Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man in einer Aussprache zu so später Stunde zum Wort kommt, ist es manchmal nicht zu vermeiden, daß einige Wiederholungen eintreten. Ich glaube aber, daß der Herr Wirtschaftsminister dadurch, daß er in dieser Diskussion soeben noch einmal eingegriffen hat, diese Gefahr für mich auf ein Mindestmaß beschränkt hat.
Ich muß für meine Freunde zunächst erklären, daß uns weder die Antwort der Bundesregierung auf die beiden Interpellationen noch die heutige Ergänzung der Antwort der Bundesregierung durch Herrn Minister Erhard befriedigen kann. Wir haben leider den Eindruck bzw. die Befürchtung, daß in der Bundesregierung eine einheitliche Konzeption in bezug auf die Konjunkturpolitik fehlt. Herr Dr. Deist hat die Vermutung geäußert, die Farblosigkeit der Regierungserklärung, ihre übermäßige Vorsicht sei wahrscheinlich darauf zurückzuführen, daß sich die Bundesregierung längst damit abgefunden habe, daß die Preisauftriebstendenz nicht aufzuhalten sei. Wenn das wirklich zuträfe, wäre es natürlich entmutigend. Ich glaube aber, daß diese übermäßige Vorsicht, diese Weichheit in der Formulierung der Regierungserklärung mehr darauf zurückzuführen ist, daß die verschiedenen Ressorts der Regierung über die konjunkturpolitischen Notwendigkeiten nicht einer Meinung sind.
Diese Besorgnis über den Mangel einer einheitlichen Konzeption der Regierung ist nach meinem Gefühl durch den Diskussionsbeitrag des Herrn Bundeskanzlers am vorigen Freitag erheblich verstärkt worden. Der Bundeskanzler hat ganze Passagen seiner berühmt gewordenen Gürzenich-Rede vorgelesen und gegenüber der Notenbank die gleichen Vorwürfe erhoben, wie wir sie aus der Rede kannten. Es hat sich also nichts an seiner Stellungnahme geändert.
Wir wissen, daß auf der anderen Seite die beiden zuständigen Ressortminister, die nach der Notenbankgesetzgebung befugt sind, regelmäßig an den Sitzungen des Zentralbankrates teilzunehmen, offenbar völlig anderer Meinung sind und daher diesen Maßnahmen nicht widerraten haben, was sie ja hätten tun können. Sie hätten nach der Notenbankgesetzgebung zumindest die Möglichkeit gehabt, das Inkrafttreten der Beschlüsse des Zentralbankrates zu verzögern, um eine Beratung innerhalb der Bundesregierung zu ermöglichen. Das ist nicht geschehen. Daraus muß gefolgert werden, daß die beiden Ressortminister diese Maßnahmen der Bank deutscher Länder für notwendig hielten. Das waren sie zweifellos, meine Damen und Herren.
Es wäre, glaube ich, eine Unterschätzung der Einsicht der Persönlichkeiten, die die Bank deutscher Länder leiten, wenn man unterstellen wollte, daß sich die Herren nicht darüber im klaren gewesen sind, daß bei der heute gegebenen Situation ihre Maßnahmen nicht in allen Bereichen der deutschen Wirtschaft in gleicher Weise wirksam werden können. Das liegt einfach daran, daß wir es nicht mit einer normalen, gleichmäßig verlaufenden konjunkturellen Entwicklung zu tun haben, sondern daß überhitzten Bereichen der Wirtschaft andere Zweige — namentlich der konsumnahen
Industrien — gegenüberstehen, in denen von einer Überhitzung nicht nur keine Rede sein kann, sondern wo noch erhebliche freie Kapazitäten vorhanden sind. Bei dieser Sachlage ist es selbstverständlich, daß die Maßnahmen der Notenbank nicht gleichmäßig wirken können. Aber wir glauben, daß die Notenbank in dieser Situation mit wesentlich milderen Eingriffen ausgekommen wäre, wenn es die Bundesregierung nicht so lange unterlassen hätte, mit wirksamen Maßnahmen zur Bekämpfung der Überhitzung der Konjunktur einzugreifen.
Der Herr Bundeskanzler meint, diese Maßnahmen träfen nur „die Kleinen". Er hat von dem Fallbeil gesprochen, das nur die kleinen Betriebe treffen und die großen verschonen würde. Die Notenbank weist demgegenüber mit Recht darauf hin, daß man in diesem Zusammenhang überhaupt nicht zwischen großen, mittleren und kleineren Betrieben unterscheiden könne, da die Rentabilität nicht von der Größenordnung abhänge, sondern von der Zugehörigkeit zu den überhitzten Bereichen der Wirtschaft, oder den anderen, in der konjunkturellen Entwicklung zurückgebliebenen.
Der Herr Bundeskanzler sagte, er habe geglaubt, damals im Gürzenich vor dem Bundesverband der Deutschen Industrie eigentlich eine gute Rede gehalten zu haben. Ich will hier im übrigen in eine Wertung dieser Rede gar nicht eintreten, möchte aber eines sagen: auf jeden Fall war diese Rede außerordentlich nützlich; denn wenn es noch eines Beweises für die absolute Notwendigkeit einer völlig unabhängigen Notenbank bedurft hätte, wäre er durch diese Rede erbracht worden.
Es gehört doch gewiß nicht sehr viel Phantasie dazu, sich vorzustellen, wie der Herr Bundeskanzler auf jene Beschlüsse des Zentralbankrats reagiert haben würde, wenn er gegenüber der Notenbank weisungsberechtigt gewesen wäre.
Unter diesem Gesichtspunkt möchte ich mich auch der hier wiederholt vertretenen Auffassung anschließen, daß es nun dringend wird, den Entwurf eines Bundesbankgesetzes vorzulegen, damit es von dem Hause noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden kann.
Sie kennen doch das so unbefriedigende Ergebnis der Beratung der im 1. Bundestag vorgelegten Entwürfe. Es lagen damals eine Regierungsvorlage und ein Initiativgesetzentwurf meiner Fraktion vor, und man ist wegen der Meinungsverschiedenheiten über die Zusammenarbeit zwischen Exekutive und Bundesnotenbank und wegen der Frage: einstufige oder zweistufige Lösung nicht zur Entscheidung gekommen. Beide Gesetzentwürfe sind am Ende der ersten Legislaturperiode unter den Tisch gefallen. Ich halte es für unbedingt notwendig, daß durch baldige Verabschiedung des Bundesbankgesetzes auch für die Zukunft die so unerläßliche Unabhängigkeit der Notenbank sichergestellt wird.
Auch im Bereich der steuerlichen Maßnahmen ist festzustellen, daß leider die Übereinstimmung, wie wir sie wünschen müßten, innerhalb der Ressorts der Bundesregierung nicht vorhanden ist. Herr Bundeswirtschaftsminister Erhard hat bei jeder Gelegenheit die Meinung, die auch ich teile, vertreten, daß man eine Politik der knappen Kassenbestände der öffentlichen Hand führen müsse, daß man nicht mehr Steuern erheben dürfe, als zur Befriedigung der Staatsbedürfnisse unbedingt notwendig ist. Aber was ist praktisch geschehen? Inwieweit hat der Herr Bundesfinanzminister dieser richtigen Erkenntnis des Wirtschaftsressorts Rechnung getragen? Ich will nicht alles das wiederholen, was mein Freund Scheel schon bei der Begründung unserer Großen Anfrage vorgetragen hat. Die Thesaurierungspolitik, der sogenannte Juliusturm, beweist leider, daß sich der Herr Bundeswirtschaftsminister mit seiner wirtschaftspolitischen Auffassung innerhalb des Kabinetts nicht hat durchsetzen können.
Und was ist aus den Vorlagen geworden, die seinerzeit bei der großen konjunkturpolitischen Aussprache des Bundestags im Oktober vorigen Jahres in Berlin als Anträge oder Initiativgesetzentwürfe an die Ausschüsse überwiesen wurden? Hier im Hause konnten diese Anregungen nicht wesentlich gefördert werden. In der CDU/CSU-Fraktion aber . hat man den sogenannten Kuchen-Ausschuß gebildet, und in diesem Kuchen-Ausschuß ist man zu bestimmten Vorschlägen gekommen. Ich finde, daß dieses Verfahren irgenwie symptomatisch ist für die Arbeit in diesem Hause in dieser Legislaturperiode. Es ist zu befürchten, daß wiederum dem Haus ein fix und fertiger Vorschlag unterbreitet wird, der aus diesem Kuchen-Ausschuß — einem Arbeitskreis der CDU — hervorgegangen ist, und daß das Haus dann kaum Gelegenheit haben wird, sich mit den Einzelvorschlägen auseinanderzusetzen. Ich vermute, es wird uns dann wieder so gehen wie bei dem Kindergeldgesetz. Man wird uns sagen: Das ist nun alles zu spät; wir haben unsere Konzeption, und wir lassen uns davon auch durch den besten Sachverstand nicht abbringen.
Ja, meine Damen und Herren von der CDU, wenn das so ist, dürfen Sie uns nicht übelnehmen, wenn wir der Meinung offen Ausdruck geben, daß der Kuchen, der aus dem Backofen dieses Ihres Kuchen-Ausschusses hervorgegangen ist, uns nicht sehr schmackhaft erscheint. Wir werden uns natürlich Mühe geben, dennoch unsere Konzeption nach Möglichkeit durchzusetzen. Ich möchte auf Einzelheiten hier nicht eingehen, weil uns noch eine Debatte über die Steuerreform bevorsteht, und mich darauf beschränken, noch einmal darauf hinzuweisen, daß kaum ein wirksameres Mittel zur Senkung des Preisniveaus denkbar ist als die von uns vorgeschlagene nahezu vollständige Beseitigung der Verbrauchsteuern. Herr Kollege Dr. Deist hat mit Recht darauf hingewiesen, wie außerordentlich wirkungsvoll es sein würde und welche günstigen psychologischen Wirkungen auch davon ausgehen würden, wenn man beispielsweise bei den mit Verbrauchsteuern und mit Finanzzöllen belasteten Genußmitteln zu fühlbaren Preissenkungen kommen könnte.
Wir sind weiterhin der Meinung, daß die lineare Steuersenkung in dieser Situation geboten ist, und wir würden es sehr begrüßen, wenn sie mit einer Beseitigung des Notopfers Berlin gekoppelt werden könnte.
Zu der Frage der degressiven Abschreibungen möchte ich Ihnen, Herr Kollege Dr. Deist, folgendes erwidern. Es unterliegt keinem Zweifel, daß
man mit der Beseitigung der degressiven Abschreibungen mäßigend auf die Tendenz zu Investitionen einwirken könnte. Ich habe nur ein Bedenken: ich fürchte, wenn man in dem System der Abschreibungen von Jahr zu Jahr wechselt, wenn man die Kontinuität des Abschreibungssystems durchbricht, könnten Nachteile anderer Art entstehen. Aber ich bestreite nicht, daß eine Beschränkung der Möglichkeit degressiver Abschreibungen im Sinne einer Konjunkturdämpfung wirken könnte.
Das Entscheidende scheint mir aber doch zu sein — und darauf haben wir von der Bundesregierung, obwohl sie heute wiederholt danach gefragt worden ist, keine eindeutige Antwort bekommen —: besteht nun wirklich Übereinstimmung darüber, daß die thesaurierten Kassenreserven, die in dem sogenannten Juliusturm angewachsen sind, unter gar keinen Umständen auf dem Inlandsmarkt Verwendung finden? Denn wenn d a s nicht gewährleistet ist, müßten wir mit Sicherheit mit weiterem Preisanstieg rechnen.
Leider ist diese wiederholt gestellte Frage von dem Herrn Bundeswirtschaftsminister auch eben in seinen letzten Ausführungen nicht eindeutig beantwortet worden. Einen Abbau des Juliusturms kann ich mir jedenfalls anders als in Verbindung mit der Einfuhr überhaupt nicht vorstellen, wenn nicht die Kaufkraft der Mark weiter geschwächt werden soll.
Weiteren Investitionserhöhungen im öffentlichen Bereich kann wohl kaum wirkungsvoller als durch einen drastischen Abbau der Steuern begegnet werden. Es werden gelegentlich Befürchtungen geäußert, ein dadurch entstehender zusätzlicher Konsumstoß könne die Preisauftriebstendenz weiter stärken. Ich teile diese Bedenken nicht. Bei den wirtschaftlichen Unternehmungen ermöglicht die Steuersenkung den Abbau der zum Teil erheblichen Verschuldung, eine entsprechende Zinsersparung und auf diese Weise niedrigere Gestehungskosten, die Preissenkungen ermöglichen. Soweit es sich um Steuersenkungen zugunsten der Lohnempfänger handelt, die sich direkt auf den Konsum auswirken, so halte ich auch dies für unbedenklich; denn es haben heute im Laufe der Diskussion alle Redner darin übereingestimmt, daß in weiteren Bereichen der Konsumwirtschaft von einer Überhitzung der Konjunktur keine Rede sein kann und infolgedessen eine zusätzliche Nachfrage durchaus keinen Schaden verursachen würde. Ich halte es deshalb für völlig unbedenklich, wenn durch die Steuersenkung auch eine gewisse Steigerung der Konsumkraft eintritt.
Lassen Sie mich noch ein Wort zu der Zollsenkung sagen, von der ich verstehen kann, daß sie für den Herrn Bundeswirtschaftsminister ein besonders unangenehmes Thema darstellt. Herr Professor Erhard weiß natürlich, daß man auf keine andere Weise besser das Preisniveau beeinflussen kann als durch eine gleichmäßige, eine lineare Zollsenkung, die die gesamte Einfuhr betrifft, eine lineare Zollsenkung, die auf die Einfuhr etwa die gleiche Wirkung ausüben würde wie eine Heraufsetzung des Wechselkurses der Mark, eine Maßnahme, die man aus anderen Gründen im Augenblick nicht glaubt verantworten zu können. Ich teile diese Bedenken. Aber im gleichen Sinne wie eine solche Veränderung des Wechselkurses würde eine lineare Zollsenkung einen Anreiz zur Einfuhrsteigerung bilden. Was aber ist aus diesem Plan geworden? Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat uns eben erklärt, daß er auch heute noch in seinem Innern, so ungefähr sagte er, eine lineare Zollsenkung von 30 bis 40% für das Richtige hielte. Es scheint mir nicht einmal so sehr darauf anzukommen, ob es 30 oder 40 % sind. Viel wichtiger ist es, daß diese Maßnahme die ganze Einfuhr gleichmäßig trifft.
Wenn ich mir nun aber die Verordnung ansehe, der Sie, meine Damen und Herren, mit Mehrheit gegen unsere Stimmen am vorigen Freitag zugestimmt haben, was bleibt da übrig von dem ebenso logischen wie erfolgversprechenden Plan des Herrn Bundeswirtschaftsministers? Herr Professor Erhard müßte Tränen darüber vergießen, wenn er sich diese Vorlage, die nun als Vorschlag der Bundesregierung im Rahmen des konjunkturpolitischen Programms vorgelegt worden ist, ansieht und mit dem vergleicht, was er selbst gewollt hat. Die Verordnung, so wie sie nun aussieht, scheint mir völlig unter dem Motto zu stehen: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß!
Was nützt es uns denn, daß Orchideen billiger werden, so habe ich mir von unseren Außenhandelsexperten sagen lassen? Auch Hummern fallen unter die Senkung, aber alle wesentlichen Ernährungsgüter bleiben unberührt. Wenn wir dann bei der Wirkung auf die Einfuhr gewerblicher Erzeugnisse noch berücksichtigen, daß das ausländische Preisniveau auf vielen Gebieten viel zu hoch ist, als daß sich eine Zollsenkung überhaupt auswirken könnte, dann bleibt schließlich nur noch übrig, daß einige wenige Zweige der gewerblichen Konsumgüterindustrie davon betroffen werden, und zwar dann vermutlich diejenigen, denen es am wenigsten zugemutet werden kann, weil sie in der konjunkturellen Entwicklung zurückgeblieben sind. Es wurden in diesem Zusammenhang heute wiederholt die Textilindustrie und die Lederindustrie als Beispiele genannt. Das, meine Damen und Herren, ist doch wohl ziemlich sinnlos. Man kann eine solche Maßnahme, um einen Anreiz zur Steigerung der Einfuhr zu schaffen, der Gesamtheit der Wirtschaft zumuten. Aber einer Verordnung zuzustimmen, die den Zollsenkungsplan so durchlöchert, daß nur einige wenige Industrien übrigbleiben, die allein davon betroffen werden sollen, während von den übrigen überhaupt keine Opfer verlangt werden, dazu hätten wir uns besser nicht entschließen sollen. Wie ist es zu erklären, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister sich mit seinem wohlerzogenen Plan im Kabinett offenbar nicht hat durchsetzen können? Vermutlich doch deshalb, weil dieser Plan nicht vereinbar war mit den Richtlinien der Politik, die an anderer Stelle bestimmt werden.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun aber noch etwas sagen, was mir entscheidend zu sein scheint. Alle die Maßnahmen, die wir zur Stützung der Kaufkraft der Mark ins Auge fassen können, bleiben wirkungslos, wenn es uns nicht gelingt, zu erreichen, daß die öffentliche Hand sich als Auftraggeber anders verhält, als sie es bisher getan hat. In dieser Hinsicht habe ich dem Programm der Bundesregierung mit besonderer Spannung entgegengesehen, und ich muß sagen,
daß ich hier am meisten enttäuscht worden bin. Das, was die Regierungserklärung zu diesem Problem sagt, ist das am wenigsten Befriedigende in der ganzen Regierungserklärung. Die Regierung kann sich auf diesem Gebiet offenbar nicht zu einer „Politik der Stärke" entschließen, sondern verlegt sich auf das Verhandeln, wobei nicht zu bestreiten ist, daß nach der augenblicklichen Verfassungslage die Möglichkeiten, auf die Länder und Gemeinden einzuwirken, sehr gering sind. Aber mit dem bloßen Verhandeln über eine Zurückhaltung in der Vergebung öffentlicher Aufträge und in weiteren Investitionen im öffentlichen Bereich wird man hier ganz gewiß keinen Schritt weiterkommen.
Natürlich werden von den Bemühungen um eine Senkung der öffentlichen Investitionen gewisse Bereiche auszunehmen sein. An erster Stelle ist hier der soziale Wohnungsbau genannt worden. Ich glaube, es gibt niemanden in diesem Hause, der nicht der Meinung wäre, daß der Wohnungsbau bei einer Beschränkung der öffentlichen Investitionen ausgenommen werden muß. Aber wenn gleichzeitig ein Tabu verkündet wird für den gesamten Rüstungsbereich, dann ist das ganze konjunkturpolitische Programm der Bundesregierung von vornherein zum Scheitern verurteilt. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat uns vorhin erklärt, die Rüstungsaufträge hätten bisher ein viel zu geringes Ausmaß, um jetzt schon eine entscheidende Wirkung auf den Konjunkturablauf ausüben zu können. Dabei wird offenbar ein sehr wichtiger psychologischer Faktor völlig verkannt. Es ist doch nicht zu übersehen, daß heute schon ein großer Teil der Investitionen ausgesprochene Vorratsinvestitionen sind, Investitionen von Betrieben, die sich auf zu erwartende Rüstungsaufträge vorzubereiten wünschen. Wenn in dieser Phase der Vorbereitung schon die bloße Erwartung kommender Rüstungsaufträge zu einer Steigerung der Investitionen führt, dann ist mir völlig klar, welche bedrohliche Zunahme der öffentlichen Investitionen von dieser Seite her zu erwarten ist.
Zum Schluß möchte ich noch etwas zu einer Frage sagen, die hier einige Male angeschnitten worden ist: Können wir es eigentlich verantworten, durch die Diskussion über die konjunkturpolitische Lage und die Verschlechterung der Kaufkraft der Mark den Eindruck zu erwecken, als ob wir es mit einer inflationistischen Entwicklung zu tun hätten? Das muß m. E. meines Erachtens unter allen Umständen vermieden werden. Ich stimme allen Kollegen, die vor mir gesprochen haben, darin zu, daß von einer inflationistischen Entwicklung gar nicht die Rede sein kann, weil sich die Kaufkraftverschlechterung auf dem Inlandsmarkt bisher in so engen Grenzen hält, daß der Wechselkurs gegenüber dem Ausland dadurch in keiner Weise berührt wird.
Aber wir sollten auf der anderen Seite die Gefahr auch nicht bagatellisieren. Es darf nicht übersehen werden, daß, wenn man nicht rechtzeitig gegen die Entwertung der Kaufkraft auf dem Binnenmarkt einschreitet, am Ende von dieser Entwicklung schließlich doch einmal die Wechselkurse berührt werden könnten. Gott sei Dank sind wir von einer solchen Gefahr noch weit entfernt. Ich würde es dennoch für unverantwortlich halten, einer schleichenden Kaufkraftverringerung tatenlos zuzusehen, und zwar schon deshalb, weil es sich hier nicht allein um ein wirtschaftliches Problem handelt. Wir dürfen nicht vergessen, daß es gerade bei uns in Deutschland einen besonders hohen Prozentsatz von Menschen gibt, die als Rentenempfänger nicht den Ausgleich für eine Verschlechterung der Kaufkraft durch Erhöhungen der Löhne und Gehälter finden. Denken Sie weiterhin an den großen Kreis der Menschen, die wieder angefangen haben zu sparen und sich nun die Frage stellen, ob das Sparen lohnt oder ob mit Kaufkraftverschlechterungen des Geldes gerechnet werden muß.
Die Frage der Erhaltung der inneren Kaufkraft der Mark ist demnach nicht allein ein wirtschafts- und konjunkturpolitisches Problem. Die Stabilität der Kaufkraft kann entscheidend werden für die Erhaltung des sozialen Friedens und für die Wahrung der rechtsstaatlichen Ordnung in unserem Lande. Es sollte deshalb unter allen Umständen vermieden werden, daß durch eine unentschlossene Haltung gegenüber den konjunkturpolitischen Problemen der Eindruck erweckt wird, daß, wie Herr Dr. Deist andeutete, die Regierung sich womöglich mit einer ständigen langsamen Verschlechterung der Kaufkraft der Mark abgefunden hätte.
Meine Damen und Herren, ich möchte mich auf diese allgemeinen Ausführungen beschränken. Einige meiner Freunde werden zu Spezialfragen noch im weiteren Verlauf der Aussprache das Wort nehmen.