Rede von
Erni
Finselberger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(GB/BHE)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GB/BHE)
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich befinde mich in einer sehr eigenartigen Situation, weil ich nicht weiß, ob ich der Bundesregierung kondolieren soll, weil sie es bis heute nicht fertiggebracht hat, einen Gesetzentwurf zur Regelung und Neuordnung der Rentenversicherung einzureichen, oder ob ich der SPD-Fraktion gratulieren soll.
Aber ich möchte sagen, die Verpflichtung den Rentnern gegenüber veranlaßt meine politischen Freunde und mich, der SPD-Fraktion zu gratulieren, daß sie es fertiggebracht hat, hier ein Gesetz vorzulegen.
Ich sage das auch deswegen, weil wir nicht in der Lage waren und auch jetzt, da uns ein Gesetzentwurf der SPD-Fraktion vorliegt, noch nicht in der Lage sind, überhaupt eine vergleichende Betrachtung vorzunehmen. Trotz der an die Bundesregierung so häufig gerichteten Bitten und Ermahnungen haben wir von dem Herrn Bundesarbeitsminister und auch aus den Reihen der stärksten Regierungsfraktion, meine Herren und Damen von der CDU/CSU, nur Vertröstungen gehört.
Es ist doch sicherlich eine sehr ungewöhnliche Erscheinung, wenn die Bundesregierung einen Vorentwurf vorlegt, den sie Grundentwurf nennt und der nichts anderes darstellt als ein Fragment. Warum kam die Bundesregierung in diese peinliche Lage? Sie kam deshalb in diese peinliche Lage, weil die SPD-Fraktion es fertiggebracht hat, nunmehr diesen Gesetzentwurf vorzulegen. Es mußte doch auf die Öffentlichkeit sehr peinlich wirken, daß es auf diese Weise besonders deutlich wurde, daß die Bundesregierung noch keinen Entwurf vorgelegt hat. Auch die Erklärung des Herrn Bundesarbeitsministers kann uns nicht darüber beruhigen, daß Jahre darüber hinweggegangen sind und daß die Kreise unserer Invaliden und Rentner, unserer alten Menschen von der Bundesregierung geradezu stiefmütterlich behandelt worden sind.
Wenn ich auf die Ausführungen des Herrn Professor Schellenberg, die er zur Begründung des SPD-Entwurfs gemacht hat, nicht näher eingehe, dann deshalb, weil meine politischen Freunde und ich uns mit ihm sowohl in der Zielsetzung als auch hinsichtlich des eingeschlagenen Weges weitestgehend in Übereinstimmung befinden. Meine politischen Freunde, insbesondere diejenigen, die sich vornehmlich mit diesem Gebiet zu beschäftigen haben, sind sich noch nicht ganz klar darüber, ob sie sich für eine Mindestrente entscheiden sollen oder nicht. Diese Frage steht noch offen. Auch die Frage der automatischen Anpassung werden wir in einer der nächsten Wochen zu Ende diskutieren.
Andererseits möchte ich mit Bezug auf dieses Fragment des sogenannten Grundentwurfs sagen, daß wir glauben, uns nicht für die darin vorgesehene Regelung entschließen zu können, wenn nicht hinsichtlich der Zusammensetzung der Sozialräte eine Änderung vorgenommen wird. Außerdem muß in sehr kurzen Zeiträumen eine Überprüfung stattfinden, und es darf nicht so kommen, wie es immer wieder in Kreisen der CDU/CSU gesagt wurde und wie man es auch aus dem Bundesarbeitsministerium immer wieder hört, daß nur etwa alle drei, vier oder gar fünf Jahre eine Überprüfung im Hinblick auf die Anpassung der Renten an das Lohn- und Preisniveau vorgenommen wird. Dann kommen die Renten wieder ins Hinken. Ich bin der Meinung, Herr Bundesarbeitsminister, Sie sollten in den Sitzungen, in denen abschließend über Ihren Entwurf beraten wird, darauf hinwirken, daß die Regelung unter keinen Umständen in der jetzigen Form bestehenbleibt.
Nun möchte ich etwas sagen, was uns wohl alle angeht. Für uns alle, auch für die Rentner, ist es erfreulich, daß durch die Arbeit der SPD-Fraktion das Arbeitstempo im Sozialkabinett vielleicht doch etwas beschleunigt worden ist. Wir sollten ruhig einmal so tolerant sein und auch die Arbeit einer anderen Fraktion anerkennen. Und, meine Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion, vielleicht sind Sie im Innern Ihres Herzens deshalb auch ganz froh. Ich habe Verständnis dafür, daß Sie es hier nicht ganz so aussprechen können wie ich, die ich das hier ganz unabhängig und freimütig tun darf.
Wir haben gern zur Kenntnis genommen, daß dieser Gesetzentwurf nunmehr wirklich dem Bundestag vorgelegt werden soll. Dies erkennen wir dankbar an, wenngleich sich der Termin, wie Herr Professor Schellenberg sagte, vom 9. wieder auf den 16. Mai verschoben hat. Immerhin können wir nun im Sozialpolitischen Ausschuß schnell mit dieser Arbeit beginnen.
Ich möchte aber schon jetzt sagen, daß sich meine Fraktion nicht damit einverstanden erklären kann, diese Rentenanpassung und Rentenerhöhung, über-
haupt die Neuordnung der Renten erst mit dem 1. Januar 1957 in Kraft treten zu lassen. Ich glaube, dieses Anliegen sollte uns so wichtig sein, daß wir es beschleunigt behandeln, damit diese Angelegenheit unserer Rentner, unserer Alten und Invaliden nicht zu einem Faktor im Wahlkampf wird, sondern möglichst herausgehalten wird. Das sind wir unseren Rentnern, unseren alten Menschen schuldig.