Rede von
Dr.
Richard
Jaeger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Nein, das ist mir nicht bekannt, daß es eine „Bundesächtung" gibt. Ich treue mich, daß Sie dann wenigstens noch den Mut haben, sich hinzustellen, da Sie ja dann auch in der Gefahr stehen, der „Bundesächtung" zu verfallen.
— Ich bin nicht der Meinung, Herr Kollege Mellies, daß es so etwas gibt. Sie sind offenbar der
Meinung. Ich bin nicht dieser Meinung. Wir sind offenbar verschiedener Auffassung. Das kommt manchmal vor.
— Meine Damen und Herren, ich bin j a gern bereit, auf Zwischenfragen zu antworten, aber Zwischenrufe auf beiden Seiten, das geht über meine Kraft. Ich kann nicht auf dem rechten Ohr etwas anderes hören als auf dem linken, — obwohl es ja manchmal das gleiche ist.
Ich stimme verschiedenen Vorrednern, vor allem dem Herrn Verteidigungsminister, darin zu, daß es bei einer modernen Armee mehr Berufssoldaten und mehr Freiwillige auf Zeit braucht als früher. Wir haben ja auch im Soldatengesetz diese Möglichkeit vorgesehen. Aber wo wollen Sie denn die Freiwilligen auf Zeit herbringen, wenn Sie sie nicht zuerst durch den Wehrdienst in die Bundeswehr überhaupt hineinführen? Dies vor allem heute, bei den Vorurteilen, die bei der jungen Generation gegen den Wehrdienst und gegen die Bundeswehr bestehen. Wenn die jungen Männer erst gedient haben, wenn ihre Vorurteile mindestens zu einem sehr großen Teil beseitigt sein werden, dann, glaube ich, wird sich die Zahl der Freiwilligen erheblich erhöhen.
Und schließlich darf ich noch auf einen Gesichtspunkt hinweisen, den die Herren Diskussionsredner, wenn ich mich recht erinnere, bisher noch nicht gewürdigt haben. Meine Damen und Herren, was nützt uns ein Berufsheer, das hochqualifiziert sein mag, aber im Ernstfall von Gefecht zu Gefecht an Wert verliert, weil überhaupt keine Reserven vorhanden sind? Und Reserven erst im Kriegsfall so kurzfristig auszubilden, wie es 1939 und später geschehen ist, ist doch sehr ungünstig und gegenüber den jungen Menschen gar nicht zu verantworten.
Schließlich und endlich darf ich noch auf ein Argument kommen, von dem Sie glauben können und von dem Sie wissen, daß es mir besonders am Herzen liegt. Es ist das Verhältnis der Demokratie zu ihrer Armee. Gewiß, Herr Kollege Erler, wir haben in gemeinsamer Arbeit im Verteidigungsausschuß und durch den gemeinsamen Beschluß aller Parteien dieses Hohen Hauses eine Wehrverfassung geschaffen, die an parlamentarischer Kontrolle das Stärkste darstellt, was jemals in Deutschland Gesetz geworden ist. Ich glaube, daß diese Gesetzgebung im großen und ganzen gut war und daß sie sich bewähren wird.
Trotzdem und auch, weil ich Jurist bin, möchte ich bemerken: Ich vertraue, was das Verhältnis von Armee und Staat und die innere Struktur der kommenden Bundeswehr betrifft, nun einmal nicht allein und nicht einmal in erster Linie auf Paragraphen. Gewiß sind Paragraphen notwendig. Es geht nicht ohne Verfassung und Gesetz. Darum haben wir sie ja beschlossen. Aber was noch wichtiger ist und was sich im Rahmen der Paragraphen erst bewähren muß, das ist doch der Geist, der freiheitliche Geist der Truppe und das innerliche Bekenntnis zum demokratischen Staat.
Ich will gar nicht so weit gehen — das wäre falsch —, zu behaupten, das sei in einem Berufs-
heer gar nicht möglich. Ich möchte die kommenden Berufssoldaten nicht in dieser Weise sozusagen beleidigen oder in die Ecke stellen. Nein, meine Damen und Herren! An sich ist das auch in einem Berufsheer möglich; aber es wird sich in einem Berufsheer vor allem am Anfang schwerer realisieren lassen. Denn der Unterschied ist doch nicht der, wie Herr Erler meinte, daß zu den Berufssoldaten noch ein paar hunderttausend Mann kommen, die ihnen unterstellt werden, sondern der Unterschied ist der, daß im Verlauf der Durchführung der Wehrpflicht neben die Berufsoffiziere und Berufsunteroffiziere die ebenso große oder noch größere Zahl der Reserveoffiziere und Reserveunteroffiziere als Vorgesetzte tritt und daß durch diese natürlich der Geist der Armee mit beeinflußt und mit gestaltet wird, also viel leichter im freiheitlichen und demokratischen Geist gestaltet werden kann. Denn auch der beste Berufssoldat steht genau so wie der beste Beamte, wenn er nur unter seinesgleichen ist, immer in der Gefahr, sich allmählich, ein wenig unfreiwillig vielleicht, abzusondern und abzukapseln. Es besteht die Gefahr, daß hier ein Staat im Staate entsteht, und umgekehrt besteht auch die Gefahr, die wir ja auch in der Reichswehrzeit hatten, daß auch die Öffentlichkeit an diesem Berufsheer desinteressiert ist und in ihm nur die Söldner sieht, die im Auftrage der Steuerzahler die Freiheit verteidigen. Das ist eine Auffassung, die wir nicht teilen, weil wir an der Idee des Staatsbürgers in Uniform festhalten.
Ich darf auf ein Wort des verstorbenen Kollegen Dr. Schumacher hinweisen, der gesagt hat: Der Verzicht auf die allgemeine Wehrpflicht und die Rückkehr zur Berufsarmee würde die gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland empfindlich stören und ausgesprochen reaktionäre Tendenz haben.
Ein sehr beachtliches Wort. Herr Dr. Schumacher ist leider nicht mehr unter den Lebenden; aber der Herr Kollege Erler ist es erfreulicherweise und hoffentlich noch recht lange. Der Herr Kollege Erler hat in der Zeitschrift „Geist und Tat" im November 1955 auf Seite 328 ausgeführt: „Es wäre eine Illusion, die Wehrpflicht mit dem Mittel der Kriegsdienstverweigerung aushöhlen zu wollen; damit käme man automatisch zu einem reinen Freiwilligenheer, das wahrscheinlich innen- und außenpolitisch größeren Bedenken begegnet als eine Streitkraft, die einen wirklichen Querschnitt durch alle Schichten der Nation gibt."
Vor einem halben Jahr hatte also Herr Kollege Erler innen- und außenpolitisch — auch auf das letzte möchte ich Wert legen — stärkere Bedenken gegen das Freiwilligenheer als gegen das Berufsheer. Meine Damen und Herren, ich teile diese Bedenken auch heute noch.
Im übrigen könnte man — —
— Bitte sehr!