Rede von
Dr.
Rudolf
Will
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige Verabschiedung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes gibt auch der Fraktion der Freien Demokratischen Partei Veranlassung, ihrer Zufriedenheit und ihrer Genugtuung darüber Ausdruck zu verleihen, daß in monatelanger, sehr sorgfältiger Ausschußarbeit ein Gesetz zustande gekommen ist, von dem man sagen darf, daß es gut ist. Das Gesetz ist schon deshalb nicht schlecht, weil auch der Herr Kollege Jacobi sein Bestes getan hat, um daraus zu machen, was daraus gemacht werden konnte.
Die Freie Demokratische Partei begrüßt es auch deshalb, weil der verantwortliche Bundesminister für Wohnungsbau seit Wildermuths Zeiten, von Anfang an von ihr gestellt worden ist.
— Richtig, jetzt ist er tot.
Es ist eine Großtat auf sozialem Gebiet, die, ich darf doch wohl sagen, das ganze deutsche Volk und der Deutsche Bundestag stellvertretend vollbracht haben. In wenigen Jahren sind, wie wir soeben gehört haben, nicht weniger als 3,6 Millionen Wohnungen gebaut worden. Unterkünfte für mindestens 10 Millionen Menschen, von denen viele ausgebombt, vertrieben und flüchtig, vorher niemals in ähnlichen Wohnungen leben konnten. Wenn es uns weiterhin gelingen sollte — das ist das Ziel des Gesetzes —, in wenigen Jahren diese trennende Wohnungsnot, dieses Erbübel, das uns der Weltkrieg hinterlassen hat, zu beseitigen, dann wäre damit Außerordentliches geschehen. Diese Leistung ist in das Bewußtsein der Bevölkerung noch gar nicht genug eingedrungen.
Einige wenige Angaben sind vielleicht doch erforderlich. Wenn Sie sich vergegenwärtigen, daß von dem gesamten Investionsaufwand im deutschen Volk etwa die Hälfte, nämlich 18 Milliarden DM im Jahr, durch die Bauwirtschaft geht, daß davon etwa die Hälfte, 8 bis 9 Milliarden DM, im Wohnungsbau ausgegeben wird und daß hiervon wiederum ein Drittel, nämlich etwa 3 Milliarden DM, als öffentliche Mittel jedes Jahr in dieses Vorhaben gesteckt wird, dann haben Sie eine ungefähre Vorstellung davon, worum es sich bei diesem außerordentlichen Gesetz handelt. Hier werden Summen bewegt, die genauso hoch sind wie z. B. die für den jährlichen Rüstungsaufwand, der ebenfalls mit 9 Milliarden DM veranschlagt wird. Diese Zahlen sollte man sich vergegenwärtigen, um zu erkennen, welch eine soziale Großtat hier hinter uns liegt.
Auch ich möchte diese Gelegenheit — ich glaube, Sie werden mir das gestatten — benutzen, um einige Worte der Anerkennung zu sagen für die immense Arbeit, die in den abgelaufenen Monaten im wesentlichen von den Mitgliedern der beiden Ausschüsse, des 32. und des 33. Ausschusses, geleistet worden ist. Ich halte es auch für in der Ordnung und bitte Sie, mir als stellvertretendem Vorsitzenden im 32. Ausschuß zu gestatten, unserem Kollegen Herrn L ü c k e eine besondere Anerkennung auszusprechen; er hat sie reichlich verdient!
Er hat nicht nur seine profunde Sachkenntnis zur Verfügung gestellt, sondern ist in Wort und Schrift auch unermüdlich für die von ihm verfochtene Idee des Familienheims tätig gewesen und hat es verstanden, mit großer Hartnäckigkeit sehr viele Klippen zu umschiffen, die uns in den Beratungen mit den Sachverständigen ,und auch sonst manches Kopfzerbrechen verursacht haben.
Einige wenige Bemerkungen zum Inhalt des Gesetzes selber. Ich kann mich ganz kurz fassen, da der Herr Bundeswohnungsbauminister bereits das Wesentlichste ausgeführt hat. Ich möchte jedoch noch auf zwei Dinge hinweisen, die in der Öffentlichkeit mehr anerkannt werden sollten, als es bisher geschehen ist. Ich habe bereits davon gesprochen, welche außerordentlichen Summen in Bewegung gesetzt werden müssen, um die Wohnungsnot in einer nahen Zukunft völlig zu beseitigen. Wir müssen immerhin damit rechnen, daß noch etwa 35 Milliarden DM auszugeben sind, bis wir dieses Ziel erreicht haben werden. Diese Beträge, die durch den Staat, d. h. durch Bund, Länder und Gemeinden aufgebracht werden, werden nicht ausgegeben, um Eigentum für die öffentliche Hand als Selbstbauer auf diesen Grundstücken zu schaffen, sondern als Darlehen an fremde Bauherren. Das ist von erheblicher Bedeutung, und es kommt nun darauf an, in welche Kanäle diese Milliarden geleitet werden. In der Vergangenheit ist leider ein sehr wesentlicher Teil in den Besitz großer Wohnungsgesellschaften gekommen. Dadurch haben sich großstädtische Latifundienbesitze ansammeln können. Das liegt nicht im Sinne unserer Anschauung; denn uns kommt es ja darauf an, eine breitere Streuung dieser öffentlichen Gelder im Sinne einer Mehrung des Kleinkapitals, des Kleineigentums herbeizuführen.
Abgesehen von dieser Idee der breiteren Streuung der öffentlichen Mittel auf einen größeren Teil der minderbemittelten Bevölkerung ist das bevölkerungspolitische Ziel von Bedeutung, das darin liegt, einen großen Teil der Nation mit Grund und Boden zu verankern. Das ist die Idee des Familienheims, die in diesem Gesetz besonders gefördert worden ist. Ich glaube, wir alle, auf allen Seiten dieses Hauses, sind darüber einig, daß hier ein Ziel angestrebt wird, das wirklich des Schweißes der Edlen wert ist.
Vielleicht sind - ich muß das hier noch einmal sagen, ich habe es gestern schon angedeutet — bei den Großstädten gewisse Befürchtungen vorhanden, es könnten die Hunderttausende von Wohnungsamtsfällen, von Wohnungsuchenden, die bisher nicht untergekommen sind, dabei etwas zu kurz kommen. Immerhin erteilt das Gesetz den obersten Baubehörden die Auflage, dafür zu sorgen, daß auch diese Kreise der Wohnungsuchenden, insbesondere diejenigen mit geringem Einkommen, in absehbarer Zeit zu ausreichenden, gesunden und modernen, lichtdurchfluteten Wohnungen kommen.
Ein bedauerlicher, aber natürlich nicht vermeidbarer Mangel liegt in seinem statischen Charakter, d. h. darin, daß die Vergebung der Mittel nach einem Stichtag erfolgt, nämlich nach dem Bewilligungstag, an dem die Mittel ausgegeben werden, ohne Rücksicht darauf, wie die Entwicklung sich vielleicht in der Zukunft gestaltet. Es wird also jemand, der in jungen Jahren erst ein geringeres Einkommen, aber immerhin doch schon viele Kinder hat, infolgedessen zu einer Reihe von Wohltaten kommen; er wird z. B. ein entsprechend großes Eigenheim bewilligt erhalten, er wird eine Restfinanzierung 'bekommen, er wird Familien-
Zusatzdarlehen, Bausparprämien und Lastenbeihilfen erhalten, während sich vielleicht in wenigen Jahren seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben werden. Das aber läßt sich natürlich nicht vermeiden. Wir haben im Ausschuß darüber gesprochen. Es ist nun einmal nicht zu ändern, daß für die Zahlung der öffentlichen Mittel ein bestimmter Stichtag maßgebend sein muß.
Ich will mich auf weitere Einzelheiten des Gesetzes in dieser Stunde nicht mehr einlassen; ich möchte nur der besonderen Befriedigung der Fraktion meiner Partei Ausdruck verleihen einmal darüber, daß es gelungen ist, wesentliche Verbesserungen im sozialen Wohnungsbau durchzuführen, und zum anderen darüber, daß an zahlreichen Stellen des Gesetzes dafür gesorgt ist, daß gerade die Schichten der Wohnungsuchenden mit geringem Einkommen, also die, die am längsten haben warten müssen und es am nötigsten haben, nun auch bald zum Zuge kommen werden.
In diesem Sinne ist die Fraktion der Freien Demokratischen Partei mit dem Verlauf der Gesetzesarbeit, die hier geleistet worden ist, durchaus zufrieden. Sie hofft, daß in naher Zukunft die Wohnungsnot auf diesem Wege beseitigt werden kann, und wird aus diesem Grunde dem Gesetz ihre Zustimmung geben.