Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da wir jetzt zur dritten Lesung dieses Gesetzentwurfes schreiten können, der wegen der Zusammenfügung aus drei verschiedenen Gesetzentwürfen eine lange Entwicklungszeit gehabt hat, möchte auch ich an dieser Stelle allen, die im ganzen Lande draußen, bei den fachlichen Verbänden, in den Ländern, im Bundesrat und selbstverständlich hier im Bundestag daran mitgearbeitet haben, meinen besonderen Dank aussprechen. Ich weiß aus der gestrigen Abstimmung, daß diese Gesetzesvorlage eine solche Fülle von Spezialvorschriften enthält, daß es eine ungewöhnliche Anstrengung für alle Damen und Herren dieses Hauses gewesen ist, all den Abstimmungen zu vielfach komplizierten juristischen und wohnungsbaupolitischen Fragen immer in vollem Umfange zu folgen.
In Gesprächen ist häufig der Vorwurf erhoben worden, dieses Gesetz sei ein perfektionistisches Gesetz. Ich darf dem gegenüberstellen, daß gestern namentlich von den Sprechern der Opposition hervorgehoben wurde, es enthalte viele Lücken. Auf der einen Seite ist es also ein perfektionistisches Gesetz, und auf der anderen Seite enthält es noch viele Lücken. Die Wirklichkeit ist demnach wohl nicht ganz so, wie es in diesen beiden Extremen zum Ausdruck gelangt.
In diesem Gesetz sind eine Reihe von Dingen geregelt worden, bei denen man streiten kann, ob sie
durchaus in das Gesetz hätten hineingenommen werden oder ob sie weiter in besonderen Rechtsverordnungen, in einer Fülle von Richtlinien und Anordnungen ihren Platz hätten behalten oder neu finden sollen. Das Hohe Haus hat seit längerer Zeit die Tendenz verfolgt, möglichst nicht zu viele Ermächtigungen zu geben und Rechtsverordnungen durch die Regierung und den Bundesrat schaffen zu lassen, sondern, soweit es irgend geht, die wichtigen Materien im Gesetz selbst zu regeln.
Noch ein zweiter Umstand hat sicher ebenfalls zu dem Wunsch geführt, eine möglichst vollständige Konzeption vorzulegen. Vielfach war das Gefühl vorhanden, das Erste Wohnungsbaugesetz sei nicht in allen Teilen unseres Bundesgebietes von den unteren Verwaltungsstellen so durchgeführt worden, wie es hier im Bundestag einmal einstimmig beschlossen worden war. Ich darf deshalb im Interesse der Wiederherstellung eines uneingeschränkten Vertrauensverhältnisses zwischen allen Exekutivorganen in der gesamten Bundesrepublik ganz besonders den Wunsch zum Ausdruck bringen, daß dieses Gesetz nachher tatsächlich in voller Loyalität durchgeführt wird.
Gestatten Sie mir vor der deutschen Öffentlichkeit noch einige kurze Hinweise auf die doch sehr wesentlichen Verbesserungen, die dieses Gesetz für den Wohnungsbau bringt. Es sind dies einmal die erheblichen finanziellen Mehraufwendungen von 240 Millionen DM für das nächste Jahr, die wesentlichen Verbesserungen zugunsten der einzelnen Bauwilligen, die, wenn sie ein Eigenheim erstreben, zunächst einmal bis zu 10 % mehr an Darlehen bekommen und, wenn sie Minderbemittelte sind, von vornherein eine erheblich höhere Kapitalleistung in Form eines höheren Darlehens, erhöhter Zinssubventionen oder Annuitätenbeihilfen erhalten können. Es sind weiter die Einräumung von Familienzusatzdarlehen vom dritten Kind an von 1500 DM und die Einräumung von Tilgungsprämien hier vorgesehen. Eine Fülle weiterer Vergünstigungen sind gegenüber dem bisherigen Stand ausgeweitet oder aber zumindest beibehalten worden.
Das entscheidende Kriterium ist, daß wir mit diesem Gesetz darangegangen sind, zwei Aufgaben in einem zu lösen, nämlich einmal die Wohnungsversorgung für die einkommensschwachen Schichten der Bevölkerung sicherzustellen einschließlich des Vorbehaltens von nicht weniger als rund 1,8 Millionen Wohnungen und mit Hilfe von Maßnahmen, die diese Wohnungen möglichst schnell wieder freimachen können, und zum zweiten dafür zu sorgen, daß möglichst viele in unserem Vaterland aus eigener Initiative und mit der Belohnung der öffentlichen Förderung zu einem eigenen Heim, zu einem ausreichenden Familienheim gelangen können. Das dazu Notwendige habe ich gestern schon gesagt.
Ich möchte mich kurz fassen, nachdem wir zur dritten Lesung dieses Gesetzentwurfes erst am Ende eines sehr arbeitsreichen Tages gekommen sind. Aber soviel darf ich vielleicht doch noch sagen: Am Ende dieses Jahres werden in der Bundesrepublik 12,5 Millionen Wohnungen zur Verfügung stehen, davon rund 3,6 Millionen Wohnungen, die seit 1948 erstellt worden sind. Nach dem Ziel des Gesetzes werden bis zum Jahre 1962 weitere 1,8 Millionen Sozialwohnungen gebaut werden. Darüber hinaus werden, wie wir hoffen, in demselben Verhältnis wie bisher noch einmal etwa 1,8 Millionen steuerbegünstigte oder freifinanzierte Wohnungen entstehen. Wir können also damit rechnen, daß zu dem in diesem Gesetz festgelegten Termin mindestens 16 Millionen Wohnungen, vielleicht sogar noch etwas mehr, in der Bundesrepublik vorhanden sein werden, darunter wahrscheinlich mindestens 23/4 bis 3 Millionen vorbehaltene Wohnungen, Neubauwohnungen für die sozial schwachen Kreise. Die Bundesregierung ist deshalb davon überzeugt, daß dieses Gesetz tatsächlich den entscheidenden Schritt zum Ende der Wohnungsnot bedeutet, insbesondere für alle diejenigen, die sich nicht aus eigener Kraft zu helfen vermögen, und daß es den entscheidenden Start bedeutet für diejenigen, die sich aus eigener Kraft zusätzlich etwas schaffen wollen.
Nun sind mir soeben noch zwei Anträge auf den Tisch gelegt worden. Der erste ist der Antrag auf Umdruck 597, der zu § 110 gestellt worden ist. Ich kann von ihm nur sagen, daß er hinsichtlich der Überschrift eine ohnehin notwendige Berichtigung bedeutet. Nach seinem Inhalt will er nichts weiter, als ein offenbares Versäumnis jetzt noch in letzter Minute gutzumachen. Ich weiß von einer Vereinbarung, die hier getroffen worden ist, keine Anträge zur dritten Lesung mehr zu stellen, glaube aber, daß dieser Antrag gar kein materieller Antrag ist, sondern nur etwas verlangt, was ohnehin notwendig gewesen wäre.
Etwas anderes ist es mit dem Antrag auf Umdruck 596. Dieser Antrag ist nach meiner Ansicht doch von erheblicher Bedeutung. Wiewohl man mit ihm dem Wohnungsbau eine zusätzliche finanzielle Möglichkeit verschaffen will über das hinaus, was bisher bereits in diesem Gesetz an Mehrbeträgen verankert werden konnte, so habe ich doch allein schon wegen der Form und des Inhalts dieses Antrags erhebliche Bedenken anzumelden, ganz abgesehen davon, daß die Bundesregierung nun beim besten Willen keine Möglichkeit sieht, über den bisherigen Rahmen des zusätzlich für den sozialen Wohnungsbau Bewilligten hinauszugehen.
Ich darf Ihnen einmal sagen, was hier die besonderen sachlichen Bedenken auslöst. Von den 700 Millionen DM, die in den Jahren 1958, 1959 und 1960 ohne Degression verbleiben sollen, sollen nachher 30 % — das sind 210 Millionen DM — als Zins- und Annuitätenzuschüsse auf die Dauer von 20 Jahren für die Eigenheimförderung verwendet werden. Das bedeutet, daß entgegen dem sonstigen Inhalt des hier zu beschließenden Gesetzes praktisch in den letzten Jahren über die Gesamtheit aller Mittel verfügt werden würde. Ich weiß nicht, ob die Antragsteller selber das so beabsichtigt haben.
Ich bedauere, zum Schluß noch auf eine Sache eingehen zu müssen. Ich kann hier selber keine Anträge steilen. Ich bitte aber das Haus, einer Änderung des § 32 Buchstabe b zuzustimmen. Während ich noch überlegte, ob man dem vorgetragenen Anliegen nicht besser entsprechen könne, ist durch die in der zweiten Lesung gestern erfolgte Umformulierung etwas entstanden, was in der verwaltungsmäßigen Handhabung bei den Ländern zu einer Unmöglichkeit- führen muß. Durch die Einfügung der Worte: „insbesondere solche" ist der Wortlaut: „Haushaltungen und Personen" nicht mehr möglich; denn sonst müßte von Amts wegen eine vollkommen neue Statistik aufgestellt und eine Befragung aller einzelnen Haushaltungen und Personen vorgenommen werden. Das ist draußen in den Ländern in dieser Form Jahr für Jahr niemandem möglich. Wenn diese Ausweitung erfolgt, kann sich dies, wie Herr Stierle gestern schon ausgeführt hat, nur auf die Gesamtheit der Wohnungsamtsfälle, d. h. aller Wohnungssuchenden konzentrieren, die ja leicht
zu erfassen sind. Es müßte also statt „Haushaltungen und Personen" heißen „Wohnungsuchende".
Zum zweiten ist die Formulierung bezüglich der „noch nicht ausreichend Versorgten" auch noch nicht genügend spezifiziert. Wie ich Herrn Kollegen Stierle verstanden habe, hat er nicht beabsichtigt, darüber einen Streit zu entfesseln. Wir haben hier nicht die Möglichkeit einer Rechtsverordnung vorgesehen, in der wir noch bestimmen könnten, ob 87, 90 oder 83 qm ausreichend oder nicht ausreichend sind. Nach seinen Ausführungen bezüglich der jungen Ehepaare, der Familien, die mit fünf Personen und mehr in einem Raum zusammengequetscht sind, geht es ihm doch in allererster Linie um die Menschen, die unzumutbar untergebracht sind. Deshalb möchte ich die an die Worte „insbesondere solche" anschließende Formulierung in vollem Umfange so stehen lassen, wie sie gestern hier beschlossen worden ist. Ich möchte aber vorschlagen und bitten, daß, damit das Gesetz den Bundesrat leichter passiert, eine Fraktion den Antrag aufnimmt, die Bestimmung unter dem Buchstaben b folgendermaßen zu fassen:
über die Anzahl der nachweislich noch unzumutbar untergebrachten Wohnungsuchenden, insbesondere solche . . .