Rede von
Dr.
Gerhard
Schröder
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, ich möchte jetzt ganz wenige Worte
über den Kern des Gesetzentwurfs machen, den ich hier vor Ihnen begründe. Der Gesetzentwurf sieht eine allmähliche, stufenweise Einführung unserer Rechts- und Wirtschaftsordnung in das Saarland vor, und die Tendenz des Gesetzentwurfs ist es, dabei Nachteile für das Saarland und jede Art von Härten zu vermeiden.
Der zweite Kernpunkt ist der, daß auch an der Saar jetzt — mit Wirkung vom 1. Januar 1957 — das Grundgesetz gelten wird, wenn einstweilen auch noch mit gewissen Einschränkungen und Abweichungen, die sich aus dem Vertrag selbst ergeben.
Das Saargebiet wird ein Land der Bundesrepublik, und das bedeutet, daß auch die Bestimmungen über die Neugliederung des Bundesgebiets an der Saar Geltung haben werden. Sie treten dort mit dem Ende der Übergangszeit in Kraft.
Eine der Fragen, die dieses Haus am meisten interessieren wird, ist diejenige, in welcher Weise die künftige politische Vertretung der Saar hier geregelt wird. Bei der Regelung dieser Frage, für die sich verschiedene Möglichkeiten anboten, muß man zunächst zwei Umstände ins Auge fassen. Das erste ist der Umstand, daß dieses Haus nur noch den Rest einer Legislaturperiode, also etwa zehn Monate, vor sich sieht und daß es deswegen schwer sein würde, für den Rest dieser Legislaturperiode den umfänglichen Mechanismus an der Saar aufzubauen und durchzuführen, der zur Wahl des Bundestags selbst führt.
Der zweite Umstand ist der, daß die Bevölkerung an der Saar seit dem Oktober des vergangenen Jahres — genau: seit dem 23. Oktober — nicht weniger als dreimal zur Wahlurne gerufen worden ist, und deswegen glaubten wir, daß es gerechtfertigt sein würde, die Vertretung des Landes an der Saar hier in diesem Hohen Hause durch den Saarlandtag selbst bestimmen zu lassen. Dieser Bestimmung werden die Grundsätze des Verhältniswahlrechts zugrunde gelegt, also eines Wahlrechts, wie es auch für den Bundestag selbst gilt. Von der Unmittelbarkeit der Wahl zum Bundestag, die für uns die Regel ist, glaubten wir eine Abweichung deswegen zulassen zu können, weil es sich, wie gesagt, nur noch um einen kurzen Rest der Legislaturperiode handelt.
Ich will darauf verzichten, die umfänglichen und sich zum Teil etwas technisch ansehenden Bestimmungen über Finanz-, Wirtschaftsfragen usw. hier zu erörtern. Dazu wird in den Ausschüssen Gelegenheit genug sein. Ich darf mich nur noch mit einer einzigen weiteren Frage beschäftigen, nämlich der, ob es zur Rückkehr der Saar in den Verband der Bundesrepublik etwa einer Grundgesetzänderung bedurfte oder bedurft hätte. Die Bundesregierung hat diese Frage nach einem sehr sorg-
fältigen Studium verneint. Der Art. 23 Satz 2 des Grundgesetzes sieht vor, daß das Grundgesetz in hinzukommenden Teilen Deutschlands in Kraft gesetzt werden soll. Wenn es sich wie hier darum handelt, daß ein Teil hinzutritt, jedoch unter gewissen Übergangsbedingungen, so sind wir der Auffassung, daß die Abweichungen, die dafür festzulegen sind, auch durch den einfachen Gesetzgeber festgelegt werden können.
Meine Damen und Herren, es wäre wirklich schwer einzusehen, warum wir solche rechtliche Operationen schwieriger ausgestalten sollten, als sie sich die Verfasser des Grundgesetzes selbst vorgestellt haben. Ich glaube, wir haben eine gewisse Verpflichtung, dafür zu sorgen, daß wir unsere verfassungs- und staatsrechtlichen Betrachtungen nicht komplizierter machen, als zwingend notwendig ist. Erlauben Sie mir folgende Bemerkung: Wir haben in der Zeit seit 1949 schon mehr Operationen am Grundgesetz vorgenommen, als z. B. ein Land wie England in mehreren Jahrhunderten seiner Geschichte an seinem Verfassungsrecht vorgenommen hat. Ich glaube, wir sollten unsere Freude auch an der Gesetzesmacherei — Sie werden mir den Ausdruck nicht übelnehmen — einigermaßen zurückstellen und darauf bedacht sein, daß wir praktische Lösungen finden.
Ich habe nur noch eine einzige weitere Berner-kung zu machen. Aus den Vorschlägen, die für die Abwicklung dieser Tagesordnung gemacht worden sind, habe ich gesehen, daß man daran denkt, diesen Entwurf dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als federführendem Ausschuß zuzuleiten. Ich bin der Meinung, daß es gut wäre, wenn man an der Verteilung der Zuständigkeiten in derselben Weise festhalten wollte, wie sie innerhalb der Bundesregierung gilt. Deswegen habe ich den Wunsch, daß der Ausschuß für innere Verwaltung hier nicht mitbeteiligt, sondern federführend werden möchte.
Meine Damen und Herren, ich darf damit schließen, indem ich zu der historischen Anmerkung, die ich eingangs gemacht habe, zurückkehre. Ich glaube, man wird verstehen — und ich hoffe, daß dieses Verständnis auf allen Seiten des Hauses gleich-groß ist —, daß wir, wenn wir zurücksehen auf diese sieben Jahre, die wir hier gemeinsam verbracht haben, uns heute ohne Rücksicht auf Verdienst oder Nichtverdienst wenigstens einigen können in der Freude darüber, daß das Land an der Saar in wenigen Wochen zurückgekehrt sein wird.