Unter den dargelegten Umständen gibt es meiner Meinung nach keine andere realistische und den Interessen aller gemäße Möglichkeit, als neu zu verhandeln, um ein neues Konkordat abzuschließen.
Ich habe jüngst in einer Zeitung ein Interview des Prälaten Böhler gelesen, der sagt: Verhandeln, ja, aber zuerst anerkennen; dann verhandeln. — Ich halte das nicht für einen fairen Vorschlag. Denn wenn man aus einer solchen Position heraus verhandelt, was soll denn dann sehr viel herauskommen! Ich will hier nicht ein geläufiges Zitat aus dem zweiten Teil des „Faust" anführen; vielleicht fällt es dem einen oder anderen von Ihnen von selbst ein.
Aus einer solchen Position heraus verhandelt es sich gerade mit der Kurie sehr schwer; vielleicht ist ein Verhandeln so überhaupt unmöglich.
Und nun die Frage: Wer soll denn anerkennen? Soll der Bund anerkennen? Er hat gar keine Gesetzgebungsgewalt auf dem Gebiet, das das Konkordat regelt. Sein Inhalt ist keine .,auswärtige Angelegenheit" im Sinne des Grundgesetzes, kein Gegenstand der Bundesgesetzgebung. Art. 32 des Grundgesetzes spricht von Beziehungen „zu auswärtigen Staaten". Art. 59 des Grundgesetzes sagt: der Bund schließt Verträge mit „auswärtigen Staaten". Es heißt dort weiter: „Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln ..." usw. Das alles gibt doch keine Zuständigkeit für die Materie, die das Konkordat regelt. Darüber hinaus: die Bundesregierung — das hat die Erklärung des Herrn Außenministers gezeigt — hat ja das Konkordat anerkannt. Warum verhandelt man denn da nicht? Wenn jemand — von der Substanz der Dinge her — berechtigt wäre. das Konkordat anzuerkennen, dann wären es die Länder, die ja durch das Konkordat betroffen sind. im Grunde die einzigen dadurch Betroffenen sind.
Im übrigen, Herr Außenminister: ich glaube nicht, daß Sie recht haben mit Ihrer Feststellung, daß die Klage nur auf Art. 93 des Grundgesetzes gestützt werden könnte. Im Verhältnis zu Art. 93 ist Art. 84 die lex specialis. Sie haben von dem Lande Niedersachsen ein bestimmtes Tun verlangt, und dieses Tun ist verweigert worden. Also müssen Sie auf Grund der Bestimmung des Grundgesetzes klagen, die besagt, daß, wenn ein Land Gesetze nicht ausführt, der Bundesrat anzurufen sei. Bei Art. 93 handelt es sich um „Meinungsverschiedenheiten", die sich noch nicht aktualisiert haben. Das Gericht in Karlsruhe wird darüber entscheiden. Ich glaube, meine These von der lex specialis trifft eher das Richtige als die Ihre von der Generalzuständigkeit nach Art. 93.
Sie sagten, daß nicht auf Grund der Bundesaufsicht vorgegangen worden sei. Ich nehme das zur Kenntnis. Aber trotz alledem ist doch das Problem, um das es sich handelt — da muß ich meinem Freund Arndt recht geben —, nicht durch ein Gerichtsurteil zu lösen. Denn dieses Gerichtsurteil entbehrt doch, da es nur eine Inzidentfeststellung sein wird, der Vollstreckbarkeit im weiteren und im engeren Sinne des Wortes, ganz abgesehen davon, daß man Dinge, die so delikater Art sind wie diese Dinge, nicht vor dem Richter austragen sollte. Man sollte versuchen, ein faires Einverständnis zu erreichen; und ich glaube, daß das möglich ist, wenn man alle Partner, die in Betracht kommen können, heranzieht, nämlich den Bund, die Länder und die Kirchen.
Die Antwort der Bundesregierung trägt, glaube ich, dem Wesentlichen, dem Problem nicht Rechnung. Sie hat mich nicht befriedigen können. Ich hätte erwartet, daß man uns die Mitteilung macht, daß die Bundesregierung an die Kurie mit der Aufforderung herangetreten ist, in Verhandlungen über den Abschluß eines neuen Konkordats einzutreten. Damit hätte sie das Ihre dazu beigetragen, einen Restbestand aus dem Arsenal der Politik zu beseitigen, mit der das „Dritte Reich" sich hoffähig zu machen versuchte und sich hoffähig zu machen verstanden hat
und mit der das „Dritte Reich" es auf eine diabolische Weise verstanden hat, viele gute und demokratische Katholiken glauben zu machen, die Kurie halte den Staat Adolf Hitlers für einen legitimen Staat. Sie hat es nicht getan; aber durch dieses Konkordat ist, nachdem es in die Propagandamühle von Goebbels gekommen ist, dieser Eindruck bei vielen Menschen erweckt worden. Ich meine, daß man damit aufräumen sollte, und ich glaube, daß die Kurie zur Bereitschaft der Bundesrepublik, ihre und des Staates Interessen und Ordnungen in ein angemessenes, für beide nutzbringendes Verhältnis zu bringen, so viel Vertrauen haben könnte, wie sie es seinerzeit zu der Regierung gehabt hat, mit der sie das Konkordat abschloß.