Rede von
Karl
Hübner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine verehrten Vorredner haben die Frage der Organisation und der Standortwahl dieser Organisation bzw. des Redaktionsstabes in den Vordergrund ihrer Betrachtungen gestellt. Man konnte dabei bisweilen das Gefühl nicht loswerden, es solle hier ein Fell verteilt werden, bevor es abgezogen ist.
Ich möchte für meine Freunde in der Fraktionsgemeinschaft der Deutschen Partei und der Freien Volkspartei erklären, daß wir der Frage der Aufstellung der technischen Einrichtungen eine ebenso große Bedeutung beimessen wie der Frage der Organisation, weil erst diese Placierung darüber entscheidet, ob der Sender einen ausreichenden Wirkungsgrad erhalten wird oder nicht. Nun wird diese Frage der technischen Placierung schwerlich von einem politischen Gremium entschieden werden können. Deshalb geht meine Empfehlung dahin, in den kommenden Beratungen diese Frage nach Möglichkeit aus dem politischen Streit auszuschalten und sie nur der Technik zu überlassen.
— Wieso? Entschuldigen Sie, Herr Kollege Brandt, ich bin keineswegs der Meinung. Ich werde Ihnen gleich die Gründe dafür nachweisen, daß die Frage der politischen Placierung sehr wichtig ist. Wir sind der Meinung, daß dieser Sender nicht nur den Zweck haben sollte, die Bevölkerung der Zone mit deutschen Nachrichten zu versorgen. Dieser Sender muß vielmehr auch die Aufgabe übernehmen, die deutsche Bevölkerung jenseits der künstlich gezogenen Oder-Neiße-Linie mit deutschen Nachrichten und deutschem Kulturgut zu versorgen. Meiner Kenntnis nach liegt bereits ein Gutachten des in Berlin domizilierten Instituts für Schwingungsforschung vor. Danach hat ein Langwellensender eine maximale Reichweite von 380 km. Wenn man also die Forderung aufstellt, daß auch die deutsche Bevölkerung jenseits der Oder-Neiße-Linie in den Empfangsbereich dieses Senders einbezogen werden soll, dann ist damit schon eine gewisse Klärung über die Placierung dieses Senders gegeben. Diese Klärung ist wichtig, eben weil die Reichsweite eines Langwellensenders sehr begrenzt ist.
Man braucht auch nicht etwa die Befürchtung zu hegen, daß bei einer Placierung der technischen Anlagen in Berlin das Bundesgebiet, soweit es außerhalb dieser Reichweite von 380 km liegt, nicht an den Sendungen teilhaben kann. Da läßt sich eine Regelung beispielsweise durch Ankoppelung von Kurzwellensendern durchaus ermöglichen.
Meine Damen und Herren! Man hat das Wort Berlin hier sehr oft gebraucht. Als Berliner Abgeordneter möchte ich Ihnen sagen: Wenn die politische Möglichkeit bestünde, würde ich, gestützt auf diese technischen Erkenntnisse des Instituts für Schwingungsforschung, dafür eintreten, daß dieser Sender möglichst weit östlich von Berlin aufgestellt wird.
Meine Damen und Herren, ich bitte also, dieser Frage die ihr in technischer Hinsicht zukommende Bedeutung zuzubilligen; ich bitte gleichzeitig, den Entscheid über diese Frage den Technikern zu überlassen. Ich bin überzeugt, daß eine weise Selbstbeschränkung hier uns die beste Lösung eintragen wird und daß wir den Technikern vertrauen können. Der Effekt wird darin liegen, daß wir einen deutschen Nachrichtendienst auch den Menschen vermitteln können, die jenseits der Oder Neiße-Linie leben und bestimmt begierig sind, an unserem kulturellen Fortschritt teilzunehmen, sich an unseren kulturellen Erlebnissen zu beteiligen.