Rede:
ID0214601900

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 2146

  • date_rangeDatum: 30. Mai 1956

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    2. Deutscher Bundestag — 146. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 30. Mai 1956 7697 146. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 30. Mai 1956. Nachruf für den Abg. Naegel 7698 B Ergänzung der Tagesordnung 7698 D Mandatsniederlegung des Abg. Dr. Maier (Stuttgart) 7699 A Eintritt der Abg. Weber (Untersontheim) und Albrecht (Hamburg) in den Bundestag 7699 A Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Dr. Brönner und Frau Albrecht . . 7699 A Mitteilung über Verzicht des Haushaltsausschusses auf Mitberatung der in der 133. Sitzung überwiesenen Anträge betr Straßenbauvorhaben (Drucksachen 2117 und 2123) 7699 B Beschlußfassung des Bundesrats über Gesetzesbeschlüsse des Bundestags . . . 7699 B Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfragen 242, 244, 246, 247, 249, 250, 252 (Drucksachen 2285, 2395; 2315, 2404; 2324, 2405; 2325, 2385; 2355, 2394; 2362, 2391; 2375, 2403) 7699 C Vorlage von Berichten über die Gewährung von Zuschüssen zur Gemeinschaftsverpflegung, über die Sozialabkommen der Brüsseler Vertragsstaaten und über die Unterzeichnung des deutsch-amerikanischen Filmabkommens (Drucksachen 2384, 2390, 2393) 7699 D Große Anfrage der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP, DA betr. Entwicklung in der Sowjetzone und Möglichkeiten engerer Verbindungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands (Drucksache 2364, Umdrucke 608, 609, 610) . . . 7699 D Brandt (Berlin) (SPD), Anfragender . 7 700 A Kaiser, Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen 7705 A Dr. Mommer (SPD) 7714 D Frau Hütter (FDP) 7717 D Brookmann (Kiel) (CDU/CSU) . . 7718 B Wehner (SPD) 7720 B Lemmer (CDU/CSU) 7725 D Dr. Will (FDP) 7728 A Seiboth (GB/BHE) 7730 A Frau Kalinke (DP) 7732 D Dr. Henn (DA) 7736 B, 7738 D Dr. Lenz (Godesberg) (CDU/CSU) . . 7739 D Annahme des Antrags Umdruck 609 . . . 7740 A Ausschußüberweisungen der Anträge Um- drucke 608 und 610 7740 A Begrüßung einer Gruppe von Mitgliedern des englischen Unterhauses 7738 D Große Anfrage der Abg. Mellies, Dr. Reif, Feller u. Gen. betr. Verfassungsklage wegen des Reichskonkordats (Drucksache 2258 (neu]) 7698 C, 7740 A Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . . 7698 C Dr. Arndt (SPD), Anfragender . . . 7 740 B Dr. von Brentano, Bundesminister des Auswärtigen 7749 B Cillien (CDU/CSU) 7751 B Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) 7754 B, 7757 A Schütz (CDU/CSU) 7756 D Dr. Reif (FDP) 7757 D Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein (FDP) 7759 D Eickhoff (DP) 7762 A Dr. Schneider (Lollar) (DA) . . . 7762 C Hoogen (CDU/CSU) 7763 C Dr. Welskop (CDU/CSU) 7766 A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Liquidation der Deutschen Reichsbank und der Deutschen Golddiskontbank (Drucksache 2327) 7766 C Überweisung an den Ausschuß für Geld und Kredit und an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen 7766 C Erste Beratung des von den Abg. Lenz (Brühl), Dr. Hesberg, Lücke u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen (Drucksache 2321) 7766 C Überweisung an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen und an den Rechtsausschuß 7766 C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Internationale Pflanzenschutzabkommen (Drucksache 2346) 7766 D Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten . . 7766 D Erste Beratung des Entwurfs einer Wehrbeschwerdeordnung (WBO) (Drucksache 2359) 7766 D Überweisung an den Ausschuß für Verteidigung und an den Rechtsausschuß 7766 D Nächste Sitzung 7766 D Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 7767 A Anlage 2: Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage betr. Entwicklung in der Sowjetzone und Möglichkeiten engerer Verbindungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands (Umdruck 608) 7767 C Anlage 3: Antrag der Fraktionen der SPD, FDP, GB/BHE zur Beratung der Großen Anfrage betr. Entwicklung in der Sowjetzone und Möglichkeiten engerer Verbindungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands (Umdruck 609) 7768 A Anlage 4: Antrag der Fraktion der FDP zur Beratung der Großen Anfrage betr. Entwicklung in der Sowjetzone und Möglichkeiten engerer Verbindungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands (Umdruck 610) 7768 C Die Sitzung wird um 9 Uhr 1 Minute durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier eröffnet.
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten a) Beurlaubungen Abgeordneter beurlaubt bis einschließlich Altmaier 2. 6. Arnholz 30. 5. Dr. Atzenroth 16. 6. Dr. Bartram 31. 5. Blachstein 30. 6. Dr. Blank (Oberhausen) 30. 5. Frau Dr. Bleyler (Freiburg) 30. 5. Brese 30. 5. Dr. Brühler 16. 6. Dannebom 5. 6. Dopatka 30. 5. Dr. Eckhardt 30. 5. Frehsee 30. 5. Friese 30. 5. Frau Friese-Korn 30. 5. Gedat 30. 6. Gefeller 2. 6. Geiger (München) 30. 5. Frau Geisendörfer 9. 6. Dr. Gille 16. 6. Heiland 30. 5. Dr. Hellwig 16. 6. Dr. Horlacher 2. 6. Hübner 1. 6. Jacobi 30. 5. Jacobs 30. 5. Dr. Jaeger 9. 6. Jahn (Frankfurt) 2. 6. Kahn 1. 6. Frau Kipp-Kaule 2. 6. Koenen (Lippstadt) 2. 6. Könen (Düsseldorf) 1. 6. Dr. Kopf 30. 5. Frau Korspeter 9. 6. Kortmann 30. 5. Dr. Kreyssig 30. 5. Kroll 30. 5. Kühlthau 30. 5. Kurlbaum 30. 5. Leibfried 30. 5. Dr. Lindenberg 30. 5. Lulay 9. 6. Maucher 30. 5. Meitmann 15. 7. Merten 30. 5. Dr. Mocker 30. 5. Müller-Hermann 2. 6. Neuburger 31. 5. • Dr. Orth 30. 5. Peters 15. 7. Pöhler 30. 5. Rademacher 30. 5. Raestrup 30. 5. Rasch 4. 6. Richter 2. 6. Runge 16. 6. Dr. Siemer 30. 5. Dr. Starke 31. 7. Frau Welter (Aachen) 30. 5. Dr. Werber 30. 5. Frau Wolff (Berlin) 10. 6. b) Urlaubsanträge Dr. Dittrich 30. 6. Dr. Seffrin 30. 6. Kraft 16. 6. Metzger 9. 6. Moll 23. 6. Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) 30. 6. Dr. Pferdmenges 9. 6. Siebel 9. 6. Anlage 2 Umdruck 608 (Vgl. S. 7714 D, 7740 A) Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP, DA betreffend Entwicklung in der Sowjetzone und Möglichkeiten engerer Verbindungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands (Drucksache 2364). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, 1. alles zu tun - wenn nötig einseitig -, was die an der Zonengrenze aufgerichteten Grenzmauern abzutragen geeignet ist. In diesem Sinne muß der freie Verkehr aller Druckschriften über die Zonengrenze ermöglicht werden. Sollte sich ein Abkommen auf Gegenseitigkeit als unerreichbar erweisen, so soll die Bundesregierung den Bezug aller Drucksachen aus der „DDR" auf handelsübliche Weise zulassen; 2. den zuständigen Ausschüssen des Bundestages alle Gründe vorzutragen, die für und gegen eine Amnestie für politische Straftaten in der Bunresrepublik sprechen. Durch diese Amnestie könnte ein Beitrag zur Entspannung der Beziehungen der beiden Teile Deutschlands zueinander geleistet werden; 3. darauf hinzuwirken, daß auf Grund politischer Straftaten inhaftierte Personen in der Bundesrepublik in den Genuß aller Erleichterungen gelangen, die mit der Sicherung gegen Flucht vereinbar sind, und daß die Dauer der Untersuchungshaft sich in vertretbaren Grenzen hält; 4. auf diplomatischem Wege die Regierung der Sowjetunion auf die Verantwortung hinzuweisen, die sie für Verurteilte der sowjetischen Besatzungsbehörden in Deutschland hat, und die Freilassung aller dieser Gefangenen zu verlangen; 5. Wege zu erschließen und zu beschreiten, die geeignet sind, in der „DDR" zu erwirken, daß den aus politischen Gründen inhaftierten Personen alle in einem humanen Strafvollzug üblichen Erleichterungen gewährt werden und die Versorgung der Strafanstalten mit Medikamenten sichergestellt wird; 6. dem Bundestag einen Bericht über Fälle zuzuleiten, in denen von der Regierung der Sowjetunion in der Bundesrepublik lebende Personen als Sowjetbürger reklamiert werden, die angeblich an der Heimkehr gehindert werden; 7. durch den Ausbau der Treuhandstelle für den Interzonenhandel das Verrechnungswesen zur Erleichterung des Personen- und Güterverkehrs über die Zonengrenze und zur Abwicklung aller übrigen Zahlungsverpflichtungen zu normalisieren und durch die Errichtung weiterer Treuhand- stellen die Normalisierung des Personen- und Güterverkehrs zu ermöglichen und in Kultur-und Unterrichtsfragen dem Auseinanderleben der Teile Deutschlands entgegenzuwirken; 8. um diese Ziele zu erreichen, um den Zusammenhalt der Teile Deutschlands zu festigen und da- mit der Wiedervereinigung unter einer frei gewählten deutschen Regierung zu dienen und der Welt zum Bewußtsein zu bringen, daß die Teilung Deutschlands vom deutschen Volke nicht anerkannt wird, unbeschadet der vorbehaltenen Rechte und Verpflichtungen der Vier Mächte gegenüber Deutschland als Ganzem, mit den in der sowjetisch besetzten Zone bestehenden Behörden alle nötigen Besprechungen zu führen. Bonn, den 29. Mai 1956 Ollenhauer und Fraktion Anlage 3 Umdruck 609 (Vgl. S. 7714 D, 7740 A) Antrag der Fraktionen der SPD, FDP, GB/BHE zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP, DA betreffend Entwicklung in der Sowjetzone und Möglichkeiten engerer Verbindungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands (Drucksache 2364). Der Bundestag wolle beschließen: Der Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen wird beauftragt, die Aufgaben, die sich aus der Großen Anfrage — Drucksache 2364 — und ihrer Beantwortung ergeben, laufend zu verfolgen und zu gegebener Zeit dem Bundestag Bericht zu erstatten. Bonn, den 29. Mai 1956 Ollenhauer und Fraktion Dr. Dehler und Fraktion Feller und Fraktion Anlage 4 Umdruck 610 (Vgl. S. 7717 D, 7740 A) Antrag der Fraktion der FDP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP, DA betreffend Entwicklung in der Sowjetzone und Möglichkeiten engerer Verbindungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands (Drucksache 2364). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird beauftragt, darauf hinzuwirken, daß in weit größerem Umfange als bisher den jungen Menschen in der Bundesrepublik Gelegenheit gegeben wird, die besonderen Verhältnisse, die sich aus der Teilung Deutschlands ergeben, durch Reisen nach Berlin kennenzulernen. Insbesondere sollten die Abschlußklassen sämtlicher Schulen der Bundesrepublik Gelegenheit haben, die Verhältnisse in der ehemaligen Hauptstadt Deutschlands kennenzulernen. Die dazu notwendigen Gelder sind den Mitteln des Bundesjugendplanes zu entnehmen. Bonn, den 30. Mai 1956 Frau Hütter Dr. Dehler und Fraktion
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    Rede von Margot Kalinke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Debatte des heutigen Vormittags hat das Bild des großen deutschen Unglücks erschütternd vor aller Augen gestellt. Niemand, der diese Debatte mit Ernst angehört hat, wird in Zukunft dem Ungeist, der uns alltäglich — aus dem Übergewicht der materialistischen und egoistischen Auffassungen und Forderungen unserer Tage — mit dem Schrei nach eigener Sicherheit und eigenem Wohlleben anspricht, ohne Gewissenskonflikte begegnen können. Möge unsere heutige Diskussion auch alle diejenigen aufrütteln, die aus Trägheit der Herzen und aus Sattheit die Not des Alltags nicht mehr sehen und ihre Ohren der Stimme der Not verschließen. Es ist auch kein Ablaß, wenn wir uns mit guten Gaben, hier und da gegeben vom Überfluß, oder unseren Paketsendungen, so wichtig sie sind, von jenem Aufruf zu befreien suchen, der an uns alle ergeht: die große Not deutscher Menschen, unserer Brüder und Schwestern als gemeinsame Not zu empfinden. In der Aussprache dieses Tages und angesichts des erschütternden Bildes mit der Fülle der vielen einzelnen Sorgen des Alltags, die uns als Deutsche gemein-


    (Frau Kalinke)

    sam erfüllen, darf keine neue falsche Hoffnung geweckt werden, die neue Enttäuschungen zur Folge haben könnte. Die Folgen des Hungers, die Folgen der Überanstrengung, die Folgen der Unfreiheit sind heute so vielfältig geschildert worden, daß ich dem, was von meinen Vorrednern gesagt worden ist, nicht einen Fall hinzufügen möchte. Aus dem Sattsein unserer wieder in Freiheit aufgerichteten, wirtschaftlich gesundeten und sozial immer weiter gesundenden Ordnung aber sollen wir täglich daran denken, daß wir den Mut und die Pflicht zum Opfer nicht verlieren dürfen. Wir sollten auch täglich daran denken, daß verlorene deutsche Heimaten genausowenig wie verlorene Freiheiten verloren zu sein brauchen, wenn wir sie niemals aufgeben. Alle Deklamationen über die Grundlagen unserer Auffassung von der Politik sind leere Worte, wenn die Not und die Unfreiheit nicht als unsere gemeinsame Not von uns allen getragen und die Beseitigung gemeistert wird.
    Nach Ansicht der Fraktion der Deutschen Partei ist der Zeitpunkt gekommen, alle außen- und innenpolitischen Möglichkeiten neu zu überdenken und neu zu überprüfen. Wir, die Generation der beiden Kriege, und wir, die Männer und Frauen, die das Opfer des deutschen Ostens und den Opfergang der ostdeutschen Menschen miterleben mußten, dürfen nur ein oberstes Ziel kennen: um die Freiheit aller Deutschen zu ringen. Und unser gemeinsamer Appell möge heute nicht nur all denen dienen, die nicht täglich an diesen Auftrag denken; er möge an das Weltgewissen genauso rühren wie an das Gewissen unseres eigenen Volkes. Wir Frauen, die wir den Krieg hassen und den Frieden lieben, wissen, wie mühsam alle Ziele zu erreichen sind. Wir sehen real, daß das Ziel der Freiheit für unsere Brüder und Schwestern in allen deutschen Heimaten im Frieden nur erreicht werden wird, wenn wir auch die Notwendigkeit einsehen, uns um den Einsatz und den Kaufpreis, um das Kennenlernen dieses Kaufpreises zu bemühen. Niemand wird uns besser verstehen als die Menschen in der Zone, die zwischen Schein und Sein oft sehr viel klarer zu entscheiden wissen als mancher in unserem westlichen Teil Deutschlands.
    Nachdem — ich verhehle das nicht — gegen ernste Bedenken der Deutschen Partei ein deutscher Botschafter nach Moskau gesandt wurde und Botschafter ausgetauscht worden sind, versteht es sich von selbst — und Herr Dehler sollte auch beruhigt sein —, daß die deutschen Botschafter sich, wo immer sie stehen, nicht auf Repräsentation beschränken werden.

    (Zuruf von der SPD: Woher wissen Sie das?)

    Die Aufzählung all der Leiden und Nöte, die ich nicht wiederholen will, soll uns aber nicht nur heute bewegen. Sie zwingt uns immer wieder, nach Wegen zu suchen, um die Freiheit unserer Landsleute endlich zu gewinnen und für die Zukunft, nachdem wir sie gewonnen haben, auch zu verteidigen. Für die Deutsche Partei ist jede Forderung unannehmbar, die die Gefährdung der Freiheit unserer Landsleute oder die Übernahme scheinbarer sozialer Errungenschaften der DDR um des Preises der Freiheit willen zum Ideal und zum Ziel hat. Als unlängst eine deutsche Bundestagsdelegation Gast in England war, hat uns ein Labour-Abgeordneter in London gewarnt, in dem Wechsel der Taktik der Sowjetmachthaber etwa einen Wechsel der Gesinnung zu sehen, und gemahnt, das von den Sowjets niemals aufgegebene Ziel ihrer Oktoberrevolution stets im Auge zu behalten. Er hat uns mit allem Ernst aus der gemeinsamen europäischen Verantwortung gebeten, doch nicht zu übersehen, daß es den Sowjets darauf ankommt, mit legalen Mitteln die Westmächte auseinanderzubringen und zum Zweck der Beseitigung der Verträge und der Verhinderung einer deutschen Nachrüstung eine neue, scheinbar andere Taktik einzuschlagen.
    Die Besprechungen mit den Russen in London haben ebenfalls gezeigt, daß die Russen zwar die Abrüstung des Westens fordern, selbst aber nicht bereit sind, eine Abrüstungskontrolle zuzulassen. Auch die Entlassung von Angehörigen der Streitkräfte, die dann in Uranbergwerken und anderswo für die Kriegsproduktion eingesetzt werden, ist ebensowenig überzeugend wie die Selbstanklagen und Versprechungen, wie die Selbstkritik Grotewohls und seine Eingeständnisse auf der SED-Konferenz in Ostberlin im März. Sein Versprechen, Rechtsbrüche und Willkür endlich zu beseitigen, ungerechte Verhaftungen zu verhindern, ist nur glaubhaft, wenn die geplagten und verzweifelten Menschen der Zone ihre Sorgen und Befürchtungen in aller Öffentlichkeit, ohne Angst vor offenen Türen und Fenstern, ohne jenen uns sattsam bekannten „deutschen Blick" aussprechen können. Wenn in der Sowjetzone und in den Satellitenstaaten endlich ein Hoffnungsschimmer auf wirkliche Freiheit sichtbar würde, für den noch alle Beweise fehlen, dann könnten wir hoffen, daß die neue Taktik nicht nur neue Überlegungen, sondern auch neue Maßnahmen zur Folge haben wird.
    Derselbe sehr maßgebliche englische LabourAbgeordnete, der den Mitgliedern der Bundestagsdelegation, besonders auch seinen Freunden von der Sozialdemokratischen Partei das deutsche Dichterwort: „Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben, der täglich sie erobern muß", in Erinnerung brachte, hat uns auch darauf aufmerksam gemacht, daß in ganz Europa das Bewußtsein wächst, daß die Verteidigung der deutschen Freiheit und die Frage der deutschen Einheit eine Frage der europäischen Sicherheit und Freiheit ist.
    Meine Freunde in der Deutschen Partei sind der Auffassung, daß, wenn auch die Kräfte des Herzens und des Geistes heute nicht hoch im Kurs stehen, doch alle diese Kräfte mobilisiert werden müssen, um unserem Volk den Willen zum Opfer, die Bereitschaft zum Risiko wieder in aller Verantwortung vor Augen zu führen. Wir wollen gemeinsam mit allen guten Kräften in unserem Volk darum ringen, daß in einem erneuerten deutschen Staat eine freiheitliche Ordnung geschaffen wird und eine Stabilisierung eintritt. Durch diesen Staat werden dann die Grundrechte der Freiheit, aber auch die Sehnsucht nach Ruhe, Frieden und Sicherheit, die alle Völker bewegt — ich meine den Wunsch nach Sicherheit und Frieden aus eigener Kraft —, allen Deutschen und allen Europäern gewährleistet werden.
    Unsere Außenpolitik und unsere Innenpolitik haben in diesem Ziel unlösbar verbundene Aufgaben. Durch die außenpolitischen Bemühungen müssen die Weichen für die Erreichung auch der innenpolitischen Ziele gestellt werden, die für die Erhaltung der Freiheit nach innen und nach außen notwendig sind. Wir sollten darum bei allen Gesetzen, die wir in diesem Hause beschließen, bei


    (Frau Kalinke)

    allen Ansprüchen, denen wir nachgeben oder denen wir uns versagen müssen, immer daran denken, daß wir die gleichen sozialen Leistungen, die gleichen Chancen zum Aufstieg, zum Erwerb, zur Erhaltung und zur Wiedergewinnung von Eigentum auch für die 16 Millionen mitgestalten müssen und in unsere Rechnung zu setzen haben, die die gleichen Ansprüche an uns anzumelden haben.
    Die Wirtschaft und der Handel sind nur eins der möglichen Hilfsmittel zur Wiedervereinigung. Der Vorschlag, mit der Zone in stärkerem Umfange als bisher Handel zu treiben, hat sicher viel Bestechendes an sich. Durch verstärkte Handelsbeziehungen, so argumentiert man, könnte den deutschen Menschen in der Zone unmittelbar geholfen werden. Ihr großer Hunger nach Konsumgütern könnte mehr denn je mit unserer Hilfe gestillt werden. Hier haben wir sehr ernsthaft zu prüfen, ob diese Vorstellung real ist. Den Menschen in der Zone würde durch verstärkte Handelsbeziehungen nur dann wirksam geholfen werden, wenn sie auch unmittelbar in den Genuß der Auswirkungen dieser wirtschaftlichen Beziehungen kämen. Dabei ist das System der Zone und das Fehlen von privatwirtschaftlichen Einrichtungen ein entscheidendes Hindernis.
    Nun lehnen wir selbstversändlich die wirtschaftlichen Beziehungen zur Sowjetunion nicht grundsätzlich ab. Wir glauben vielmehr, daß es an der Zeit ist, die wirtschaftlichen Beziehungen zur Sowjetunion zu normaliseren. Wir sind uns aber bewußt, daß alle wirtschaftlichen Beziehungen allein nicht die Entspannung zwischen West und Ost bewirken können. Es ist heute darauf hingewiesen worden, welchen Wert die Möglichkeiten des gemeinsamen Gesprächs bei den Aufgaben der
    Verkehrspolitik, bei einer gemeinsamen Beteiligung im Alltag beim Sport, in den Feierstunden und an Feiertagen, bei musikalischen und kirchlichen Veranstaltungen, bei den großen gemeinsamen karitativen Aufgaben durch Werke der gegenseitigen Hilfe haben können. Sie sind aller hier aufgezeigt worden. Meine Freunde in der Deutschen Partei haben keine Angst, alle diese Möglichkeiten des Gesprächs zu fördern und an ihnen teilzuhaben. Es ist notwendig, daß wir täglich die Frage vor unser Gewissen stellen, ob wir dazu auch genug getan haben.
    Wenn in vereinzelten Presseerklärungen im Zusammenhang mit den Ausführungen des zweiten Vorsitzenden der Deutschen Partei, Dr. von Merkatz, auf unserem Lüneburger Parteitag, hinter denen die Fraktion der Deutschen Partei geschlossen steht, unsere gemeinsame Verantwortung in der Koalition auch nur im geringsten in Frage gestellt wurde, so sei hier in aller Deutlichkeit erklärt, daß sich die Fraktion der Deutschen Partei zur Pflicht der Erfüllung der Pariser Verträge genauso bekennt, wie sie ein enges Zusammenwirken mit unseren Bundesgenossen für unerläßlich hält. Wir halten allerdings die Nachrüstung der Bundesrepublik ohne weitere Verzögerung für dringlich und lehnen mit gleicher Deutlichkeit die Verhandlungen mit der Pankower Regierung ab.
    Was den Antrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei angeht, so können wir dem Abs. 1 Satz 2 und vor allem dem letzten Satz des Abs. 8, daß, „unbeschadet der vorbehaltenen Rechte und Verpflichtungen der Vier Mächte gegenüber Deutschland als Ganzem, mit den in der sowjetisch besetzen Zone bestehenden Behörden alle nötigen
    Besprechungen zu führen" sind, nicht zustimmen. Wir glauben, daß die Vertreter des Unrechtsregimes in der Zone nicht die geeigneten Persönlichkeiten sind, mit denen wir darüber verhandeln könnten!

    (Abg. Welker: Sondern? — Abg. Wehner: Was wollen Sie überhaupt?)

    — Ich will Ihnen darauf antworten, Herr Wehner; haben Sie ein wenig Geduld; ich habe Sie auch mit Geduld angehört. — Wir werden in Übereinstimmung mit dem Vorschlag der CDU der Ausschußüberweisung zustimmen und über unsere Bedenken im Ausschuß mit Ihnen sprechen.
    Wir glauben, daß es an der Zeit ist — und die Macht der realen Tatsachen, die veränderte und sich täglich neu verändernde weltpolitische Situation zwingt genauso wie unsere wachsende Sorge um die schwindenden physischen und psychischen Kräfte unseres Volkes jenseits des Eisernen Vorhangs verantwortungsbewußte Politiker dazu —, nach neuen Wegen zur Beendigung der Unfreiheit in der Zone zu suchen. Wir hoffen, daß unser Bestreben von einer zielklaren Außenpolitik gestützt wird, die sich darum bemühen muß, ein Ausklammern der deutschen Frage auf der Grundlage des Status quo der Teilung Deutschlands zu verhindern und den Kalten Krieg zu beenden.
    Wenn es sich als richtig erweisen sollte, daß die Gefahrenlage wirklich verändert ist, und wenn eine andere Taktik der Sowjets eine andere Art der Anpassung notwendig macht, dann sollten alle Möglichkeiten, die unsere Verbindung mit der freien Welt nicht stören, ausgewertet werden. Wenn es die Entwicklung verlangt, sollten wir, wenn sich nach verantwortungsbewußter Prüfung neue Gesichtspunkte zeigen, ohne Angst — auch ohne Angst vor dem Unter- und Hintergründigen, auch ohne Angst vor „Teufeln", wie Sie (zur SPD) es nannten — die Voraussetzungen für neue Formen der diplomatischen Beziehungen prüfen.
    Mit der praktischen Politik der Aufnahme der Beziehungen zu den Ostblockstaaten ist weder zur Oder-Neiße-Grenze noch zu dem Unrecht, das unseren Vertriebenen angetan wurde und unseren ostdeutschen Menschen noch angetan wird, eine Zustimmung gegeben. Es ist auch sicher ein Irrtum, daß es nur eines deutsch-russischen Gesprächs oder nur eines Gesprächs mit den Machthabern der Zone bedürfte, um die Wiedervereinigungsprobleme zu lösen.

    (Zuruf links: Aber auch nicht durch Selbstgespräche!)

    Nicht nur die Westmächte, sondern auch Polen hat dabei ein Wort mitzureden.
    Die Fraktion der Deutschen Partei ist in Übereinstimmung mit den in der gesamten Presse veröffentlichten Erklärungen des 2. Vorsitzenden der Deutschen Partei davon überzeugt, daß die gesamte freie Welt durch eine gemeinsame Aktion das Unrecht in der sowjetisch besetzten Zone endlich beseitigen und für die Wiederherstellung von Recht und Freiheit in allen totalitären Herrschaftsbereichen eintreten sollte. Wir sind den freien Juristen der Welt dankbar, daß sie unermüdlich den Protest der Weltöffentlichkeit wachgerufen und an das Gewissen der freien Völker appelliert haben. Ich glaube in diesem Zusammenhang nicht, daß der Vorschlag Dr. Dehlers bezüglich einer Volksbefragung ohne internationale Kontrolle


    (Frau Kalinke)

    realisierbar ist. Er dürfte genau wie die Forderung nach freien Wahlen noch für lange Zeit auf den Widerstand der sowjetischen Machthaber stoßen und an ihren Methoden der fortgesetzten Verletzung freiheitlicher Prinzipien scheitern.
    Statt dessen glaube ich aber, daß die Russen wie die Machthaber der Zone nicht ausweichen dürften, ihre eigenen Forderungen nach gemeinsamen Gesprächen in Freiheit zu realisieren. Die Deutsche Demokratische Republik sollte den Mut aufbringen, ihren Bürgern jede Möglichkeit des Gesprächs mit Freunden und Verwandten im Westen zu gestatten. Sie sollte freie Diskussionen in Schulen, Universitäten und in der Öffentlichkeit zulassen. Sie sollte endlich die Briefkontrolle und das Versagen der Reisegenehmigung aufgeben. Ich könnte mir auch vorstellen, daß eine Vereinbarung zwischen dem Rundfunk der DDR und unseren Rundfunkanstalten über ein freimütiges Gespräch, eine halbe Stunde Diskussion zwischen Ost und West vieles dazu beitragen könnten, in Offenheit die Probleme der gemeinsamen deutschen Not zu diskutieren. Wenn es der DDR wirklich ehrlich ist um solche Gespräche, die sie fordert, muß sie alles tun, um sie zu ermöglichen. Auch wir sollten den Mut haben, noch mehr als bisher jede Gelegenheit des Zusammenseins mit den Menschen der Zone zu ergreifen. Insofern stimme ich mit dem, was die Kollegen von der Sozialdemokratischen Partei gesagt haben, durchaus überein. Die Westmächte sollten dazu beitragen, daß unter ihrer Kontrolle ein Organ des Kontakts zwischen Ost und West — und das ist die Antwort, Herr Wehner, die ich Ihnen jetzt gebe — aus unabhängigen Persönlichkeiten gebildet wird, aus Persönlichkeiten aus Kreisen der Kirchen, der Universitäten, aus Wissenschaft und Forschung, aus der Welt des Geistes und aus dem Kreis derjenigen, die sich in der Nächstenliebe betätigen, die allgemeines Vertrauen und allgemeines Ansehen besitzen — wir alle kennen solche Persönlichkeiten in Ost und West —, aus einem Kreis von Männern und Frauen, die Mut zur Unabhängigkeit und Kraft der Überzeugung haben, ohne sich mit Pankow zu identifizieren. Schon im Oktober 1953 hat die Fraktion der Deutschen Partei vorgeschlagen, Gespräche zwischen freiheitlich gesinnten Vertretern der ost- und mitteleuropäischen Nachbarstaaten Deutschlands in Gang zu bringen und vorzuschalten, um zu einer friedlichen Regelung der Wiedervereinigungsprobleme zu kommen und damit künftige freie Wahlen vorzubereiten.
    Eine solche Aussprache zwischen Ost und West ist aber nur auf der Grundlage einer demokratischen Legitimation möglich, mit einem in freiheitlicher Methode gewählten oder bestellten vorbereitenden Organ. Wenn Grotewohl wirklich will, dann kann er diese Voraussetzungen vorbereiten durch den eigenen Rücktritt und durch den Rücktritt seiner Regierung und durch die Bereitschaft seiner Regierung, solche Legitimation durch wirklich freie und geheime Wahlen zu schaffen. Zum mindesten sollte er dann seine sowjetischen Freunde darum ersuchen.
    In einer frühen Ausgabe der Bismarckschen Erinnerungen steht das Widmungswort: „Den Söhnen und Enkeln zum Verständnis der Vergangenheit und zur Lehre für die Zukunft." Es wiederholt sich in der Geschichte seltsamerweise vieles. Aber es wiederholt sich in der Geschichte des einzelnen wie der der Völker seltsamerweise auch, daß die Menschen aus der Geschichte nicht lernen.

    (Lebhafte Zustimmung bei der SPD.)

    — Ich freue mich über diese Übereinstimmung, die ich mit Ihnen in diesen grundsätzlichen Fragen habe.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Trotz allen Wundern von Fortschritt und Technik, trotz Atomzeitalter sind die Probleme, die den Generationen gestellt werden, gar nicht so unterschiedlich. Es hat sich leider immer wiederholt, daß es die Alten, die Einsamen und vor allem die Frauen eines Volkes sind, die die Last der Notzeiten besonders zu tragen haben.
    Ich wiederhole: Das oberste Gesetz aller unserer Bemühungen bleibt die Bewahrung der Freiheit, die Herstellung der Einheit Deutschlands in Zusammenarbeit mit den Partnern der Bundesrepublik und die Bewahrung des Friedens durch friedliche Auseinandersetzung mit den Machthabern der Zone.
    Trotz allem Unglück und allen zum Trotz, die es bestreiten wollen, gibt es noch eine unzerstörbare Einheit des nationalen Empfindens aller Deutschen. Es gibt noch ein Gefühl für unlösbare Bande eines gemeinsamen Schicksals, einer gemeinsamen Not.

    (Beifall bei der DP.)

    Das Menschliche, das heute hier von allen Rednern so offen und bewegend angeklungen ist, das Menschliche aber sollte das oberste Gesetz unseres Handelns sein. Das tägliche Denken an die gequälten alten Menschen, an die fliehende Jugend, an die einsamen Gräber der Zone — das alles darf uns niemals ruhig schlafen lassen. Die Sorge um Freiheit und Frieden für alle deutschen Menschen wird uns auch den Mut geben, bisher Ungewohntes und vielleicht in der Zukunft auch Ungewöhnliches zu tragen.
    Wenn Grotewohl mit seinen Genossen wirkliche Entspannung wünscht, dann möge er mit ihnen alles tun, um an Stelle der bisherigen Deklamationen durch Taten zu zeigen, daß er den Menschen in der Zone nicht neue Enttäuschungen und nicht neues Leid zumuten will. Dann möge er endlich — es ist heute schon ausgesprochen worden — die Tore der Zuchthäuser öffnen und denen die Angst um Leben und Sicherheit nehmen, die noch tagtäglich und stündlich um ihre Freiheit zittern müssen.
    Der Standpunkt eines politischen Machtkampfes ist dabei kein guter Berater. Was der stellvertretende Ministerpräsident Rau in der Zone vertrat, als er die Todesstrafe für politische Vergehen verteidigte mit den Worten: „Die Frage kann nur vom Standpunkt der Macht der Arbeiterklasse gesehen werden" — diese Auffassung lehnt die Fraktion der Deutschen Partei mit aller Entschiedenheit ab. Dem Machtstandpunkt und dem parteipolitischen Machtkampf sollten wir immer wieder den gemeinsamen, Willen, den wir heute hier bekundet haben, entgegensetzen, und wir sollten gemeinsam uns immer wieder in Fragen der Not- und Schicksalsgemeinschaft unseres Volkes und unserer Brüder und Schwestern finden.
    Es gibt sicher, und wer ehrlich ist, wird es mir zugeben, kein Rezept und kein Heilmittel, mit dem ad hoc eine Klarheit über Lüge und Wahrheit in der Zone zu erhalten ist. Es gibt sicher auch keinen totalen Vorschlag, der sofort realisierbar würde und sofort zum Ziel führte. Es gibt aber die Zuversicht, daß die Kraft unserer Überzeugung und die


    (Frau Kalinke)

    Stärke unseres Willens vereint mit der Kraft der Herzen und des Glaubens eines unlösbar miteinander verbundenen Volkes dazu beitragen wird, die Opferbereitschaft und die Bereitschaft zum Tragen des Risikos auch bei denen zu wecken, die sich allem bisher noch verschlossen haben. Wir sind besorgt darum, daß die Sorge um die eigene Sicherheit und Sattheit und das Schreien organisierter Gruppen nach immer mehr Sicherheit nicht den Willen ersticken möchte zur Verteidigung der Freiheiten für alle Deutschen.
    Die Geschichte unseres Volkes, aber auch die Erfahrungen unserer Generationen sollten eine gute Lehrmeisterin sein. Wir, die wir als die Vertriebenen des deutschen Ostens die bitteren Erfahrungen der blutenden Grenze nach 1918, die Opfer vor und nach 1939 und den Opfergang des deutschen Ostens nach dem Zusammenbruch miterlebt haben, wir sind einig, und ich persönlich bin es auch mit dem Kollegen Brandt, in der Feststellung, daß der deutsche Osten diese Zeche nicht allein bezahlen darf.
    Wenn die Geschichte eine Lehrmeisterin ist, so sollte uns Hoffnung daraus werden, wenn wir uns zurückerinnern an jene Zeit nach dem Tilsiter Frieden, als das Reich zerschlagen und die staatliche Einheit zerstört war, aber das Band des gemeinsamen Schicksals nach der geschichtlichen Erfahrung um so enger geknüpft wurde. Im Frieden zu Tilsit verlor Preußen die Hälfte seines Gebiets; aber gerade die Not und das Unglück jener dunklen Tage deutscher Geschichte schufen ein neues Bewußtsein zur Erneuerung des Staates und eine nie dagewesene Bereitschaft zum Opfern und zum Zusammenstehen der Deutschen, die damals unter der Führung des Nassauers Stein, des Altpreußen Humboldt, des Hannoveraners Scharnhorst und des Württembergers Gneisenau gemeinsam die Erneuerung vorbereiteten.
    Wir haben in diesen Jahren in gemeinsamen Anstrengungen die Trümmer unserer Städte und die Trümmer unserer Arbeitsplätze beseitigt. Jetzt ist es höchste Zeit, die Trümmer unserer Zerrissenheit aus einer tiefen menschlichen Verpflichtung endlich zu beseitigen. Wieder ist die Einheit des Reichs zerschlagen. Aber die Einheit des deutschen Volkes als lebendig wirkende Kraft aus dem gemeinsamen Schicksal unserer Geschichte, dem Erbe unserer Muttersprache, den ewigen Quellen unserer Kultur und dem Vermächtnis der Heimat ist unzerstörbar. Aus diesem Gefühl der unzerreißbaren Verbundenheit mit unseren Landsleuten und mit unseren deutschen Heimaten werden wir in Fragen des deutschen Gewissens und der Nation mit allen Männern und Frauen in diesem Hause hoffentlich einig sein. Sie (zur SPD) sollten nicht nur zuhören, wenn die Sprecher Ihrer eigenen Fraktion sprechen. In den Schicksalsfragen der Nation werden wir uns von niemandem, von keinem anderen Volk, aber auch von keiner anderen politischen Partei übertreffen lassen in dem Ziel, im Unglück erst recht zusammenzustehen.

    (Beifall rechts und in der Mitte.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Henn.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans Henn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für meine politischen Freunde von der Demokratischen Arbeitsgemeinschaft habe ich die Erklärung abzugeben, daß auch wir mit allem
    Nachdruck darauf hinweisen, daß bisher die Machthaber der Sowjetzone über unverbindliche Erklärungen hinaus keine hinreichenden Beweise ihres Willens zur Durchführung der entsprechenden Maßnahmen nach den Erklärungen von Spitzenfunktionären auf der dritten Parteikonferenz der SED im März dieses Jahres in Ostberlin gegeben haben und daß bisher noch keine grundsätzlichen Ansätze zu erkennen sind, die auf einen echten Gesinnungswandel der Machthaber der Sowjetzone und der das politische Leben in der Sowjetzone bestimmenden SED schließen lassen. Ich werde das im Laufe meiner Ausführungen an Hand von Beispielen erhärten, die Gebiete des öffentlichen Lebens in der Sowjetzone berühren, welche heute noch nicht angesprochen sind. Ich bin gebeten worden, mich wegen der vorgeschrittenen Zeit kurz zu fassen. Ich will das tun und will nur zu dem Punkt der Großen Anfrage sprechen, zu dem, glaube ich, noch etwas gesagt werden muß.
    In Teil I Ziffer 9 der Großen Anfrage wird danach gefragt, ob es zutrifft, daß seit Anfang dieses Jahres durch die Bildung von „Produktionsgenossenschaften" der Druck auf das Handwerk verschärft worden ist. Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort diesen Tatbestand bejaht. Ihren Ausführungen ist mit Bezug auf das Handwerk nichts hinzuzufügen. Aber das Gebiet der betroffenen Wirtschaft umfaßt ja nicht nur das Handwerk. Es ist heute von einer öffentlichen Bestandsaufnahme gesprochen worden, die in bezug auf die Sowjetzone durchgeführt werden müsse. Da müssen wir doch auch fragen, ob in den Bereichen der privaten Wirtschaft, die in der Sowjetzone noch bestehen, in der Landwirtschaft, in der privaten Industrie und im privaten Handel diese Grundsätze, die auf der dritten Parteikonferenz verkündet worden sind, auch tatsächlich zur Anwendung kommen. Wir müssen das Gegenteil feststellen. Gerade in den letzten Monaten wurde deutlich, daß die SED zu immer brutaleren und hinterhältigeren Methoden übergeht, um die Liquidation der noch bestehenden Privatbetriebe einzuleiten und durchzuführen. Das Unrecht, das in der Zone geschieht, äußert sich nicht allein darin, daß Menschen in die Zuchthäuser und in die Gefängnisse geworfen werden; das Unrecht geschieht auch laufend dadurch, daß Existenzen vernichtet werden, und es geschieht durch die Methoden dieser Existenzvernichtung. Über diese Methoden möchte ich hier zu Ihnen kurz sprechen. Ich bitte nochmals um Verständnis dafür, daß ich wegen der Kürze der Zeit auf all die anderen Fragen, die in der Großen Anfrage berührt sind und die auch uns, besonders nach der Antwort der Bundesregierung, zutiefst bewegen, vor allem das Schicksal der Gefangenen, hier nicht eingehe.
    In wirtschaftlicher Hinsicht hat sich auf dem Gebiet der Landwirtschaft nach der Beendigung des 3. Parteitages der SED in der Sowjetzone nichts geändert. Nach wie vor wird die Kolchosierung der Landwirtschaft vorangetrieben, und die Geheimanweisungen des Zentralkomitees der SED an die Bezirkssekretariate der SED sind nicht zurückgezogen worden. Nach diesen Geheimanweisungen soll die gesamte Landwirtschaft der Zone bis zum Ende des zweiten Fünfjahresplans 1960 zumindest zu 80 Prozent in Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften zusammengeschlossen sein.

    (Hört! Hört! rechts.)

    Diese Maßnahme wird unterstützt durch die ver-
    schiedensten Erleichterungen für Landwirtschaft-


    (Dr. Henn)

    liche Produktionsgenossenschaften gegenüber den selbständigen Bauern. So ist im Gesetzblatt der sogenannten DDR vom 7. Mai 1956 festgelegt, daß die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften in der Ablieferungsnorm zur Pflichtablieferung von tierischen und pflanzlichen Produkten in den Betriebsgrößengruppen von 5 bis 10 ha veranlagt werden. Das bedeutet, daß durchschnittlich die geringste Ablieferungsnorm für die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften festgelegt ist. Die Feststellungen haben ergeben, daß eine Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft in der Größe von 350 ha die gleiche Menge an Markterzeugnissen aufzubringen hat wie ein bäuerlicher Betrieb in der Größe von 35 bis 50 ha.

    (Hört! Hört! rechts.)

    Am 22. Januar 1955 wurden Arbeitstarife für die Maschinentraktorenstationen unterschiedlich nach den Betriebsgrößen für die zu leistenden Arbeiten festgelegt. Die Einstufung erfolgte in Tarifgruppen von I bis IV und wurde aufgegliedert nach Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, Betrieben von 0 bis 10 ha, 10 bis 20 und über 20 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche. Danach hat die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft für das Pflügen über 25 cm Tiefe 19 Mark je Hektar zu zahlen, während die Wirtschaften über 20 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche 41 Mark je Hektar zahlen müssen. Das bedeutet eine Bevorzugung der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften gegenüber den selbständigen Bauern mit einem Besitz von über 20 ha, eine Beorzugung von über 100 %.
    In der gleichen Weise sind auch die anderen landwirtschaftlichen Arbeiten gestaffelt worden. Alle entsprechenden Anweisungen sind nicht aufgehoben worden. Nach wie vor besteht die Anweisung, daß selbständigen Bauern keine Arbeitskräfte zu vermitteln sind und die sogenannten „freiwilligen Arbeitseinsätze" an Sonn- und Feiertagen Arbeiten bei selbständigen Bauern nicht verrichten dürfen. Ebenfalls haben die staatlichen Kreiskontore für landwirtschaftlichen Bedarf noch immer die Anweisung, daß den selbständigen Bauern keine Großmaschinen wie Traktoren, Dreschmaschinen, Melkanlagen usw., zugeteilt werden dürfen, da diese Produktionsmittel ausschließlich für die Maschinentraktorenstationen oder die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften bestimmt sind. In der Geheimanweisung vom 29. Dezember 1952 werden den Mitgliedern, die einer Produktionsgenossenschaft beigetreten sind, neben der Einkommensteuer, der Umsatz- und der Vermögensteuer die Grundsteuer und die sonstigen gemeindlichen Steuern zu 25 % gestrichen. Auch diese Anweisung besteht nach dem 3. Parteitag weiter und wird auch weiterhin durchgeführt. Das waren nur einige Beispiele aus der Landwirtschaft; sie könnten beliebig vermehrt werden. Die Willkür- und Unrechtsmaßnahmen in der Landwirtschaft der sowjetischen Besatzungszone, die 1945 mit der Durchführung der Bodenreform sehr schnell Formen annahmen, denen jede gesetzliche Grundlage fehlte, sind bis zum heutigen Tage fortgesetzt und immer weiter entwickelt worden.
    Auch in der sonstigen privaten Wirtschaft, in der Industrie und im Gewerbe, sind Willkür und Unrecht und Existenzvernichtung auch nach den entgegengesetzten Ankündigungen auf dem 3. Parteitag der SED gang und gäbe. Nur die plumpen
    Methoden der Enteignung nach 1945 haben sich geändert, und es sind immer raffiniertere und immer hinterhältigere Methoden der Existenzvernichtung entwickelt worden.
    Das Neueste ist die staatliche Kapitalbeteiligung an Privatbetrieben. Die erste Andeutung über eine staatliche Kapitalbeteiligung tauchte in den Beschlüssen des 25. Plenums des Zentralkomitees der SED im Oktober 1955 auf. Seitdem wurde seitens der SED die staatliche Kapitalbeteiligung bei volkswirtschaftlich wichtigen Privatbetrieben immer stärker in den Vordergrund gestellt. Die Sowjetzonenparteien, die Industrie- und Handelskammern der Zone, die sowjetzonalen Banken und Verwaltungen haben diese Methode sehr stark propagiert. Angestrebt wird eine staatliche Kapitalbeteiligung über die Investitionsbank, wobei der Kapitalanteil des Staates mindestens 50 % betragen soll. Der Unternehmer verliert damit seine Selbständigkeit. Er wird Angestellter des Betriebs. Der Betrieb selbst gilt dann als dem Volkseigentum gleichgestellt.
    In den letzten Wochen ist seitens offizieller Organe der Zone offen erklärt worden, daß diese Kapitalbeteiligung einen weiteren Schritt zum Sozialismus bedeute und daß die Betriebe endlich einsehen müßten, daß nur dieser Weg über die Kapitalbeteiligung geeignet sein könne, die Existenz der Betriebe überhaupt auf die Dauer zu erhalten.
    Zahlreiche Betriebe haben einen Kapitalbedarf, aber sie lehnen nach Möglichkeit diese Form der staatlichen Kapitalbeteiligung ab. Die Folge war, daß man in den letzten Wochen zu erheblichen Zwangsmaßnahmen überging, einmal, indem man Kredite, die durch die staatlichen Banken der Zone gegeben waren, in staatliche Kapitalbeteiligungen umwandelte, und zum andern, indem die Unterabteilung Abgaben der Finanzverwaltung sogenannte steuerliche Tiefenprüfungen durchführte und mehr oder weniger willkürlich hohe Steuerfehlbeträge errechnete. Entweder raten dann die Tiefenprüfer der Abgabenverwaltung dem Unternehmer unmittelbar zur Aufnahme einer staatlichen Kapitalbeteiligung — wobei die festgesetzten Steuermehrbeträge in der Regel 51 % des Gesamtkapitals des Unternehmens ausmachen —, oder aber die Betriebsprüfer wenden sich mit Unterstützung der sowjetzonalen gewerkschaftlichen Organisation an die Arbeiterschaft des privaten Unternehmens, halten dieser die Forderung des staatlichen Haushalts vor und drohen mit Liquidierung des Betriebes und damit Verlust des Arbeitsplatzes. Sie wollen dadurch die Arbeiter veranlassen, einen Druck auf diese privaten Unternehmer auszuüben und sie zu einer staatlichen Kapitalbeteiligung zu zwingen.
    Ganz allgemein verschärft sich die Kontrolle des privaten Unternehmers in der Zone in den letzten Monaten in einer bisher nicht zu verzeichnenden Weise. Der sowjetzonale Freie Deutsche Gewerkschaftsbund ist in letzter Zeit dazu übergegangen, sogenannte Arbeiterkontrolleure in den Privatbetrieben auszuwählen und sie für die Durchführung bestimmter Aufgaben zu schulen. Die hauptsächliche Aufgabe besteht darin, den privaten Unternehmer in seiner geschäftlichen Praxis ebenso wie in seiner Lebenshaltung ständig zu überwachen. Praktisch schafft sich damit die sowjetzonale Gewerkschaft einen eigenen Spitzelapparat in den Privatbetrieben und veranlaßt die Arbeitnehmer zur Spitzeltätigkeit bzw. zur Denunziation


    (Dr. Henn)

    der Unternehmer. Dieser Arbeiterkontrolleure bedienen sich auch die Tiefenprüfer der Unterabteilung Abgaben. Die Betriebsprüfer der Abgabenverwaltung wurden Ende Februar beauftragt, auch von sich aus die Anwerbung derartiger Arbeiterkontrolleure in den Privatbetrieben vorzunehmen. In einer vorliegenden Anweisung heißt es:
    Die Betriebsprüfer sind so anzuleiten, daß sie selbst fortschrittliche Werktätige in den Betrieben für die Mitarbeit werben.
    Weiter ist in der gleichen Anweisung gesagt, daß die Betriebsprüfer der Abgabenverwaltung eine ständige Verbindung zum FDGB unterhalten und daß anzustreben ist, daß auch der FDGB versucht, in stärkerem Maße als bisher Arbeiterkontrolleure zu werben.
    Darüber hinaus sollen die Betriebsprüfer in Zukunft auch die sogenannten Abschnittsbevollmächtigten der Volkspolizei und die Straßenvertrauensleute zu den Prüfungen der Privatbetriebe heranziehen. In einer vorliegenden Unterlage vom 6. März 1956 sind diesbezüglich den Betriebsprüfern der Abgabenverwaltung Aufgaben gestellt, als deren Erfüllungstermin der 31. März 1956 festgestellt wurde. Punkt 3 dieser Anweisung betrifft die Schulung der Abschnittsbevollmächtigten der Volkspolizei. Dabei werden neue Prüfmethoden der Abgabenverwaltung erläutert.
    Mit diesen Dingen ist nichts anderes zum Ausdruck gebracht, als daß in Zukunft die Finanzprüfer der Abgabenverwaltung Auskünfte bei den Arbeiterkontrolleuren in den Privatbetrieben, bei den Abschnittsbevollmächtigten der Volkspolizei und bei den Hausvertrauensleuten der „Nationalen Front" einholen. Es versteht sich von selbst, daß dabei nicht nur sachliche Dinge erörtert werden, sondern damit der Diffamierung und Denunziation Tür und Tor geöffnet werden, ja daß diese sogar besonders gefördert werden. Aus Auskünften von Angestellten der Abgabenverwaltung geht hervor, daß die Arbeiterkontrolleure die Anweisung haben, auf alle Kleinigkeiten innerhalb des Betriebes zu achten, z. B. darauf, welche Zeitungen der Unternehmer liest, ob er Westkorrespondenz empfängt, ob er westdeutsche Besucher empfängt, ob er bestimmte Waren ohne Rechnung verkauft, wer mit ihm innerhalb des Betriebes besonders eng und vertrauensvoll zusammenarbeitet, wie die Lebenshaltung des Unternehmers ist, ob er Gasthäuser und Cafés aufsucht, ob er den Geschäftswagen zu Privatfahrten benutzt, woher er das Benzin dafür bekommt usw. usw.
    Der Abschnittsbevollmächtigte der Volkspolizei soll Angaben über die politische Haltung des Unternehmers machen, ob er zu den nationalen Feiertagen das Haus schmückt, ob die Ehefrau des Unternehmers gegebenenfalls gehässige Äußerungen beim Einkauf macht und dergleichen. In ähnlicher Richtung bewegen sich auch die Anweisungen für die Haus- und Straßenvertrauensleute.
    Seit März 1956 steht die gesamte Privatwirtschaft in der Sowjetzone im Zeichen einer neuen Entwicklung. Einmal sind die Betriebe ohne Ausnahme in das staatliche Vertragsverfahren eingeschaltet, andererseits werden ihnen systematisch Aufträge entzogen und wird damit zwangsläufig die Liquidation der Betriebe verursacht. Es handelt sich dabei nicht etwa um Einzelmaßnahmen, sondern um systematische und von zentraler Stelle aus gelenkte Maßnahmen der Regierung der SBZ.
    Es hat mir ein Fernschreiben des Ostberliner Magistrats vom 15. Januar 1956 vorgelegen, das ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten hier verlesen darf. Es heißt darin wörtlich:
    Die Schaffung der Grundlagen des Sozialismus verlangt die schnelle Entwicklung der volkseigenen Wirtschaft und die Steigerung ihres Anteils an Produktion und Warenumsatz.

    (Hört! Hört!)

    Entgegen diesem Grundsatz haben verschiedene Dienststellen des Magistrats ohne zwingende Notwendigkeit Aufträge an Privatbetriebe vergeben.
    Ich weise darauf hin, daß es zu den selbstverständlichen Pflichten aller Organe der Staatsmacht, ihrer nachgeordneten Dienststellen und Einrichtungen gehört, Aufträge aller Art grundsätzlich nur an volkseigene oder genossenschaftliche Betriebe zu erteilen. Eine andere Handlungsweise ist eine Verletzung des Grundsatzes, daß alle Mitglieder der Organe der Staatsmacht jederzeit die Grundlagen unserer volksdemokratischen Ordnung zu festigen haben. Sie ist ein Verstoß gegen die Disziplinarordnung vom 13. 5. 1955 und wird in Zukunft entsprechend disziplinarisch bestraft werden.
    Unterschrieben ist dieses Fernschreiben von dem Bürgermeister von Ost-Berlin, Ebert.

    (Hört! Hört! rechts.)

    Das heißt doch alles nichts anderes, als daß jeder Staatsangestellte in Zukunft bestraft wird, der im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit Aufträge an Privatbetriebe vergibt. Wir wissen, daß es nicht nur bei dieser Drohung geblieben ist; es sind uns eine ganze Reihe von Einzelfällen bekannt, wo Angestellte der Verwaltung oder von volkseigenen Betrieben — bestraft worden sind, weil sie Aufträge an Privatbetriebe weitergegeben haben.