihre Vertreter im Europarat in dieser Frage gerieten. Sie waren es doch, die das Saarproblem durch eine „Politik der Stärke", um Ihr beliebtes Schlagwort aufzunehmen, lösen wollten.
— Soll ich Ihnen die Reden, die in Straßburg gehalten worden sind, vorlesen, soll ich Ihnen noch einmal in Erinnerung rufen, wie Dehousse aufstand und mit welchen Worten er damals den deutschen sozialdemokratischen Vertretern unter dem Beifall des ganzen Hauses entgegentrat?
Meine Damen und Herren, das Bewußtsein des Rechts, das wir alle in der Saarfrage hatten, durfte uns nicht dazu verleiten, zu hoffen, daß das Saarproblem mit einer Haltung zu lösen wäre, die Frankreich mit tiefstem Mißtrauen gegen einen neuentstehenden deutschen Nationalismus erfüllen mußte.
Ich bin in jener Zeit — glauben Sie mir dies einmal, meine Damen und Herren —, mit einer ganzen Reihe von Ausländern immer wieder in Streit geraten über ihre Behauptung, die deutsche Sozialdemokratie beweise durch ihre Haltung in der Saarfrage, daß sie eine nationalistische Partei sei.
Wie oft habe ich damals in Gesprächen und in öffentlichen Reden diesen Vorwurf gegen die Sozialdemokratie zurückgewiesen!
Ich erzähle Ihnen das nur, weil ich Ihnen klarmachen möchte, daß Sie durch Ihre damalige Politik
— und nicht umsonst hat der Innenminister die Erinnerung an das Petersberger Abkommen, an Ihre Ablehnung der Montanunion, Ihre Ablehnung des Eintritts in den Europarat heraufbeschworen —, durch Ihre damalige Haltung, ein Klima in Westeuropa zu schaffen drohten, in dem die
deutsch-französische Versöhnung von vornherein einfror.
— Natürlich! Ich bin durchaus bereit — was ich sage, steht ja in den Protokollen des Bundestags —,
vor der Vergangenheit und vor der Zukunft für
diese meine Auffassung Verantwortung zu tragen.
Ich habe damals, zum Petersberger Abkommen, meine erste außenpolitische Rede in diesem Hause gehalten. Ich erinnere mich noch sehr wohl daran, daß ich damals vorausgesagt habe, wie die Entwicklung kommen werde.
Wenn Sie diese Rede nachlesen, dann werden Sie vielleicht sagen: Kiesinger hat damals „sehr geschickt" vorausgesagt, weil alles, was er vorausgesagt hat, in der Zwischenzeit eingetreten ist.
Da ich auf diese geschichtlichen Repliken nicht vorbereitet war, habe ich meine Ausführungen aus jener interessanten Nacht nicht mitgebracht; es ist schade. Ich hätte sie gern verlesen. Aber ich bitte Sie, das vielleicht in einer stillen Stunde der Einkehr selbst zu tun.
Ich habe jedenfalls damals vorausgesagt, daß das Petersberger Abkommen der erste Schritt zu einer Bereinigung aller noch schwebenden Probleme, die zwischen uns und dem Westen stünden, sein werde.
Meine Damen und Herren, der Außenminister konnte heute feststellen: Nach der Bereinigung des Saarproblems, des deutsch-belgischen Verhältnisses stehen noch gewisse Dinge aus, die wir mit Holland bereinigen müssen: dann aber ist diese Teilaufgabe der deutschen Außenpolitik, die anstehenden Probleme im Westen zu lösen, zu unser aller und unserer Nachbarn Zufriedenheit gelöst.
Das müssen Sie uns schon in einer solchen Stunde zu sagen erlauben. Sie versuchen ja fortgesetzt, unsere Politik da, wo sie noch keine sichtbaren Erfolge hatte, unter allen Umständen zu bestreiten, und da, wo sie zu sichtbaren Erfolgen führte, zu behaupten, diese seien trotz unserer Politik eingetreten.
— Ja, ja, siehe Saargebiet! Das ist ja ein Exempel, an dem Sie es versuchen.
— Tassen Sie das unsere Sorge sein, wen in diesem Volke wir überzeugen. Ich bin völlig zuversichtlich,
daß die Mehrheit unseres Volkes unsere Überzeugung teilen wird.
— Meine Damen und Herren, jubeln Sie nicht zu f rah!
— . Es ist noch eine weite Strecke zurückzulegen, verehrter Herr Kollege, bis zu den Bundestagswahlen des Jahres 1957. Wir werden das Unsere tun, damit das Volk weiß, um was es geht.
-- Ach, wissen Sie, die Millionen, Herr Kollege, ich weiß nicht, bei wem die sind. Bis jetzt hatte ich immer den Eindruck, als ob die Millionen bei Ihnen lägen, nicht bei uns.
Ich wünschte, die Christlich- Demokratische Union wäre imstande, ein ebenso großartiges Parteigebäude in Bonn zu errichten wie Sie. Unsere Finanzlage erlaubt es leider nicht;
Sie mögen's glauben oder nicht!
— Herr Mellies, manchmal unterschätzen Sie uns, vielleicht zu oft. In diesem Falle eben haben Sie uns überschätzt.
Wir müssen aber zum Saarproblem noch etwas anderes sagen, weil man uns die Saarlösung, das, was erreicht und das, was nicht erreicht worden ist, gerne als einen Modellfall für die große Lösung der Wiedervereinigung darstellt. Herr Mommer hat es in dem von mir vorhin zitierten Artikel schon getan. Ichwill durchaus nicht allem widersprechen, was Herr Mommer in jenem Artikel gesagt hat. Im Gegenteil, in manchen Punkten bin ich durchaus mit ihm einig. Aber wir dürfen, wenn wir — und das sollten wir an einem solchen Tag nicht unterlassen — das ganze Problem der Wiedervereinigung an dem Beispiel des Teilfalles ins Auge fassen, doch nicht übersehen, daß die Lösung des Saarproblems durch die bestehende Ost-West-Spannung erleichtert worden ist.
Es ist kein Zweifel, daß die Notwendigkeit der europäischen Einigung alle westlichen Länder äußerst interessiert daran machte, daß die Barriere zwischen Deutschland und Frankreich beseitigt wurde. Das ist leider der große Unterschied gegenüber der Problematik der Wiedervereinigung im Osten. Die bestehende Ost-West-Spannung steht der Wiedervereinigung im Osten leider im Wege, ist ihr hinderlich. Die Gefahr im Westen war nur die, daß bei der Lösung, auf ,die alle Welt hindrängte, die deutschen Interessen zu kurz kamen. Wir haben erlebt, daß eine ganze Reihe von Politikern bereit waren, über die deutschen Interessen hinwegzugehen und uns zuzureden: Nun bereinigt doch dieses Problem, ganz gleich, wie, schließlich auch unter Preisgabe eurer Position, nur damit der europäische Prozeß weitergehen kann.
Herr Wehner hat von einer Europakonstruktion gesprochen, die um ein abgetrenntes Saargebiet herumgebaut war. Ja, man kann es auch so ausdrücken, es kommt auf den Blickpunkt an. Wenn Freunde von mir bereit waren, in jener Zeit unter Umständen zu einer Lösung ja zu sagen, die dem Saargebiet einen unabhängigen Status im Rahmen eines wirklich vereinigten Europas gegeben hätte, dann taten sie dies schweren Herzens und unter vielen Bedenken aus der Einsicht hieraus, daß die Zeit der nationalstaatlichen Anarchie Europa vorbei sei und daß die einzige Rettung für die Zukunft Europas im Zusammenschluß der europäischen Staaten liege. Wenn ein solcher Zusammenschluß Wahrheit geworden wäre — es schien einen kurzen Augenblick lang so, als ob er Wahrheit werden könnte —, dann wäre vielleicht sogar dieses Opfer des großen Zieles wert gewesen.
Aber diese Stunde ist von Europa versäumt warden. .
Ich erinnere Sie an jene Debatte im Europarat, als man versuchte, nach dem Scheitern der EVG und der Politischen Gemeinschaft uns trotzdem wieder auf die Linie des van-Naters-Plans zu drängen. Damals haben wir dagegen protestiert. Nachdem die europäische Konzeption der politischen Gemeinschaft gescheitert war, war es auch mit der Diskussion um einen unabhängigen internationalen Status des Saarlandes vorbei. Man hat uns das denn auch im Europarat abgenommen.
Der Aufstand des ungarischen Volkes hat ferner der Anteilnahme der freien Welt an der Sache der unterdrückten Staaten und Völker im Osten Europas, wozu auch unsere 18 Millionen gehören, einen gewaltigen Auftrieb gegeben. Bei unserer Reise in Asien haben wir erlebt, daß die asiatischen Massen das Problem des Satellitenraums wohl zum erstenmal in seiner Bedeutung erkannt haben. Asiatische Staatsmänner, die sich bisher sehr zurückgehalten haben einer von ihnen hat zunächst den Fall Ungarn als einen nationalistischen Aufstand abgetan —, waren nun doch gezwungen, den Fall Ungarn aufzugreifen und Sowjetrußland zu verurteilen. Wenn das ungarische Volk für sich selbst in dieser Stunde nur Leid und Unglück geerntet hat, so hat es doch der Sache der Freiheit und der Anteilnahme der Welt für die Sache der Freiheit einen großen Dienst geleistet.
Ich brauche nicht mehr zu versichern — darüber sind wir uns in diesem Hause alle einig —, mit welcher tiefen Anteilnahme wir das Geschick des ungarischen Volkes in diesen Tagen und Wochen verfolgen. Aber ich will meine Betrachtungen zum Problem der Wiedervereinigung nicht beschließen, ohne zurückzukommen auf den Grundsatz, bei dem wir unbeirrbar beharren werden: Was immer Sowjetrußland beitragen mag zur wirklichen Entspannung in dieser verwirrten Welt, was immer es beitragen mag zum Abbau aller jener Voraussetzungen, die zur Begründung des nordatlantischen Verteidigungspakts führen mußten, wird von uns auf das freudigste begrüßt werden. Wir werden durchaus nicht nur abwarten, ob Sowjetrußland
derartige Schritte tut. Auch jetzt, auch nach der furchtbaren Enttäuschung, die wir durch die Ereignisse in Ungarn erlebt haben, die uns bewiesen haben, daß Sowjetrußland zur Zeit nicht bereit ist, irgendein Quentchen seines gegenwärtigen Besitzstandes aufzugeben: Auch jetzt rufen wir Sowjetrußland zu, daß es nicht darauf vertrauen kann — wie keine Macht auf dieser Erde —, auf die Dauer mit Gewalt freiheitsliebende Völker — und dazu gehören auch unsere 18 Millionen — unterdrücken zu können.
Wir fordern Sowjetrußland auf, im Geiste der Note, die wir übersandt haben, Verhandlungen aufzunehmen, die zu einer wirklichen Entspannung auf der ganzen Erde, zu einem Abbau der durch Stalin geschaffenen Schwierigkeiten führen, damit endlich jenes System der Sicherheit und des Friedens begründet werden kann, von dem Sowjetrußland selbst so viel spricht. Aber dieser Tag ist — so scheint es doch jedem, der mit offenen Augen durch die Welt geht — noch fern, solange die Weltlage bleibt wie jetzt; solange Europa wehrlos einem möglichen Vorstoß aus dem Osten gegenübersteht, müssen wir zunächst auf unsere Sicherheit bedacht sein. Es ist unsere Schuld und die Schuld aller westeuropäischen Völker, daß die Lage nicht anders ist. Wir haben in der Frage der Sicherung weithin versagt. Ich habe nicht verstehen können, daß von Sozialdemokraten, als die Ungarnkrise ausbrach, der Satz aufgestellt wurde, es sei gut, daß wir noch keine Bundeswehr hätten, denn deren Vorhandensein würde den Frieden gefährdet haben.
Es genügt, einen solchen Satz zu wiederholen, um seine Absurdität darzutun.
Nein, meine Damen und Herren, nicht treuherzige, bieder-täppische Zutraulichkeit im Verhandeln mit dem russischen Bären, sondern Festigkeit und Unbeirrbarkeit und verantwortungsbewußte Sorge für die Sicherheit unseres Volkes bringen uns weiter.
Dazu gehört nun einmal, ob wir es mögen oder nicht, die Aufstellung einer Verteidigungswehr auch in diesem Lande. Sorge für diese Sicherheit ist es, die unser Handeln für den Augenblick vor allem bestimmen muß. Ohne die Sicherung der Ausgangsbasis für die deutsche Wiedervereinigung — und das ist die Bundesrepublik — werden wir eine Wiedervereinigung in Freiheit niemals erreichen.
Wir revidieren nicht unsere Politik der Wiedervereinigung, wir konsolidieren sie!
Wir lassen zu gleicher Zeit nicht davon ab, unserem künftigen Verhandlungspartner Sowjetrußland zu zeigen, daß wir bereit sind — und zwar gerade deswegen, weil wir keine Scheinmanöver machen, sondern weil wir unsere Lebensprinzipien ehrlich vertreten —, in voller Loyalität eine Gesamtbereinigung der Beziehungen Gesamtdeutschlands zu Sowjetrußland herbeizuführen.
Über die Fragen, die im einzelnen mit der Eingliederung des Saargebiets in die Bundesrepublik zusammenhängen, hat Herr Wehner gesprochen. Ich kann zu diesem Teil seiner Ausführungen im großen und ganzen mein Ja sagen.
— Es hätte Ihnen gepaßt, wenn wir an diesem Tage an dem großen Erfolg unserer Politik vorbeigegangen wären.
Über diese anderen Fragen werden Berufenere als ich sprechen.
— Herr Kollege Mellies, zur Sache sprechen, heißt im Falle der Rückkehr der Saar in ,die Bundesrepublik ,auch etwas über die Gesamtkonzeption unserer Wiedervereinigungspolitik zu sagen, und das habe ich hiermit getan.
Mein Freund Dr. Hellwig, der selber Saarländer ist, und ein weiterer _Freund aus meiner Fraktion, der noch heute im Saarland beheimatet ist, Kollefle Walz, werden zu den Einzelproblemen Stellung nehmen.
Der Außenminister hat bereits gesagt, daß das von der Saarregierung überreichte Memorandum, in der sie alle ihre Anliegen zusammengefaßt hat, die Grundlage für alle inneren Folgerungen darstellt, die sich aus der Rückkehr der Saar ergeben. Wir wollen der Saar diese Rückkehr so erfreulich und so ersprießlich wie möglich .machen, damit sich die Saarbevölkerung in der gemeinsamen Heimat, von der der Bundesaußenminister gesprochen hat, von Herzen wohl fühlen möge.