Rede von
Franz
Neumann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege Wehner und der Herr Kollege Reif haben einiges zum Grundsätzlichen gesagt, was eigentlich der Herr Bundesminister hier hätte erklären sollen.
Herr Bundesminister, Sie haben hier triumphierend ein Zitat aus einer Rede der Kollegin Korspeter vorgebracht und glaubten damit das Ihre getan zu haben. Herr Oberländer, Sie wissen, wie oft wir in den Ausschüssen, auch die Kollegin Korspeter korrigierend, über das gesprochen haben, was Sie hier zitiert haben: das beste Gesetz kann durch einen schlechten Minister in das Gegenteil verkehrt werden.
— Ja, Herr Kollege Rinke, der Sie so verzweifelt sind, ich habe bedauert, daß der Herr Kollege Pelster hier gerufen hat: „Herr Kollege Wehner, schreien Sie doch nicht!" Wenn Sie die Zustände kennen, unter denen die zurückgekehrten Gefangenen leben müssen, dann müßte nicht nur einer schreien, sondern dann müßte der Deutsche Bundestag sich in einem gewaltigen Aufschrei vereinen, um das Unrecht zu beseitigen, das an den politischen Gefangenen heute noch verübt wird.
— Sie sagen: Das wollen wir alle. Nun, dann werden wir uns sehr schnell vereinen.
Ich habe gerade deshalb das Wort genommen, Herr Minister, weil Sie gesagt haben: Bitte, nennen Sie mir doch einmal die Fälle! Heute ist jedem Bundestagsabgeordneten „Der Tagesspiegel" vom heutigen 11. Oktober zugänglich gemacht worden. Darin finden Sie auf Seite 5 den Artikel eines politischen Gefangenen, eines Journalisten, der ein Jahrzehnt hinter sowjetischen Gittern verbringen mußte. Er schreibt einen längeren Artikel über die Nöte und Sorgen der politischen Häftlinge. Herr Minister, Sie sollten diesen Artikel auch lesen, damit Sie nicht annehmen, daß nur die Sozialdemokraten hier irgend etwas reden, was nicht den Tatsachen entspricht. Ich verweise also auf diese Zeilen, Herr Minister, und ich lese nur den letzten Absatz dieses Artikels vor:
Das, Herr Professor Oberländer, ist die grausame Resonanz auf Ihre Aussage vom vorigen Jahr, mit der Sie bekundeten, daß, wenn der Bundestag in der Frage der Entschädigung und der Gleichordnung der politischen Häftlinge mit den Kriegsgefangenen zustimmt, die Finanzkraft der Bundesrepublik empfindlich erschüttert werden könnte!
Herr Minister, wir sollten uns mit dem ganzen Deutschen Bundestag vereinen, wir hätten eine Ehrenpflicht, an den Männern und Frauen, die für uns eingetreten sind, etwas gutzumachen.