Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesinnenminister hat am Schluß seiner Ausführungen jetzt in der Debatte wiederholt, daß es seiner Meinung nach erforderlich sei, mit der Verwirklichung des Planes einer gesamtdeutschen Langwelle der Bundesrepublik sofort anzufangen. Ich wiederhole, daß wir das durchaus unterschreiben können, wenn damit nicht irgendeine zukünftig zu treffende Überprüfung verbunden wird, sondern die Vorwegbestimmung dessen, worüber wir uns angeblich einig sind: Sitz des Senders ist Berlin, Chefredaktion kommt nach Berlin!
Herr Kollege Dr. Bucerius hat mir einen ernsten Tadel erteilt.
Ich muß ihn hinnehmen, und ich nehme ihn nicht leicht hin, denn ich weiß, Herr Kollege Dr. Bucerius, um Ihre Arbeit für unsere Stadt. Ich weiß, daß Sie jedes der Worte, die Sie glaubten hier sagen zu müssen, aus Ihrer Überzeugung gesagt haben. Gerade das aber gibt mir das Recht, ja, die Verpflichtung, das, was ich vorhin ausgeführt habe, zu substantiieren. Ich muß das auch tun nach der Bemerkung des Herrn Bundesinnenministers: wenn er sich im deutschen Bund umschaue, bemerke er nichts von dem von mir beanstandeten Sachverhalt. Er hat geglaubt, es sei richtig, das zu sagen.
Lassen Sie mich dazu ein paar Sätze sagen. Der Herr Bundesinnenminister hat von zwei großen deutschen Ländern gesprochen, die unter sozialdemokratischer Führung stehen; er hat dann auch das Land Berlin erwähnt. Jeder, der die deutsche Innenpolitik der letzten Jahre auch nur etwas verfolgt hat, weiß doch, was hier gespielt worden ist, weiß, daß man durch die Länder gefahren ist und zusammengefegt hat, was sich zusammenfegen ließ, um aus der Mentalität des Kaiserreiches — nicht einer Demokratie der fünfziger Jahre — die Sozialdemokraten überall, wo es ging, herauszudrängen.
— Wir wissen doch, lieber Herr Dr. Bucerius, daß sogar in einer Stadt wie Bremen — nachdem es in Hamburg passiert war — die Ablösung Kaisens nach demselben Rezept geplant war. Nur weil das Wahlergebnis es nicht möglich machte, erfolgte sie nicht, und Kaisen zog nicht den Schluß nach der anderen Seite, sondern führte eine breite Zusammenarbeit weiter, wie wir sie in Berlin geführt haben. Von dieser breiten Zusammenarbeit bei der Lösung dieser Aufgabe hätten wir heute mehr gewünscht!
Herr Dr. Bucerius, bei uns sind Narben da, bei Sozialdemokraten in Berlin, im Ostsektor dieser Stadt und in der sowjetisch besetzten Zone, Narben aus der Zeit, als ein mächtiger Bundesapparat versuchte, den Sozialdemokraten den Stempel „halbe Kommunisten" aufzudrücken,
Narben aus einer Zeit, in der Dinge unterstellt wurden, wie wir sie im letzten Bundestagswahlkampf erlebt haben.
— Sie wissen genauso gut wie ich, Herr Kollege: das pflegt sonst der Osten zu sagen, das pflegt sonst in der Ostpresse zu stehen. Sie wissen genauso gut wie ich, daß das so nicht weitergeht. Der Anspruch, den ich angemeldet habe — und Sie wissen ganz genau, daß er nicht aus der Luft gegriffen ist —, ist nicht mehr und nicht weniger als der Anspruch auf innere und volle Gleichwertigkeit der tragenden demokratischen politischen Kräfte in diesem Lande, — nicht mehr und nicht weniger!