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ID0214313900

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    2. Deutscher Bundestag — 143. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4.. Mai 1956 7479 143. Sitzung Bonn, Freitag, den 4. Mai 1956. Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfrage 243 (Drucksachen 2304, 2354) . . 7480 A Erste Beratung des Entwurfs eines Wehrpflichtgesetzes (Drucksache 2303) . . . . 7480 A Blank, Bundesminister für Verteidigung 7480 A, 7548 A, 7553 D, 7554 D Dr. Kliesing (CDU/CSU). . . . . 7484 D, 7486 C, D, 7487 A Schmidt (Hamburg) (SPD) 7486 C, 7538 B, C Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) : als Abgeordneter . . . . 7486 D, 7487 A als Vizepräsident 7516 D, 7531 A, 7537 D, 7538 B, C, 7540 D, 7548 B Vizepräsident Dr. Schneider . . . . 7488 A Erler (SPD). 7493 A, 7499 B, 7530 D, 7533 D, 7535 B, C, D, 7537 B, 7552 C, D, 7554 C Kiesinger (CDU/CSU) 7499 A Dr. Vogel (CDU/CSU) 7499 B von Manteuffel (Neuß) (DA) . . . 7504 D Dr. Reif (FDP): zur Geschäftsordnung 7516 C zur Sache 7551 B Rasner (CDU/CSU) (zur Geschäftsordnung) 7516 C Dr. Mende (FDP) . 7516 D, 7531 A, 7534 B, 7536 D, 7537 D, 7541 A Feller (GB/BHE) 7526 C Dr. Jaeger (CDU/CSU) . 7530 C, 7531 A, D, 7533 D, 7534 B, 7535 C, D, 7536 D, 7537 B, D, 7538 A, D Mellies (SPD) 7531 D, 7537 C, D Schneider (Bremerhaven) (DP). . .7539 A, 7540 D., 7541 A Eickhoff (DP) 7543 B Merten (SPD) 7543 C Wehner (SPD) 7548 B Frau Hütter (FDP) 7548 B Nellen (CDU/CSU) 7549 B Berendsen (CDU/CSU) 7552 B, D Dr. Bucher (FDP) 7554 B Überweisung an den Ausschuß für Verteidigung und an den Rechtsausschuß 7555 A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Organisation der militärischen Landesverteidigung (Drucksache 2341) 7555 A Blank, Bundesminister für Verteidigung . . 7555 A, 7558 B, 7562 C Dr. Reichstein (GB/BHE) 7555 D Dr. Mende (FDP) 7557 B Schmidt (Hamburg) (SPD) 7558 C Berendsen (CDU/CSU) 7562 D Überweisung an den Ausschuß für Verteidigung, an den Rechtsausschuß und an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung 7563 C Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten (Rentenversicherungsgesetz) (Drucksache 2314) . . 7563 D Dr. Schellenberg (SPD), Antragsteller 7563 D, 7571 D Storch, Bundesminister für Arbeit . 7570 C Horn (CDU/CSU) 7571 C Frau Finselberger (GB/BHE) . . 7572 B Dr. Hammer (FDP) 7573 A Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik 7573 C Dritte Beratung des Entwurfs eines Zweiten Wohnungsbaugesetzes (Wohnungsbau- und Familienheimgesetz) (Drucksachen 2353, 2270, 722, 601, 5; Umdrucke 596, 597, 598) 7573 C Lücke (CDU/CSU) . . . . 7573 D, 7576 D Dr. Preusker, Bundesminister für Wohnungsbau 7574 D Jacobi (SPD) 7576 B, 7579 B Vizepräsident Dr. Schneider 7576 D, 7578 B Dr. Will (FDP) 7577 A Frau Heise (SPD) 7578 B Körner (DA) 7578 C, 7581 B Graaff (Elze) (FDP) 7580 B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 7580 D Stierle (SPD) 7581 A Abstimmungen 7581 B, D Nächste Sitzung 7582 C Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 7582 B Anlage 2: Änderungsantrag der Fraktion der FDP, GB/BHE, DP zum Entwurf eines Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes (Umdruck 596) 7583 A Anlage 3: Änderungsantrag der Fraktion der FDP zum Entwurf eines Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes (Umdruck 597) 7583 B Anlage 4: Änderungsantrag der Fraktionen der DA, DP zum Entwurf eines Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes (Umdruck 598) 7583 C Die Sitzung wird um 9 Uhr 2 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schneider eröffnet.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten a) Beurlaubungen Abgeordneter beurlaubt bis einschließlich Dr. Starke 31. 7. Peters 15. 7. Meitmann 15. 7. Blachstein 30. 6. Gedat 30. 6. Dr. Atzenroth 16. 6. Dr. Brühler 16. 6. Dr. Hellwig 16. 6. Runge 16. 6. Frau Geisendörfer 9. 6. Altmaier 2. 6. Jahn (Frankfurt) 2. 6. Müller-Hermann 2. 6. Kahn 1. 6. Dr. Bartram 31. 5. Neuburger 31. 5. Frau Dr. Steinbiß 19. 5. Frau Friese-Korn 12. 5. D. Dr. Gerstenmaier 12. 5. Moll 12. 5. Pusch 12. 5. Frau Kalinke 10. 5. Dr. Moerchel 10. 5. Frau Niggemeyer 10. 5. Rehs 10. 5. Dewald 9. 5. Karpf 9. 5. Ollenhauer 8. 5. Dr. Orth 6. 5. Albers 5. 5. Frau Albertz 5. 5. Dr. Franz 5. 5. Dr. Greve 5. 5. Klingelhöfer 5. 5. Lemmer 5. 5. Lenz (Brühl) 5. 5. Dr. Maier (Stuttgart) 5. 5. Morgenthaler 5. 5. Pelster 5. 5. Schneider (Hamburg) 5. 5. Bauer (Wasserburg) 4. 5. Bender 4. 5. Fürst von Bismarck 4. 5. Brandt (Berlin) 4. 5. Dr. Bucerius 4. 5. Dr. Deist 4. 5. Frau Döhring 4. 5. Ehren 4. 5. Gerns 4. 5. Glüsing 4. 5. Heiland 4. 5. Dr. Graf Henckel 4. 5. Jacobs 4. 5. Dr. Keller 4. 5. Knobloch 4. 5. Kramel 4. 5. Leibfried 4. 5. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 4. 5. Schill (Freiburg) 4. 5. Schmitt (Vockenhausen) 4. 5. Schoettle 4. 5. Schrader 4. 5. Dr. Strosche 4. 5. Frau Wolff (Berlin) 4. 5. Ziegler 4. 5. b) Urlaubsanträge Abgeordnete bis einschließlich Dr. Gille 16. 6. Dr. Köhler 19. 5. Anlage 2 Umdruck 596 (Vgl. S. 7580 B, 7581 B) Änderungsantrag der Fraktionen der FDP, GB/BHE, DP zur dritten Beratung des Entwurfs eines Zweiten Wohnungsbaugesetzes (Wohnungsbau- und Familienheimgesetz) (Drucksachen 2353, 2270, zu 2270, 5, 601, 722, 2279 [neu]). Der Bundestag wolle beschließen: In § 18 a) erhält Abs. 1 Satz 2 folgende Fassung: Vom Rechnungsjahr 1957 ab stellt der Bund hierfür einen Betrag von mindestens 700 Millionen Deutsche Mark im Bundeshaushalt zur Verfügung. b) werden folgende neue Absätze 1 a und 1 b eingefügt: (1 a) Von dem in Absatz 1 Satz 2 bezeichneten Betrag werden im Rechnungsjahr 1958 10 vom Hundert, im Rechnungsjahr 1959 20 vom Hundert und im Rechnungsjahr 1960 30 vom Hundert für Zins- oder Annuitätszuschüsse zur zusätzlichen Förderung des Baues von Familienheimen bereitgestellt. Die nach Satz 1 gewährten Zins- oder Annuitätszuschüsse werden jeweils auf die Dauer von 20 Jahren gegeben. (1 b) Vom Rechnungsjahr 1961 ab stellt der Bund jährlich einen Betrag im Bundeshaushalt zur Verfügung, der sich gegenüber dem in Absatz 1 Satz 2 bezeichneten Betrag je Rechnungsjahr um 70 Millionen Deutsche Mark verringert, soweit er nicht für die in Absatz 2 genannten Zins- oder Annuitätszuschüsse benötigt wird. Bonn, den 4. Mai 1956 Dr. Dehler und Fraktion Feller und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion Anlage 3 Umdruck 597 (Vgl. S. 7582 A) Änderungsantrag der Fraktion der FDP zur dritten Beratung des Entwurfs eines Zweiten Wohnungsbaugesetzes (Wohnungsbau- und Familienheimgesetz) (Drucksachen 2353, 2270, zu 2270,1 5, 601, 722, 2279 [neu]). Der Bundestag wolle beschließen: in § 110 a) die 'Überschrift wie folgt zu ergänzen: Überleitungsvorschriften für öffentlich geförderte Eigenheime, Kleinsiedlungen, Kaufeigenheime und Eigentumswohnungen; b) in Abs. 1 zwischen Satz 1 und 2 folgenden neuen Satz einzufügen: Öffentlich geförderte Eigentumswohnungen, auf die die Vorschriften des Ersten Wohnungsbaugesetzes anzuwenden sind, sind auf Antrag als eigengenutzte Eigentumswohnungen anzuerkennen, wenn sie den in § 12 Abs. 1 Satz 2 bestimmten Voraussetzungen entsprechen. Bonn, den 4. Mai 1956 Graaff (Elze) Dr. Dehler und Fraktion Anlage 4 Umdruck 598 (Vgl. S. 7581 B, D) Änderungsantrag der Fraktionen der DA, DP zur dritten Beratung des Entwurfs eines Zweiten Wohnungsbaugesetzes (Wohnungsbau- und Familienheimgesetz) (Drucksachen 2353, 2270, zu 2270, 5, 601, 722, 2279 [neu]). Der Bundestag wolle beschließen: In § 32 Abs. 1 erhält Buchstabe b die folgende Fassung: b) über die Anzahl der nachweislich noch unzumutbar untergebrachten Wohnungsuchenden, insbesondere solcher, die in Lagern, Baracken, Bunkern, Nissenhütten oder ähnlichen nicht dauernd für Wohnzwecke geeigneten Unterkünften untergebracht sind. Bonn, ,den 4. Mai 1956 Körner von Manteuffel (Neuß) und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion
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    Rede von Margarete Hütter


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es ist keine sehr dankbare Aufgabe, heute hier noch einmal im Rahmen der Wehrdebatte mit einem Anliegen zu kommen, das ein Teil der deutschen Öffentlichkeit bereits vergessen hat, der andere, wahrscheinlach kleinere Teil aber um so heftiger verficht, nämlich mit dem der Freilassung der im westlichen Gewahrsam festgehaltenen Kriegsverurteilten. Aber meine Fraktion, die Fraktion der Freien Demokraten, hat mich in Fortsetzung ihrer von eh und je zu dieser Frage eingenommenen Haltung beauftragt, es vorzutragen. Damit will ich nicht sagen, daß es nicht auch mir ein Bedürfnis sei, meinen am 10. Juli 1952 vor dem Bundestag begonnenen Appell an die Westmächte bis zum guten Ende weiterzuführen.
    Der Appell ist das einzige Mittel, dessen sich dieses Parlament bedienen kann, um Einfluß auf die Bereinigung der Kriegsverurteiltenfrage zu nehmen. Ein solcher Appell einer gewählten Volksvertretung findet, des bin ich gewiß, bei den westlichen Gewahrsamsmächten mit jahrhundertealter demokratischer Tradition auch Gehör. Darum sollten wir uns geschlossen hinter diesen Appell stellen.
    Die Frage, um die es hier geht, ist die einer Bereinigung des Kriegsverurteiltenproblems, die vom gesamten deutschen Volk stets in Zusammenhang mit dem Wiederaufbau der deutschen Streitkräfte gesehen worden ist. Ich weiß, daß einige der Gewahrsamsmächte diesen Zusammenhang nicht erkennen, vielleicht weil sie ihn nicht erkennen wollen, vielleicht aber auch, weil er nicht unbedingt logisch ist. Aber im Gefühl des deutschen Volkes besteht er nun einmal. Man empfindet es als einen Widerspruch, daß ehemalige deutsche Soldaten gerade von den Mächten verurteilt und festgehalten werden, die heute unsere Verbündeten sind. Aus diesem Grunde haben wir die Pflicht, uns für die Freilassung der Kriegsverurteilten einzusetzen, insbesondere dann, wenn wir uns für die allgemeine Wehrpflicht aussprechen. Denn falls wir die allgemeine Wehrpflicht einführen, müssen wir uns darüber klar sein, daß wir damit auch diejenigen heranzuziehen haben werden, die sich durch das Verhalten der Gewahrsamsmächte noch immer vor den Kopf gestoßen fühlen.
    Übrigens wurde unter dem 19. April in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zu diesem Problem ein Bericht veröffentlicht, in dem es bezüglich der derzeitigen Lage in Landsberg heißt — ich darf, die Genehmigung des Herrn Präsidenten voraussetzend, zitieren —:
    Wer kann heute noch Verständnis dafür haben, daß die Bundesrepublik alljährlich 1,2 Millionen Mark aufbringt, damit auf unserem Boden 33 Gefangene von einem riesigen ausländischen Strafvollzugsapparat bewacht werden? 229 Personen, darunter drei amerikanische Offiziere, 23 amerikanische Unteroffiziere und Mannschaften sowie 160 Polen befassen sich in Landsberg mit dieser anstrengenden Tätigkeit. Wer begreift, warum die mit uns befreundeten Staaten sich nicht ein Beispiel an der Sowjetunion nehmen?
    Wir wissen außerdem, daß die Sowjetunion ihr Versprechen, die deutschen Kriegsgefangenen zu entlassen, erfüllt hat und daß alle Anzeichen darauf hindeuten, daß sie die Entlassung aller deutschen Gefangenen vorbereitet.
    Und die deutsche Bundesrepublik? Es muß anerkannt werden, daß sie sich in vorbildlicher Weise bemüht, ein gutes Beispiel zu geben bei der Behandlung von Ausländern, die sich in ihrem Ge-


    (Frau Hütter)

    wahrsam befinden. Nach neuesten, zuverlässigen Meldungen hat sie sich bereit erklärt, alles zu tun, die Ausreise selbst solcher ehemaliger Sowjetbürger zu ermöglichen, die in der Bundesrepublik straffällig geworden sind und sich in Haft befinden, sofern sie es wünschen. Und bei diesen Gruppen handelt es sich nicht um Kriegsverurteilte, sondern um Kriminelle aus der Nachkriegszeit. Ich glaube, in aller Bescheidenheit sagen zu dürfen: diese Handlungsweise zeigt, daß man derartige Probleme auch großzügig lösen kann, wenn es dem Interesse der guten Beziehungen unter den Völkern dient.
    Wie ließe sich nun eine Bereinigung des Problems vornehmen? Neben der Möglichkeit, auf dem Wege über die Gnadenausschüsse die Befreiung herbeizuführen, wäre es heute vielleicht empfehlenswert, ein Sonderabkommen mit den Gewahrsamsmächten zu treffen, das der Bundesregierung die Verantwortung für den Strafvollzug und das Begnadigungsrecht überträgt. Die Gründe, die früher gegen eine solche Regelung standen, scheinen mir heute nicht mehr entscheidend zu sein. Auf diese Weise würde die Bereinigung des Problems denjenigen Gewahrsamsmächten erleichtert werden, die aus internen Gründen die Freilassung nicht verantworten können.
    Auf die rechtliche Situation noch einmal einzugehen, kann ich mir ersparen, da darüber im 1. Bundestag häufig genug gesprochen worden ist. Aber ich kann nicht schließen, ohne daran zu erinnern, daß anläßlich der dritten Lesung des Deutschland-Vertrages am 19. März 1953 von einem Vertreter der amerikanischen Verbindungsstelle in Bonn das Versprechen abgegeben wurde, daß die Lösung des Kriegsverurteiltenproblems in längstens zwei bis drei Jahren erfolgt sein wird. Diese offizielle Nachricht, die sogar der Presse übergeben wurde, erleichterte damals dem Bundestag die Zustimmung zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, um so mehr, als damit auch der Zusammenhang zwischen der Schaffung neuer deutscher Streitkräfte und der Kriegsverurteiltenfrage von einer der Gewahrsamsmächte anerkannt wurde. — Die damals gestellte Frist ist abgelaufen, ohne daß das Versprechen ganz erfüllt worden ist. Meine im Auftrag der Fraktion der Freien Demokraten an die Gewahrsamsmächte gerichtete Bitte verfolgt den Zweck, an ein Versprechen zu erinnern, damit wir an ihrem Wort nicht zweifeln müssen.
    Ich möchte wiederholen, was ich anläßlich der Verabschiedung des Deutschland-Vertrags gesagt habe, nämlich daß es für eine fruchtbare und die Kraft Europas gewährleistende Politik völlig unverzichtbar ist, daß ein gegebenes Versprechen eingehalten wird.

    (Beifall rechts und in der Mitte.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Nellen.

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    Rede von Peter Nellen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Väter des Grundgesetzes mit dem soeben vom Kollegen Merten angezogenen und dann in längerer Diskussion vor uns ausgebreiteten Grundrechtsartikel die absolute Souveränität des personalen Gewissens gegenüber dem Staat und seinen Befehlen jeder möglichen Art sicherzustellen wünschten. Ich darf deswegen, ohne dieses Plenum mit einem moraltheologischen oder moralphilosophischen Hörsaal zu verwechseln — das würde mir Ihr Befremden und Ihr Gelächter einbringen, meine Damen und Herren —, klar und deutlich ausführen, daß die christlich-demokratische und christlich-soziale Fraktion dieses Hauses dem Gesetz, unter dem sie angetreten ist und unter dem sie allein glaubwürdige und praktische Politik machen kann und will, untreu würde, wenn sie diese Souveränität des persönlichen Gewissens in der praktischen Gesetzgebung auch nur im geringsten verleugnen wollte.
    Es ist nämlich so — und das hat wohl den Vätern des Grundgesetzes vorgeschwebt —, daß, wie ein sehr kluger und Ihnen weithin bekannter Theologe, der kürzlich verstorbene Domprediger von Straßburg, Pierre Lorsone aus der Gesellschaft Jesu, sehr treffend formuliert hat, die Person in ihrem Gewissen berechtigt ist, gegenüber allen Befehlen sozusagen den sittlichen Passierschein zu fordern. Das Gewissen ist die Instanz, die berechtigt ist, jedes positive Gesetz, jede positiv daraus sich ergebende Forderung unter dem absolut gültigen Maßstab der Sittennorm einer Prüfung zu unterziehen. Wenn anders, hätten wir jede moralische und bedeutungsvollerweise auch jede politische Berechtigung restlos verwirkt, uns auch nur verteidigungsmäßig gegen ein System zu wehren, das die absolute Mißachtung der personalen Würde und damit auch nur des Ansatzes und der Möglichkeit von Gewissensentscheidungen zum System erhoben hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD.)

    Sie brauchen deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Fraktion der SPD, nicht zu befürchten, daß wir uns hier auch nur die geringste Lässigkeit erlauben würden, weil wir damit moralisch und politisch von der Bühne abzutreten gezwungen wären. Ich darf allerdings mit einem leichten Seitenblick auf den Herrn Bundesverteidigungsminister hinzufügen, daß — das soll einmal erwähnt werden — in einer Schrift, von der ich glaube annehmen zu dürfen, daß sie unter den Auspizien seines Hauses entstanden ist — ich denke an die reizvoll aufgemachte Schrift „Vom künftigen deutschen Soldaten" —, allerdings etwas frisch, fromm, fröhlich, frei Gedanken geäußert wurden, die vom Kollegen Merten soeben, ich möchte sagen, etwas forciert, aber doch mit einiger Sorge angesprochen wurden. Dort könnte man — das muß ich zugeben, Herr Kollege Merten — in einigen Passagen, die des philosophischen Tiefgangs nun wirklich entbehren, den Eindruck gewinnen, daß in dem genannten Grundgesetzartikel nur von einem Ausnahmerecht gesprochen ist. Das kann und darf und wird nicht sein, und ich fühle mich legitimiert, im Namen der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union dieses Hauses zu wiederholen: der Grundsatz der Gewissenssouveränität und der Freiheit, diesen Passierschein gegenüber allen staatlichen Gesetzen und Aktionen zu fordern, wird von uns hochgehalten.
    Ich will aber auch nicht übersehen — und das scheint mir der Kollege Merten soeben etwas, ich will nicht sagen: verschleiert, sondern nicht recht deutlich angesprochen zu haben —, daß es sich hier doch um die Regelung einer echten Pflichten- und damit Gewissenskollision handelt.

    (Abg. Kiesinger: Sehr gut!)

    Ich erinnere mich, daß z. B. der hochverehrte Kollege Schmid (Frankfurt) neulich unter Berufung


    (Nellen)

    auf einen klassischen Autor — er hat uns dreimal raten lassen, wer es ist; es war Thomas von Aquin mit seinem Werk „De regimine principum" — uns in sehr lichtvoller Weise die Unterscheidung zwischen dem äußeren und inneren Gehorsam dargelegt hat, ein Spezialfall von Gewissenssouveränität, den damals abzuhandeln Anlaß war. Wir wollen doch nicht übersehen, daß das, was in der Debatte, der Sie sich sicher genau erinnern, der Kollege Schmid (Frankfurt) ausgeführt hat, absolut gilt: Legal zustande gekommene Gesetze, legale Regierungsmaßnahmen sind im Gehorsam zu respektieren. Denn darüber, glaube ich, gibt es im ganzen Hause überhaupt keine Diskussion: staatliche Hoheit, staatliche Autorität und ihr Korrelat, nicht der Untertanengehorsam, aber der echte, von Ihnen und uns durchaus personal verstandene Gehorsam, ist zu fordern und ist zu leisten. Wenn einmal, vielleicht nicht mit den Begründungen, die wir heute morgen gehört haben — mir haben nicht alle Begründungen gefallen; das gebe ich zu —, wenn mit plausiblen Begründungen und in Anbetracht dessen, was wir die Situation nennen, die mit in Betracht zu ziehenden Zu- und Umstände, als einer der Quellen der Moralität oder, um es mit der Terminologie von Professor Carlo Schmid zu nennen, als einer der fontes moralitatis, ein Gesetz legal zustande gekommen ist, ist es zu respektieren. Das gilt auch von einem Wehrgesetz. Und wenn etwa dieses Hohe Haus in politischer und sonstiger Würdigung des gesamten Weltzustandes, des Zustandes unserer Nation, der Notwendigkeit der Verteidigung und in Klärung aller praktischen Fragen zu einem bestimmten Entschluß kommt, dann ist zum mindesten der legale Gehorsam zu leisten.

    (Oho-Rufe bei der SPD.)

    — Er ist zu leisten, Herr Kollege!

    (Abg. Merten: Grundgesetz! — Abg. Arnholz: Artikel 1!)

    — Sie gestatten, daß ich fortfahre. Ich werde versuchen, noch etwas zu differenzieren. Der Gehorsam ist zu leisten. Nun hat es den Vätern des Grundgesetzes zweifellos vorgeschwebt, daß in der heutigen Zeit alle jene schwierigen Theorien vom gerechten und ungerechten Krieg und von all den schwierigen Voraussetzungen, die für die Gerechtigkeit eines Krieges zu erbringen sind, vor allem der Verteidigungscharakter, unerhört schwierige Probleme ergeben und auch jedem einzelnen, wenn er Wert darauf legt, einen echten Gewissensspruch zu tun und ihm zu folgen, unerhörte Schwierigkeiten auferlegen. Wir kommen aber nicht daran vorbei, gerade in Würdigung der gesamten so schwer gewordenen Zu- und Umstände auf der einen Seite die Gehorsamsposition klar zu halten, wobei ich vom Begriff Gehorsam jede falsche Deutung fernhalten möchte. Auf der anderen Seite muß es möglich sein, daß auch in dieser noch so schwierigen und vielfach undurchsichtigen Situation der Gewissensspruch zum Zuge kommt. Ich habe keinerlei Hemmungen, für meine Person zu erklären, daß die Fassung des einschlägigen § 25, die Sie angesprochen haben, Herr Kollege Merten, wahrscheinlich im Ausschuß einer Differenzierung und Ausfeilung bedürftig ist. Ich habe den Freimut, ganz offen zu erklären, wo ich die Schwierigkeiten sehe. Hier steht: Wer sich aus grundsätzlicher religiöser oder sittlicher Überzeugung allgemein zur Gewaltlosigkeit bekennt". Das könnte — vielleicht interpretiere ich zu formal — insinuieren, daß nur
    das geschützt wird, was ich einen sehr exzessiven Pazifismus nennen möchte. So, glaube ich, kann der Gesetzgeber es nicht gemeint haben, und es scheint auch nicht der Meinung meiner Fraktion zu entsprechen, wenn es von Ihnen prima vista so interpretiert würde. Denn damit würden wir nur eine ganz allgemein und radikal pazifistische Haltung schützen. Oder, wenn ich es einmal etwas burschikos sagen darf, es müßte zweckmäßigerweise jeder den Nachweis einer solchen Ablehnung des Waffendienstes dadurch erbringen, daß er sich vorher bei den Quäkern, bei den Zeugen Jehovas oder sonst irgendwo einschreiben läßt. Das kann und darf nicht der Sinn dieser Bestimmung sein. In dem Sinne müssen diese Bestimmungen distinguiert werden. Denn es ist durchaus möglich, Herr Minister, daß ich mich allgemein zum Waffendienst oder den Möglichkeiten des Waffendienstes bekenne, daß ich aber aus der heutigen Zeitsituation, aus einer vielleicht einmaligen und konkreten Situation — die in keiner Weise insinuieren würde, daß ich etwas Politisches damit meine, sondern aus der sich ergäbe, daß ich etwas konkret Ethisches damit meine — zu der Überzeugung komme, der Kriegsdienst ist für das eine oder andere Gewissen nicht annehmbar und nicht vollziehbar.
    Ich glaube, damit ist das Wichtigste gesagt. Ich darf aber noch auf ein vielleicht naheliegendes psychologisches Mißverständnis eingehen. Es scheint vielen Mitgliedern dieses Hauses, quer durch alle Fraktionen, das beste zu sein, wenn man ganz klar den militärischen und politischen Kern jener Forderungen und jener Maßnahmen herausarbeitet, die in diesem Gesetz niedergelegt sind, wenn man also ideologisch nicht mehr, als zu beweisen ist, beweist. Das gilt z. B. für die ideologische Begründung der allgemeinen Wehrpflicht. Man kann in diesem Zusammenhang auch historisch durchaus der Meinung sein, daß etwa die Formel von dem „legitimen Kind der Demokratie" etwas zu wenig weit in die Geschichte zurückgeht. Ich sehe da manch einen in der Gesellschaft sehr schätzenswerter Jakobiner, die sonst gern auf sehr viel weitergehende demokratische Traditionen zurückgreifen. Es ist möglich, daß auf Grund einer in der Diskussion unterlaufenen Verkürzung mancher Argumente für diese Frage — das verstehe ich durchaus — eine schwierige Situation entstanden ist.
    Lassen Sie mich zum Schluß, ohne daß ich Ihre Geduld allzu lange auf die Folter spannen will, noch etwas sagen, was in diesem Hause wiederholt angesprochen worden ist. Ich erinnere mich z. B. an Ausführungen, die vor längerer Zeit der geschätzte Kollege Arndt gemacht hat. Wie ernst wir diese Frage zu nehmen wünschen, Herr Kollege Merten, möchte ich Ihnen auch daran demonstrieren, daß ich sage, daß wir auch das, was man moralphilosophisch etwa die Lehre vom „error invincibilis" — dem Theologen sofort verständlich —, die Lehre vom „irrenden Gewissen" nennt, dem durch keinerlei Zuspruch beizukommen ist, ernst nehmen und daß wir auch diesem irrenden Gewissen, wenn es sich vor einem entsprechenden Gremium als Gewissen und nicht als Ausflucht für außerhalb der Gewissenssphäre liegende Absichten erweist, als dem souveränen Gewissen Anerkennung zollen. Wir werden bemüht sein, in den Ausschußberatungen eine Präzisierung, eine Differenzierung der hier zur Debatte stehenden Paragraphen vorzunehmen.


    (Nellen)

    Ich darf schließen mit einem klassisch gewordenen Wort. Dieses Wort ist für uns besonders aktuell. Es darf ausgesprochen werden; denn wir schmeicheln uns nicht nur, sondern wir können verzeichnen, daß wir Christen der beiden großen Konfessionen in besonders großer Zahl in unseren Reihen haben. Es gibt zwischen dem evangelischen und dem katholischen Bekenntnis in diesen Fragen keinen grundsätzlichen Unterschied. Ich darf in Parenthese einen Artikel zurückweisen, der vor Jahren in einer bekannten Wochenzeitung stand und in dem ein etwas verwegener Leitartikler behauptete, ein Katholik oder ein orthodoxer Protestant könne überhaupt qua Katholik una Protestant kein Kriegsdienstverweigerer sein. Das ist natürlich weit übers Ziel hinausgeschossen. Ich darf Sie an den Ausspruch eines Mannes erinnern, der beiden Kirchen, wenn ich so sagen darf, angehört, einen der größten Männer des 19. Jahrhunderts, an den Kardinal Newman, von dem Sie wahrscheinlich wissen, daß man ihn einmal auf einem Bankett aufforderte, einen Trinkspruch auf den Papst auszubringen. Dieser außerordentlich distinguierte Abendländer, Europäer und Christ, Anglikaner und dann Katholik sagte: „Nun, wenn es angemessen sein sollte, auf Seine Heiligkeit einen Trinkspruch auszubringen, dann zuerst auf das Gewissen." Sie dürfen gewiß sein, daß wir uns eines solchen Mannes jederzeit gerne erinnern und daß wir seine Auffassung in den konkreten Beratungen zu praktizieren wünschen.

    (Beifall bei allen Parteien.)