Rede von
Hans
Lenz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind der sozialdemokratischen Fraktion dankbar gewesen, daß sie im Dezember vorigen Jahres den Antrag auf Erhellung der Kosten für die Bundesbauten gestellt hat. Wir sind nun der Bundesregierung dankbar, daß sie in einer sehr minutiösen Weise diese Darstellung gegeben hat. So wünscht, glaube ich, das Parlament von seiner Regierung unterrichtet zu werden.
Wir wissen nun: der Aufbau in Bonn, Dienstgebäude und Wohnungen, hat rund eine Viertelmilliarde DM gekostet — ungefähr so viel wie das britische Hauptquartier in Mönchen-Gladbach, das aus Besatzungskosten bezahlt worden ist. Diese Relation zeigt, wie schwierig es ist, diese Dinge rein vom Finanziellen her zu sehen.
Der Streit Bonn —Frankfurt ist natürlich verdeckt der Streit um eine Politik der Bundesregierung. Wir sollten, glaube ich, das offen bekennen. Damals hat sich Bonn aus verschiedenen Gründen angeboten. Hier waren Kasernen frei, und diese Kasernen haben am Anfang die Arbeit der Bundesregierung sicher erleichtert. Man muß schließlich auch darauf sehen, daß ein Staat funktionsfähig ist, daß es möglich ist, die notwendigen Behörden unterzubringen, damit überhaupt regiert werden kann. Ich glaube, das sollten wir nicht bestreiten wollen.
Was man der Bundesregierung vielleicht oder wirklich zum Vorwurf machen kann, ist, daß sie in dem Gefühl, gegen Berlin eine Sünde zu begehen, in Bonn regiert hat. Sie hat sich nicht offen dazu bekannt, daß sie vom Schicksal beziehungsweise durch eine Abstimmung ausersehen wurde, in Bonn regieren zu müssen, daß sie dann zwangsläufig dank und infolge der wachsenden Bedeutung der Bundesrepublik überhaupt hier Verwaltungszentren bauen mußte, die als Folge einer bestimmten Politik, die von einem großen Teil dieses Hauses getragen war, erstellt worden sind. Man kann ihr den Vorwurf machen, daß sie, wie man im Schwäbischen sagt, diese Dinge „hehlingen" gebaut hat, daß sie von Stück zu Stück, von der Hand in den Mund lebte und daß sie nicht eine Konzeption im Hinblick auf das Provisorium, auf den Übergangscharakter Bonns entwickelt hat. Es ist keine Frage — das wird man sagen können—, daß diese 250 Millionen Mark nicht so hätten verbaut werden müssen, wie sie verbaut worden sind. Es bleibt ganz zweifellos ein großes Unbehagen über diese Bundesbauten, die nun verzettelt und in vielen einzelnen Winkelbauten in Bonn zerstreut sind. Hier ergibt sich eine schwierige Aufgabe. Bei aller Anerkennung Ihres Vorschlages, Herr Dr. Vogel, der in irgendeiner Form, wie mir gesagt wurde, auch von unserer Fraktion schon einmal geäußert worden ist: das Problem als solches werden wir dadurch natürlich nicht lösen.
Ich weiß auch nicht, ob es sinnvoll wäre, zu sagen, man solle einmal die Bundesbehörden hierlassen. Schließlich gehören sie an den Sitz der Bundesregierung. Ich weiß nicht, wieweit es möglich sein wird, supranationale Behörden nach Bonn zu ziehen. Jedenfalls können wir über die veränderte Welt, die einmal sein wird, wenn die Bundeshauptstadt wieder Berlin heißt, heute noch nichts Endgültiges sagen.
Aber ich kann Ihnen nicht ganz zustimmen, Herr Kollege Ritzel, wenn Sie den provisorischen Charakter Bonns als Bundeshauptstadt bestreiten. Auf Schritt und Tritt können Sie doch hier von jedermann, der mit Bundesministerien zu tun hat, hören, wie unerquicklich die Situation Bonns als Hauptstadt ist. Eine Hauptstadt gehört in eine Großstadt mit all ihren Institutionen. Wir haben hier weder eine führende Oper noch ein führendes Schauspiel. Wir haben zwar dank der Unterstützung durch den Bund sehr gute Konzerte. Wir haben hier keine großen Redaktionen, wir haben keine Wirtschaftsverwaltungen. Es fehlen alle Elemente, die zu einer wirklichen Hauptstadt gehören.
Infolgedessen muß es jedem einzelnen von uns klar sein, daß das Provisorium Bonn wirklich nur ein Übergang sein kann.
Es ist, zugegeben, ein Stück unbewältigter Gegenwart. Es ist, selbst mit den großen Mitteln, die in diese Stadt, in dieses Gelände zwischen Köln und Mehlem hineingesteckt wurden, nicht geglückt, wirklich etwas zu schaffen, was wir guten Gewissens wieder verlassen können. Aber eins sollten wir nicht vergessen und es Bonn in irgendeiner Form danken. Ich weiß nicht, wie weit die Absprachen mit der Stadt Bonn oder mit dem Land Nordrhein-Westfalen beim Aufbau dieser
Stadt gegangen sind. Ich weiß, daß wir ein Erbe hinterlassen werden, das den Stadtkämmerern von Bonn schwere Sorgen machen wird. Aber es war eine Brücke, eine Brücke in eine andere Zeit, die wir kommen sehen. Wir sollten lieber von dieser Brücke nach Berlin sprechen als von dem Provisorium. Niemand von uns wird heute daran zweifeln, daß die Hauptstadt Deutschlands Berlin ist.