Rede von
Dr.
Rudolf
Vogel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, die Ausführungen, die Herr Kollege Ritzel gemacht hat — Sie müssen jetzt schon verzeihen, wenn ich Sie genauso persönlich apostrophiere, wie Sie das vorhin mit mir für notwendig gehalten haben —, waren ein etwas trüber Rückfall in jene Zeit vor- 1949, als junge Leute, die sich journalistisch ihre Sporen zu verdienen glaubten, behaupteten, die Säureballons draußen, in denen ein paar Blumen gestanden hatten, seien Kristallvasen. Das war damals jene Atmosphäre, die auch auf das Ansehen dieses Hohen Hauses zurückgeschlagen hat. Ich glaube, wir wollen bestimmte Dinge nicht wieder aufrühren. Ich gehöre zu den wenigen Abgeordneten, die nicht für Bonn gestimmt haben, und ich kann mir daher das Recht nehmen, auch etwas dazu zu sagen.
Wir wollen einmal folgenden Vergleich ziehen. Es wird gesagt, 1949 seien 5000 Beamte vorgesehen worden und heute seien es 12100. Ja, meine Damen und Herren, damals hatten wir 14 Millionen Beschäftigte, und heute haben wir dank unserer Wirtschaftspolitik über 18 Millionen Beschäftigte in Deutschland, und wir haben doch in der Zwischenzeit einiges hingestellt, worauf wir alle stolz sein können. Dann sollte man nicht immer zurückgreifen und hier am Beispiel der Bundesverwaltung etwas demonstrieren wollen, was Sie z. B. bei der hessischen oder einer sonstigen Länderverwaltung auch nur vergleichsweise heranzuziehen nicht wagen würden.
Denn dort würde sich genau dieselbe Steigerung hinsichtlich der Zahl der Bediensteten ergeben, wie sie sich beim Bund ergeben hat. Ich kenne genug ausländische Verwaltungssachverständige, die in etwa gleich großen Ländern tätig sind und die baß erstaunt gewesen sind, als sie erfahren haben, daß wir so wenig Beamte und Angestellte haben.
— Ich kann das sagen, weil ich ganz anders als der Kollege Ritzel Anträge auf Verminderung von Beamtenstellen gestellt habe und nicht wie er beim Bundesverkehrsministerium und woanders blindlings zugestimmt habe, wenn es darum ging, hier bestimmte Leute und bestimmte Haushalte zu beurteilen; wir wollen das einmal ganz offen sagen! Also, wer mit der Bewilligung von Beamtenstellen im Glashaus sitzt, soll sich nachher nicht hier herstellen und das Gegenteil behaupten.
Ich möchte an folgende Erinnerung anknüpfen. Als die Bundesrepublik kreiert wurde und als wir das Zwischenstadium des Wirtschaftsrates in
Frankfurt beenden durften — ein für uns alle nicht sehr erfreuliches Stadium —, hatten wir, wie sich sehr viele von Ihnen noch erinnern werden, einen riesigen Stab von Leuten aus der Wirtschaftsbehörde von Minden nach Höchst mitgenommen, die damals noch die Kartenwirtschaft und alle die Zubehörteile einer Rationierungswirtschaft zu beaufsichtigen hatten. Ich glaube, wir sind alle miteinander stolz und froh, daß wir diesen Riesenapparat nicht weiter mitzuschleppen brauchten und damals Tausende von Leuten entlassen konnten. Das mag für die Betreffenden damals schmerzlich gewesen sein. Aber auch hier wollen wir nicht ganz vergessen, was seit 1949 passiert ist.
Nun noch ein paar andere Sachen, die hierher gehören, wenn man schon mit Zahlen aufwartet. Herr Kollege Ritzel, was ist denn in Deutschland heute einfacher, als Vergleichszahlen für Bauten aufzuführen? Sollen wir Ihnen sagen, was das Rundfunkhaus in Köln gekostet hat? 25 Millionen allein für diesen Bau! Und denken Sie an die Aufwendungen, die die Einführung des Fernsehens die deutschen Rundfunkanstalten gekostet hat! Die Bundespost hat 34 Millionen allein für die Richtstrahler mit aufgewendet. Das sind Summen, die insgesamt überhaupt in gar keinem Vergleich stehen zu den 93 Millionen, die immerhin für die Schaffung der Unterkünfte einer ganzen Bundesverwaltung aufgewendet worden sind.
— Entschuldigen Sie! Das Fernsehen bringt was ein? Wenn Sie das Defizit zu tragen hätten, das das Fernsehen heute aufweist: Gnade Ihnen Gott!
— Das Provisorium, Herr Kollege, wird auch noch lange dauern; haben Sie keine Sorge! Hoffentlich erleben wir beide es, daß man da aus den roten Zahlen herauskommt.
Dann ist hier gesagt worden, wir hätten hier in Bonn an der Errichtung von Bundesbauten aufwendig mitgewirkt. Ich möchte zunächst einmal festgestellt haben, daß in Bonn pro Kubikmeter umbauten Raumes nicht teurer gebaut worden ist als in irgendeiner anderen Landeshauptstadt in Deutschland. Das sollte völlig klargestellt sein.
Ich möchte noch ein Zweites klarstellen. Es besteht bei dem Vergleich zwischen Frankfurt und Bonn kein Zweifel zwischen uns darüber, daß eine Großstadt wie Frankfurt bestimmte Erleichterungen eher hätte bieten können als Bonn. Das ist selbstverständlich. Aber Frankfurt hätte in der Unterbringung der wachsenden Ministerien und der obersten Bundesbehörden vor genau dem gleichen Problem gestanden wie Bonn.
Und jede andere Stadt, z. B. Stuttgart, das auch einmal hier im Vergleich gestanden hat, hätte das auch zu bewältigen und hätte auch daran zu knabbern gehabt.
Nun zu der Sorge, die mit einem Mal über die Vergabe der Wohnungen aufgetaucht ist. Ich möchte nur folgendes feststellen. In Bonn gibt es jetzt noch 8000 Wohnungsuchende. Was Köln anlangt, gibt es, soviel ich weiß — man kann mich berichtigen, wenn ich nicht die letzten Ziffern habe —, zwischen 70 000 und 100 000 Leute, die bis heute nicht nach Köln zurückkehren konnten. Es besteht überhaupt keine Schwierigkeit, diese Leute
im Falle einer Wiedervereinigung einmal hier unterzubringen. Ich glaube, das Problem der Errichtung von Wohnbauten in Bonn sollte überhaupt aus der Diskussion völlig ausgeschaltet werden.
Einige von Ihnen und einige von uns waren jetzt anläßlich des Lufthansa-Flugs in Brasilien. Sie lesen jetzt in den Zeitungen, daß sich ein Land wie Brasilien anschickt, seine Hauptstadt von heute auf morgen in das Innere des Landes nach Goyas zu verlegen. Ich glaube, die Leute dort würden nur ein Kopfschütteln für die Sorge übrighaben, die Sie hier im Zusammenhang mit dem Bonner Problem aufgeworfen haben.
Ich glaube, daß sich hier viele Dinge einfach als das herausstellen, Herr Kollege Ritzel, was sie eigentlich sind. Hier soll nämlich ein netter kleiner Wahlschlager aufgetischt werden. Sie haben das ja auch am Schluß hinreichend unterstrichen.
Und ich fand die Art, wie Sie das getan haben, sehr reizend. Nachdem Sie sich nun die Mühe gegeben hatten, für einen Stopp der Bonner Bundesbauten einzutreten, schlossen Sie freundlicherweise mit der Aufforderung, einen neuen Bau anzufangen, natürlich nicht für uns, sondern für die liebe Presse, mit dem frommen Augenaufschlag auf die Tribüne hinauf: Segnet uns und unser Vorhaben; denn wir sind j a bereit, für euch einen neuen Bau hinzustellen.
— Bitte, Sie sind mit uns genauso verfahren; wir wollen Ihnen nur dieselbe Antwort erteilen auf Ihr Vorhaben, uns Dinge zu unterstellen, die niemals unsere Absicht waren. Sie gehen auch hier mit Dingen hausieren, von denen Sie selber sehr genau wissen, daß sie sehr wurmstichig sind.
Nun lassen Sie mich einmal in aller Ruhe noch mit ein paar Worten auf das zurückkommen, was hier zu unserem Plan der Zweckbestimmung dieser Bauten als Studentenwohnheime gesagt worden ist. Ich bin nur über eins erstaunt. Man hat, Herr Dr. Keller, Hunderttausende, Millionen von Flüchtlingsfamilien in Kasernen und woandershin eingewiesen, und nun zweifeln Sie mit einem Male genauso wie Kollege Ritzel daran, daß es möglich sein sollte, Hunderte von Studenten hier in das Hochhaus hineinzubringen, in diese großen Räume, die mit Riesenküchen ausgestattet sind, die Restaurationsräume und Konferenzsäle haben. Hier sind Möglichkeiten geboten. Studenten sind in viel schlechteren Heimen von Universitäten untergebracht worden. Ich glaube, der Vater des Gedankens war, hier mit Gewalt etwas schlecht zu machen, wovon Sie, Herr Dr. Keller, im Grunde selbst überzeugt sind, daß es durchführbar ist.
Es gibt natürlich noch eine Reihe anderer Möglichkeiten. Herr Kollege Dr. Blank sprach von der Unterbringung von Leichtindustrien. Wenn man später die Möglichkeit haben sollte, in den Kasernenbauten draußen Leichtindustrien unterzubringen, so wünsche ich es Bonn; aber zunächst, glaube ich, haben sie sich schon vergeblich bemüht, das zu tun, bevor wir hier eingezogen waren.
Eines will ich am Schluß noch einmal festhalten. Wir können für uns in Anspruch nehmen, daß alle hier errichteten Bauten nicht übermäßig luxuriös ausgeführt worden sind. Sie sind durchaus vernünftig gebaut worden, wenn sie auch nicht, sagen wir einmal, meinem persönlichen Schönheitsideal entsprochen haben; denn ich habe nie ein Hehl daraus gemacht, daß ich das Auswärtige Amt für einen der langweiligsten Bauten halte, die wir in letzter Zeit auch von Bundes wegen erstellt haben. Aber wir dürfen dabei eins nicht vergessen: Wir haben außerhalb von Bonn eine ganz große Zahl von Bauten errichtet, deren Bausumme zusammen weitaus größer ist als die Summe der Bundesbauten hier in Bonn. Denken Sie doch bitte nur an das Patentamt in München mit annähernd 25 Millionen DM, an das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mit 14 oder 15 Millionen, an den Bundeswetterdienst in Offenbach und auch an so viele andere Bauten, die wir neuerdings in Berlin errichtet haben, um der Berliner Bauindustrie einen notwendigen Auftrieb zu geben.
Wir müssen diese Dinge alle im Zusammenhang sehen. Und wenn Sie sie in diesem Zusammenhang sehen und die Idee, die wir vorgetragen haben, einmal wirklich auf ihre Durchführbarkeit hin prüfen, dann werden Sie finden, Herr Kollege Dr. Keller, daß wir damit nicht zu spät gekommen sind; denn ich habe sie bereits im Juni dieses Jahres bei der Behandlung dieser Frage in die Debatte geworfen. Das ist auch bereits vom Herrn Berichterstatter mitgeteilt worden. Der Vorwurf, den Sie mir da gemacht haben, ich hätte eine Retourkutsche gefahren, zieht also nicht.