Rede von
Dr.
Eugen
Gerstenmaier
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Abgeordneter Atzenroth, das Haus ist frei in den Entschlüssen über seine Geschäftsgebarung, soweit sie sich im Rahmen der Geschäftsordnung vollzieht. Zweifellos stehen die Vorschläge, die zu dieser Vorlage interfraktionell vereinbart worden sind, im Rahmen der Geschäftsordnung. Ich nehme nicht zu der Kontroverse Stellung, die hier ausgetragen worden ist. Aber ich erkläre, daß ich auf Grund des § 34 der Geschäftsordnung das Wort zur Geschäftsordnung nicht weiter erteile.
Damit, meine Damen und Herren, treten wir in die Beratung der Anträge ein. Wird dazu das Wort gewünscht? — Herr Senator Klein für den Bundesrat, bitte sehr.
Dr. Klein, Senator des Landes Berlin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens des Bundesrates möchte ich den eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes vom Jahre 1952 begründen. Durch das Gesetz sollen die §§ 1, 2, 9, 48 und 99 geändert werden. Die Änderungswünsche des Bundesrates haben die Billigung der Bundesregierung gefunden. Der Bundesrat hält es für geboten, die noch nicht erledigten Vorschläge zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes durch den vorliegenden Gesetzentwurf wieder aufzunehmen.
Im einzelnen möchte ich folgendes bemerken. Der § 1 des Güterkraftverkehrsgesetzes in der zur Zeit geltenden Fassung lautet:
Die Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen unterliegt ausschließlich den Bestimmungen dieses Gesetzes.
Diese Formulierung schließt die Möglichkeit von Umgehungen nicht wirksam genug aus. Das gilt insbesondere hinsichtlich der Mietfahrzeuge, für deren Einsatz vorzugsweise im Werknahverkehr sich bereits eine Art grauer Markt herausgebildet hat. Die vorgeschlagene Änderung stellt nun klar, daß die Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen ausschließlich in den Formen zulässig ist, die das Gesetz bestimmt, nämlich in der Form des Güternahverkehrs, des Güterfernverkehrs und des Werkverkehrs.
Daneben nennt der Gesetzentwurf als besonders zugelassene Beförderungsform auch die Beförderung im Rahmen hoheitlicher Befugnisse des Bundes, der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der Körperschaften des öffentlichen Rechts und der Anstalten des öffentlichen Rechts. Diese Form liegt z. B. vor bei Transporten der Bundeswehr, des Bundesgrenzschutzes und der Polizeibehörden; aber auch der Dienstgutverkehr der Bundespost und der Bundesbahn gehört hierher. Befördert aber eine Behörde oder eine öffentlich-rechtliche Körperschaft Güter außerhalb des Rahmens hoheitlicher Aufgaben oder für andere, dann fällt eine solche Beförderung ohne weiteres unter eine der genannten Verkehrsarten, nämlich Güternahverkehr, Güterfernverkehr oder Werkverkehr. Die Angriffe einzelner Wirtschaftsverbände gegen diese Bestimmung wegen einer angeblichen Bevorzugung der Wirtschaftstätigkeit der öffentlichen Hand übersehen die Einschränkung, die ich eben geschildert habe.
Zu § 2 Abs. 4 des Güterkraftverkehrsgesetzes: Diese Bestimmung enthielt bisher lediglich die Ermächtigung an den Bundesminister für Verkehr, durch Rechtsverordnung Ausnahmen von der Vorschrift des § 2 Abs. 2, der den Begriff „Nahzone" festlegt, zuzulassen. Durch die vorgeschlagene neue Fassung des § 2 Abs. 4 werden die obersten Landesverkehrsbehörden ermächtigt, zugunsten der Unternehmungen des Güternahverkehrs, die in der Nähe der Zonenrandgebiete und in den Zonenrandgebieten liegen, fiktive Standorte zu bestimmen, die jedoch nicht über 40 km vom Zonenrand und vom tatsächlichen Standpunkt entfernt sein dürfen. Dieser Vorschlag bringt eine steuerliche Erleichterung für diejenigen Unternehmen des Güternahverkehrs, deren tatsächlicher Standort so nahe an der Zonengrenze liegt, daß diese einen Teil des Kreises mit 50 km Radius um den Standort, welcher die Nahzone bildet, wegschneidet. Durch die fiktive Fortrückung des Standortes von der Zonengrenze soll dieser Nachteil ausgeglichen und den in Frage kommenden Unternehmungen eine gleiche Fläche zur Bedienung im steuerbegünstigten Nahverkehr geboten werden, wie sie anderen Unternehmungen des Güternahverkehrs zur Verfügung steht, die nicht durch die Zonengrenze beengt sind. Die vorgesehene Begrenzung dieser Erleichterungen auf diejenigen Unternehmungen, die bereits vor dem 1. April 1954 ihren Sitz in den Zonenrandgebieten hatten, soll verhindern, daß nachträglich Unternehmungen in diese Gebiete umsiedeln, um sich dadurch die Erleichterungen zu verschaffen, die hier vorgesehen sind.
Wie bekannt, hat der Bundesminister für Verkehr durch Rechtsverordnung vom 17. Juli 1952 Höchstzahlen für die Anzahl der Kraftfahrzeuge festgesetzt, die für den Güterfernverkehr und den Möbelfernverkehr in den einzelnen Ländern zugelassen werden können. Soweit der gegenwärtige
Stand der zugelassenen Kraftfahrzeuge in den einzelnen Ländern die Höchstzahlen übersteigt, dürfen in diesen Ländern neue Konzessionen erst wieder erteilt werden, wenn die Höchstzahlen unterschritten sind. Diese Bestimmung gilt jedoch nicht, wenn ein Unternehmen im ganzen auf einen Dritten übertragen wird und die Dauer der Genehmigung nicht über die Dauer der ursprünglich erteilten Genehmigung hinausgeht. Diese Ausnahmevorschrift hat die Rückführung der Zahl der genehmigten Kraftfahrzeuge auf die Höchstzahl sehr erschwert und eine fühlbare Entlastung des Straßenverkehrs verhindert. Sie müßte deshalb vom Standpunkt der Verkehrssicherheit her und auch vom Standpunkt der Verkehrspolitik aus eigentlich ersatzlos aufgehoben werden. Eine solche Aufhebung würde jedoch in den Fällen besondere Härten hervorrufen, in denen ein älterer oder gebrechlicher Genehmigungsinhaber zur Übertragung seines Unternehmens an seine späteren Erben oder andere genötigt ist. Es wird deshalb vorgeschlagen, die Bestimmung über die Übertragung auf einen Dritten insoweit einzuengen, als die Genehmigung nur dann mitgeht, wenn der Unternehmer das Alter von 60 Jahren erreicht hat oder infolge der Gebrechlichkeit zur Fortführung des Unternehmens auf die Dauer nachweislich nicht imstande ist.
Schließlich ist in § 48 des Güterkraftverkehrsgesetzes eine Bestimmung enthalten, die besagt, daß unter Werkverkehr auch die gemeinschaftliche Verwendung der Kraftfahrzeuge mehrerer Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen zu verstehen ist. Diese Bestimmung soll nun gestrichen werden. Es handelt sich hier um den sogenannten Konzernverkehr, der insofern zu Schwierigkeiten geführt hat, als er die mit der Überwachung betrauten Behörden vor kaum zu bewältigende Aufgaben gestellt hat. Hinzu kommt, daß im Konzernverkehr nicht Güter für das eigene Unternehmen, sondern für Zwecke anderer Firmen, die zu dem Konzern gehören, befördert werden. Es handelt sich hier um einen Transport für andere. Der finanzielle Zusammenhang zwischen beiden Unternehmen kann keine Veranlassung dazu bieten, sie hinsichtlich des Werkfernverkehrs besser als andere finanziell nicht zusammenhängende Unternehmen zu stellen. Es ist deshalb vorgesehen, die Bestimmung über den Konzernverkehr ersatzlos zu streichen.
Der Bundesrat glaubt, daß die in dem Gesetzentwurf vorgesehenen Änderungen zu dringend sind, als daß sie bis zu einer allgemeinen Neufass sung des Güterkraftverkehrsgesetzes zurückgestellt werden könnten. Er bittet deshalb den Bundestag, das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode zu verabschieden. Die Bundesregierung hat, wie gesagt, diesem Entwurf in ihrer Stellungnahme zugestimmt.
Soweit der Bericht. Gestatten Sie mir bitte, daß ich Sie zum Schluß noch auf einen Punkt besonders aufmerksam mache. Bei der Beratung des Entwurfs im Bundesrat wurde ein Antrag, in diesem Gesetz die Nahverkehrsunternehmen an der Westküste Schleswig-Holsteins mit denen des Zonenrandgürtels gleichzustellen, mit knapper Mehrheit abgelehnt. Angesichts dieser Mehrheitsverhältnisse halte ich mich aus Gründen der Loyalität für verpflichtet, Sie von diesen Wünschen Schleswig-Holsteins zu unterrichten.