Rede:
ID0216801800

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Dr.: 1
    7. Brühler.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 168. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. November 1956 9259 168. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 8. November 1956 Gedenkworte für die Leiden und Opfer der Ereignisse im Nahen Osten und in Ungarn: Vizepräsident Dr. Jaeger 9259 B Mitteilung über Sitzung des Deutschen Bundesrats in Berlin 9259 D Entgegennahme einer Erklärung der Bundesregierung (weltpolitische Entwicklung, Vorgänge in Ungarn und Ägypten): Bundeskanzler Dr. Adenauer . . . 9259 D Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung: Dr. Krone (CDU/CSU) 9264 C Mellies (SPD) 9267 A Dr. Dehler (FDP) 9269 D, 9275 D Vizepräsident Dr. Jaeger . 9275 C, 9276 D Feller (GB/BHE) 9277 A, B Dr. Schneider (Lollar) (FVP) . . . . 9280 C Dr. Brühler (DP) 9282 A Nächste Sitzung 9283 D Anlage: Liste der beurlaubten Abgeordneten 9283 B Die Sitzung wird um 9 Uhr 31 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Jaeger eröffnet.
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten a) Beurlaubungen Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Becker (Hamburg) 8. 11. Behrisch 10. 11. Berg 8. 11. Dr. Bucher 10. 11. Cillien 15. 12. Feldmann 20. 11. Funk 8. 11. Gerns 8. 11. Dr. Greve 10. 11. Dr. Graf Henckel 8. 11. Dr. Horlacher 10. 11. Jacobs 8. 11. Kahn-Ackermann 17. 11. Lenz (Trossingen) 10. 11. Lotze 9. 11. Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein 10. 11. Mattick 28. 11. Mayer (Birkenfeld) 1. 12. Dr. Mocker 10. 11. Morgenthaler 9. 11. Frau Nadig 9. 11. Neubauer 30. 11. Ohlig 8. 11. Platner 8. 11. Reitz 8. 11. Samwer 9. 11. Schill 8. 11. Dr. Schöne 10. 11. Seither 11. 11. Dr. Stammberger 17. 11. Stauch 8. 11. Wagner (Ludwigshafen) 10. 11. Dr. Wellhausen 8. 11. Dr. Welskop 8. 11. b) Urlaubsanträge Abgeordnete(r) bis einschließlich Arndgen 30. 11. Frau Beyer (Frankfurt) 14. 12. Fürst von Bismarck 30. 11. Blachstein 30. 11. Dr. Dittrich 17. 11. Eberhard 24. 11. Dr. Elbrächter 30. 11. Erler 30. 11. Eschmann 17. 11. Dr. Franz 30. 11. D. Dr. Gerstenmaier 3. 12. Dr. Hammer 17. 11. Kiesinger 3. 12. Dr. Klötzer 30. 11. Krammig 30. 11. Kühn (Köln) 30. 11. Dr. Lenz (Godesberg) 30. 11. Dr. Menzel 30. 11. Dr. Mommer 30. 11. Odenthal 17. 11. Ollenhauer 15. 12. Dr. Preiß 30. 11. Dr. Dr. h. c. Pünder 30. 11. Raestrup 17. 11. Frau Dr. Rehling 15. 12. Freiherr Riederer von Paar 30. 11. Scheel 22. 12. Dr. Schmid (Frankfurt) 3. 12. Schoettle 30. 11. Dr. Starke 1. 12.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ludwig Schneider


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Namen der Fraktion der Freien Volkspartei gebe ich folgende Erklärung ab. Ich betone: Erklärung.
    Die Brutalität und Hinterhältigkeit des sowjetischen Vorgehens in Ungarn hat den Schleier zerrissen, den die sowjetische Führung im Zeichen der von ihr proklamierten Koexistenzpolitik über ihre wahren Absichten gelegt hatte. Es hat sich gezeigt, daß die Sowjets nicht gesonnen sind, den Völkern ihrer Satellitenstaaten die begehrte Freiheit zu geben, auch wenn diese Völker mit dem heroischen Mut des ungarischen Volkes, dem unsere Bewunderung gehört, für die Freiheit kämpfen. Sie sind unter grober Verletzung des Warschauer Pakts zu den grausamsten Methoden der stalinistischen Gewaltpolitik zurückgekehrt, indem sie dem ungarischen Volk unter rücksichtslosem Einsatz ihrer Machtmittel die verhaßte Sklaverei aufs neue aufzwangen.
    Die Sowjets haben damit aller Welt klargemacht, daß ihr Bekenntnis zu den Prinzipien des Selbstbestimmungsrechts der Völker und der Nichteinmischung in die Angelegenheiten anderer Völker nur für Staaten außerhalb ihres Machtbereichs gelten soll und daß diese Prinzipien somit für sie nichts anderes sind als Propagandamittel, die sie in den Dienst der Politik einer weiteren Ausdehnung ihrer Macht stellen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Die Verschlagenheit und Doppelzüngigkeit der sowjetischen Politik und die Unbedenklichkeit des Einsatzes aller Machtmittel, deren sich Moskau bedient, sind eine Mahnung an die Völker außerhalb des sowjetischen Machtbereichs, daß es gut für sie ist, alle politischen und Verteidigungsanstrengungen zu machen, damit sie nicht in die Gefahr kommen, eines Tages Moskau hilflos ausgeliefert zu sein.

    (Zustimmung bei der FVP und der CDU/CSU.)

    Es ist bedauerlich, daß in diesem Augenblick, in dem das Mitgefühl der ganzen Welt dem schweren Schicksal des ungarischen Volkes gilt, die moralische Kraft, die die westliche Welt gegenüber den Sowjets zugunsten Ungarns einsetzt, durch das Vorgehen der englischen und der französischen Regierung gegen Ägypten abgeschwächt wurde. Zwar haben die Sowjets am allerwenigsten Anlaß, sich über die englisch-französische Intervention in Ägypten zu entrüsten.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)



    (Dr. Schneider [Lollar])

    Die Sowjets bleiben der Welt schuldig, ihre Truppen aus Ungarn zurückzuziehen, bevor sie legitimiert sind, über eine Beilegung der Feindseligkeiten im Nahen Osten mitzusprechen.

    (Beifall bei der FVP und der CDU/CSU.)

    Noch weniger kann behauptet werden, die sowjetische Gewaltanwendung in Ungarn wäre unterblieben, wenn das Vorgehen am Suezkanal unterblieben wäre. Die Sowjets waren schon im Sommer entschlossen, jede auf eine neutrale Stellung abzielende Freiheitsbewegung in ihren Satellitenstaaten rücksichtslos auszulöschen. Schon bei seinem Besuch in Belgrad im September dieses Jahres äußerte Chruschtschow in einer Rede — ich zitiere wörtlich -:
    Der internationale Kommunismus ist wie ein Kompanie Soldaten. Wenn in Reih und Glied einer zu straucheln beginnt und hinfällt, fallen alle anderen über ihn, und es gibt einen Sauhaufen.
    — Das stammt nicht von mir; ich zitiere. —

    (Heiterkeit.)

    Das müssen und das werden wir verhindern. In Polen und in Ungarn gibt es degenerierte Kommunisten, die glauben, der Kommunismus sei ein Warenhaus, in dem jeder das einkaufen kann, was ihm gerade paßt. Das ist ein Irrtum.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Entsprechend diesem Prinzip haben die Sowjets in Ungarn gehandelt. Für sie gibt es keine Freiheit von Satellitenstaaten, die zur Einräumung einer auch nur neutralen Stellung führt.
    Darüber hinaus muß auch gesagt werden, daß ein Vergleich zwischen den sowjetischen Gewaltmaßnahmen in Ungarn und dem militärischen Eingreifen Englands und Frankreichs am Suezkanal nicht möglich ist. Ungarn wird von den Sowjets seit elf Jahren unterdrückt wie alle anderen europäischen Völker in ihrem Bereich. Ägypten hingegen ist ein Land, das durch die Mithilfe Englands die Souveränität erhalten hat. In Ungarn ereignete sich ein elementarer Ausbruch der Verzweiflung, Ägypten hingegen steht unter der Herrschaft eines Diktators, der nicht nur durch einen eindeutigen Vertragsbruch einen typischen Akt der bei Diktatoren so beliebten Politik der vollendeten Tatsachen vollzog, sondern darüber hinaus einen ständigen Druck auf Israel ausübte und sich bei den Freiheitsbestrebungen der arabischen Welt zugunsten des sowjetischen Imperialismus mißbrauchen ließ.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)

    Dessen ungeachtet bleibt es bedauerlich, daß England und Frankreich den militärischen Eingriff zu einem Zeitpunkt und unter Umständen begannen, die zur Folge hatten, daß sich eine starke Mehrheit der Vereinten Nationen unter Führung der stärksten Macht des Westens, der USA, gegen die englisch-französische Aktion wandte, die obendrein eingeleitet wurde, ohne daß die Bündnispartner der beiden demokratischen Länder in der NATO und der WEU konsultiert wurden.
    Wir dürfen aber jetzt unserer Genugtung und Freude darüber Ausdruck geben, daß sich die englische und die französische Regierung inzwischen entschlossen haben, die Waffen wieder schweigen zu lassen. Es sollte nun das Bemühen aller politischen Kräfte außerhalb des sowjetischen Machtbereichs sein, die Erneuerung solcher Gefahren durch das Vorgehen einzelner demokratischer Mächte für die Zukunft unter allen Umständen auszuschließen.

    (Beifall bei der FVP.)

    Für die deutsche Politik darf es auch weiterhin nur ein Gesetz des Handelns geben, und das ist das der Festigung des Friedens auf der Grundlage von Recht und Freiheit. Deshalb sollte die Bundesregierung mit ihrer ganzen Kraft dazu beitragen, daß die Vereinten Nationen zu einem tauglichen Instrument der Friedenserhaltung entwickelt werden, und hierfür ist nichts wichtiger, als daß die Vereinten Nationen mit einer internationalen Polizeistreitkraft von hinreichender Stärke ausgestattet werden, damit die Vereinten Nationen gerade in solchen Streitfällen wirksam intervenieren können, in denen sich die beiden Weltmächte gegenseitig paralysieren. Die Sowjetunion dürfte mit ihren neuerlichen Gewaltmethoden die Illusionen derjenigen gründlich zerstört haben, die in neutralistischen Wunschbildern einen Ausweg suchen. Entgegen diesen Illusionisten halten wir es für unsere Pflicht, den Defensivschutz unserer Divisionen und eines bodenständigen Heimatschutzes mit noch mehr Energie und Zielstrebigkeit zu schaffen, als das bisher der Fall war.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die letzte Rede Grotewohls vom 2. November bestätigte erneut, daß das Pankower stalinistische Regime nichts anderes ist als eine Organisation von Handlangern im Dienste der russischen Machtpolitik. Es kann nicht wundernehmen, daß diese Handlanger einer solchen Gewaltpolitik, gestützt auf die sowjetischen Divisionen in Mitteldeutschland, eine Volksarmee von 120 000 Mann und Betriebskampfgruppen von 300 000 Mann, nur die Form der Wiedervereinigung Deutschlands anstreben, die ganz Deutschland zum sowjetischen Satelliten machen würde. Gefahren, die von daher drohen, können nur ausgeschlossen werden, wenn die Bundesrepublik über eine hinreichende Abwehrkraft im Rahmen der Gesamtabwehr der westlichen Welt verfügt. Dies bleibt die unerläßliche Voraussetzung dafür, daß in Zukunft Verhandlungen mit den Sowjets über die deutsche Wiedervereinigung zu dem angestrebten Ziel gebracht werden können.
    Zu unser aller Leidwesen liegt eine tiefe Tragik in der Tatsache, daß das brutale Vorgehen der Sowjets in Ungarn die von der Bundesregierung betriebene und von den Koalitionsparteien getragene Außenpolitik nachdrücklich als richtig bestätigt. In Zukunft sollte es daher in der Bundesrepublik keine neutralistische Bewegung mehr geben. Es sollte auch keine politischen Kräfte mehr geben, die sich gegen die Stärkung Europas wenden oder gar die Wehrpflicht und die Aufstellung der deutschen Verteidigungskräfte verneinen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Jedes Zögern bei der Verwirklichung dieser Vorhaben würde die Sowjets nur in der Hoffnung bestärken, es könnte ihnen die Unterwühlung der Bundesrepublik gelingen, und sie könnten ihr Ziel, die Macht über ganz Deutschland zu erlangen, erreichen.
    Es liegt nun bei uns, es liegt am ganzen deutschen Volk, es liegt bei diesem Hohen Hause, zu erkennen, daß der Verzicht auf Verteidigungsanstrengungen im Westen unermeßliche Gefahren


    (Dr. Schneider [Lollar])

    über alle europäischen Völker, vor allem aber über das deutsche Volk heraufbeschwören würde.
    Die Freie Volkspartei stimmt der Regierungserklärung nach Form und Inhalt zu.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Brühler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ernst-Christoph Brühler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen meiner Fraktion habe ich folgende Erklärung abzugeben.
    In den ernsten Stunden, durch die die Welt in den letzten Tagen geschritten ist und die das deutsche Volk zutiefst erschüttert haben, sind — das glaubt die Fraktion der Deutschen Partei an den Anfang ihrer Erklärung stellen zu müssen — viele Illusionen der letzten Jahre zerstoben. Einer leidgeprüften Welt ist wiederum mit erschreckender Deutlichkeit gezeigt worden, daß das Ziel aller Gutwilligen und Friedfertigen, die Probleme dieser Zeit allein nach den Maßstäben von Recht und Gerechtigkeit zu regeln, noch in weiter Ferne liegt. Sowohl die Ereignisse in Ungarn als im Nahen Osten haben dem deutschen Volk, das so sehr bereit ist, aus den bitteren Erfahrungen seiner Geschichte zu lernen, gezeigt, daß in entscheidenden Augenblicken in unserer Umwelt der Appell an die Waffen noch immer höher geschätzt wird als der unbedingte Wille zum friedlichen Ausgleich.
    Die Bundestagsfraktion der Deutschen Partei ist der Meinung, daß deutsche Politiker ein Recht haben, diese Gedanken an den Anfang von Ausführungen zur augenblicklichen weltpolitischen Lage zu stellen. Wir tun dies allerdings nicht in einem Gefühl auswegloser Resignation. Wir glauben, daß die furchtbaren Vernichtungsmittel, mit denen heute der Frieden in der Welt aufrechterhalten wird, jeden verantwortungsbewußten Politiker zwingen, nicht abzulassen in dem Bemühen, die Gewaltanwendung als Mittel der Politik auszuschalten. Trotz aller Fehlschläge dürfen wir nicht müde werden, am Aufbau einer Herrschaft des Rechtes und der Gerechtigkeit in einer friedlichen Welt mitzuwirken.
    Wenn es noch eines Anstoßes bedurft hätte, diese Aufgabe bitterernst zu nehmen, dann sind es die Angst und das Grauen, die in den vergangenen Tagen und Wochen schon wieder Millionen von Menschen der ganzen Welt ergriffen angesichts der Pläne von Politikern, die kaltrechnend die Sprache der Waffen in ihr politisches Kalkül einbezogen haben.
    Die Bundestagsfraktion der Deutschen Partei bleibt der Auffassung, daß der Appell an Gefühle allein nicht ausreicht, um Situationen wie die jetzige zu meistern. Es gehört dazu die klare Einsicht in Ursache, Wirkungen und Zusammenhänge. In diesem Sinne begrüßt die Deutsche Partei die Feststellung der Bundesregierung, wonach eine isolierte Betrachtung der Unruhezentren der vergangenen Wochen nicht möglich ist. Auch wir sind der Meinung, daß die Grundsätze — und das scheint uns eine für das deutsche Volk besonders wichtige Erkenntnis zu sein —, die am Ende des zweiten Weltkrieges verkündigt wurden, nicht verwirklicht worden sind.

    (Sehr wahr! rechts.)

    Noch ist nicht abzusehen, welche Folgen die Politik der Gewalt in Südosteuropa und im Nahen Osten für das Zusammenleben der Völker untereinander haben und welche politischen Verschiebungen sich vielleicht aus diesen Vorgängen ergeben werden. Eines aber ist sicher: Bekennt sich nicht die ganze Welt heute uneingeschränkt zum Gedanken der friedlichen Beilegung aller Zwistigkeiten und zum Gedanken der Freiheit und des Selbstbestimmungsrechts für jedes Volk auf seinem eigenen Heimatboden, dann steht vor der ganzen Menschheit das Ende in einem fürchterlichen Chaos.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Deshalb bekräftigt die Deutsche Partei an dieser Stelle nochmals ihre Auffassung, daß Gewaltanwendung in der heutigen Zeit unter keinen Umständen mehr ein Mittel zur Austragung politischer Gegensätze sein darf,

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    und dieser Grundsatz hat uneingeschränkt für alle Völker und Nationen dieser Erde zu gelten, gleichgültig, zu welcher Staatsauffassung und Lebensform sie sich bekennen.

    (Erneuter Beifall.)

    Daraus ergibt sich: Eine dauerhafte und friedliche Ordnung in der Welt ist nur gewährleistet, wenn erstens das Recht jedes Volkes auf seine eigene Existenz uneingeschränkt anerkannt und geachtet wird, zweitens Einmischungen in die inneren Verhältnisse eines Staates als ein Verbrechen gegen die internationale Gemeinschaft gewertet und geahndet werden, drittens auf jede Gewaltanwendung bei internationalen Streitigkeiten verzichtet und deren Regelung durch ein internationales Gericht oder durch eine mit den entsprechenden Vollmachten ausgestattete politische Weltorganisation sichergestellt wird.
    Von diesen Grundsätzen hat sich die Deutsche Partei leiten lassen, als sie zu Anfang dieser Woche feststellte, daß England und Frankreich mit ihrem Eingreifen in Ägypten gegenüber dem bolschewistischen Osten einen moralischen Trumpf aus den Händen gegeben haben. Dadurch ist offensichtlich zwischen den Vorgängen im Nahen Osten und der blutigen Unterdrückung des ungarischen Freiheitskampfes ein unmittelbarer Zusammenhang hergestellt worden, der das deutsche Volk in allen seinen Schichten tief erschüttert hat. Es ist unser Recht, in dieser Stunde festzustellen, daß die Panzer, die nach dem verzweifelten Notruf eines ungarischen Freiheitssenders über die Herzen des ungarischen Volkes rollen, auch über die Herzen des um seine Wiedervereinigung ringenden deutschen Volkes rollen. Niemand in der Welt als wir Deutsche kann besser verstehen, von welchen Gefühlen das ungarische Volk in diesen Tagen bewegt wird. Wir alle sind schmerzlich davon betroffen, daß in dieser Stunde die freiheitliche westliche Welt nicht in der Lage war, mit größerem moralischem und politischem Gewicht sich hinter den ungarischen Freiheitskampf zu stellen.
    Die Bundestagsfraktion der Deutschen Partei erklärt in diesem Zusammenhang, daß die ungeteilte Zustimmung zum Freiheitswillen des ungarischen Volkes eine ebenso klare Zustimmung zum Willen nach Freiheit und Selbstbestimmung aller jungen Völker in der Welt bedeutet.

    (Beifall bei der DP, bei der FDP und beim GB/BHE.)



    (Dr. Brühler)

    Dabei schließt das deutsche Volk die berechtigten Forderungen der mit Deutschland in jahrzehntelanger Freundschaft verbundenen arabischen Welt als selbstverständlich ein.

    (Beifall bei der DP und beim GB/BHE.)

    Wir begrüßen es von dieser Stelle aus nachdrücklich, daß in diesen Auffassungen die große amerikanische Nation und das deutsche Volk eines Sinnes sind. Wir halten es für unsere Pflicht, gerade in diesem Augenblick daran zu erinnern, welchen Dank Europa und vor allem Deutschland den Vereinigten Staaten und seinem wiedergewählten Präsidenten schuldet.

    (Beifall bei den Regierungsparteien, bei der FDP und beim GB/BHE.)

    Es ist unsere Hoffnung, daß Amerika kraft seiner moralischen Stärke und als Weltmacht entscheidenden Einfluß auf die friedliche Gestaltung dieser Welt und auf die Bewahrung von freiheitlichen Grundsätzen nehmen und uns in der für uns brennendsten Frage der Wiedervereinigung unseres Vaterlandes auch weiterhin beistehen wird. Das deutsche Volk gedenkt in diesem Augenblick auch dankbar der Bemühungen der Schweizerischen Bundesregierung, die ihrerseits einen wichtigen moralischen Beitrag zur Bewahrung des Friedens geleistet hat.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    In diesem Sinne bejaht die Bundestagsfraktion der Deutschen Partei auch die in der Öffentlichkeit weithin mißverstandene Reise des Herrn Bundeskanzlers nach Paris.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der DP.)

    Sie sieht darin den Versuch des verantwortlichen deutschen Staatsmannes, auch seinerseits einen wesentlichen Beitrag zur politischen Entspannung und damit zur Wiederherstellung und Erhaltung des Friedens zu leisten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Deutsche Partei hat seit Beginn ihrer Tätigkeit uneingeschränkt den Gedanken einer europäischen Einigung und einer unverbrüchlichen Zusammenarbeit der westlichen Welt bejaht. Sie steht nach wie vor zu diesen Grundsätzen als einer unabdingbaren Voraussetzung für die Bewahrung von Freiheit und Selbständigkeit der europäischen Völker. Dieses Bekenntnis bedeutet aber für das deutsche Volk kein Eintreten für überholte politische Konzeptionen,

    (Beifall bei der DP)

    die das Lebensrecht anderer Völker beeinträchtigen. Es ist unsere Pflicht - und so sehen wir auch die Reise des Herrn Bundeskanzlers nach Paris -, unseren europäischen Freunden in gefährlichen Stunden den Rat unseres schwergeprüften Volkes nicht vorzuenthalten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich habe zu Anfang von den Illusionen gesprochen, die in den letzten Tagen und Wochen in der Welt zusammengebrochen sind. Jedem Einsichtigen hat die grausame Wirklichkeit klargemacht, daß in dieser Welt, auch wenn wir es noch so sehr beklagen, der Wille zur Freiheit und zur Selbstbehauptung nicht auf die Möglichkeiten zum eigenen Schutz verzichten darf.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Das deutsche Volk aber verdient Dank für seine besonnene Haltung, die es in diesen kritischen Tagen bewiesen hat. Seine Sehnsucht sind Frieden und Recht auf Erden. Sie zu schaffen, sind wir alle berufen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)