Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Rehs hat zu Beginn seiner Ausführungen die Tatsachen, die er beanstandet hat, in einen allgemeinen Rahmen gestellt. Ich muß dazu sagen, daß diese Maßnahmen fast im ganzen Bundesgebiet in Gang gebracht worden sind und in Gang gebracht werden mußten, daß sich nennenswerte Schwierigkeiten aber nur im Bezirk Kiel ergeben haben.
— Herr Abgeordneter, ich komme gleich noch darauf. Im wesentlichen ist es nur der Bezirk Kiel. — Die Leitung des Bundesfinanzministeriums ist nicht in der Lage, von vornherein sämtliche laufenden Verwaltungsakte einer Außenbehörde zu sehen, zu beurteilen, zu billigen. Sie muß darauf vertrauen, daß die Außenbehörden nicht nur von ihren Rechten Gebrauch machen, sondern diese Rechte auch mit Takt, wirtschaftlicher Vernunft und sozialem Verständnis anwenden.
Sobald ich von den Schwierigkeiten in Schleswig-Holstein gehört habe, habe ich mich der Angelegenheit angenommen und habe selbst eingegriffen. Ich habe am 27. April 1956 — am 27. April! — an den Herrn Ministerpräsidenten des Landes Schleswig-Holstein, an den Herrn Minister für Arbeit, Soziales und Vertriebene und an den Herrn Finanzminister des Landes Schleswig-Holstein geschrieben. Eine Abschrift dieses Schreibens hat der Herr Abgeordnete Rehs unter dem 30. April von meiner Abteilung erhalten. Nachdem trotz dieser schriftlichen Aufklärung die Fraktion der SPD den Antrag unter dem Datum des 4. Mai gestellt hat, hat das Bundesfinanzministerium allerdings geglaubt, nicht während der Ferien den Versuch machen zu sollen, durch eine schriftliche Beantwortung des Antrags der Erörterung hier im Plenum des Hohen Hauses auszuweichen. Es ist ja nicht üblich, daß solche Anträge durch schriftliche Beantwortung erledigt werden; das gilt, soviel ich weiß, nur für kleine Anfragen, die während der Fragestunde nicht mehr unmittelbar beantwortet werden konnten. Wir wollten aber auch nicht den Anschein erwecken, als ob wir Ursache hätten, der Debatte im Plenum des Hohen Hauses auszuweichen. Nachdem aber der Herr Abgeordnete Rehs in seinen Ausführungen der Bundesregierung Verstöße wider Treu und Glauben und arglistiges Verhalten vorgeworfen hat — Vorwürfe, die ich durchaus zurückweisen muß—, werde ich mich in einer Antwort auf eine Darlegung der Tatsachen und Maßnahmen, die die Bundesregierung, insbesondere das Bundesfinanzministerium ergriffen hat, beschränken.
Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten darf ich aber zunächst den Wortlaut meines Schreibens vom 27. April vorlesen, damit das Hohe Haus erfährt, nach welchen Grundgedanken bereits damals das Bundesfinanzministerium in die schwebenden Maßnahmen eingegriffen hat. Das Schreiben hat folgenden Wortlaut:
Ebenso wie in anderen Ländern müssen auch im Lande Schleswig-Holstein bundeseigene Liegenschaften, insbesondere ehemalige Wehrmachtsliegenschaften, für Zwecke der deutschen Streitkräfte frei gemacht werden. Um klare Rechtsverhältnisse zu schaffen, ist es notwendig, daß in diesen Fällen die Oberfinanzdirektion die mit den derzeitigen Benutzern der Liegenschaften abgeschlossenen Miet- und Pachtverträge unter Wahrung der vertraglichen oder gesetzlichen Fristen rechtzeitig und ordnungsmäßig kündigt. Unbeschadet der Rechtswirksamkeit solcher Kündigungen ist die tatsächliche Freimachung der bundeseigenen Liegenschaften nach Beendigung der Miet-
und Pachtverhältnisse durch die Oberfinanzdirektion grundsätzlich erst dann durchzuführen, wenn die anderweitige angemessene Unterbringung der betroffenen Familien und Betriebe gewährleistet ist.
Zu diesem Zweck hat die Bundesregierung die erforderlichen Maßnahmen eingeleitet und die notwendigen Bundesmittel bereitgestellt. Demgemäß werden in ausreichender Zahl Ersatzwohnungen erstellt, so daß jede Familie, die in den ehemaligen Wehrmachtsliegenschaften gegenwärtig wohnt und nicht anderweitig eine bereits vorhandene Wohnung beziehen kann, eine angemessene Ersatzwohnung erhält. Gewerbliche Betriebe haben die Möglichkeit, sich mit Hilfe von Bundesdarlehen zu günstigen Bedingungen geeignete Ersatzbetriebsstätten selbst zu erstellen, soweit nicht im Einzelfall vorhandene Betriebsräume bereitgestellt werden können.
Für landwirtschaftliche Pächter ist die Beschaffung oder Neuerrichtung von Ersatzhof-stellen vorgesehen. Darüber hinaus werden unter Berücksichtigung der einschlägigen Vorschriften insbesondere Umzugskosten und Investitionen erstattet. Die Oberfinanzdirektion habe ich ersucht, diejenigen Mieter und Pächter, denen bereits gekündigt ist, in geeigneter Weise von meiner Auffassung zu unterrichten
und sie in jeder Weise mit Rat und Tat zu unterstützen. Ich habe der Erwartung Ausdruck gegeben, daß alle Angehörigen der Bundesvermögensabteilung der Oberfinanzdirektion und der Bundesvermögensstellen bei ihren Verwaltungsmaßnahmen vor allem auch die menschliche Seite des Freimachungsproblems niemals außer acht lassen und über die Anträge der Kündigungsbetroffenen beschleunigt und wohlwollend entscheiden.
Die Landesregierung ermächtige ich, den Landtag von diesem Fernschreiben zu unterrichten und den Inhalt auch der Presse des Landes bekanntzugeben.
Meine Damen und Herren, das ist am 27. April geschehen. Am 30. April ist dem Herrn Abgeordneten Rehs eine Abschrift hiervon zugegangen. Am 4. Mai hat dann die Fraktion der SPD den heute behandelten Antrag gestellt.
Dies vorausgeschickt, halte ich mich für verpflichtet, zu den sechs einzelnen Punkten des Antrags der Fraktion der SPD nun noch die folgende Stellungnahme im Einvernehmen mit den Bundesministerien für Verteidigung und für Wohnungsbau bekanntzugeben:
Zu Ziffer 1. Nach den hier vorliegenden Unterlagen des Bundesministeriums für Verteidigung ist im Lande Schleswig-Holstein für die Zeit von 1956 bis 1958 die Inanspruchnahme von 56 ehemaligen Wehrmachtsliegenschaften vorgesehen. Bei dieser Zahl handelt es sich zunächst um Planungen. Die endgültige Inanspruchnahme hängt im wesentlichen von noch durchzuführenden Ortsbesichtigungen und insbesondere von Verhandlungen mit dem Lande Schleswig-Holstein ab. Bisher hat das Bundesministerium für Verteidigung die Freimachung von 28 Objekten gefordert. Die Inanspruchnahme soll in den Jahren 1956 und 1957 erfolgen. Von ihr werden 112 Gewerbebetriebe mit 1150 Arbeitnehmern, 42 landwirtschaftliche Betriebe und 7 Anliegerpächter betroffen.
Zu Ziffer 2. Das Bundesministerium der Finanzen hat dem Herrn Ministerpräsidenten des Landes Schleswig-Holstein mit dem von mir bereits verlesenen Schreiben mitgeteilt und durch Weisungen an die Oberfinanzdirektion sichergestellt, daß die in Betracht kommenden Liegenschaften unbeschadet der Rechtswirksamkeit der Kündigungen erst dann tatsächlich freigemacht werden, wenn die anderweitige angemessene Unterbringung der Betriebe gewährleistet ist. Damit ist sogleich Vorsorge dafür getroffen, daß die Betriebe in der Fortführung ihrer Produktion nicht mehr als in dem durch die Verhältnisse bedingten Umfang beeinträchtigt werden.
Zu Ziffer 3. In den zunächst für die Bundeswehr freizumachenden Liegenschaften sind 899 Familien mit 3124 Personen untergebracht. Die Mieter brauchen diese Wohnungen erst dann zu räumen, wenn die erforderlichen Ersatzwohnungen bezugsfertig sind. Die Beschaffung dieser Ersatzwohnungen erfolgt nach den Richtlinien des Bundesministers für Wohnungsbau, die mit Erlaß vom 29. Februar 1956 bekanntgegeben sind. Hiernach stellt der Bund für den Bau von Ersatzwohnungen ohne Inanspruchnahme der sonstigen Bundesmittel für den Wohnungsbau bis zu 60 v. H. der Herstellungskosten bereit. Wenn von der Freimachung der Kasernen Betriebsräume des Kleingewerbes oder freier Berufe betroffen werden, so können Ersatzbetriebsräume damit finanziert werden. Räumungsbetroffene, die imstande sind, sich selbst eine Ersatzwohnung zu beschaffen, können Bundesmittel für Mietvorauszahlungen und Abstandszahlungen erhalten. Demnach sind die Befürchtungen, daß die von der Freimachung betroffenen Mieter keinen ausreichenden Ersatz erhalten, unbegründet; sie werden die Ersatzwohnungen zu zumutbaren Bedingungen erhalten.
Zu den Ziffern 4 und 5: Wie sich bereits aus der Antwort zu Ziffer 2 ergibt, werden die Bundesliegenschaften erst dann freigemacht, wenn die anderweitige angemessene Unterbringung der Betriebs- und Wohnungsinhaber gewährleistet ist. Es ist aus rechtlichen Gründen jedoch nicht möglich gewesen, von der Kündigung der bestehenden Miet- und Pachtverhältnisse abzusehen. Auch gibt erst die Kündigung des Vertragsverhältnisses den Mietern und Pächtern die Möglichkeit, die Anträge auf Gewährung von Bundesdarlehen, auf Erstattung von Umzugskosten, von Investitionen usw. zu stellen. Die Befürchtungen, daß die bereits ,ausgesprochenen Kündigungen zu kurzfristigen, gegebenenfalls zwangsweisen Räumungen führen würden, sind unbegründet. Die Oberfinanzdirektion Kiel ist angewiesen worden, denjenigen Mietern und Pächtern, denen bereits gekündigt worden ist, von dieser Auffassung Kenntnis zu geben und sie in jeder Weise mit Rat und Tat zu unterstützen. Ich habe schon betont, daß die Dienststellen des Bundes bei ihren Maßnahmen niemals die menschliche Seite des Freimachungsproblems außer acht lassen werden und über die Anträge der Betroffenen beschleunigt und wohlwollend entscheiden sollen.
Ich darf im übrigen auf die Freimachungsrichtlinien hinweisen, die in ihrem Einleitungssatz selbst betonen, daß sie in dem Fall, daß sich Änderungen als notwendig herausstellen, selbstverständlich der Änderung unterliegen können. Das ist j a nicht ein Gesetz, dessen Wortlaut feststeht, abgesehen davon, daß bekanntlich auch Gesetze einer manchmal häufigen Änderung durch die gesetzgebenden Organe unterliegen.
Zu Ziffer 6: Die Inanspruchnahme von bundeseigenen Liegenschaften für Zwecke der Bundeswehr erfolgt nur im Einvernehmen mit der Landesregierung Schleswig-Holstein. Der Herr Bundesminister für Verteidigung hat in jedem Fall um die Zustimmung der Landesregierung für die Inanspruchnahme ehemaliger Wehrmachtsliegenschaften nachgesucht. Durch die soeben von mir genannten Freimachungsrichtlinien ist im übrigen sichergestellt, daß die zuständigen Stellen des Landes Gelegenheit erhalten, zu den Anträgen der Betroffenen vor der Entscheidung gutachtlich Stellung zu nehmen, und daß schwierige Anträge mit den Landesdienststellen beraten werden. Sollten sich im Einzelfall trotzdem noch Beschwerden erheben, so würde ich bitten, sie dem Bundesfinanzministerium unverzüglich mitzuteilen, damit wir abhelfen können. Es wird auch durchaus möglich sein, wenn das gewünscht wird, besonders schwierige Fälle in den Ausschüssen des Hohen Hauses, die sich nachdem Antrag der Fraktion der SPD mit der Frage beschäftigen werden, weiter zu erörtern. Ich glaube aber jedenfalls gezeigt zu haben,
daß die Bundesregierung bereits von Ende April an alles in ihrer Macht Stehende getan hat, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen.