Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von der für die Berliner Tagung des Deutschen Bundestages vorgesehenen eingehenden Behandlung der drängenden deutschen Verkehrsprobleme scheint leider nur dieser Antrag zur eingehenden Behandlung kommen zu können, der ein in sich geschlossenes, für Berlin sehr wichtiges Problem, aber im ganzen gesehen doch nur eines der vielen Teilprobleme des Verkehrs behandelt. Das bedaure ich sehr, obwohl es gerade am Vorabend der Europäischen Verkehrsministerkonferenz, die nächste Woche alle Verkehrsminister Europas westlich des Eisernen Vorhangs mit Ausnahme von Finnland, Irland und Island zu uns führt, ein zweischneidiges Schwert sein kann, eine solche Verkehrsdebatte zu führen. Dieses größte europäische Ministertreffen nach dem Kriege auf deutschem Boden ist noch dadurch ausgezeichnet, daß die Bundesrepublik Deutschland für das nächste Jahr den Vorsitz in diesem großen europäischen Gremium übertragen erhält.
Heute dagegen sollte hier der Kritik, aber auch dem Willen zur aufbauenden Entwicklung des Verkehrs in Deutschland Raum gegeben werden. Mich hätte es besonders gefreut, dazu Stellung zu nehmen hier auf dem Boden meiner alten alma mater, der Technischen Hochschule zu BerlinCharlottenburg, der ich meine Ausbildung zum Bergingenieur und zum Dr.-Ing. verdanke. Es ist für den früheren Studenten nicht ohne Reiz, gerade hier zu den Fragen der technischen Entwicklung des Verkehrs Stellung zu nehmen.
Nun zu dem soeben begründeten Antrag, der leider an den gegebenen und bekannten Tatsachen und Möglichkeiten vorbeigeht; denn die Deutsche Lufthansa vermag in diesen Fragen zu ihrem Bedauern eine aktive Rolle nicht zu spielen. Der Luftverkehr ist ein Rechtssubjekt eigener Art. Man kann ihn nicht, wie es der Herr Kollege Schmidt soeben getan hat, mit dem Interzonenhandelsverkehr oder mit dem Interzonenhandel als solchem vergleichen. Das Interzonenhandelsabkommen ist ja nicht zwischen der Sowjetzone und der Bundesrepublik, sondern zwischen den beiden D-MarkGebieten Ost und West abgeschlossen worden, und unser Bemühen, auf gleicher Ebene ein Interzonenverkehrsabkommen zu erhalten, wie es auch der Senat von Berlin gewünscht hat, hat leider nicht zum Erfolg geführt. Ich darf auf die Erklärung verweisen, die ein Vertreter der sowjetisch besetzten Zone, Herr Loch, kürzlich abgegeben hat, als er sich auf einem Flug von Pankow nach Moskau befand. Er hat damals ausdrücklich ausgeführt, daß er sehr bereit sein würde, in Verhandlungen über den Luftverkehr zwischen der Bundesrepublik und dem sowjetisch besetzten Gebiet einzutreten, aber nur auf der Ebene der Minister.
Bei allen Planungen für den Wiederaufbau eines deutschen Luftverkehrs, insbesondere seitdem die neue Deutsche Lufthansa ihren Flugbetrieb aufnehmen konnte, hat die Bundesregierung, die diese Aufgabe allein angeht, die Möglichkeit einer Einschaltung dieses deutschen Luftlinienunternehmens in den Luftverkehr mit Berlin verfolgt. Denn von vornherein wurde es als ein natürliches Recht der Bundesrepublik betrachtet, unter eigener Flagge an den Flugliniendiensten zwischen dem Bundesgebiet und seiner künftigen Hauptstadt teilzunehmen.
Die besondere politische Lage Berlins stand jedoch dem Wunsch entgegen, schon in den ersten Flugplan der Lufthansa Strecken nach Berlin einzufügen. Ich muß hier ebenso wie Herr Kollege Schmidt daran erinnern, daß der Berlin-Verkehr auf Viermächteabmachungen vom Jahre 1945 und vom Jahre 1949 beruht und daß das Pariser Vertragswerk dem Rechnung getragen hat durch Bestimmungen im Zwölften Teil des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen, wo es in Art. 5 heißt:
Bei der Ausübung ihrer Verantwortlichkeiten in bezug auf Berlin werden die Drei Mächte weiterhin jeden Luftverkehr nach und von den Berliner Luftschneisen regeln, die von der alliierten Kontrollbehörde festgelegt wurden. Die Bundesrepublik verpflichtet sich, diesen Verkehr in jeder Weise auf einer Grundlage zu erleichtern und zu unterstützen, die nicht ungünstiger ist als die beim Inkrafttreten dieses Vertrages bestehende Grundlage.
Als praktische Folge ergab sich zunächst, daß der Luftverkehr zwischen dem Bundesgebiet und Tempelhof weiterhin durch die Gesellschaften der drei Westmächte durchgeführt wird. Im planmäßigen Fluglinienverkehr sind die Air France, die British European Airways und die Pan American World Airways tätig. Auf der sogenannten kleinen Luftbrücke nach Hamburg und Hannover und im Touristenverkehr nach bestimmten Zielen, z. B. nach Mallorca, fliegen außerdem britische Charterunternehmen. Ich freue mich über die hier für diese Gesellschaften gezollte Anerkennung, der ich mich voll anschließe.
Daß der Fluglinienverkehr mit Berlin nicht ausreicht und vor allem während der Hauptreisezeit manches zu wünschen übrigläßt, ist unstreitig. Gerade den Bewohnern der deutschen Hauptstadt sollte jede Möglichkeit geboten werden, zu geschäftlichen Zwecken wie zu Erholungsreisen und zu menschlichen Kontakten die Vorteile der schnellen Beförderung auf dem Luftwege zu genießen. Es ist also nicht etwa nur eine Prestigeangelegenheit, wenn die Einschaltung der Lufthansa in den Berlin-Verkehr gefordert wird, sondern im Vordergrund steht für uns vielmehr das Bestreben, die Flugverbindungen mit Berlin zu verdichten und zu verbessern.
Diesem Ziel dienen die Bemühungen der Bundesregierung. Die Organe der Lufthansa, Aufsichtsrat und Vorstand, können nach Lage der Dinge nur die notwendigen Vorbereitungen treffen, um für den Tag gerüstet zu sein, an dem nach Klärung der politischen Voraussetzungen hier der Weg nach Berlin geöffnet wird.
Eine dauernde Ausschließung deutscher Luftfahrzeuge vom Berlin-Verkehr ist sicherlich nicht gerechtfertigt. Ein Verkehr deutscher Luftfahrzeuge nach und von Berlin, insbesondere ein Fluglinienverkehr der Lufthansa, könnte vielmehr durch die Drei Mächte im Einvernehmen mit den für Berlin zuständigen Stellen der Sowjetunion zugelassen werden. Infolgedessen hat die Bundesregierung die Frage in wiederholten Verhandlungen mit den Drei Mächten erörtert. Daß diese im Schat-
ten der politischen Beziehungen zwischen West und Ost stehen mußten, liegt auf der Hand.
Die Bundesregierung hat die notwendigen Schritte eingeleitet, um die grundsätzliche Erlaubnis für einen Anflug von Berlin-Tempelhof durch deutsche Luftfahrzeuge zu erwirken. Voraussichtlich werden diese Verhandlungen noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Ich darf aber versichern, daß wir sie mit allem Nachdruck betreiben werden.
Sachlich hat der Bundesminister für Verkehr bereits weitgehende Vorbereitungen für den Fall der Einschaltung der Lufthansa in den BerlinVerkehr vorgenommen. Leitgedanke ist, daß die Lufthansa erstens einen Verkehr anbieten soll, der die Fluggäste in jeder Hinsicht befriedigt, und daß sie zweitens daneben einen möglichst preiswerten Dienst zur Verfügung stellen sollte. In diesem Zusammenhang darf ich erwähnen, daß es uns nach langwierigen Bemühungen gelungen ist, u. a. den Preis für Hin- und Rückflug im sogenannten Nachtflugdienst zwischen Berlin und Hannover auf 65 DM zu senken.
Um einen befriedigenden Verkehr durchführen zu können, wird die Lufthansa ihren Flugzeugpark entsprechend zu erweitern haben. Ich darf wohl sicher sein, daß das Hohe Haus der Bereitstellung der dazu notwendigen finanziellen Mittel zustimmen und auch einverstanden sein wird, wenn zugunsten des Berlin-Verkehrs etwa vorübergehend der eigene Flugverkehr im Bundesgebiet eingeschränkt werden müßte, bis der Flugzeugpark entsprechend erweitert ist. Auch darf sicher der Lufthansa kein Vorwurf erwachsen, wenn sie etwa, um den Berlinern zu dienen, an diesen Verkehr nicht jene wirtschaftlichen Maßstäbe anlegt, die wir sonst von ihr fordern müssen. Vorgesehen sind Fluglinien zwischen dem Bundesgebiet und Berlin, die der Tatsache Rechnung tragen, daß die unermüdliche Berliner Schaffenskraft zu einer kontinuierlichen Erstarkung der Westberliner Wirtschaft geführt hat und weiter führen wird. Bei den Berechnungen ist davon ausgegangen worden, daß die Luftverkehrsgesellschaften der Drei Mächte ihre Dienste nach und von Berlin im wesentlichen aufrechterhalten. Eine verständnisvolle Zusammenarbeit und eine Abstimmung der beiderseitigen Fluglinien und Flugzeiten, wie sie bereits in anderen Lufträumen stattfinden, werden dem BerlinVerkehr zugute kommen.
Berlin wurde in früherer Zeit mit Recht das „Luftkreuz Europas" genannt. Seitdem hat der Luftverkehr ein den ganzen Erdball umspannendes Netz von Fluglinien entwickelt. Wir werden uns deshalb herzlich freuen, wenn uns befreundete Luftverkehrsunternehmen Fluglinien nach BerlinTempelhof einrichten, um so mehr, als wir sie bitten müssen, wenn sie uns befreundet bleiben wollen, auf Landungen in Berlin-Schönefeld zu verzichten.
Daß Berlin so bald als irgend möglich wieder zu einem Mittelpunkt des europäischen Luftverkehrs wird und daß deutsche Flugzeuge hier ihre Farben zeigen können, daß wir uns von Berlin aus wieder direkt an transozeanische und transkontinentale Verbindungen anschließen können —, diesem Ziel wird die unablässige Arbeit der Bundesregierung für unsere Hauptstadt Berlin dienen.