Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es ist gewiß nicht leicht, wenn man heute als letzter Redner zu dem Rentenversicherungsgesetz zu sprechen hat; aber ich glaube, daß es andererseits ganz gut für mich gewesen ist, einmal die Betrachtungen der Reihe nach zu hören, die von meinen Vorrednern angestellt worden sind. Ich habe daran erkannt, von welch verschiedenen Betrachtungsorten aus man diese Problematik überhaupt sieht. Ich habe wirklich nicht die Absicht, hier Betrachtungen mit einer -- entschuldigen Sie den Ausdruck — weltanschaulichen Untermauerung anzustellen. Ich will mich in die Lebensnähe dieser Problematik begeben; ich will es tun, um mich hier auf dieses Gesetz zu konzentrieren. Ich will es aber auch tun im Hinblick auf Ergänzungen, die hier ausgesprochen worden sind und die, wie ich glaube, oftmals die Spannweite einer gewissen Verantwortung, die wir als Abgeordnete des Bundestages zu tragen haben, etwas überrundet haben.
Ich habe mit großer Besorgnis davon gehört, welch große Gefahr die — hoffentlich recht erhebliche — Anhebung der Renten im Hinblick auf die Gefährdung der Währung, im Hinblick auf irgendwelche inflationistischen Erscheinungen darstellen könne. Wenn das die Rentner draußen hörten — ich weiß nicht, wie sie sich dazu äußern würden! Man hat sich jahrelang, sicherlich auch im Hinblick auf die Fülle der sozialpolitischen Aufgaben, die auf uns zugekommen sind, nicht sehr intensiv darum gekümmert, inwieweit die Höhe der Renten dem Preis- und Lohngefüge nachhinkt. Heute, wo nun die Regierungsvorlage da ist, müssen wir uns von verschiedenen Seiten sagen lassen, daß gerade die Renten und die Rentner eine Gefahr für die Währung bilden könnten und die Voraussetzungen für inflationistische Erscheinungen schaffen könnten.
Wir wollen uns doch bei der allgemeinen Betrachtung darauf einigen, zu sagen, daß der Anteil der Rentner am Sozialaufkommen viel zu gering ist, um eine solche Gefahr heraufbeschwören zu können. Es ist geradezu merkwürdig, ja, ich möchte sagen, es ist vielleicht grotesk, daß gerade ich als Sprecherin einer Oppositionsfraktion mich gewissermaßen als Schutzpatron für die Auffassung des Herrn Bundeskanzlers fühle, der wer weiß wie oft schon gesagt hat, daß unsere Währung durchaus gesund ist, und der sich dagegen verwahrt hat, daß man immer von Währungsgefahr und Inflationsgefahr spricht.
Hier wird davon gesprochen, daß man die Rentenversicherung immer mehr auf das Gebiet der Versorgung hinüberschiebt und daß sich alles — das ging aus manchem, was hier gesagt wurde, hervor — allein noch auf den Vater Staat verläßt, während man doch dazu kommen müßte, daß auch der Arbeitnehmer die selbständige Eigentumsbildung erreicht. Zu dieser sagen auch meine politischen Freunde und ich ja. Aber wir müssen doch sehen, daß es gerade für den Angestellten und den Arbeiter am allerschwierigsten ist, zu einer Eigentumsbildung zu kommen. Wir wollen dabei nicht verkennen und müssen das in den Kreis unserer Betrachtungen mit einspannen, daß gerade auch der Arbeiter und der Angestellte durch Krieg und Kriegsfolgen Eigentum verloren haben und heute noch nicht wieder in der Lage sind, einen größeren Teil dieses verlorenen Eigentums neu zu bilden.
Von Anbeginn an ist die Rede davon gewesen, daß es die Aufgabe des 2. Bundestages sein müsse, zu einer umfassenden Sozialreform zu kommen. Ich möchte dabei auf die Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers hinweisen und hervorheben, daß dieses Ziel für uns, die wir damals eine der Koalitionsfraktionen waren, ein besonderes Anliegen und auch die Veranlassung gewesen ist, weshalb wir damals in die Regierung hineingegangen sind. Wir haben es schmerzlich vermißt, daß aus diesen Vorsätzen nichts geworden ist. Heute haben wir einen Teil der Sozialreform in Gestalt eines Rentenversicherungsgesetzes vor uns liegen. Schon nach dem äußeren Bild sind wir nicht davon überzeugt, daß es sich hier um eine Rentenreform handelt. Es handelt sich doch lediglich um zwei Arten von Rentnern, nämlich der Angestellten und der Arbeiter als Versicherte; weite Kreise anderer Rentnergruppen sind dabei ausgeschlossen. Das liegt sicherlich nicht zuletzt daran, daß andere Gesetze geschaffen wurden, mit denen man aber die sozialen Nöte nicht genügend aufgefangen und gemildert hat. Es ist sehr häufig von Heimatvertriebenen die Rede gewesen. Ich wüschte, man hätte die Betonung auf Heimatvertriebene und Kriegs-sachgeschädigte gelegt, als im 1. Bundestag das Lastenausgleichsgesetz geschaffen wurde. Dann wären heute nicht, wie das bisher geschehen ist, die Unterhaltshilfeempfänger mit dem Hinweis anzusprechen gewesen, daß sie die Benachteiligten sind, wenn wir jetzt daran gehen, die Renten der Angestellten und der Arbeiter neu zu ordnen. Gerade weil das Lastenausgleichsgesetz keineswegs den Vorstellungen meiner politischen Freunde entsprochen hat und weil auch die nachfolgenden Novellen noch nicht das erfüllt haben, was wir uns unter dem Gesichtspunkt einer sozialen Gerechtigkeit wünschen, müssen wir heute feststellen, daß es nicht angebracht ist, eine Sozialversicherung so zu betrachten, als handelte es sich um eine Privatversicherung. Wir möchten die Betonung sehr auf „sozial" legen und daran erinnern, daß auch die Solidarhaftung keinesfalls strapaziert werden darf.
Wir haben es bisher auch nicht zu einer Bedarfsrente gebracht. Das ist bisher doch nur eine nomi-
nelle Angelegenheit gewesen. Wir müssen zu einer Bedarfsrente kommen. Die vielen nachfolgenden Gesetze zur Erhöhung der Renten, die heute vom Herrn Kollegen Horn mit Recht erwähnt worden sind, haben nicht zu einer tatsächlichen Bedarfsrente geführt.
Nach diesen allgemeinen Betrachtungen noch ein Wort zu dem äußeren Bild dieses Rentenversicherungsgesetzes. Es sind Änderungen des Vierten Buches der Reichsversicherungsordnung. Ich muß offen gestehen, daß wir uns unter einem neuen Rentenversicherungsgesetz auch in der äußeren Erscheinung und in der äußeren Darstellung dieses Gesetzes etwas anderes vorgestellt haben. Wir möchten — der Standpunkt ist, wie Sie aus mancherlei Ausführungen zu anderen erstellten Gesetzen gehört haben, immer von meiner Fraktion vertreten worden — Gesetze schaffen, die auch der Staatsbürger versteht und leicht nachlesen kann. Auch bei diesem Rentenversicherungsgesetz, das den Staatsbürger schon als Versicherten sehr interessiert, muß er im Bilde sein und muß es ihm leicht gemacht werden, sich darin zurecht zu finden. Wir müssen zugeben, daß das Nachlesen doch nur eine Angelegenheit von Fachleuten, zumindest von Menschen ist, die auf diesem Gebiet schon einigermaßen versiert sind. Es mag vielleicht sein — und ich habe die hier ausgesprochene Anregung begrüßt —, daß wir der Klarheit und Übersichtlichkeit schon einen Schritt näherkommen, wenn wir eine Novellierung des AVG vornehmen und dazu noch ein Gesetz für die in der Invalidenversicherung Versicherten schaffen.
Ich meine, es sollte auch möglich sein, Voraussetzungen für eine Verwaltungsvereinfachung zu schaffen. Darauf werde ich noch zu sprechen kommen. Bisher habe ich noch nicht den Eindruck, daß hier etwas Entscheidendes geschieht.
Auch über die Durchführung, insbesondere über die Umwandlung der Rentensätze, die die jetzt lebenden Rentner erhalten, in die zukünftigen neuen Rentensätze, werden wir uns im Ausschuß noch sehr eingehend zu unterhalten haben. Hier gilt es, nach Möglichkeit Zeitversäumnisse und vor allen Dingen einen großen Kostenaufwand zu vermeiden. Das wird sicherlich eine der schwierigsten Aufgaben sein, die sich aus der Struktur dieses Gesetzes ergeben.
Nun darf ich auf Einzelheiten eingehen. Ich will nur diejenigen ansprechen, die entweder noch nicht erwähnt worden sind oder bei denen ich noch ein besonderes Anliegen meiner politischen Freunde vorzubringen habe.
Sowohl im Regierungsentwurf wie auch im SPD-Entwurf ist vorgesehen, daß alle Arbeitnehmer versichert sein sollen. Dem stimmen wir auf Grund der Erfahrungen der letzten zehn Jahre zu. Auch im Sozialpolitischen Ausschuß unserer Partei ist diese Forderung als durchaus richtig empfunden worden. Darüber, wo die versicherungspflichtige Grenze liegen soll, ob bei 750 oder bei 1000 DM, wird man Sachverständige hören müssen. Aber im Grundsatz begrüßen wir, daß alle Arbeitnehmer versichert sein sollen. Wir sind nicht der Meinung, die heute zum Ausdruck gekommen ist, daß damit ein gewisser Zwang auf diejenigen ausgeübt wird, die von sich aus, aus eigenem Willen die Vorsorge für ihr Alter treffen möchten. Wir haben zu viele Klagen gehört, und die Erfahrungen des Krieges und der Nachkriegszeit haben doch gezeigt, daß auch Bezieher von Einkommen von etwa 1000 DM nicht unter allen Umständen dazu in der Lage sind, eine Vorsorge für das Alter zu treffen.
Daran sollten wir uns einmal erinnern. Wir dürfen auch nicht von normalen Lebensverhältnissen ausgehen. Wir haben einen Krieg verloren, 220 000 Menschen leben noch in Baracken, und in den Zonengrenzbezirken haben wir jahrelang Dauerarbeitslose. Außerdem sollten wir daran denken, daß im Kreise der Rentner ein Nachholbedarf besteht und daß der Kreis der Rentner in den nächsten 15, 16 Jahren und darüber noch sehr viel größer sein wird als im Augenblick.
Wir sollten uns vor allen Dingen daran erinnern, daß wir die Folgen des Krieges in diesem Kreis der deutschen Bevölkerung noch längst nicht überwunden haben, trotz eines deutschen Wirtschaftswunders!
Von hier aus betrachtet sehen die Dinge doch sehr viel anders aus. Man sollte sehr vorsichtig mit der Behauptung sein, daß man bei einem Gehalt von 750 oder 1000 DM von sich aus Vorsorge treffen könne. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, daß nur ich allein die Briefe aus jenen Kreisen bekomme, die sich durchaus einmal in dieser guten Situation befunden haben und die heute vor dem Nichts stehen.
Gerade im Hinblick auf die Flut der Zuschriften, die uns wohl alle erreicht haben, möchte ich zum Ausdruck bringen, daß auch meine politischen Freunde nicht daran denken, die Bundesanstalt für Angestelltenversicherung irgendwie in ihrem Bestand und in ihren Rechten anzutasten. Auch wir bekennen uns dazu, daß die Rechte der Angestelltenschaft erhalten bleiben sollen. Aber wir wollen uns auch nicht irgendwie einer Entwicklung, der wir nicht entgehen können, in den Weg stellen. Wir wollen nicht die Augen davor verschließen, daß heute der Stand des Arbeiters gesellschaftlich und gesellschaftspolitisch ein anderer ist als vor 20, 30 oder 50 Jahren.
Wir sollten auch die Wertigkeit der Leistung dieses Arbeiters, sowohl des Facharbeiters als des angelernten Arbeiters, heute durch eine etwas andere Brille sehen, weil bei den Arbeitern oftmals eine sehr gründliche Vorbildung und Ausbildung erforderlich ist, wie wir sie manchmal bei Angestellten nicht vorfinden. Ich habe den Mut, das hier zu sagen, denn ich komme aus der Gewerkschaftsarbeit der Angestellten und ich gehöre selber einer Angestelltenorganisation an. Arbeiter und Angestellte, diese beiden Stände — wenn man überhaupt von „Ständen" sprechen will — sollten nicht miteinander konkurrieren; wir sollten sie auch gar nicht irgendwie zu einer Gleichmacherei verurteilen. Was für den Arbeiter noch nachzuholen ist, was bei ihm bisher versäumt worden ist, sollte in diesem Gesetz unter allen Umständen geregelt werden. Wir bekennen uns auch deshalb grundsätzlich dazu, weil wir uns dafür ausgesprochen
haben, den Arbeiter im Krankheitsfall ebenso wie den Angestellten zu behandeln. In Konsequenz einer solchen Auffassung müssen wir uns für eine gleiche Behandlung der Arbeiter und Angestellten einsetzen.
Eine etwas schwierige Angelegenheit ist die Selbstversicherung. Meine politischen Freunde sind der Meinung, daß die Selbstversicherung im Prinzip nicht mehr angebracht ist, daß wir sie aber für eine gewisse Übergangszeit sicherlich nicht entbehren können. Ich brauche nur an die Frage der Handwerkerversicherung zu erinnern. Das ist nur eines dieser Dinge. Wir müssen vor allen Dingen den kleineren Selbständigen die Möglichkeit geben, sich eine eigene Einrichtung zu schaffen. Ich will hierbei nicht auf Einzelfragen eingehen. Auch zu der sogenannten Hausfrauenversicherung, die ja nur ein Ausschnitt aus der freiwilligen Selbstversicherung ist, für einen gewissen Teil der Frauen, soweit sie nicht vorher pflichtversichert waren, wäre sicherlich einiges zu sagen. Denn wir sollten gewiß vermeiden, daß die freiwillig Selbstversicherten eine Rente beziehen, die sich nicht aus ihren eigenen Beiträgen finanziert, sondern aus den Beiträgen der Pflichtversicherten. So etwas wäre nicht als gerecht zu bezeichnen.
Zur Erhaltung und Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit bedarf es eines ganz besonderen Grundsatzes, den ich kurz herausstellen möchte. Selbstverständlich setzen wir uns dafür ein, daß die Arbeitskraft erhalten bleibt und auch wiederhergestellt wird. Dabei dürfen keinerlei Maßnahmen gescheut werden. Aber eines sollten wir als Grundsatz anerkennen: daß dabei kein Zwang ausgeübt werden kann; es muß immer eine freiwillige Maßnahme für den Arbeitnehmer sein, weil nur einer solchen Maßnahme Erfolg beschieden sein wird.
Ganz kurz zur Invalidenversicherung! Wir sind damit einverstanden, daß eine gestufte Invalidenrente geschaffen wird. Aber es wäre noch sehr zu überlegen, ob man nur dann zu einer 100°/oigen Invalidenrente kommen soll, wenn keinerlei Nebeneinnahme mehr möglich ist. Man sollte überlegen — das wird Aufgabe in den Ausschußsitzungen sein --, ob man sie nicht auch bei 80 %iger Invalidität schon gewähren sollte; denn geringste Nebeneinnahmen sollten nicht dazu führen, daß die volle Invalidenrente verwehrt wird. Ich wende mich dabei besonders an die Kolleginnen und Kollegen in diesem Hause, die doch immer davon sprechen, daß die Eigeninitiative und die Eigenverantwortung angesprochen werden sollen. Sie würden bestimmt gedrosselt werden, wenn es bei einer solchen Bestimmung bliebe.
Heute ist schon sehr viel von der Altersgrenze gesprochen worden. Meine politischen Freunde stehen natürlich zu der Altersgrenze von 65 Jahren. Eine Heraufsetzung oder die Regelung, daß jemand im Alter von mehr als 65 Jahren zur Steigerung der Rente noch weiter arbeiten kann, ist wohl überhaupt nicht diskutabel. Wir sollten lieber dafür sorgen und die Regierung bitten, daß durchgreifende Maßnahmen gefunden werden, damit die älteren Arbeitnehmer, die schon jahrelang arbeitslos sind, endlich einen Arbeitsplatz bekommen. Das ist ein sehr schwieriges Problem, das immer noch nicht aufgegriffen worden ist.
Die Festsetzung der Altersgrenze der Frauen sollten wir, wie die Sozialpolitik insgesamt, nur unter dem Gedanken der Wiedervereinigung sehen. Wir sollten uns nicht davon beschämen lassen, daß die Frauen in der sowjetisch besetzten Zone mit 60 Jahren Anspruch auf Rente haben. Die Begründung, Herr Arbeitsminister, die Sie hier gegeben haben, ist nicht überzeugend. Wie es meine Vorrednerin schon getan hat, so möchte auch ich sagen, daß die Organisationen den Mut haben sollten, sich zu melden und uns ihren Standpunkt darzulegen; denn es ist kaum vorstellbar, daß Frauen der Meinung sind, sie werden, wenn sie den Anspruch auf eine Rente geltend machen, von ihrem Arbeitsplatz verdrängt. Ich weise darauf hin, daß nur 17 % der Frauen mit 60 Jahren einer Berufsarbeit nachgehen. Das ist ein schlagender Beweis dafür, wie es im allgemeinen in diesen Altersgruppen mit der Berufsarbeit der Frauen aussieht.
Es muß aber auch eine Gleichziehung erfolgen dergestalt, daß der Arbeiter, wie wir das bisher in § 397 AVG geregelt hatten, mit 60 Jahren Anspruch auf Rente hat, wenn er länger als ein Jahr arbeitslos ist. Es muß ermöglicht werden, das für den Arbeiter nachzuholen. Wenn diese Möglichkeit geschaffen wird, dann gerät damit in keiner Weise das Recht der Angestellten ins Hintertreffen. So wollte ich vorhin schon meine Ausführungen im Hinblick auf Arbeiter einerseits und Angestellte andererseits aufgefaßt wissen.
Wir haben es sehr bedauert, daß im Regierungsentwurf die Elternrente nicht enthalten ist. Wir melden jetzt schon auch die Forderung nach einer Geschwisterrente an. Ein Gesetz, in dem die Eltern- und die Geschwisterrente nicht enthalten ist, ist nicht fortschrittlich. Wenn man heute von dem Rentenversicherungsgesetz als von einer Rentenreform spricht, dann vermissen wir das um so mehr. Wir sollten uns darüber einig werden, daß die Begriffe Eltern- und Geschwisterrente — sie sind schon von anderer Seite aufgegriffen worden — in diesem neuen Gesetz verankert werden.
Ein ganz besonderes Anliegen, das vom Bundesrat vorgebracht und auch gebilligt worden ist, das aber die Bundesregierung ablehnt, ist die Forderung der Sicherung des Alters auch für einen Personenkreis, der durch Kriegsfolgen seiner Altersversorgung beraubt worden ist, dessen Angehörige als Arbeitnehmer tätig waren, die die Wartezeit nicht erfüllt haben oder nur eine geringe Versicherungszeit nachweisen können. In diesem Personenkreis befinden sich sehr viele Heimatvertriebene und Flüchtlinge, aber auch Einheimische, die durch Kriegsfolgen ihres Arbeitsplatzes oder ihrer Existenz beraubt worden sind. Sicherlich haben wir dem Bundesrat dafür zu danken, daß er den Vorschlag gemacht hat, auch diese Menschen in die Rentenversicherung einzubeziehen und durch Bundesmittel, auch in Form einer Art Nachentrichtung, in den Genuß einer Rente kommen zu lassen. Das sagen wir ganz besonders deshalb, weil wir uns nicht damit einverstanden erklären können, Herr Arbeitsminister, was Sie in der Bundesratssitzung gesagt haben, daß das nämlich, soweit es Vertriebene, Flüchtlinge oder Kriegssachgeschädigte betrifft, eine Angelegenheit des Lastenausgleichs sei. Das Lastenausgleichsgesetz ist vom 1. Bundestag in einer so unbefriedigenden Form verabschiedet worden, daß es nicht angeht, aus diesen so beschränkten Mitteln des Lastenausgleichs nun auch noch dem von mir angesprochenen Personenkreis Mittel zur Verfügung zu stellen. Ich habe in der Zeit, seit ich dem Bundestag angehöre, sehr häufig
darauf hingewiesen — auch in persönlichen Gesprächen, ich bedauere, daß der Vertriebenenminister Professor Dr. Oberländer nicht mehr da ist —, daß unter allen Umständen auch dieser Personenkreis zwar in das Gesetz zum Lastenausgleich einbezogen werden muß, daß das aber nur dann geschehen kann, wenn der Bund auch bereit ist, hierfür besondere Mittel zur Verfügung zu stellen. Mir sagte vor einigen Tagen ein Vertreter einer Heimatvertriebenenorganisation aus Kassel: „Damals, als wir diese Ansprüche anmeldeten, hieß der Verschiebebahnhof Sozialreform, und heute, da wir einen Teil der Sozialreform, die Rentenreform, vor uns liegen haben, heißt nun der Verschiebebahnhof Lastenausgleich!" Ich meine, nachdem dieser Personenkreis nicht in das Lastenausgleichsgesetz einbezogen worden ist, kann man ihn nicht jetzt, wo wir den Wunsch haben, dad er in das Rentenversicherungsgesetz einbezogen wird, wieder auf den Lastenausgleich verweisen.
Nachdem wir wissen, wie schwer es ist, hier Gesetze durchzubringen, um die sozialen Hohlräume, die doch nun einmal bei uns vorhanden sind, auszufüllen, müssen wir schon darauf bestehen — und wir hoffen die Unterstützung aller Abgeordneten des Hauses zu haben —, daß dieser Personenkreis unter allem Umständen hier in dem Rentenversicherungsgesetz erfaßt wird. Dies ist ein besonderes Anliegen des Gesamtdeutschen Blocks/ BHE. Es betrifft nicht nur Vertriebene und Flüchtlinge, sondern auch einen erheblichen Kreis Einheimischer, die durch Kriegsfolgewirkungen die Existenz bzw. den Arbeitsplatz verloren haben.
Die Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE ist der Meinung, daß wir unter allen Umständen auch in diesem Gesetz zu einer Mindestrente kommen müssen. Dieses Gesetz hätte nicht die geringste Berührung mit einem reformistischen Gedankengut, wenn es — und ich muß das nachher noch einmal im besonderen ausführen — Renten vorsähe, die etwa unter dem Fürsorgerichtsatz liegen. Wenn wir das vermeiden wollen, müssen wir zu einer Mindestrente kommen. Wir haben uns in meiner Fraktion sehr eingehend mit dieser Problematik eines neuen Rentenversicherungsgesetzes beschäftigt. Wir haben uns die Angelegenheit sicherlich nicht sehr einfach gemacht, sondern wir haben Fachexperten aus den verschiedensten Gebieten zugezogen und gehört. Wir haben dabei feststellen können und in der eigenen Nachprüfung bestätigt gefunden, daß es bei diesem Rentenversicherungsgesetz auch Rentner gibt — nach einer Schätzung sind es etwa 30 bis 40 %, ja, es wird sogar noch von einem höheren Prozentsatz gesprochen —, deren Renten überhaupt nicht angehoben werden, und daß manche Renten nach diesem neuen Rentenversicherungsgesetz noch nicht einmal die bisherige Höhe erreichen, was sicherlich durch die Anlage des Gesetzes und der Tabellen bedingt ist. Dabei ist uns auch gesagt worden, Herr Bundesarbeitsminister — das soll kein Vorwurf sein —, daß sich in der ersten Rententabelle Irrtümer ergeben haben und daß sie inzwischen durch eine Tabelle, die mehr stimmt, ersetzt worden sein soll. Wir möchten nicht erleben, daß ein erheblicher Prozentsatz von Rentnern überhaupt nicht mit einer Rentenanhebung zu rechnen hat.
Auffallend ist — und da muß ich eine gewisse Kritik an Ihnen, Herr Bundesarbeitsminister, üben —, daß in den Beispielen, die Sie oder Vertreter Ihres Ministeriums geben, immer 40 Arbeitsjahre zugrunde gelegt werden. Wir wissen doch, daß es im Durchschnitt 32 oder 33 Arbeitsjahre sind und daß dieser Unterschied von 7 bis 8 Jahren eine erhebliche Verminderung der Rente bewirkt, die erreicht wird. Wir sollten uns gewöhnen, davon auszugehen, was der Normalfall ist. Der Normalfall — darin bin ich mir auch mit Kollegen der verschiedensten Fraktionen klar — ist 33 Arbeitsjahre. Das hat in erheblichem Maße dazu beigetragen, bei den Rentnern Hoffnungen zu erwecken. Wenn sich das Rentenversicherungsgesetz durch die Beratungen im Ausschuß nicht erheblich verbessert, erfüllen sich diese Hoffnungen nicht, und es greift wieder eine große Enttäuschung in den Rentnerkreisen Platz. Sie greift aber auch bei unseren Versicherten Platz.
Ich darf auf die Altersrente zurückkommen. Wir, die wir der Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks angehören, verstehen es einfach nicht, daß die Bundesregierung bei diesem Entwurf überhaupt nicht daran denkt und gar nicht geplant hat, ja, es auch nicht will. daß der Bund Mittel für die Altersrente gibt. Wir möchten einmal feststellen, daß die Arbeitsleistung des Angestellten und des Arbeiters nicht nur ein Kaufartikel für den Lohn und das Gehalt und, davon abgezweigt, die Beitragsleistung ist, auf die sich die Rente aufbaut. Ich möchte hier zum Ausdruck bringen, daß der Arbeiter und der Angestellte auch volkswirtschaftliche Werte für Volk und Staat schaffen und daß sie hierfür auch Anerkennung verlangen können, und zwar in der Form, daß Bundesmittel zur Verfügung gestellt werden.
Wir halten es auch für indiskutabel, daß nach dem Regierungsentwurf alle fünf Jahre eine Nachprüfung und eine Anpassung der Rente erfolgen sollen. Auch der Vorschlag des Bundesrates. alle drei Jahre eine solche Anpassung und Nachprüfung vorzunehmen, ist keinesfalls ausreichend. Ich hätte sehr gerne gewußt — das läßt sich vielleicht in der Ausschußsitzung einmal feststellen —, weshalb man nicht dem Vorschlag, den der Beirat gemacht haben soll. alle Jahre eine Nachprüfung vorzunehmen, Folge leistet.
Ich brauche mich dabei nur darauf zu beziehen, was ich bereits gesagt habe: Wir stehen nicht auf dem Standpunkt, daß durch ein gutes Rentenversicherungsgesetz die Währung geschädigt würde oder inflationistische Erscheinungen zutage treten würden. Man hat diese Besorgnisse — wir sind sehr froh darüber — noch niemals bei der Regelung für die Beamten geäußert. Der Beamte bekommt. wenn er seine Pension bezieht, immer einen Prozentsatz von seinem jeweiligen Gehalt. Dagegen hat sich auch noch niemals jemand gewehrt oder irgendwelche Besorgnisse angemeldet. Wir vom Gesamtdeutschen Block/BHE sind sehr froh darüber. können es aber nicht verstehen, daß ein für die Beamten anerkannter Grundsatz für die Arbeiter und Angestellten nicht angebracht sein soll.
Meine politischen Freunde wünschen, daß dieses Gesetz noch am 1. Oktober dieses Jahres in Kraft tritt. Meine Fraktion hat schon ihr Einverständnis bekundet, die Beratungen pausenlos durchzuführen. Wir sind auch bereit, einen Teil der Parlamentsferien dazu zu benutzen. Ein besonderer Grund da-
für ist, daß gerade der beginnende Herbst die Zeit der größten Sorge für unsere Rentner ist, weil sie sich dann auf den Winter einzustellen haben. Schon allein aus diesem Grunde scheint mir eine baldige Verabschiedung des Gesetzes nötig zu sein. Die anderen Gründe, die hier genannt worden sind, sind ebenso wichtig.
Jedenfalls möchte ich sagen, daß wir alles tun werden, um die Wünsche zu verwirklichen, die ich in einigen groben Umrissen zum Ausdruck gebracht habe und die sicherlich auch bei den Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen auf Verständnis stoßen, damit wir ein Gesetz verabschieden können, das wirklich einen Erfolg darstellt, vor allen Dingen zum Segen unserer Rentner und der Versicherten. Auch manche von uns werden ja einmal in das Rentenalter hineinwachsen.