Nicht von A bis Z; bestimmt nicht.
Ich wollte noch sagen: Wenn wir mit dem Investment-Sparen in kleinen Stückelungen auch den kleinen Mann erfassen und ihm damit Lust und Liebe zur Eigentumsbildung beibringen, dann glaube ich, lösen wir auch ein soziales Problem besser, als es manchem bisher vielleicht vorgeschwebt hat.
Eigentum zu erwerben, ist besser, als Miteigentum zu erwerben.
Nun kommen wir zu der Frage der Zollsenkung. Ich sagte letztes Mal schon: ich mache aus meinem Herzen keine Mördergrube. Wenn Sie mit Ihrem Antrag auf 40 % durchgekommen wären, hätte ich Ihnen bestimmt nicht widersprochen.
Aber, Herr Kollege Deist, etwas möchte ich dazu noch sagen. Bei einer solchen Maßnahme kann man wie ein Artillerist zu weit schießen oder zu kurz schießen; das Ziel liegt in der Mitte. Aber es gilt natürlich zu bedenken, ob man im ersten Ansatz nicht vielleicht etwas zu weit geht. In meinem eigenen Hause und in meiner eigenen Brust schwankte ich tatsächlich auch so bei 30 und 40% herum. Aber ich bin nicht in der Lage, zu sagen: dieser oder jener Prozentsatz ist der absolut richtige.
Vor allem aber finde ich es nicht richtig, diese Maßnahme, die bisher jedenfalls kein anderes Land als die Bundesrepublik in solcher Weise demonstriert hat, so gering einzuschätzen. Denn wir
haben immerhin auf dem gewerblichen Sektor — für den ich die unmittelbare ressortmäßige Verantwortung trage - vorweg etwas getan, was beispielhaft für die ganze europäische Zusammenarbeit ist. Ich habe in den Gesprächen mit Vertretern anderer Staaten festgestellt, daß es auf diese Länder einen ganz großen Eindruck gemacht hat, wie Deutschland auf diese Weise führt und auch in der Größenordnung seiner Maßnahmen einen guten und sichtbaren Beweis seines Willens und seiner europäischen Gesinnung abgelegt hat.
Ich sagte: es ist ein Mindestprogramm. Na ja, mit Worten läßt sich trefflich streiten. Aber selbstverständlich — das geht aus der ganzen Sinngebung hervor — war damit gemeint: nach Meinung der Regierung ist es das wenigste, was getan werden muß.
Zu den Problemen des Arbeitsmarktes und der Lohnpolitik haben Sie sich bemerkenswert kurz geäußert. Bis Mitte 1955 - das gebe ich Ihnen zu
— herrschte eine ruhige Entwicklung vor. Die von Ihnen genannten Zahlen treffen zu, wie ich überhaupt sehr viel mehr mit Statistiken arbeite, als Sie mir offenbar zutrauen. Hier stieg die Produktivitätsrate mit der Zunahme der Stundenverdienste absolut paralell.
— Nein, es sind 57 und 58 %; ich weiß nicht, wer 1% überschießt. Aber das ist jedenfalls die Entwicklung von 1950 bis 1955 gewesen.
— Nein, ich sage ja: Produktivitätszuwachs und Stundenverdienst.
Ich habe niemals — Sie haben ja den Wortlaut meiner Rede — von einem Indexlohn gesprochen, sondern von einer Bindung der Löhne an die Lebenshaltungskosten. Das ist, streng genommen, nicht der Indexlohn; aber eine solche Bindung bringt natürlich gefährliche Konsequenzen mit sich. Sie haben ja selber gesagt, es müsse im deutschen Volke wieder die Sicherheit bestehen, daß wir stabile Verhältnisse aufrechterhalten können. Ich finde, es erweckt nicht gerade den Eindruck, daß man Vertrauen in die Stabilität unserer Kaufkraft, in die Stabilität unserer Währung hat, wenn man Vereinbarungen dieser Art trifft. Das gilt in gleicher Weise für die Unternehmer, wenn sie Preisgleitklauseln vereinbaren.
Ich bin nach wie vor der Meinung — und das ist ohne Wertung nach dieser oder jener Seite —, daß wir aus dieser schlechten Übung endlich wieder herauskommen müssen.
Maßnahmen gegen die Preissteigerung! Ich brauche nicht zu beteuern, wie sehr ich es beklage, daß wir noch kein Kartellgesetz haben, denn dieses würde uns wesentliche Handhaben bieten. Sie sagten auch, Sie wollten keine Verbote. Die will ich auch nicht. Sie wollen sicher mit mir auch keinen Preisstopp und keinen Lohnstopp. Wir wollen mit der Marktwirtschaft adäquaten Mitteln die Konjunktur bändigen und ein stabiles Preisniveau gewährleisten. Dann liegen wir eigentlich ganz nahe beisammen. Wir müssen dafür sorgen, daß, gemessen an der verfügbaren Kaufkraft, eine ausreichende Versorgung des Marktes mit Gütern gewährleistet wird, sei es aus der inneren Produktion, sei es unter Zuhilfenahme ausreichender Einfuhren, was gerade auch für den Agrarsektor von Bedeutung ist. Vor allen Dingen müssen wir auch dafür sorgen, daß, so schwer das in dieser Konjunkturphase und im Zeichen eines Verkäufermarktes auch sein mag, so viel wie möglich an Wettbewerb lebendig bleibt oder mobilisiert wird.
Wenn ich weiter auf die Preisbindung bei Markenartikeln zu sprechen kommen darf, so darf ich sagen, daß Ihre Kollegen ja wissen, wie eingehend wir uns im Wirtschaftspolitischen Ausschuß darüber unterhalten haben, ohne daß der Stein der Weisen schon gefunden worden ist. Jedenfalls ist in § 38 des von meinem Ministerium vorgelegten Kartellgesetzentwurfes eine Auskunftspflicht verankert. Ich kann Ihnen weiter sagen, daß im Wirtschaftsministerium ein Auskunftspflichtgesetz fertig ausgearbeitet vorliegt; es wird nach Abstimmung zwischen den Ressorts in Ihre Hände gelangen.
Sie meinen, die Zeit der Zauberei sei vorbei. Ich weiß nicht, ob Sie sich vorstellen, daß wir im Wirtschaftsministerium jeden Tag magische Feuer entzünden oder mystische Düfte aufsteigen lassen. Aber von nichts kommt nichts, Herr Kollege Deist. So, wie die deutsche Wirtschaft aussieht, müßte es schon wirklich mit Wundern zugegangen sein, wenn in dieser Zeit von seiten des Wirtschaftsministeriums nicht aktiv gehandelt worden wäre.
Ich glaube so wenig an Wunder wie Sie. Alle Beweise aber, d. h. alle äußeren Erscheinungen sprechen dafür, daß es am geeigneten Handeln tatsächlich nicht gefehlt hat.
Aber ich will Ihre Frage ganz deutlich beantworten. Aus Ihren Erklärungen könnte man herauslesen, die Bundesregierung habe noch im Oktober vorigen Jahres auf dem Standpunkt gestanden: Geldwertstabilität über alles und folglich Preisstabilität als Grundlage der Politik, während bei dieser Konjunkturdebatte diese Prinzipien, na, sagen wir, etwas verwässert in Erscheinung getreten oder überhaupt völlig verlassen worden seien. Ich kann Ihnen versichern: ,an etwas Derartiges war weder gedacht, noch, glaube ich, war es aus meiner Erklärung herauszulesen. Im Gegenteil! Wer das Programm und meine Regierungserklärung sorgfältig liest, wird finden, daß sich die Verantwortung für die Erhaltung eines stabilen Preisniveaus und die Anstrengungen, dieses zu gewährleisten, wie ein roter Faden durch das ganze Programm hindurchziehen. Ich kann also Ihre konkrete Frage ganz eindeutig und klar beantworten, und ich möchte das auch vor dem deutschen Volk tun: Die Regierung ist der Auffassung, daß es ihre erste Verpflichtung ist, die Preisstabilität zu wahren. Aber da ist eben nicht nur die Verantwortung der Regierung, sondern auch die Verantwortung eines ganzen Volkes angesprochen, und auch das mußte von dieser Stelle aus einmal deutlich gemacht werden.
Wenn ich gesagt habe, die eingetretenen Preiserhöhungen seien noch nicht Ausdruck und Beweis einer dramatischen Bewegung, so habe ich doch auch gleich hinzugefügt, daß wir damit unsere Sorge nicht einschläfern lassen wollen. Ich war wirklich loyal und ehrlich, als ich bei der Berechnung der Preissteigerungen das Jahr mit dem tiefsten Preisstand als Basis genommen habe. Wenn ich jetzt einmal vom Ausland nach Deutschland hereinblickte, müßte ich schon sagen: was soll denn eigentlich dies sagen? Andere Länder müssen ja schier verzweifeln, wenn wir unsere konjunkturpolitische Situation in solcher Weise zum Anlaß nehmen, dem deutschen Volk das Fürchten beizubringen.
— Herr Kollege Deist, ich will die Anklage, die Sie gegen die Regierung erheben, auch nicht dramatisieren. Aber der ausgesprochene Verdacht gegenüber der Regierung, als ob diese nicht alles zu tun bereit wäre, um die Stabilität der Preise zu gewährleisten, als ob so manches versäumt würde, ist gerade auch unter konjunkturpolitischen Aspekten und unter den von Ihnen heute so hervorgehobenen psychologischen Gründen nicht gerade geeignet, im deutschen Volk Beruhigung zu schaffen.
Weiter darf ich sagen, daß das Notenbankgesetz bereits dem Kabinett vom Wirtschaftsministerium vorgelegt worden ist. Wie Kollege Hellwig schon sagte, basiert dieses Notenbankgesetz eindeutig und klar auf dem Prinzip der Unabhängigkeit der Notenbank. Ich bin überzeugt, daß auch das Kabinett in seiner Gesamtheit keine andere Entscheidung treffen wird.
Daß Sie mir im Zusammenhang mit der Zollvorlage das Vertrauen bezeugt bzw. den Antrag gestellt haben, man möge dem Bundeswirtschaftsminister die Vollmacht geben, seinerseits auch Zölle senken zu dürfen, werte ich als eine Huldigung.
— Ich fasse es als solche und als einen besonderen Vertrauensbeweis auf, der ja immerhin besagt, daß wir anfangen, uns in Fragen der Wirtschaftspolitik allmählich besser zu verstehen.
Was Sie von der Nachfragesteigerung sagten, als Sie den inneren volkswirtschaftlichen Zusammenhang in dem Gesamtkomplex Rentenerhöhung, Steuersenkungen und Rüstungsaufwendungen vorgetragen haben, ist richtig — richtig aus der Sicht des Finanzministers. Für ihn handelt es sich effektiv um Mindereinnahmen oder um zusätzliche Ausgaben. Im volkswirtschaftlichen Gesamtbild aber sehen die Dinge doch etwas anders aus, mindestens so lange, als der Haushalt auf ordentlichen Einnahmen beruht und keine Politik des deficit spending getrieben wird. Denn erst dann würde man volkswirtschaftlich von einer zusätzlichen Kaufkraftschöpfung zu sprechen berufen sein. Aber ich gebe gerne zu: das Problem ist gewiß nicht leicht zu lösen
und wird alle Anstrengungen erfordern. Aber auf der Grundlage einer guten und geordneten Finanzpolitik wird uns das möglich sein, was andere Länder ja schließlich auch schon geleistet haben. Ich sage noch einmal: Hier ist nicht über Rüstung zu sprechen, nicht über die politische Seite dieser Angelegenheit. Aber wenn andere Länder ihren Beitrag zur europäischen Verteidigung, zur Sicherung ihres eigenen Landes und Lebens geleistet haben, ohne ihre Volkswirtschaften in Unordnung zu bringen, dann bin ich der Meinung, daß wir diese Aufgabe auch lösen werden.