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    2. Deutscher Bundestag - 153. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. Juni 1956 8267 153. Sitzung Bonn, Dienstag, den 26. Juni 1956. Glückwünsche zum Geburtstag der Abg. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 8268 C Übertritt des Abg. Dr. Wellhausen von der Fraktion der DA zur Fraktion der CDU/ CSU 8268 C Mitteilung über Umbenennung der Fraktion der Demokratischen Arbeitsgemeinschaft in „Bundestagsfraktion der Freien Volkspartei (FVP)" 8268 C Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfragen 253 und 255 (Drucksachen 2417, 2552; 2432, 2551) 8268 D Erklärungen vor Eintritt in die Tagesordnung betr. Auslegung der §§ 106 und 30 der Geschäftsordnung: Mellies (SPD) 8268 D, 8269 D Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . . 8269 B Rasner (CDU/CSU) 8269 C Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung vom 22. Juni 1956 (Zweites Konjunkturprogramm) in Verbindung mit der Fortsetzung der Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Konjunkturpolitik (Drucksache 2408, Umdruck 679), mit der Fortsetzung der Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Konjunkturpolitik (Drucksache 2409), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Preispolitik (Drucksache 2523), mit der Ersten Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung eines stetigen Wachstums der Gesamtwirtschaft (Drucksache 2428), mit der Ersten Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Industrieansiedlung in den Förderungsgebieten und zur Beseitigung der strukturellen Arbeitslosigkeit (Drucksache 2524) und mit der Ersten Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes betr. die Abzahlungsgeschäfte (Drucksache 2522) 8270 A, 8290 D Dr. Hellwig (CDU/CSU) 8270 B, 8277 A, C, 8278 B, 8280 D, 8281 A, 8282 D Kurlbaum (SPD) 8277 A, 8306 C Dr. Deist (SPD) . . 8277 C, 8278 B, 8291 A, 8305 D, 8306 A, 8309 A Schmidt (Hamburg) (SPD) 8280 D, 8282 D, 8308 C Dr. Elbrächter (DP) 8283 C Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft . . 8304 B, 8305 A, 8305 D, 8306 A, D, 8308 C, 8309 A Dr. Schöne (SPD) 8305 A Dr. Hoffmann (FDP) 8309 C Dr. Berg (FVP) 8312 C Margulies (FDP) 8314 C Ausschußüberweisungen 8315 A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes, des Zolltarifs und des Mineralölsteuergesetzes (Zweites Zolländerungsgesetz) (Drucksache 2147); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (Drucksachen 2505, zu 2505) 8315 B Krammig (CDU/CSU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) . 8318 A Beschlußfassung 8315 B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Dritte Protokoll vom 15. Juli 1955 über zusätzliche Zugeständnisse zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (Bundesrepublik Deutschland und Dänemark) (Drucksache 2337); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (Drucksache 2481) 8315 C Menke (CDU/CSU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) 8319 D Beschlußfassung 8315 C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Vierte Protokoll vom 15. Juli 1955 über zusätzliche Zugeständnisse zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (Bundesrepublik Deutschland und Norwegen) (Drucksache 2338); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (Drucksache 2482) 8315 D Menke (CDU/CSU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) 8320 A Beschlußfassung 8315 D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Fünfte Protokoll vom 15. Juli 1955 über zusätzliche Zugeständnisse zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (Bundesrepublik Deutschland und Schweden) (Drucksache 2339); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (Drucksache 2483) 8316 A Menke (CDU/CSU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht) 8320 C Beschlußfassung 8316 A Nächste Sitzung 8316 C Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 8316 A Anlage 2: Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfragen der Fraktionen der SPD und der FDP betr. Konjunkturpolitik (Umdruck 679) 8317 A Anlage 3: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen über den Entwurf des Zweiten Zolländerungsgesetzes (zu Drucksache 2505) . . . 8318 A Anlage 4: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen zum Entwurf eines Gesetzes über das Dritte Protokoll über zusätzliche Zugeständnisse zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (Bundesrepublik Deutschland und Dänemark) (Drucksache 2481) . . . 8319 D Anlage 5: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen zum Entwurf eines Gesetzes über das Vierte Protokoll über zusätzliche Zugeständnisse zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (Bundesrepublik Deutschland und Norwegen) (Drucksache 2482) . . . 8320 A Anlage 6: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen zum Entwurf eines Gesetzes über das Fünfte Protokoll über zusätzliche Zugeständnisse zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (Bundesrepublik Deutschland und Schweden) (Drucksache 2483) . . . 8320 C Die Sitzung wird um 15 Uhr 1 Minute durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier eröffnet.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten a) Beurlaubungen Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Albrecht (Hamburg) 26. 6. Dr. Baade 26. 6. Fürst von Bismarck 26. 6. Brandt (Berlin) 27. 6. Frau Brauksiepe 26. 6. Brese 26. 6. Brockmann (Rinkerode) 26. 6. Frau Dietz 30. 6. Dr. Dittrich 30. 6. Elsner 27. 6. Erler 28. 6. Even 26. 6. Fassbender 26. 6. Feldmann 30. 6. Frau Finselberger 26. 6. Gedat 30. 6. Gerns 30. 6. Dr. Gleissner (München) 26. 6. Dr. Greve 30. 6. Harnischfeger 26. 6. Frau Heise 5. 7. Dr. Horlacher 26. 6. Jacobi 27. 6. Jacobs 26. 6. Jahn (Frankfurt) 26. 6. Frau Dr. Jochmus 7. 7. Karpf 26. 6. Frau Kipp-Kaule 7. 7. Kühltau 26. 6. Kraft 2. 7. Lenz (Brühl) 26. 6. Lenz (Trossingen) 26. 6. Lücker (München) 30. 6. Lulay 30. 6. Marx 30. 6. Mayer (Birkenfeld) 23. 7. Meitmann 15. 7. Metzger 29. 6. Dr. Miessner 27. 6. Dr. Mocker 26. 6. Morgenthaler 7. 7. Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) 30. 6. Oetzel 26. 6. Onnen 26. 6. Paul 27. 6. Peters 15. 7. Frau Praetorius 26. 6. Dr. Preller 26. 6. Rademacher 26. 6. Rehs 26. 6. Dr. Reif 30. 6. Rümmele 26. 6. Scheppmann 26. 6. Schmitt (Vockenhausen) 28. 6. Schmücker 26. 6. Schneider (Hamburg) 26. 6. Dr. Schneider (Lollar) 30. 6. Frau Dr. Schwarzhaupt 26. 6. Dr. Seffrin 30. 6. Srock 26. 6. Dr. Stammberger 26. 6. Dr. Starke 31. 7. Stauch 27. 6. Stiller 27. 6. Sträter 30. 6. Dr. Wellhausen 26. 6. Dr. Welskop 26. 6. Frau Welter (Aachen) 26. 6. Ziegler 26. 6. b) Urlaubsanträge Dr. Becker (Hersfeld) 17. 7. Blachstein 7. 7. Dr. Köhler 7. 7. Anlage 2 Umdruck 679 (Vgl. S. 8315 A) Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfragen der Fraktion der SPD und der Fraktion der FDP betreffend Konjunkturpolitik (Drucksachen 2408, 2409). Der Bundestag wolle beschließen: Das wachsende Mißverhältnis von Angebot und Nachfrage in weiten Teilen der deutschen Wirtschaft hat zu Spannungserscheinungen geführt, die sich insbesondere in steigenden Preisen auswirken. Da die Bundesregierung bis heute weder dem Bundestag entsprechende Vorlagen unterbreitet noch selbst die notwendigen Maßnahmen ergriffen hat, ergeben sich ernste Gefahren für eine gesunde wirtschaftliche Fortentwicklung bei hoher Beschäftigung und stabilen Preisen. Der Bundestag ist der Auffassung, daß die drohenden Gefahren auch heute noch mit wirtschafts-, steuer-, finanz- und kreditpolitischen Maßnahmen der leichten Hand bekämpft werden können. Eine nicht rechtzeitige Anwendung solcher Mittel muß jedoch dazu führen, daß sehr bald gröbere und drastischere Eingriffe notwendig werden. Der Bundestag lenkt daher die Aufmerksamkeit der Bundesregierung auf folgende Fragen: I. Preisentwicklung Die Preisentwicklung der letzten Zeit, insbesondere die Steigerung der Lebenshaltungskosten, führt zu einer langsamen aber stetigen Aushöhlung der Kaufkraft. Das zentrale Problem der deutschen Wirtschaftspolitik ist daher die Sicherung eines stabilen Preisniveaus. Die Bundesregierung wird aufgefordert, alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um a) Zollbelastungen, Einfuhrbeschränkungen und sonstige Einfuhrhemmungen so weit zu beseitigen, daß in knappen Waren ein größeres Angebot und ein Druck auf überhöhte Preise erreicht wird; b) eine Preissenkung für Verbrauchsgüter durch Verbrauchsteuersenkungen herbeizuführen; c) eine Erhöhung aller der Preise zu verhindern, die durch Gesetz, Verordnung oder Verwaltungspraxis festgelegt oder beeinflußt werden; d) für preisgebundene Markenartikel und sonstige Waren, deren Preise weitgehend einseitig durch marktbeherrschende Unternehmungen bzw. Unternehmensgruppen festgesetzt werden, mögliche Preissenkungen herbeizuführen und ungerechtfertigte Preiserhöhungen auszuschließen; e) eine Bestrafung aller derer zu ermöglichen, die vorsätzlich unter Ausnutzung der Marktlage unangemessene Preise fordern. II. Investitionen und Kapitalmarkt Die Investitionsrate ist unverhältnismäßig hoch. Sie hat zur Folge, daß durch die Investitionsausgaben eine sehr hohe Nachfrage hervorgerufen wird, während die durch die Investitionen erstrebte Gütererzeugung erst später auf den Markt kommt. Es sind daher Maßnahmen erforderlich, um die große Kapitalbildung der deutschen Wirtschaft dort zu verwenden, wo durch Rationalisierung eine schnelle Steigerung der Produktion dringend benötigter Güter möglich ist. Die Bundesregierung wird daher aufgefordert, ein Programm zur Ordnung des Kapitalaufkommens und der Kapitalverwendung vorzulegen, das insbesondere folgende Forderungen berücksichtigt: a) Beschränkung der degressiven Abschreibung auf die Fälle, in denen durch Rationalisierung eine schnelle Steigerung der Erzeugung in dringend benötigten Gütern erzielt werden kann; b) einheitlicher Einsatz aller öffentlichen Mittel des Bundes, der Länder und der Gemeinden, der sonstigen Fonds, wie ERP-Mittel, der Bürgschaften und anderer Finanzierungshilfen sowie der zentral gesteuerten Mittel mit der unter a) angegebenen Zielsetzung; c) Überprüfung aller öffentlichen Baumaßnahmen auf ihre Dringlichkeit; d) angemessene Kapitalversorgung der Notstandsgebiete sowie der Wirtschaftszweige und Unternehmungen, die bei der herrschenden Kapitalmarktlage selbst dringend benötigte Kredite zu Rationalisierungsmaßnahmen nicht erhalten können und im Hinblick auf ihre Ertragslage zur Selbstfinanzierung nicht in der Lage sind; e) wirksame steuerliche Begünstigung aller Formen des Sparens, auch des Investment-Sparens; f) Regelung des Teilzahlungsgeschäftes nach konjunkturpolitischen Gesichtspunkten. III. Rüstungswirtschaft Die schwersten Gefahren für eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung drohen durch die Aufrüstung. Die Grundsatzbeschlüsse des Verteidigungsausschusses und des Haushaltsausschusses über die Einleitung von Rüstungsprogrammen führen bereits jetzt zu umfangreichen und unproduktiven Investitionen, die durch Kredite finanziert werden und die Spannungserscheinungen in der Investitionsgüterindustrie und in der Bauwirtschaft sehr verschärfen. Die Bundesregierung wird daher aufgefordert, a) in einer Denkschrift das Material vorzulegen, auf das sie ihre Überzeugung stützt, daß ohne eine Beeinträchtigung der dringend notwendigen und überfälligen Sozialreformen, der geplanten Steuersenkungen sowie ohne Gefährdung einer gesunden Weiterentwicklung der Wirtschaft zusätzlich das vorgesehene Rüstungsvolumen getragen werden kann; b) bereits in Angriff genommene Rüstungsvorhaben, die nach den zu a) angegebenen Gesichtspunkten nicht mehr vertretbar sind, einzustellen; c) die Durchführung von Grundsatzbeschlüssen für Rüstungsvorhaben, die eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung, insbesondere in der Investitionsgüterindustrie und Bauwirtschaft, gefährden, zurückzustellen. IV. Einheitliche Wirtschaftspolitik Die Bundesregierung verfügt weder über eine ausreichend genaue Kenntnis der volkswirtschaftlichen Gesamtzusammenhänge, noch ist sie bisher in der Lage gewesen, wenigstens verwaltungsmäßig eine Koordinierung aller wirtschaftspolitischen Maßnahmen im weitesten Sinne zu gewährleisten. Die Bundesregierung wird daher aufgefordert, a) alle Vorkehrungen auf dem Gebiet der Statistik zu treffen, die die baldige Erstellung einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ermöglichen; b) alle organisatorischen Maßnahmen zu beschließen, die erforderlich sind, um eine ständige und regelmäßige Zusammenarbeit der für die Wirtschaftspolitik zuständigen Bundesminister und der Bank deutscher Länder, eine verwaltungsmäßige Koordinierung aller wirtschaftspolitischen Maßnahmen und die beschleunigte Entwicklung einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung und eines Nationalbudgets sicherzustellen. Bonn, den 20. Juni 1956 Ollenhauer und Fraktion Anlage 3 zu Drucksache 2505 (Vgl. S. 8315 B) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (19. Ausschuß) über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes, des Zolltarifs und des Mineralölsteuergesetzes (Zweites Zolländerungsgesetz) (Drucksachen 2505, 2147). Berichterstatter: Abgeordneter Krammig I. Gegen eine umfassende Anpassung des Zollgesetzes vom 20. März 1939 (RGBl. I S. 529) an die veränderten staatsrechtlichen und politischen Verhältnisse sprechen auch heute noch die gleichen Gründe, wie sie bei der Verabschiedung des Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes und der Verbrauchsteuergesetze vom 23. Mai 1952 (BGBl. I S. 317) galten. Der Entwurf beschränkt sich daher auf die dringend notwendig gewordenen Änderungen. Sie sollen internationalen Abmachungen, den veränderten Verhältnissen in den Freihäfen nach dem Kriege, der notwendig gewordenen Erweiterung des zollrechtlichen Begriffes der Zollveredelung und der inzwischen eingetretenen Zollfreiheit für Schiffe durch Erweiterung der Zollbefreiung für Schiffbaubedarf gerecht werden. Außerdem dehnen sie die Zollbefreiung für Mineralöl, das zum Betriebe seewärts ein- und ausgehender Schiffe verwendet wird, aus. Diese Änderungen sind in den Artikeln 1 und 2 des Entwurfs — Drucksache 2147 — enthalten. Die in Artikel 3 vorgesehene Änderung und Ergänzung des Mineralölsteuergesetzes folgen aus den Änderungen, die in den Artikeln 1 und 2 vorgeschlagen werden. II. Bei der Beratung des Entwurfs wurden aus der Mitte des Finanz- und Steuerausschusses zur Berichtigung und Ergänzung noch Anträge gestellt, die ihren Niederschlag in der Überschrift, dem Artikel 1 Nr. 2 a und 2 b, Nr. 5, Nr. 9 a, dem Artikel 1 a, dem Artikel 2 Nr. 1 und 2 und dem Artikel 3 a fanden. Zur Überschrift Die Ersetzung des Wortes „Zolltarifs" durch „Zolltarifgesetzes" ist erforderlich, weil Artikel 1 a das Zolltarifgesetz vom 16. August 1951 (BGBl. I S. 527) ändert. Der Entwurf enthält zwar den Zolltarif ändernde Vorschriften (Artikel 2), trotzdem erübrigt sich die besondere Aufführung des Zolltarifs in der Überschrift, weil das Zolltarifgesetz begrifflich den Zolltarif als Anlage des Zolltarifgesetzes einschließt. Die Ersetzung des Wortes „Zweites" im Klammerzusatz durch „Drittes" beruht darauf, daß der Entwurf das Dritte Zolländerungsgesetz darstellt. Zu Artikel 1 Nr. 2 a und 2 b Mit dem Übergang vom spezifischen Zoll zum Wertzoll am 1. Oktober 1951 trat auch der neue Zolltarif in Kraft. Aus Zweckmäßigkeitsgründen wurden damals die Vorschriften über die Wertverzollung in das zur Einführung des neuen Zolltarifs erlassene Zolltarifgesetz vom 16. August 1951 aufgenommen, obwohl sie den Zolltarif unmittelbar nicht berühren. Bei der Einbringung des Zolltarifgesetzes lag der Wortlaut des Brüsseler Abkommens über den Zollwert noch nicht vor. Er konnte deshalb bei der Fassung der Gesetzesvorschriften nicht berücksichtigt werden. Dieses Brüsseler Abkommen ist durch das Gesetz über internationale Vereinbarungen auf dem Gebiete des Zollwesens vom 17. Dezember 1951 (BGBl. 1952 II S. 1) veröffentlicht worden und am 28. Juli 1953 in Kraft getreten (BGBl. II S. 256). Nach Artikel II des Abkommens sind die Mitgliedstaaten gehalten, die in der Anlage I zu dem Abkommen enthaltene Begriffsbestimmung in ihre Gesetzgebung zu übernehmen. Die zugelassenen Anpassungen an die innerstaatliche Gesetzgebung sind in Artikel IV des Abkommens besonders festgelegt. Die Neufassung der Bestimmungen über die Wertverzollung (Artikel 1 Nr. 2 a) trägt dem Brüsseler Abkommen Rechnung. Die Vorschriften werden gleichzeitig aus dem Zolltarifgesetz in das Zollgesetz übernommen, wohin sie ihrem Wesen nach gehören. Absatz 2 des neuen § 53 des Zollgesetzes (ZG) ist bisher in den §§ 5 Abs. 2 und 6 Abs. 1 des Zolltarifgesetzes (ZTG) enthalten. Durch das Brüsseler Abkommen über den Zollwert ist die Bundesrepublik verpflichtet, als Zollwert den Normalpreis anzuwenden, wie er in der Anlage I zum Abkommen definiert ist. Der Wortlaut ist enger der französischen und englischen Fassung des Artikels I Abs. 1 der Brüsseler Begriffsbestimmung angepaßt worden. Absatz 3 des neuen § 53 ZG entspricht dem Wortlaut des Artikels I Abs. 2 der Brüsseler Begriffsbestimmung. Absatz 3 Nr. 1 ist in den bisherigen Vorschriften über die Wertverzollung im ZTG nicht enthalten. Die Bestimmung ist jedoch im Hinblick auf den Wortlaut der Brüsseler Begriffsbestimmung (Artikel I Abs. 2 Buchstabe a) zu übernehmen. Absatz 3 Nr. 2 tritt an die Stelle des bisherigen § 6 Abs. 3 ZTG. Absatz 3 Nr. 3 entspricht der bisherigen Bestimmung in § 9 Abs. 2 ZTG. Absatz 4 ersetzt den bisherigen § 6 Abs. 4 ZTG. Er ist dem Wortlaut des Artikels III der Brüsseler Begriffsbestimmung angepaßt worden. Der neue § 53 a ZG (Artikel 1 Nr. 2 b) tritt an die Stelle des bisherigen § 8 ZTG. (Krammig) Im neuen § 53 b ZG (Artikel 1 Nr. 2 b) sind die bisherigen Bestimmungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 und des § 7 ZTG über die Anerkennung des Rechnungspreises als Zollwert zusammengefaßt worden. Die Bestimmung entspricht dem Sinn der Anmerkung 5 zu Artikel I der Brüsseler Begriffsbestimmung. Diese Anmerkung empfiehlt den Mitgliedstaaten, soweit wie möglich den Rechnungspreis als Zollwert anzuerkennen, vorbehaltlich etwaiger Berichtigungen, die notwendig sind, um besondere Umstände zu berücksichtigen, die bei dem in Betracht kommenden Verkauf zum Begriff des Wertes in der Anlage I des Abkommens in Widerspruch stehen. Die weitgehende Anerkennung des Rechnungspreises als Zollwert setzt eine Toleranz hinsichtlich des maßgebenden Bewertungszeitpunktes voraus. Eine solche Toleranz ist nunmehr in § 53 b ZG vorgesehen. Die Möglichkeit, eine solche Toleranz zu gewähren, kommt zwar im Wortlaut der Anmerkung 5 zu Artikel I der Brüsseler Begriffsbestimmung nicht klar zum Ausdruck. Sie entspricht jedoch dem Sinn der Anmerkung 5. Diese Auffassung geht aus den Protokollen der Brüsseler Studiengruppe über den Entwurf der Anmerkung 5 hervor. Sie ist vom Brüsseler Zollwertausschuß, der nach Artikel VI des Abkommens die einheitliche Auslegung der Begriffsbestimmung und der erläuternden Anmerkungen sicherzustellen hat, ausdrücklich in dem Avis Nr. 22 bestätigt worden. Durch diese Toleranz wird weitgehend dem berechtigten Interesse der Importeure Rechnung getragen, für ihre Kalkulation die Eingangsabgaben im voraus mit einiger Sicherheit berechnen zu können. I Zu Artikel 1 Nr. 5 Der Ausdruck „Sonderbehörden" trifft nicht zu. Er wurde daher durch „Sonderorganisationen" ersetzt. Zu Artikel 1 Nr. 9 a Die neue Nummer 5 in § 109 Abs. 1 ZG entspricht der bisherigen Ermächtigung in Artikel V § 18 Nr. 2 ZTG, die zusammen mit den Vorschriften über die Wertverzollung (neue §§ 53 bis 53 b ZG) vom Zolltarifgesetz in das Zollgesetz übernommen werden soll. Zu Artikel 1 a Der Artikel II des Zolltarifgesetzes vom 16. August 1951 wird durch die Übernahme der Vorschriften über die Wertverzollung in das Zollgesetz (Artikel 1 Nr. 2 a und 2 b) überflüssig. Einige Vorschriften, die nicht in das Zollgesetz übernommen werden (z. B. § 12 — Durchschnittswerte), sind durch die Entwicklung der Verhältnisse überholt. Der Artikel II kann daher gestrichen werden. Die Ermächtigung des § 18 Nr. 2 ZTG, nähere Vorschriften über die Wertverzollung zu erlassen, ist in § 109 Abs. 1 neue Nr. 5 ZG (Artikel 1 Nr. 9 a) übernommen worden. Die Ermächtigung in § 18 Nr. 3 ZTG ist nicht mehr erforderlich, da Durchschnittswerte nach den zwischenstaatlichen Vereinbarungen nicht zulässig sind. In Artikel V ZTG ist daher die Streichung des § 18 notwendig geworden. Zu Artikel 2 Nr. 1 und 2 Im Sinne des Zollrechts gelten aus dem Zollgebiet in den Freihafen verbrachte Erzeugnisse als ausgeführt. Der Vergütungsanspruch kann daher nicht nur von der unmittelbaren Ausfuhr in das Zollausland abhängig gemacht werden. Er muß folgerichtig auch dann gegeben sein, wenn die vergütungsfähigen Erzeugnisse endgültig in den Freihafen verbracht werden. Dieser Konsequenz tragen die Ergänzungen Rechnung. Zu Artikel 3 a Aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung dürfen Lieferungen von Gegenständen, die zu einem zugelassenen Bearbeitungs- oder Verarbeitungsverkehr abgefertigt oder im Rahmen eines solchen hergestellt oder bearbeitet oder verarbeitet und nach § 69 Abs. 1 Nr. 42 ZG (Artikel 1 Nr. 8) abgabenfrei eingeführt worden sind, nicht umsatzsteuerfrei bleiben. Artikel 3 a gibt hierfür die Rechtsgrundlage ab. Er stellt klar, daß solche Lieferungen als steuerbare Lieferungen im Sinne des § 1 Ziff. 1 des Umsatzsteuergesetzes gelten. III. Der Antrag, durch Einfügung einer Nr. 8 a in Artikel 1 den Bundesminister der Finanzen durch Anfügung eines neuen Satzes in § 101 Abs. 1 ZG zu ermächtigen, bei Zollsicherungsverkehren von dem Erfordernis des unmittelbaren Besitzes Ausnahmen zuzulassen oder an Stelle der Ergänzung das Wort „unmittelbar" in § 101 Abs. 1 ZG zu streichen, wurde vom Antragsteller zurückgezogen, nachdem die Erörterung im Ausschuß zu keiner Einigung mit den Vertretern der Bundesregierung führte. Es wurde in Aussicht genommen, den mit diesem Antrag verbundenen Fragenkomplex, der für die zollrechtliche Behandlung von Schwerölen zum unmittelbaren Verheizen — Heizöle — von besonderer Bedeutung ist, bei einer neuen Novellierung des Zollgesetzes zu regeln. IV. Der federführende Ausschuß stimmte in seiner 92. Sitzung am 6. Juni 1956 dem Entwurf auf Drucksache 2147 und den Änderungs- bzw. Ergänzungsanträgen einstimmig zu. Der mitberatende Ausschuß für Außenhandelsfragen, dem nur die Regierungsvorlage — Drucksache 2147 — zur Beratung vorlag, hieß den Entwurf in seiner 41. Sitzung am 7. Mai 1956 einstimmig gut. Bonn, den 18. Juni 1956 Krammig Berichterstatter Anlage 4 Drucksache 2481 (Vgl. S. 8315 C) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (23. Ausschuß) über den Entwurf eines Gesetzes über das Dritte Protokoll vom 15. Juli 1955 über zusätzliche Zugeständnisse zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (Bundesrepublik Deutschland und Dänemark) (Drucksache 2337). Berichterstatter: Abgeordneter Menke (Menke) Der Ausschuß für Außenhandelsfragen hat sich in seiner Sitzung vom 6. Juni 1956 mit dem Entwurf eines Gesetzes über das Dritte Protokoll vom 15. Juli 1955 über zusätzliche Zugeständnisse zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (Bundesrepublik Deutschland und Dänemark — Drucksache 2337 — befaßt; er hat sich der Begründung der Bundesregierung angeschlossen und einstimmig dem Gesetzentwurf zugestimmt. Bonn, den 6. Juni 1956 Menke Berichterstatter Anlage 5 Drucksache 2482 (Vgl. S. 8315 D) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (23. Ausschuß) über den Entwurf eines Gesetzes über das Vierte Protokoll vom 15. Juli 1955 über zusätzliche Zugeständnisse zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (Bundesrepublik Deutschland und Norwegen) (Drucksache 2338). Berichterstatter: Abgeordneter Menke Der Ausschuß für Außenhandelsfragen hat sich in seiner Sitzung vom 6. Juni 1956 mit dem Entwurf eines Gesetzes über das Vierte Protokoll vom 15. Juli 1955 über zusätzliche Zugeständnisse zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (Bundesrepublik Deutschland und Norwegen) — Drucksache 2338 — befaßt; er hat sich der Begründung der Bundesregierung angeschlossen und einstimmig dem Gesetzentwurf zugestimmt. Bonn, den 6. Juni 1956 Menke Berichterstatter Anlage 6 Drucksache 2483 (Vgl. S. 8316 A) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (23. Ausschuß) über den Entwurf eines Gesetzes über das Fünfte Protokoll vom 15. Juli 1955 über zusätzliche Zugeständnisse zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (Bundesrepublik Deutschland und Schweden) (Drucksache 2339). Berichterstatter: Abgeordneter Menke Der Ausschuß für Außenhandelsfragen hat sich in seiner Sitzung vom 6. Juni 1956 mit dem Entwurf eines Gesetzes über das Fünfte Protokoll vom 15. Juli 1955 über zusätzliche Zugeständnisse zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (Bundesrepublik Deutschland und Schweden) — Drucksache 2339 — befaßt; er hat sich der Begründung der Bundesregierung angeschlossen und einstimmig dem Gesetzentwurf zugestimmt. Bonn, den 6. Juni 1956 Menke Berichterstatter
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    Rede von Prof. Dr. Fritz Hellwig


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige Debatte zur Konjunkturpolitik kann nicht gerade in Anspruch nehmen, mit Vorschußlorbeeren gesegnet worden zu sein; denn die Vertagung, die sich am Freitag wegen der termingebundenen Beratung des Haushalts in zweiter Lesung ergab, hat den Eindruck erweckt, daß gerade die größte Regierungspartei, die diese Unterbrechung beantragte, die öffentliche Diskussion dieser Fragen scheue. Ich weiß nicht, ob es eine böse Unterstellung ist, wenn man selbst in der Presse ausführte, die größte Partei in der Bundestagsmehrheit habe offenbar kein anderes Interesse an dieser Frage, als der Debatte auszuweichen.
    Ich darf darauf verweisen, daß der Bundesparteitag der CDU in Stuttgart Ende April dieses Jahres ganz konkret und ausführlich die konjunkturpolitischen Fragen beraten und in einer Entschließung wesentliche Dinge niedergelegt hat, die Sie, wenn Sie beides richtig miteinander vergleichen, auch im Programm der Bundesregierung wiederfinden werden. Ich bin allerdings der Meinung, daß die Zusammenarbeit einer Partei, ihrer Fraktion und ihrer Mitglieder im Kabinett durchaus in aller Stille und nicht in der überhitzten Öffentlichkeit stattfinden sollte, in der die Konjunkturfragen in der letzten Zeit diskutiert werden. Ich halte es daher für durchaus richtig und berechtigt, an dieser Stelle deutlich festzustellen, daß sowohl die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag wie die CDU bei ihrem Bundesparteitag wesentliche Gedankengänge, die zur Konjunkturdebatte zu sagen waren, vorbereitet hat und daß diese Gedanken ihren Niederschlag auch in dem Regierungsprogramm gefunden haben.
    Meine Damen und Herren, es ist eine merkwürdige Erscheinung, wie bei uns konjunkturpolitische Fragen diskutiert werden. Die konjunkturelle Entwicklung hat uns immerhin — das sollten wir in allen Lagern dieses Hauses und der Öffentlichkeit anerkennen — vor Fragen gestellt, die wir seit nunmehr nahezu 30 Jahren nicht mehr in aller Freiheit diskutiert haben. Eine Situation, in der Vollbeschäftigung in einem Zeitpunkt der Hochkonjunktur eintritt, haben wir seit der Jahreswende 1928/29 in einer freien Wirtschaftsordnung nicht mehr gehabt. Wir haben an vielen Stellen — das ist kein Vorwurf, sondern die Feststellung einer Folge der politischen Entwicklung bei uns — mit der internationalen Diskussion über Konjunkturprobleme unter derartigen Verhältnissen den Kontakt verloren.
    Wir haben die bitteren Erfahrungen einer gelenkten Wirtschaft hinter uns, die dann in die Kriegswirtschaft überging, die bitteren Erfahrungen einer Nachkriegswirtschaft, die unter Besatzungsrecht stand, und wir haben dann die Jahre des raschen Wiederaufbaues unter der befreienden Marktwirtschaft erlebt. Nunmehr wundern wir uns alle, daß wir plötzlich an einem Punkt Anschluß an die internationale Diskussion gefunden haben, den wir normalerweise so schnell noch gar nicht hätten erwarten können. Es ist daher nur natürlich, daß die Meinungen erheblich auseinandergehen und daß sowohl die Rezepte, die von jeder Seite gegeben werden, als auch die Kritik, die von anderen daran geäußert wird, sich in einer etwas, ich möchte fast sagen: irrealen Übersteigerung begegnen.
    Meine Damen und Herren, wir hatten die letzte Erörterung der Konjunkturpolitik in der Berliner Sitzung des Bundestages. Ich habe damals — und ich glaube, daß dieser Gedanke auch von der Opposition in gewisser Weise anerkannt wurde — die sehr kritische Frage gestellt, welche Möglichkeiten ein Parlament, das nicht den wissenschaftlichen Apparat zur Verfügung hat, um Konjunkturbeobachtung zu treiben, hat, wirklich sehr rasche und kurzfristige Entscheidungen zur Konjunkturpolitik zu treffen. Gewissermaßen ist es doch Aufgabe des Parlaments, ein Instrumentarium gesetzgeberischer Vollmachten bereitzuhalten, damit die Exekutive zu gegebener Zeit davon Gebrauch machen kann. Denn das ist vom Kollegen Scheel richtig gesagt worden: bei bestimmten Erscheinungen der konjunkturellen Entwicklung kommt es darauf an, daß auch rasch gehandelt wird. Nun, ich möchte sagen, es kommt nicht nur darauf an, daß rasch gehandelt wird, sondern auch darauf, daß klug gehandelt wird, und dazu ist ein bestimmter Fundus an wissenschaftlichen Beobachtungen gerade auf diesem Gebiete notwendig. Ich werde später wohl noch einmal auf diese Frage zurückkommen, möchte aber jetzt schon sagen, daß mir gerade im Vergleich etwa mit dem amerikanischen Kongreß hier eine erhebliche Schlechterstellung des Deutschen Bundestages vorzuliegen scheint. Denn der Deutsche Bundestag hat nicht ein Gremium wissenschaftlicher Sachbearbeiter zur Vorbereitung konjunkturpolitischer Maßnahmen zur Verfügung, wie es in dem wissenschaftlichen Referentenstab, der dem amerikanischen Kongreß beigeordnet ist, diesem zur Verfügung steht; eine


    (Dr. Hellwig)

    Frage, über die wir uns einmal sehr ausführlich unterhalten müssen und über die wir uns wahrscheinlich auch weitgehend verständigen können.

    (Abg. Dr. Atzenroth: Aber Sie haben es ja!)

    Nun, meine Damen und Herren, weshalb mache ich diese Ausführungen? Deshalb, weil das Merkwürdige der konjunkturpolitischen Debatte außerhalb dieses Hauses, im Lande draußen, seit Monaten ist, daß es keine einheitliche Urteilsbildung mehr gibt. Auch die wirtschaftswissenschaftlichen Institute, die sich der Konjunkturpolitik und der Konjunkturforschung widmen, haben erstmalig seit einigen Jahren kein gemeinschaftliches, übereinstimmendes Gutachten vorgelegt, sondern haben abweichende Gutachten veröffentlicht; ein Zeichen dafür, daß es in der wissenschaftlichen Diskussion selbst nicht zu einwandfreien einheitlichen Beurteilungen kommt. Wenn das bereits außerhalb des politischen Bereiches bei der rein wissenschaftlichen Interpretation der Fall ist, dann sind, glaube ich, diejenigen nicht zu tadeln, die, an verantwortlicher Stelle stehend, der Konjunkturpolitik unmittelbar verhaftet sind und die hier nun auch verschiedene Auffassungen haben.
    Ich hoffe aber, daß — darüber wird später noch zu reden sein — auch der Antrag der SPD*), der auf eine Verfeinerung der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung mit der Erstellung des Nationalbudgets hinausläuft, Veranlassung gibt, Lücken in der konjunkturwissenschaftlichen Beobachtung, in der Sammlung und Auswertung der Fakten zu schließen und damit zu einer weiteren Verbreiterung der wissenschaftlichen Grundlagen für die zu treffenden politischen Entscheidungen beizutragen.
    Ich glaube, daß eines in der Diskussion der letzten Monate deutlich geworden ist: das ist die Problematik der Eingrenzung der Vollmachten der Bundesregierung und des Bundestages hinsichtlich der zentralen Steuerung der Konjunktur. Hier ist ein Problem angesprochen, das in der Regierungserklärung ausdrücklich mit einem Bedauern der Bundesregierung versehen worden ist: daß an wichtigen Stellen, an denen sich konjunkturpolitisch bedeutsame Vorgänge abspielen, ein Eingreifen weder von Bundesregierung als Exekutive noch von Bundestag und Bundesrat als Gesetzgebern ohne Schwierigkeiten möglich wäre.
    Ich erwähne hier, ohne vollständig sein zu wollen, nur das Problem: Verhältnis des Bundes zu den Ländern und Gemeinden. Die Steuerung der öffentlichen Mittel in den Investitionen, in vermögenswirksamen Ausgaben und in der Anlagepolitik, die mit diesen Geldern getrieben wird, ist von seiten des Bundes praktisch nur gegenüber Mitteln des Bundes möglich. Sie ist bisher gegenüber den anderen Instanzen der öffentlichen Hand nicht ohne weiteres durchsetzbar.
    Eine weitere Frage ist das Thema: Verhältnis von Bundesregierung - und natürlich Bundestag — zur Bundesnotenbank, zur Bank deutscher Länder. Ich glaube, niemand in diesem Hause wird bestreiten, daß eine bessere Koordinierung und Abstimmung der zu ergreifenden Maßnahmen rechtzeitig stattfinden sollte, damit nicht immer erst in letzter Minute oder vielleicht erst nachher über eine mögliche Koordination gesprochen wird.
    *) Siehe Anlage 2.
    Ich darf hier, wenn dieses Bedauern ausgesprochen wird, einmal ganz klar und deutlich sagen, daß gerade bei meinen politischen Freunden aber auch niemand daran denkt, die Unabhängigkeit der Bundesnotenbank irgendwie anzutasten.

    (Lebhafte Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Ich darf daran errinnern, daß bei der ersten Lesung der Entwürfe für das Bundesnotenbankgesetz in diesem Hause — das Gesetz ist zum großen Bedauern von uns allen bisher nicht zustande gekommen— gerade von den Sprechern meiner Partei die Notwendigkeit einer unabhängigen Bundesnotenbank sehr deutlich unterstrichen worden ist. Dagegen ist, wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht, von einem Sprecher der SPD die Frage gestellt worden, ob nicht der Bundesregierung eine Einwirkungsmöglichkeit gegenüber der Bundesnotenbank dergestalt eingeräumt werden müßte, daß über eine Abberufbarkeit von leitenden Männern des Zentralbanksystems durch die Bundesregierung zumindest zu diskutieren sei.
    Wir sind also, glaube ich, durchaus berechtigt, auf unser Bekenntnis und unser Eintreten für die Unabhängigkeit der Bundesnotenbank hinzuweisen. Aber, meine Damen und Herren, Unabhängigkeit heißt noch lange nicht Unfehlbarkeit.

    (Abg. Raestrup: Sehr gut!)

    Auch die Maßnahmen der Bank deutscher Länder — sie selbst hat diesen Standpunkt immer vertreten — stellen sich der öffentlichen Diskussion und unterliegen der kritischen Stellungnahme und Begutachtung, auch durch das Parlament. Wir können an der Aufgabe, alle Bereiche, die wirtschaftswichtige Entscheidungen treffen, hier einer kritischen Gesamtschau zu unterziehen, einfach nicht vorbeigehen und können nicht die Hände in den Schoß legen und sagen: was die Bank deutscher Länder tut, ist gut getan! Das ist auch mit den Forderungen, die in der letzten Aussprache hier erwähnt worden sind, nicht gemeint gewesen. Die Sachkritik, die in den letzten Tagen und Wochen immer wieder eine Rolle gespielt hat, ist auch gegenüber Maßnahmen der Bank deutscher Länder durchaus notwendig; denn nur durch eine kritische Prüfung von Argument und Gegenargument werden wir dort, wo es notwendig ist, das Verständnis für die Maßnahmen der BdL wirklich wecken.

    (Abg. Dr. Deist: Es kommt auf die Sachkritik an!)

    — Jawohl, Sachkritik! Ich komme nachher noch darauf zu sprechen.
    Ein weiteres Problem, das ebenfalls die Begrenztheit der Möglichkeiten von Bundestag und Bundesregierung zeigt, ist die weitgehende Autonomie der Tarifpartner in dem entscheidenden Sektor der Lohnhöhe, der Arbeitszeit und der sonstigen Arbeitsbedingungen. Ich will hier noch nicht im einzelnen darauf eingehen. Aber wenn man zu dem Grundsatz der Tarifhoheit der Sozialpartner steht - wir haben bisher keine Veranlassung, außer Empfehlungen, allerdings sehr dringlichen Empfehlungen, hier irgend etwas anderes zur Diskussion zu stellen —, dann muß man sich allerdings auch darüber klar sein, daß man nicht die Bundesregierung für Dinge und Entwicklungen tadeln darf, die in einem Bereich eingeleitet werden, wo sie nicht die Zuständigkeit zum Eingreifen hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



    (Dr. Hellwig)

    Wenn aus dem Sektor des Lohnes und sonstiger Vorgänge, die damit unmittelbar zusammenhängen, Gefahren für die Stabilität von Preis und Kaufkraft eintreten, dann muß das auch an dieser Stelle offen gesagt werden, und man darf nicht primär die Bundesregierung tadeln, denn es ist Ihrer aller Anliegen, daß die Bundesregierung auf diesem Gebiet die Tarifhoheit der Sozialpartner zu achten habe.

    (Abg. Kunze [Bethel]: Sehr richtig!)

    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich jetzt einige Bemerkungen zur wirtschaftlichen Lage machen. Wir reden seit Wochen über eine überhitzte Konjunktur, wobei ich sagen möchte: eine angeblich überall überhitzte Konjunktur. Ich habe das Gefühl, daß die Vertrautheit mit der tatsächlichen Entwicklung in den einzelnen Bereichen und Branchen in den letzten Wochen darüber etwas zu kurz gekommen ist. Wir tun so, als wenn das Problem noch das gleiche wäre wie vor einem Jahr. Es hat aber eine wesentliche Verschiebung stattgefunden. Die Hochkonjunktur des vergangenen Sommers war eine Investitionskonjunktur. Die Investitionstätigkeit war in allen Bereichen der Entwicklung der Verbrauchsgüterindustrien und der Entwicklung des allgemeinen Massenabsatzes erheblich vorausgegangen. Dann kam eine ganz namhafte Lohnbewegung, deren letzte Ausläufer erst im Jahre 1956 mit der Lohnerhöhung im Bergbau zu verzeichnen waren. Was ich schon damals bei der Berliner Debatte sagte, daß unsere Überlegungen nicht so sehr an dem Problem eines überhitzten Investitionsvolumens sich orientieren sollten, sondern daß wir uns mit der Frage beschäftigen müßten, wie wir eine ganz stark und schnell steigende Massenkaufkraft auf der güterwirtschaftlichen Seite bedienen könnten, dieses Problem ist in den letzten Monaten in aller Deutlichkeit laut geworden.
    Ich darf Sie daran erinnern, daß beispielsweise die Entwicklung der Auftragseingänge in der Industrie in den ersten Monaten des Jahres 1956 mengenmäßig hinter der Umsatzentwicklung zurückgeblieben ist — für die gesamte Industrie gesprochen—, daß sie aber in der Verbrauchsgüterindustrie über die Umsatzentwicklung hinausgegangen ist. Nach dem letzten Bericht des Bundeswirtschaftsministeriums über die Auftragsbewegung ist der kräftigste Auftragseingang im April — das ist der letzte Monat, für den die Zahlen vorliegen — im Bereich der Verbrauchsgüterindustrie, und zwar bei Hausrat, Möbeln und Bekleidung, festzustellen, während er in der Investitionsgüterindustrie nicht unerheblich hinter dieser Entwicklung zurückbleibt.
    Ich glaube also, sagen zu können: im ganzen gesehen ist eine bestimmte Beruhigung gegenüber dem Vorjahr eingetreten. Wir können feststellen, daß bei der Investitionsgüterindustrie die Umsatzsteigerung gegenüber dem Vorjahr — die ersten vier Monate des Jahres gerechnet - 18 % beträgt, während der Auftragseingang nur noch um 7 % über dem des. Vorjahres liegt, bei den Grundstoff- und Produktionsgüterindustrien der Umsatz um 10 % über dem des Vorjahres, der Auftragseingang nur um 6 % über dem des Vorjahres, umgekehrt bei der Verbrauchsgüterindustrie der Auftragseingang 11 % über dem des Vorjahres, der Umsatz 8 % über dem des Vorjahres. Wie es bei einigen Stellen in der Wissenschaft bereits gekennzeichnet wird: die Investitionswelle des vergangenen Sommers ist - im Gefolge der Einkommensanhebungen, die stattgefunden haben — abgelöst worden von einer recht starken Verbrauchswelle, und in den letzten Wochen hat es den Anschein, als ob die Verbrauchswelle die Investitionswelle eingeholt, vielleicht sogar überholt habe.
    Ich darf hier gleich sagen, daß der Auftragseingang nicht eine wirklich exakte Aussage macht. Denn die Auftragseingänge liegen meistens, gerade in der Verbrauchsgüterindustrie, erheblich über den Abrufen. Abrufe der Aufträge aber sind ja doch Vorgänge, die einmal von der Nachfrage im Verteilersektor her bestimmt und zum andern auch durch zusätzliche Einfuhren mit beeinflußt werden. Denn wenn die gleiche Nachfrage vorhanden ist, kann sie sowohl durch stärkere Einfuhren wie durch Abrufe industrieller Erzeugnisse bedient werden.
    Aber die Tatsache, daß noch dieses Auseinandergehen von Abrufen und Auftragseingängen gerade im Verbrauchsgütersektor vorhanden ist, scheint mir doch zu bestätigen, daß von einem ernsthaften Auseinanderklaffen der Nachfrage einerseits und der Güterdarbietung andererseits noch nicht die Rede sein kann. Das zeigen auch die Lieferfristen. Denn gerade im verbrauchsnahen Sektor ist die Lieferfrist bisher nur dort ein Problem gewesen, wo rascher Wechsel im Konsumentengeschmack stattfindet und plötzliche Umdispositionen auf gewisse Artikel notwendig sind, nicht aber dort, wo es sich um eine gleichbleibende Belieferung der Verbraucher mit gleichbleibenden Qualitäten und gleicher Geschmacksrichtung handelt.
    Auch das Preisniveau im Verteilersektor scheint mir zu bestätigen, daß hier nicht generalisierend von einer Überhitzung die Rede sein kann. Der Wettbewerb in diesem Sektor, aber auch das wesentlich vergrößerte Angebot bestimmter Sektoren der Verbrauchsgüterindustrie haben zu einer Stabilisierung des Preisniveaus in den Verteilerkreisen beigetragen. Die Investitionskonjunktur des letzten Sommers ist — das habe ich auch in Berlin gesagt — sehr schnell zum Zuge gekommen, indem sie die Kapazitäten wesentlich vergrößert hat, die heute mit einem vergrößerten Warenangebot die vergrößerte Nachfrage einigermaßen ausgleichend bedienen können. Im ganzen glaube ich also, sagen zu können, daß an dieser Stelle keine ernsthaften Gefahren auftreten.
    Eine andere Frage aber ist, ob nicht bestimmte Gefahren dort vorhanden sind, wo echte Engpässe bestehen. Dabei denke ich im Sektor der Gütererzeugung von allem an die Kohle. Die Kohlenversorgung bleibt das schwierigste Güterversorgungsproblem der deutschen Volkswirtschaft, weil die Produktivitätssteigerung im Kohlenbergbau mit der allgemeinen wirtschaftlichen Produktivitätssteigerung aus vielerlei Gründen einfach nicht Schritt halten konnte.

    (Abg. Dr. Willeke: Sehr richtig!)

    Die wirtschaftliche Expansion, die wir im Jahre 1955 und im ersten halben Jahr 1956 wieder so kräftig sehen, hat die Lücke zwischen Kohlendarbietung aus Inlandserzeugung und Kohlennachfrage der Verbraucher, insbesondere der verarbeitenden Industrie, nur gößer werden lassen. Wenn die eigene deutsche Erzeugung aus vielen Gründen nicht in dem gleichen Tempo mithalten kann, bleibt nichts anderes übrig, als zusätzliche Kohle aus dem Ausland einzuführen. Wir werden


    (Dr. Hellwig)

    wahrscheinlich in diesem Jahre 4 Millionen t amerikanischer Kohle über das Volumen des letzten Jahres hinaus einführen müssen.. Da die Auslandskohle immerhin mit ganz erheblichen Beträgen teurer auf den Inlandsmarkt gelangt — 30 Mark pro Tonne, wollen wir einmal sagen —, ist von vorherein festzustellen, daß sich die Brennstoffversorgung der gesamten deutschen Wirtschaft im Schnitt verteuern wird, auch wenn der deutsche Kohlenpreis stabil bleiben sollte. Hier ist also ein echtes Problem. Ich glaube, es wäre verkehrt, hier aus der Kostenverteuerung im Kohlensektor etwa Schlußfolgerungen zu ziehen, daß derartige Dinge eine schleichende Verschlechterung der Kaufkraft der deutschen Währung darstellen, wie es gelegentlich in der Diskussion geschieht.
    Ich darf hier auch erwähnen, daß wir mit größter Sorge eben wegen dieses Engpaßcharakters bei der Kohle die weitere Entwicklung der Diskussion um Lohn und Arbeitszeit im Bergbau beobachten. Wir müssen uns alle auch dort, wo wir 100%ig für die Verwirklichung der Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich eintreten, über die Konsequenz klar sein, daß in der momentanen wirtschaftlichen Situation die Arbeitszeitverkürzung im Bergbau, wie sie im Augenblick verlangt wird, nicht anders ausgeglichen werden kann als durch eine abermalige Vermehrung der Einfuhr ausländischer Kohle mit allen Konsequenzen für das Kostenniveau der Kohlenversorgung der deutschen Wirtschaft.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Das muß sine ira et studio gesagt werden. Man muß diese Frage bei der Prüfung des Arbeitszeitproblems in der deutschen Volkswirtschaft doch sehen.
    Nun, meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch etwas zu der allgemeinen konjunkturpolitischen Betrachtung sagen. Ich glaube, die heftige Diskussion, die in vielen Bereichen eintritt und die man damit kennzeichnen könnte, daß jeder sich beeilt, zu versichern: „Überhitzung — betrifft mir nicht", ist nur darauf zurückzuführen, daß wir zu sehr mit Generalisierungen arbeiten und daß unsere Beobachtung der Konjunktur sowohl — ich darf das hier mit aller Deutlichkeit sagen — in der Berichterstattung des Bundeswirtschaftsministeriums wie der der Bank deutscher Länder nicht genügend den großen regionalen Unterschieden in der deutschen wirtschaftlichen Entwicklung gerecht wird. Die Gefahr ist tatsächlich gegeben, meine Damen und Herren, daß wir — und der Einsatz des geld- und kreditpolitischen Instrumentariums verlangt es in gewisser Weise — von den Brennpunkten der Konjunktur aus, von dort, wo die Überhitzungserscheinungen absolut nicht bestritten werden sollen, wo etwa private und öffentliche Investitionstätigkeit konjunkturverschärfend zusammenkommen, generelle Schlußfolgerungen ziehen und daß die wesentlich anders liegenden Fragen in den Notstandsgebieten, in den Zonengrenzgebieten und in den revierfernen Bezirken — ich brauche die Länder nicht im einzelnen zu nennen — darunter verborgen bleiben, nicht deutlich werden. Wer sich über die weite Streuung des konjunkturellen Geschehens bei uns ein Bild machen will, dem empfehle ich immer wieder, den Konjunkturbericht für Berlin im Vergleich zu dem allgemeinen Konjunkturbericht in den Monatsberichten des Bundeswirtschaftsministeriums zu studieren.
    Hier sind also Lücken. Die regionale Wirtschaftsbeobachtung hat bei uns im Augenblick nicht den Stand, bei dem wirklich einwandfrei ein Vergleich zwischen der Beteiligung der einzelnen Länder angestellt werden kann. Das ist betrüblich. Aber ich glaube, man sollte, wenn man sich um eine Verbesserung des wirtschaftswissenschaftlichen Instrumentariums im Verwaltungsbereich bemüht, doch auch einmal die Forderung an die Länder richten und das Begehren aussprechen, ihrerseits für eine Vereinheitlichung der Wirtschaftsbeobachtung, der Indexberechnungen, der Investitionsbeobachtungen usw. auf der Landesebene Sorge zu tragen, damit die Dinge tatsächlich miteinander verglichen werden können. Es ist mir beispielsweise nicht möglich gewesen, bei den Beratungen und Untersuchungen, die mit der jetzigen Diskussion zusammenhängen, wirklich einwandfreie statistische Unterlagen für alle deutschen Länder zu erhalten. Die Dinge sind nicht ohne weiteres miteinander vergleichbar. Ich glaube, ebenso wie wir von der allgemeinen Konjunkturdebatte verlangen, daß sie nicht nur Generalisierungen bringt, sollten wir auch verlangen — und die Länder sollten das in ihrem eigenen Interesse aufgreifen -, daß die Länder in ihrem Bereich zu einer Vereinheitlichung und Intensivierung der Wirtschaftsbeobachtung kommen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Besonders auffällig sind auch die branchenmäßigen Unterschiede. Selbst die gestiegene Verbrauchernachfrage kam beispielsweise längst nicht allen Verbrauchsgüterindustrien zugute. Ich sprach von der Verbrauchswelle, die die letzten Wochen kennzeichnet. Trotzdem bleiben die Textilindustrie, also immerhin eine der stärksten verbrauchsnahen Branchen, die keramische Industrie und die Glas- und Ledererzeugung unter dem Durchschnitt der wirtschaftlichen Entwicklung. Am stärksten über dem Vorjahr liegen, noch auf Grund des Investitionsstoßes, aber auch wegen ihrer engen Verbundenheit mit der gestiegenen Massenkaufkraft, solche interessanten Wirtschaftszweige wie der Maschinenbau für die Bauwirtschaft, der heute einen Produktionsindex hat, der um 33,6 % über dem Vorjahr liegt, und der Bau von Personenkraftwagen, der um 26,8 % über dem Vorjahr liegt.
    Hier wird auch folgendes deutlich. Die sehr starke Streuung der Produktionsentwicklung in den einzelnen Bereichen zeigt, daß offenbar ein Generalurteil über ein überhöhtes Maß der Investitionen nicht ohne weiteres gefällt werden kann. Was steckt denn beispielsweise im Index der Investionsgüterindustrie alles drin? Da steckt ja auch die elektrotechnische Industrie mit Fernsehgeräten, Rundfunkapparaten und ähnlichen Dingen drin, die heute doch wesentlich als Gegenstände des Verbrauchs angesehen werden müssen. Es steckt in diesem Index ebenso die Kraftfahrzeugindustrie drin. Wir alle wissen, daß Motorräder und Personenkraftwagen weit weniger Investitionsmittel sind. Der erhöhte Absatz dieser Güter ist vielmehr ein Zeichen für steigende Lebenshaltung und wachsende Kaufkraft der Verbraucher.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Hier ist also die kleine Anregung an die statistischen Stellen einschließlich des Wirtschaftsministeriums zu geben, eine Bereinigung dieser Dinge anzustreben. Es sollte das ausgeklammert werden, was echte Investitionsgüterindustrie ist.


    (Dr. Hellwig)

    Ein Wort noch zu dem Investitionsvolumen ins-ges amt! Es war in den letzten Jahren sehr leicht zu sagen: es wird viel zuviel investiert, weil hinter dem begriff „Investition" meist die landläufige Vorstellung steht: Investition ist Vermogensbildung zugunsten derjenigen, die investieren konnen. Die Parallele zwischen Investitionen und Verschuldung ist aber gerade im letzten J ahr sehr deutlich geworden.
    Ich darf hier auch noch eine andere Ungenauigkeit unserer globalen Feststellung des Investitionsindexes erwahnen. Im allgemeinen volkswirtschaftlichen Investitionsbegriff stecken der Wohnungsbau ebenso wie die öffentlichen Investitionen drin. Wir wissen, daß im Wohnungsbau und in allen Sparten des öffentlichen Baues ein dringender Nachholbedarf vorhanden ist, der in der deutschen Volkswirtschaft viel größer ist als in anderen Ländern, weil das Ausmaß der Kriegszerstörungen und der Belastungen durch Flüchtlinge und Vertriebene bei uns wesentlich größer ist als in irgendeinem anderen Lande.
    Wenn das aber bejaht wird — ich glaube, niemand wird das bestreiten —, dann soll man uns nicht vorhalten, daß die Investitionstätigkeit in der Bundesrepublik, bezogen auf das Volkseinkommen, ungebührlich groß sei, daß sie insbesondere im Vergleich zu anderen Ländern ungebührlich groß sei,

    (Sehr richtig! in der Mitte)

    sondern dann muß man auseinanderklammern, was industrielle Investition, d. h. Investition der privaten Wirtschaft, und was öffentliche Investition einschließlich Wohnungsbau zur Bedienung des Nachholbedarfs ist. Erst dann würden wir zu einem bereinigten Investitionsanzeiger kommen, der uns den internationalen Vergleich einmal gestatten würde. Einstweilen glaube ich diesem Vergleich nicht, weil er diese Sonderbelastung der deutschen Investitionsverpflichtung, möchte ich beinahe sagen, nicht genügend berücksichtigt.
    Nun, meine Damen und Herren, zur Überhitzung! Wo ist Überhitzung, und wie wollen wir sie feststellen? Ich glaube, wir können von einzelnen Preisbewegungen ausgehen. Als stärksten Preisausschlag haben wir natürlich die sehr starke Bewegung der Baukosten gehabt; aber auch bei der Bautätigkeit darf ich noch einmal vermerken: bitte, keine generalisierende Feststellung! Wir haben in Deutschland Bezirke, wo zur Zeit die Kapazitäten der Bauwirtschaft nicht voll ausgelastet sind. Nach einem Bericht des Bundesverkehrsministeriums ist die Straßenbaukapazität zur Hälfte ausgelastet. In anderen Bezirken, etwa in Nordhessen und in Rheinland-Pfalz, haben wir bei öffentlichen Submissionen eine rückläufige Preisbewegung, soweit es sich um die Bauwirtschaft im allgemeinen handelt. Wir wissen genau, wo der Schuh in der Baukonjunktur drückt: an den Brennpunkten der Bautätigkeit, wo eben im industriellen Kernbereich ein großes Maß privater und öffentlicher Investitionen zusammenkommt.
    Man kann da nun nicht so reagieren — ich bin mir auch darüber klar —, daß die Gebiete, wo diese Baukonjunktur nicht in gleichem Maße herrscht, sich dagegen wehren, daß nun Maßnahmen zur Drosselung der Bautätigkeit getroffen werden, die vielleicht alle treffen könnten. Denn die Übersteigerung gerade der Nachfrage nach Bauarbeitern in solchen Brennpunkten der Bautätigkeit schlägt auf die Bezirke mit nicht ausgelasteter Baukapazität zurück. Dort wird ja dann die Arbeitskraft abgeworben, dort wird ja die Werbung angesetzt, die die Arbeitskräfte in die Brennpunkte des industriellen Geschehens, der öffentlichen Investitionen noch abzieht.
    Was ist aber in der Bauwirtschaft seit einem Jahr geschehen? Sie erinnern sich vielleicht, daß wir in Berlin übereinstimmend einen dringenden Appell an die öffentlichen Auftraggeber gerichtet haben, ihre Auftragsgestaltung etwas anpassungsfähiger zu machen, die Bautätigkeit nicht in wenigen Sommermonaten zusammenzudrängen, sondern so früh wie möglich nach der Beendigung des Frostes zu bauen zu beginnen und bis in den Winter hinein zu bauen, bis wirklich der Frost die Stillegung der Baustelle erzwingt. Wir dürfen mit Dank vermerken — ich glaube, es schließt sich niemand dabei aus —, daß im Zusammenwirken zwischen privaten und öffentlichen Bauauftraggebern und der Bauwirtschaft eine weitgehende Auseinanderziehung des Auftragsvolumens möglich gewesen ist.
    Der Ansicht der Bank deutscher Länder, die das schlagartige Einsetzen der Baukonjunktur im März/April als ein Zeichen eines erneuten Booms kennzeichnet, kann ich nicht folgen; denn wir erblicken in dem Einsetzen der Baukonjunktur im März/April gerade eine Bestätigung unserer Bemühungen, das Bauvolumen auf einen möglichst großen Zeitraum im Jahr zu verteilen, also möglichst früh im Jahr zu beginnen.
    Aber ein Punkt sollte hier bei den weiteren Bemühungen erwähnt werden. Immer wieder hören wir die Klage, daß Versuchungen der Bauunternehmer, sich konjunkturwidrig zu verhalten, wesentlich durch allzu kurze Terminsetzungen bei der Erlangung der Bauaufträge veranlaßt werden. Jeder Auftraggeber will seinen Auftrag so schnell wie möglich erfüllt haben. Das Ergebnis ist, daß die Bauunternehmer sich zur Zahlung sehr hoher Konventionalstrafen verpflichten müssen, wenn sie einen derartigen Termin nicht einhalten können.
    Wenn ein Bauunternehmer etwa aus irgendwelchen Umständen, die nicht von ihm und seinem Betrieb zu verantworten sind, nicht in der Lage ist, den Termin einzuhalten, und wenn er Tausende von Mark als Konventionalstrafe für jeden einzelnen Verzugstag zu zahlen hat, dann ist er allerdings bereit, durch Sonderprämien, durch unsaubere Abwerbungsmaßnahmen und ähnliche Dinge mehr unter allen Umständen seinen Termin einzuhalten, weil ihn das im ganzen billiger zu stehen kommt, als wenn er eine hohe Konventionalstrafe zahlen muß.
    Ich möchte also an alle diejenigen Auftraggeber, wo die Fertigstellung des Baus nicht unbedingt mit der Wirtschaftlichkeitsrechnung für die Produktion des Betriebs verbunden ist, den dringenden Appell richten, mit der Übersteigerung von Terminsetzungen und von Konventionalstrafen Schluß zu machen.

    (Beifall in der Mitte.)

    Dort würde dann ein wesentliches Element der Beruhigung eintreten.
    Meine Damen und Herren, wir haben uns nun sehr überlegt, was im Bausektor wohl noch getan werden kann, um zu einem größeren Ausgleich und einer größeren Verteilung der zur Verfügung ste-


    (Dr. Hellwig)

    henden Kapazitäten zu gelangen. Ich darf mich hier auf folgende kurze Bemerkungen beschränken. Jede Bautätigkeit, die im Augenblick stattfindet, muß von der Notwendigkeit bestimmt sein, daß mit der noch steigenden Entwicklung der Einkommen die Herstellung entsprechender Produktionskapazitäten Schritt hält. Die große Gefahr aber ist im Augenblick die — ich glaube, wir müssen hier in aller Offenheit darüber sprechen —, daß durch die Situation auf dem Geld- und Kapitalmarkt und durch die Situation der öffentlichen Kassen die Bautätigkeit im Sektor öffentlicher Aufträge, bei den öffentlichen Investitionen stärker und besser vonstatten geht als die entsprechende Bautätigkeit dort, wo zusätzliche wirtschaftliche Kapazitäten geschaffen werden müssen.
    Es gibt den Vergleich der beiden Sektoren: öffentliche Aufträge, öffentliche Investitionen und private Investitionen, sagen wir, wirtschaftliche Investitionen, hinsichtlich ihrer Wirkung auf Einkommensbildung einerseits und Güterdeckung andererseits. Die öffentlichen Investitionen tragen im allgemeinen zunächst stärker zur Einkommensbildung bei, weil sie in Form von Löhnen fließen. Die Wirtschaftsinvestitionen tragen sowohl zur Einkommensentwicklung wie zur Erstellung von güterwirtschaftlich wirksamen Kapazitäten bei. Die güterwirtschaftliche Wirksamkeit öffentlicher Investitionen liegt längst nicht bei allen öffentlichen Bauvorhaben auf der Hand. Sie ist dort, wo die öffentliche Hand Unternehmungen betreibt, in der Energiewirtschaft, selbstverständlich bei der Bundesbahn und ähnlichen Unternehmungen, auch gegeben. Aber es ist sine ira et studio doch wohl zu sagen, daß im Sektor öffentlicher Investitionen der Einkommenseffekt im großen und ganzen zunächst stärker ist als der Produktionseffekt. Das bedeutet natürlich, daß, wenn eine stärkere Verlagerung zu öffentlichen Investitionen, zu öffentlicher Bautätigkeit stattfindet, zwar Einkommen in diesem Sektor entstehen, aber nicht in gleicher Zügigkeit die Produktionskapazitäten dazu mit entwickelt werden.
    Man hat sehr angezweifelt, ob es berechtigt ist, diese Entwicklung der öffentlichen Bautätigkeit, der öffentlichen Investitionen in dieser Weise mit den privatwirtschaftlichen Investitionen zu vergleichen. Ich darf hier einmal daran erinnern, daß es ein Grundgebot einer auf lange Sicht arbeitenden und disponierenden aktiven Konjunkturpolitik ist, die öffentlichen Investitionen nicht parallel zu den Wirtschaftsinvestitionen laufen zu lassen, sondern antizyklisch, d. h. mit ihnen die Täler und die Höhen des konjunkturellen Geschehens nach Möglichkeit auszugleichen und aufzufangen. Wir haben in den letzten zwei, drei Jahren genau das Gegenteil beobachten müssen. Im Vorjahr ist bei den Gemeinden allein die Bautätigkeit um 27 % höher gewesen als in dem vorhergehenden Jahr, und die Schätzungen des Bundesfinanzministeriums über die Bautätigkeit, die vermögenswirksamen Ausgaben und Investitionen aller Gebietskörperschaften sind wesentlich überschritten worden. Das Bundesfinanzministerium hatte eine Steigerung der Bautätigkeit und der sonstigen vermögenswirksamen Ausgaben aller öffentlichen Körperschaften um nur 5,6 % erwartet. Tatsächlich aber ist die Bautätigkeit, die Investitionstätigkeit im Jahre 1954/55, für das die abschließenden Zahlen vorliegen, um 12 % höher gewesen.

    (Abg. Kurlbaum: Wie wollen Sie es mit den Kasernen machen?)

    — Ich werde auf die Frage noch eingehen.
    Wir müssen hier einmal deutlich machen, daß es nicht angeht, die öffentliche Bautätigkeit bei allen Gebietskörperschaften etwa nur unter das Motto zu stellen: Wir haben so lange im Schatten der Konjunktur gestanden; jetzt, wo die Steuereinnahmen einmal fließen, wollen wir auch an der Konjunktursonne mitspielen. Das ist eine völlige Verkennung der Investitionstätigkeit und der damit verbundenen Aufgabenstellung im Bereich der öffentlichen Hand. Die öffentlichen Aufträge sollen ausgleichend wirken; sie sollen aber nicht die Konjunkturausschläge, die Kurvenausschläge noch weiter übersteigern. Diese Forderung muß um so mehr erhoben werden, als für die gesamte Öffentlichkeit in den nächsten Jahren eine zusätzliche Investitionsaufgabe vor uns steht, nämlich die Bedienung unseres Verteidigungsbeitrags. Ich darf hier schon eine Bitte aussprechen, daß man nämlich bei der Erörterung dieser Frage die Gesamtheit aller öffentlichen Interessen, d. h. des ganzen deutschen Volkes sieht und nicht die Instanzen auf Gemeinde-, Landes- oder Bundesebene nach unangebrachten Maßstäben mißt und gegeneinander ausspielt. Die Wiederherstellung unserer Wehrfähigkeit ist nach dem überzeugenden Willen und Bekenntnis einer eindeutigen Mehrheit des deutschen Volkes ein Anliegen des deutschen Volkes, und ich glaube, daß wir danach auch in den vor uns liegenden Jahren eine Anpassung der wirtschaftlichen Investitionen, der Bautätigkeit, insbesondere im öffentlichen Sektor, verlangen müssen.
    Nun noch einige Bemerkungen zu den Dingen, an Hand deren man immer wieder versucht, die Überhitzung darzulegen, nämlich zum Preissektor. Herr Kollege Dr. Deist hat über die Preisentwicklung einige sehr kritische Bemerkungen gemacht und von der „schleichenden Entwertung der Deutschen Mark" gesprochen. Ich darf zunächst klarstellen, daß die wichtigsten Beiträge zur Entwicklung der Lebenshaltungskosten nicht auf eine allgemeine konjunkturelle Entwicklung — was also einer schleichenden Entwertung entsprechen würde
    — zurückgehen, sondern auf bewußte Anpassungsmaßnahmen. Kollege Dr. Deist hat es selbst zum Ausdruck gebracht, hat aber geglaubt, die Bundesregierung dafür besonders tadeln zu müssen.

    (Abg. Dr. Deist: Sehr richtig!)

    — Verehrter Herr Kollege Dr. Deist, ich darf die Frage stellen: Wie wollen Sie in einer solchen hochkonjunkturellen Situation, in der Anpassungsmaßnahmen in den Bereichen dringend notwendig sind, wo eine amtliche Preisbindung es verhindert hat, daß die Preisentwicklung mit der allgemeinen Entwicklung Schritt hält, Ausgleiche versuchen, wenn nicht entweder durch eine Anpassung der Preise oder durch Subventionen? Aber ist nicht gerade die Subvention in einer Zeit der Hochkonjunktur das gefährlichste Mittel, weil sie die Nachfrage nach diesen Gütern praktisch unbegrenzt steigen läßt? Denn die Subvention subventioniert ja dann den Käufer dieser Dinge.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ich glaube, man sollte gerade in der Hochkonjunktur das Mittel der Preisanpassung in solchen Bereichen — selbstverständlich mit ganz bestimmter planmäßiger Überlegung — auch als ein Mittel der Dämpfung der Nachfrage einsetzen, wenn die Nachfrage ein zu gefährliches Ausmaß annehmen sollte.


    (Dr. Hellwig)

    Ich darf Sie, verehrter Kollege Deist, darauf aufmerksam machen, daß ich eine gewisse Bestätigung dieser Auffassung aus Ihren eigenen Reihen gefunden habe. Der von mir sehr verehrte Professor Dr. Schiller, der ja Ihnen politisch nahesteht, hat vor wenigen Tagen ausdrücklich folgendes zu dieser Lage gesagt — in der „Zeit" vom 21. Juni nachzulesen -:
    Die so überaus richtige Leitregel der Stabilität des Preisniveaus sollte nicht zum Fetisch für die Einzelpreisgestaltung werden! Eine Subventionierung der Preise von zu steigenden Kosten produzierten Grundstoffen bedeutet doch nur, daß hier die Nachfrage prämiiert und das Übel nicht kuriert wird.
    Ich glaube, daß wir uns hier in guter Gesellschaft befinden, wenn wir feststellen, daß Anpassungen, die in den Bereichen notwendig geworden sind, wo wird staatlicherseits Preisbindungen hatten, eben gerade eher in einer Phase steigenden Masseneinkommens als in einer Phase rückläufigen oder stagnierenden Masseneinkommens vorgenommen werden können. Wann sollen denn Anpassungen vorgenommen werden? Das Problem der Kohle, das Problem der Mieten, das Problem der Festpreise für die Landwirtschaft können wir doch nicht damit aus der Welt schaffen, daß wir sagen: Notwendige Anpassungen unterbleiben, weil sie für bestimmte Sektoren der Verbraucher zur Verschlechterung etwa ihrer Kaufkraft führen. Wenn Verschlechterung der Kaufkraft eintritt, dann wird sie durch die allgemeine Welle der Masseneinkommensbewegung doch eher kompensiert, als wenn sie etwa mit einer rückläufigen oder stagnierenden Bewegung der Masseneinkommen zusammenfällt.
    Ich glaube, man sollte auch die Preisbewegung im ganzen nicht überschätzen. Die Warnung ist selbstverständlich angebracht, und ich wäre der letzte, der sie nicht zum Ausdruck bringt, der sie nicht gerade von dieser Stelle aus zum Ausdruck bringt: Auch in der Wirtschaft, bei den Unternehmern bedeutet die Hochkonjunktur eine Versuchung, Preisnachteile oder Kostenverschlechterungen oder sonstige unwägbare Entwicklungen, die vielleicht noch vor ihnen liegen, durch Preiserhöhungen vorweg zu eskomptieren. Es ist selbstverständlich, daß die verantwortliche Führung der deutschen Wirtschaft gerade in dieser Hinsicht immer wieder einen dringenden Appell zur Preisdisziplin und zur Zurückhaltung an die Unternehmer richten muß.
    Die Bundesregierung hat in ihrer Erklärung sehr deutlich gemacht, daß eine Überschätzung, eine Überdramatisierung dieser Vorgänge nicht unbedingt am Platze ist. Ich darf bemerken, daß im ganzen gesehen gerade die deutsche Preisentwicklung, die Stabilität der deutschen Währung im internationalen Vergleich bis zur Stunde recht günstig wegkommt. Sehr viele Probleme, die im Augenblick auf uns zukommen, nämlich die Überliquidität auf Grund der starken Exportsteigerung, wie sie sich bei unseren Geschäftsbanken niederschlägt, sind eine unmittelbare Folge aus der Tatsache, daß es der Bundesrepublik bisher gelungen ist, eine viel stärkere Stabilität der inneren Kaufkraft und des Preisniveaus zu gewährleisten, als es in vergleichbaren Ländern möglich war.

    (Beifall in der Mitte.)

    An irgendeiner Stelle habe ich die Worte gelesen, die mir selbst schon auf die Zunge kamen, daß nämlich, wenn es im internationalen Wettbewerb so weitergehe, d. h. bei anderen Ländern die Preisstabilisierung nicht gelinge und damit der Sog, deutsche Waren zu kaufen, also der Exportsog, bei uns mit allen Konsequenzen für die innere Lage immer noch stärker werde, hier so etwas wie ein Vorgang der „Diktatur der letzten Bank" stattfinde. Wenn hier nicht rechtzeitig eine internationale Aussprache über die Währungs- und Kaufkraftprobleme erfolgt, hat tatsächlich derjenige, der sich am vernünftigsten verhält, am stärksten die Kosten dafür zu tragen. Hier ist heute ein Paradoxon gegeben. Je besser wir die Stabilität unserer eigenen inneren Preissituation zu wahren wissen, um so stärker wird die Gefahr vom Ausland her, daß das niedrigere deutsche Preisniveau zusätzliche Auslandsaufträge zu uns hereinbringt, vielleicht sogar ein Ausverkauf deutscher Waren und deutscher Leistung stattfindet, die Gegenwerte als große flüssige Geldmengen bei uns in den Kreditapparat hineinkommen und dort dann zu den Erscheinungen führen, die gerade für die innere Konjunkturstabilität wiederum eine Gefahr darstellen.
    Hier ein kurzes Wort zum Problem der Lohnbewegungen. Wir dürfen zunächst einmal feststellen, daß die Lohnpolitik in der Bundesrepublik — und das gilt für alle Beteiligten — ein Ausmaß der Reallohnsteigerung gegenüber der Vorkriegszeit ermöglicht hat, welches sich im internationalen Vergleich an bester Stelle sehen lassen kann. USA, Kanada und Schweden bilden die Spitzengruppe in der Reallohnsteigerung. Im Mittelfeld stehen die Bundesrepublik, Frankreich, Australien, Italien und Norwegen. Dahinter erst folgen Länder, die zum Teil auf Grund ihrer Wirtschaftslage wesentlich bessere und günstigere Bedingungen hatten. Ich glaube, daß hier das Vertrauen, das bisher Bundesregierung und Bundestag den Sozialpartnern hinsichtlich der Anwendung des Instruments der Tarifautonomie entgegengebracht haben, durchaus eine Bestätigung gefunden hat.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Wir dürfen die Bewährung der Tarifautonomie der Sozialpartner gerade gegenüber Ländern, in denen eine stärkere staatliche Einflußnahme auf die Lohnpolitik stattfindet, einmal wirklich mit Anerkennung herausstellen.
    Aber seit Mitte 1955 haben wir gewisse Besorgnisse. Sie gehen darauf zurück, daß wir das Zusammenfallen von Vollbeschäftigung und Hochkonjunktur beobachten müssen. Vollbeschäftigung und Hochkonjunktur sind Versuchungen. Die Vollbeschäftigung ist eine Versuchung für die Gewerkschaften, mehr zu fordern, mehr vielleicht sogar mit allen Mitteln zu erkämpfen, als die Produktivitätssteigerung der Wirtschaft gestattet, und die Hochkonjunktur ist eine Versuchung für die Unternehmer, mehr zu bewilligen, als sie nach ihrer Kostenstruktur ermöglichen können, mehr zu bewilligen vor allem in der Hoffnung, daß sie die Mehrkosten über den Preis abwälzen könnten. Wir sind uns völlig darüber klar: das Instrument der Tarifhoheit ist in einer freiheitlichen Ordnung ein so kostbares Instrument, daß wir beide — ich spreche nicht nur die Gewerkschaften, sondern genau so deutlich die Unternehmer an — daran erinnern müssen, daß sie es selbst in der Hand haben, dieses Instrument vor der Vernichtung zu bewahren.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



    (Dr. Hellwig)

    Sie wissen, daß es im Augenblick nicht nur um die Lohnfrage geht, sondern daß im Zusammenhang mit der Lohnbewegung auch die Arbeitszeitverkürzung als Problem ansteht.


Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Fritz Hellwig


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Bitte schön, Herr Kurlbaum.