Rede von
Dr.
Gerhard
Schröder
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben alle in diesen Tagen die Freude, Berliner Luft zu atmen, und machen davon ja so reichlich, wie es nur geht, Gebrauch. Die Berliner Luft ist eine sehr zur realistischen Betrachtung bringende Luft. Ich weiß das deswegen besonders gut, weil ich in dieser Stadt lange gearbeitet habe und sehr gern wieder arbeiten würde.
Die realistische Betrachtung in dieser Sache muß, wenn ich meine beiden Vorredner würdigen darf, zugunsten des Herrn Kollegen Brookmann ausfallen. Herr Kollege Brookmann hat den Mut gehabt — und das ist ein nicht unbeträchtlicher Mut —, auf den schwächsten Punkt in dieser Sache hinzuweisen. Das große Publikum wird sich doch eigentlich fragen, wieso wir seit 1952 versuchen, die Langwelle einzurichten, und das vier Jahre später noch nicht geschafft haben. Ich will Ihnen klar und eindeutig sagen, woran es liegt. Es liegt daran, daß die Zuständigkeiten des Bundes auf diesem Gebiet teils zu ungeklärt, teils zu schwach sind, als daß wirklich eine überzeugende, zügige Lösung herbeigeführt werden könnte.
Meine Damen und Herren, diejenigen, die wie ich den zweifelhaften Vorzug gehabt haben, die äußerst langwierigen Verhandlungen über die Regelung des Rundfunkrechts mitzuerleben, wissen, daß es geradezu eine Sisyphusarbeit ist, bei so komplizierten Verhältnissen auch nur einigermaßen brauchbare Ergebnisse zu erzielen. Es wäre völlig falsch, wenn man das leugnen wollte. Das ist des Pudels Kern.
Ein anderer Punkt ist, daß da, wo schwache Zuständigkeiten gegeben sind, wo die gesetzgeberischen Möglichkeiten nicht ausreichen, die finanzielle Mithilfe, die Abmachungen wirksamer machen könnte, leider nicht in dem entsprechen-
den Maße gegeben werden kann. Deswegen glaube ich, daß wir die Durchführung dieser Regelung, die zwischen dem Bund, den Lädern und der Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten zustande gekommen ist, nicht länger durch mehr oder weniger personalpolitisches Tauziehen verzögern sollten. Wenn man den Antrag, den die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei im Juli auf Drucksache 2627 eingereicht hat, mit der Neufassung vom 10. Oktober vergleicht, wird man sehen, daß der entscheidende Punkt, der neu hineingekommen ist, mehr oder weniger personalpolitischer Art ist. Dazu möchte ich mich hier ganz offen äußern. Ich bin bestimmt ein begeisterter Parlamentarier. Aber ich würde nicht so verfahren wie Herr Kollege Kühn und die nach dem Grundgesetz und unserer rechtsstaatlichen Ordnung gegebene Gewaltenteilung so munter durchbrechen, nur weil es in diesem oder jenem Fall zweckmäßig erscheinen mag. Hier würde die rechtsstaatliche Ordnung für rein exekutive Aufgaben durchbrochen, denn wenn Sie sich damit beschäftigen, was der Beirat tun soll, werden Sie finden, daß er ausgesprochen exekutive Aufgaben hat. Sie dienen, glaube ich, der Sache nicht, wenn Sie die an sich schon gegebenen Schwierigkeiten ins Ungeheure vermehren.
Der Bund ist an sich schon, wenn er in das Neunergremium nur drei Vertreter entsendet, außerordentlich schwach vertreten; dabei verlangen Sie gleichzeitig, daß er das Geld zur Verfügung stellen soll.
Ich muß die Frage stellen: Wollen Sie etwa auch vorschlagen, daß sich die Vertreter der Länder überwiegend aus Parlamentariern zusammensetzen? Dieses Projekt durchdenken, Herr Kollege Kühn, heißt doch, es ad absurdum zu führen.
Es ist dann von der Sorge gesprochen worden, der Sender könnte ein Regierungssender werden. Bei dieser komplizierten Art der Gestaltung habe ich leider keineswegs die Sorge, daß das ein Regierungssender werden könnte.
Jeder, der etwas von der Art des Arrangements, das hier getroffen worden ist, versteht, wird wissen, daß der Einfluß der Regierung doch nur für das Allernotdürftigste ausreicht.
In der Ziffer 4 der Vereinbarung, die der Herr Kollege Kühn zitiert hat, wird ausdrücklich gesagt, daß die Sendungen einer unabhängigen Meinungsbildung zu dienen haben und daß sie nicht einseitig eine Partei, eine Gruppe, einen Berufsstand oder eine Interessengemeinschaft unterstützen dürfen.
— Herr Kollege Neumann, wir sprechen nicht von Schwarzsendern, sondern wir sprechen von ganz legalen Sendern.
Der Herr Kollege Kühn hat aus anderer Erfahrung, die er heute nicht zitiert hat, vielleicht eine gewisse Vorliebe für eine kräftige Einschaltung des Parlaments in die Institution des Rundfunks. Ich denke darüber ganz anders. Ich meine, es sollte einen hockqualifizierten, völlig unabhängigen
Rundfunk geben; nur müßten uns dazu die rechtlichen Möglichkeiten gegeben sein.
Wenn wir uns so annähern, werden wir vielleicht in ein paar Jahren ein ganz vernünftiges Rundfunksystem zustande bringen.
Ich darf Ihnen dafür einen Vorschlag machen. Mancher von uns hat Vorliebe für englische Verhältnisse. In England ist es z. B. so, daß der Premierminister den Intendanten von BBC ernennt. Gleichgültig, wie der Pemierminister heißt, ist man mit einem solchen System, das nach der Ernennung die ganze Verantwortung bei der Leitung des Rundfunks läßt, einverstanden. Ich habe nie einen Zweifel daran gelassen, daß ich gar keine Sorge hätte, ein solches System für Deutschland zu übernehmen; es würde sicher von Nutzen sein. Leider denkt man darüber nicht allseits so großzügig wie ich vorschlage, es zu tun.
— Es kommt sicherlich auf den Premierminister an. Systeme wie das englische und amerikanische haben das Gute, daß die Premierminister in einem gewissen Abstand wechseln.
— Sicherlich; aber wir sprechen gerade von dem englischen System. Dieses System hat nämlich das Gute — deswegen paßt das in diesem Zusammenhang sehr gut —, daß, da der Wechsel einigermaßen vorher berechenbar ist, alle in ihrem Gehaben sehr vorsichtig sind und dafür sorgen, daß Akte der Unparteilichkeit von vornherein mehr die Regel und nicht die Ausnahme darstellen.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir würden etwas sehr Falsches tun, wenn wir in dieser Sache jetzt nicht endlich handelten. Wir haben gehört, daß wir in Hamburg einen sendebereiten Sender haben. Wenn wir endlich voranmachen, könnten die Sendungen praktisch übermorgen beginnen. Wenn die nationalpolitische Aufgabe, die hier liegt, tatsächlich von uns allen als dringlich erkannt wird, so sollte niemand seine Hand dazu reichen, daß nicht endlich angefangen wird. Das ist das eine.
Das andere ist folgendes. Genau so unverändert bleibt der Wille, den die Bundesregierung ausgesprochen hat — sie befindet sich da in voller Übereinstimmung mit dem Hohen Hause —, sobald, als es nur irgend möglich ist — alle Vorbereitungen sind dafür mindestens auf dem Papier getroffen —, dafür zu sorgen, daß Berlin wieder einen Langwellensender bekommt und daß wir nicht vergeblich und sehnsüchtig nach Königswusterhausen und den dort gegebenen Wirkungsmöglichkeiten sehen müssen.
Abschließend aber möchte ich sagen: Damit allein ist es noch nicht getan. Der Kollege Kühn hat gesagt, das Ganze möchte ein Sender der Nation werden. Meine Damen und Herren! Das ist ein großes Wort. Aber ich möchte ihn trotzdem darin unterstützen, daß es das richtige Wort sein sollte. Dazu gehört aber, daß man jetzt alles an Kleinlichkeiten und Tauziehen hinter und vor den Kulissen wegläßt und anfängt mit dem doppelten
Ziel, zunächst endlich zu senden und dann einen endgültigen Sender in Berlin zu haben.