Rede:
ID0214302800

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 2143

  • date_rangeDatum: 4. Mai 1956

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  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 143. Sitzung. Bonn, Freitag, den 4.. Mai 1956 7479 143. Sitzung Bonn, Freitag, den 4. Mai 1956. Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfrage 243 (Drucksachen 2304, 2354) . . 7480 A Erste Beratung des Entwurfs eines Wehrpflichtgesetzes (Drucksache 2303) . . . . 7480 A Blank, Bundesminister für Verteidigung 7480 A, 7548 A, 7553 D, 7554 D Dr. Kliesing (CDU/CSU). . . . . 7484 D, 7486 C, D, 7487 A Schmidt (Hamburg) (SPD) 7486 C, 7538 B, C Dr. Schmid (Frankfurt) (SPD) : als Abgeordneter . . . . 7486 D, 7487 A als Vizepräsident 7516 D, 7531 A, 7537 D, 7538 B, C, 7540 D, 7548 B Vizepräsident Dr. Schneider . . . . 7488 A Erler (SPD). 7493 A, 7499 B, 7530 D, 7533 D, 7535 B, C, D, 7537 B, 7552 C, D, 7554 C Kiesinger (CDU/CSU) 7499 A Dr. Vogel (CDU/CSU) 7499 B von Manteuffel (Neuß) (DA) . . . 7504 D Dr. Reif (FDP): zur Geschäftsordnung 7516 C zur Sache 7551 B Rasner (CDU/CSU) (zur Geschäftsordnung) 7516 C Dr. Mende (FDP) . 7516 D, 7531 A, 7534 B, 7536 D, 7537 D, 7541 A Feller (GB/BHE) 7526 C Dr. Jaeger (CDU/CSU) . 7530 C, 7531 A, D, 7533 D, 7534 B, 7535 C, D, 7536 D, 7537 B, D, 7538 A, D Mellies (SPD) 7531 D, 7537 C, D Schneider (Bremerhaven) (DP). . .7539 A, 7540 D., 7541 A Eickhoff (DP) 7543 B Merten (SPD) 7543 C Wehner (SPD) 7548 B Frau Hütter (FDP) 7548 B Nellen (CDU/CSU) 7549 B Berendsen (CDU/CSU) 7552 B, D Dr. Bucher (FDP) 7554 B Überweisung an den Ausschuß für Verteidigung und an den Rechtsausschuß 7555 A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Organisation der militärischen Landesverteidigung (Drucksache 2341) 7555 A Blank, Bundesminister für Verteidigung . . 7555 A, 7558 B, 7562 C Dr. Reichstein (GB/BHE) 7555 D Dr. Mende (FDP) 7557 B Schmidt (Hamburg) (SPD) 7558 C Berendsen (CDU/CSU) 7562 D Überweisung an den Ausschuß für Verteidigung, an den Rechtsausschuß und an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung 7563 C Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten (Rentenversicherungsgesetz) (Drucksache 2314) . . 7563 D Dr. Schellenberg (SPD), Antragsteller 7563 D, 7571 D Storch, Bundesminister für Arbeit . 7570 C Horn (CDU/CSU) 7571 C Frau Finselberger (GB/BHE) . . 7572 B Dr. Hammer (FDP) 7573 A Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik 7573 C Dritte Beratung des Entwurfs eines Zweiten Wohnungsbaugesetzes (Wohnungsbau- und Familienheimgesetz) (Drucksachen 2353, 2270, 722, 601, 5; Umdrucke 596, 597, 598) 7573 C Lücke (CDU/CSU) . . . . 7573 D, 7576 D Dr. Preusker, Bundesminister für Wohnungsbau 7574 D Jacobi (SPD) 7576 B, 7579 B Vizepräsident Dr. Schneider 7576 D, 7578 B Dr. Will (FDP) 7577 A Frau Heise (SPD) 7578 B Körner (DA) 7578 C, 7581 B Graaff (Elze) (FDP) 7580 B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 7580 D Stierle (SPD) 7581 A Abstimmungen 7581 B, D Nächste Sitzung 7582 C Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 7582 B Anlage 2: Änderungsantrag der Fraktion der FDP, GB/BHE, DP zum Entwurf eines Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes (Umdruck 596) 7583 A Anlage 3: Änderungsantrag der Fraktion der FDP zum Entwurf eines Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes (Umdruck 597) 7583 B Anlage 4: Änderungsantrag der Fraktionen der DA, DP zum Entwurf eines Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes (Umdruck 598) 7583 C Die Sitzung wird um 9 Uhr 2 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schneider eröffnet.
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten a) Beurlaubungen Abgeordneter beurlaubt bis einschließlich Dr. Starke 31. 7. Peters 15. 7. Meitmann 15. 7. Blachstein 30. 6. Gedat 30. 6. Dr. Atzenroth 16. 6. Dr. Brühler 16. 6. Dr. Hellwig 16. 6. Runge 16. 6. Frau Geisendörfer 9. 6. Altmaier 2. 6. Jahn (Frankfurt) 2. 6. Müller-Hermann 2. 6. Kahn 1. 6. Dr. Bartram 31. 5. Neuburger 31. 5. Frau Dr. Steinbiß 19. 5. Frau Friese-Korn 12. 5. D. Dr. Gerstenmaier 12. 5. Moll 12. 5. Pusch 12. 5. Frau Kalinke 10. 5. Dr. Moerchel 10. 5. Frau Niggemeyer 10. 5. Rehs 10. 5. Dewald 9. 5. Karpf 9. 5. Ollenhauer 8. 5. Dr. Orth 6. 5. Albers 5. 5. Frau Albertz 5. 5. Dr. Franz 5. 5. Dr. Greve 5. 5. Klingelhöfer 5. 5. Lemmer 5. 5. Lenz (Brühl) 5. 5. Dr. Maier (Stuttgart) 5. 5. Morgenthaler 5. 5. Pelster 5. 5. Schneider (Hamburg) 5. 5. Bauer (Wasserburg) 4. 5. Bender 4. 5. Fürst von Bismarck 4. 5. Brandt (Berlin) 4. 5. Dr. Bucerius 4. 5. Dr. Deist 4. 5. Frau Döhring 4. 5. Ehren 4. 5. Gerns 4. 5. Glüsing 4. 5. Heiland 4. 5. Dr. Graf Henckel 4. 5. Jacobs 4. 5. Dr. Keller 4. 5. Knobloch 4. 5. Kramel 4. 5. Leibfried 4. 5. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 4. 5. Schill (Freiburg) 4. 5. Schmitt (Vockenhausen) 4. 5. Schoettle 4. 5. Schrader 4. 5. Dr. Strosche 4. 5. Frau Wolff (Berlin) 4. 5. Ziegler 4. 5. b) Urlaubsanträge Abgeordnete bis einschließlich Dr. Gille 16. 6. Dr. Köhler 19. 5. Anlage 2 Umdruck 596 (Vgl. S. 7580 B, 7581 B) Änderungsantrag der Fraktionen der FDP, GB/BHE, DP zur dritten Beratung des Entwurfs eines Zweiten Wohnungsbaugesetzes (Wohnungsbau- und Familienheimgesetz) (Drucksachen 2353, 2270, zu 2270, 5, 601, 722, 2279 [neu]). Der Bundestag wolle beschließen: In § 18 a) erhält Abs. 1 Satz 2 folgende Fassung: Vom Rechnungsjahr 1957 ab stellt der Bund hierfür einen Betrag von mindestens 700 Millionen Deutsche Mark im Bundeshaushalt zur Verfügung. b) werden folgende neue Absätze 1 a und 1 b eingefügt: (1 a) Von dem in Absatz 1 Satz 2 bezeichneten Betrag werden im Rechnungsjahr 1958 10 vom Hundert, im Rechnungsjahr 1959 20 vom Hundert und im Rechnungsjahr 1960 30 vom Hundert für Zins- oder Annuitätszuschüsse zur zusätzlichen Förderung des Baues von Familienheimen bereitgestellt. Die nach Satz 1 gewährten Zins- oder Annuitätszuschüsse werden jeweils auf die Dauer von 20 Jahren gegeben. (1 b) Vom Rechnungsjahr 1961 ab stellt der Bund jährlich einen Betrag im Bundeshaushalt zur Verfügung, der sich gegenüber dem in Absatz 1 Satz 2 bezeichneten Betrag je Rechnungsjahr um 70 Millionen Deutsche Mark verringert, soweit er nicht für die in Absatz 2 genannten Zins- oder Annuitätszuschüsse benötigt wird. Bonn, den 4. Mai 1956 Dr. Dehler und Fraktion Feller und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion Anlage 3 Umdruck 597 (Vgl. S. 7582 A) Änderungsantrag der Fraktion der FDP zur dritten Beratung des Entwurfs eines Zweiten Wohnungsbaugesetzes (Wohnungsbau- und Familienheimgesetz) (Drucksachen 2353, 2270, zu 2270,1 5, 601, 722, 2279 [neu]). Der Bundestag wolle beschließen: in § 110 a) die 'Überschrift wie folgt zu ergänzen: Überleitungsvorschriften für öffentlich geförderte Eigenheime, Kleinsiedlungen, Kaufeigenheime und Eigentumswohnungen; b) in Abs. 1 zwischen Satz 1 und 2 folgenden neuen Satz einzufügen: Öffentlich geförderte Eigentumswohnungen, auf die die Vorschriften des Ersten Wohnungsbaugesetzes anzuwenden sind, sind auf Antrag als eigengenutzte Eigentumswohnungen anzuerkennen, wenn sie den in § 12 Abs. 1 Satz 2 bestimmten Voraussetzungen entsprechen. Bonn, den 4. Mai 1956 Graaff (Elze) Dr. Dehler und Fraktion Anlage 4 Umdruck 598 (Vgl. S. 7581 B, D) Änderungsantrag der Fraktionen der DA, DP zur dritten Beratung des Entwurfs eines Zweiten Wohnungsbaugesetzes (Wohnungsbau- und Familienheimgesetz) (Drucksachen 2353, 2270, zu 2270, 5, 601, 722, 2279 [neu]). Der Bundestag wolle beschließen: In § 32 Abs. 1 erhält Buchstabe b die folgende Fassung: b) über die Anzahl der nachweislich noch unzumutbar untergebrachten Wohnungsuchenden, insbesondere solcher, die in Lagern, Baracken, Bunkern, Nissenhütten oder ähnlichen nicht dauernd für Wohnzwecke geeigneten Unterkünften untergebracht sind. Bonn, ,den 4. Mai 1956 Körner von Manteuffel (Neuß) und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion
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    Rede von Dr. Georg Kliesing


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Nein! Also, Herr Kollege, — —

    (Zuruf von der Mitte: Dieses Spiel muß endlich aufhören! — Lachen bei der SPD. — Zuruf links: Sonst werden aber doch Fragen gestattet! —Abg. Berendsen: Nicht so oft, Herr Kollege! — Abg. Frau Dr. Rehling: Sie können ja hinterher reden!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bitte, zur Kenntnis zu nehmen, daß der Abgeordnete nicht gefragt werden möchte.

(Anhaltende Zurufe.)

— Bitte, lassen Sie ihn doch aussprechen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Georg Kliesing


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Man kann ja aus dieser Taktik, die Sie hier gegenüber meinen Ausführungen einschlagen, gewisse Rückschlüsse ziehen, und diese Rückschlüsse veranlassen einen dann zu gewissen Konsequenzen.

    (Zurufe links.)

    Damit komme ich zu der zweiten Frage. Wer weiß denn überhaupt, ob die atomaren Waffen eine künftige kriegerische Auseinandersetzung entscheiden würden? Bisher hat in der Weltgeschichte noch kaum eine Waffe allein einen Krieg entschieden.

    (Abg. Dr. Schmid [Frankfurt]: Hiroshima! — Weiterer Zuruf von der SPD: Sie hätten Geschichte studieren sollen!)

    Wer wagt es denn, genau vorher zu sagen, daß die atomaren Waffen überhaupt eingesetzt werden?

    (Abg. Baur [Augsburg]: Sie harmloser Mensch, Sie!)

    — Warten Sie mit Ihren voreiligen Bemerkungen noch ein paar Augenblicke, bis ich Ihren Parteifreund Brandt aus Düsseldorf zitiere.

    (Abg. Wehner: Sie beschäftigen sich zuviel mit sozialdemokratischen Zitaten! Sie sind schon ganz „zersetzt"!)

    — Herr Kollege Wehner, ich weiß nicht, ob das Niveau Ihrer Zwischenrufe dem Ernst der Auseinandersetzung entspricht.

    (Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD.)

    Aber ich überlasse es selbstverständlich Ihnen, das Niveau Ihrer Zwischenrufe weiterhin zu bestimmen.
    Seit Hiroshima haben verschiedene blutige und grausame Kriege in der Welt stattgefunden, ohne daß Atomwaffen entweder taktischer oder strategischer Art eingesetzt worden wären. Schließlich wissen wir alle, daß das Zeitalter der nationalen Kriege vorbei ist und daß an ihre Stelle der Streit der Ideologien getreten ist, ein Streit, der, wenn er die Form kriegerischer Auseinandersetzung annimmt, mehr und mehr den Charakter eines Bürgerkriegs hat. Bezeichnend für gewisse Pläne und Hoffnungen im Osten scheint es mir zu sein, daß noch vor einigen Wochen auf der dritten Parteikonferenz der SED der Parteisekretär Wandel wiederum die These zur Anerkennung brachte, ein gewaltsamer kommunistischer Umsturz sei ein durchaus demokratischer Vorgang.
    Dies und vieles andere läßt es verständlich erscheinen, daß in Politik, Wissenschaft und vor allem in Kreisen von Militärfachleuten sich die Stimmen derer mehren, die der Auffassung sind, daß der Einsatz atomarer Waffen in einem künftigen Kriege mehr und mehr zweifelhaft werde. Noch jüngst erklärte eben der Staatssekretär Brandt, ein anerkannter Fachmann, nach seiner innersten Überzeugung sei der Einsatz atomarer Waffen durchaus fraglich, da hierdurch politische Entscheidungen hervorgerufen würden, die in ihrem Ausmaß überhaupt nicht abzusehen seien.

    (Abg. Wienand: Was sagt Gruenther dazu?)

    Deshalb müsse zunächst der Schutz der Bevölkerung gegen herkömmliche Waffen sichergestellt werden.

    (Abg. Schmidt [Hamburg]: Sehr richtig! Bauen Sie endlich Luftschutzbunker!)

    Was aber den herkömmlichen Waffen recht ist, ist der herkömmlichen Wehrverfassung billig.
    Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, was Liddell Hart, der von den Anhängern der These, die allgemeine Wehrpflicht sei veraltet, stets als Kronzeuge ins Feld geführt wird, neuerdings zur Frage der konventionellen Waffen zu sagen hat. In der Aprilnummer der „Schweizer Monatshefte" untersucht er kritisch die Verteidigungsplanungen des Westens und kommt dabei zu folgenden Schlußfolgerungen. Er meint, die Wasserstoffbombe, der große Abschrecker, wie er sie nennt, sei ein wenig wirksames Abschrekkungsmittel insbesondere gegen kleinere Angriffe und eine sehr unsichere Versicherung gegen die Gefahr einer Ausbreitung bis zu dem Punkt, wo das allgemeine Hineingleiten in einen selbstmörderischen Atomkrieg beginne. Nachdem Liddell Hart sich dann weiterhin mit der sogenannten abgestuften Aktion befaßt, worunter er die Verwendung der H-Bomben nur im äußersten Falle versteht, kommt er schließlich zu der Feststellung, die sicherste Stufe des Vorgehens bei der Verteidigungsplanung würde jedoch in der Schaffung — ich zitiere jetzt wörtlich — einer genügenden Zahl Erdtruppen liegen, die auch ohne Atomwaffen jeden Angriff abschlagen könnten. Dabei würden sie den Gegner eben auch schon vom Versuch eines Angriffs abhalten, und zwar auch eines kleineren. Die Lösung dieser Aufgabe betrachtet Liddell Hart weitgehend als ein Problem der Organisation.
    Dies führt uns wieder zu der Frage, ob es denn außer der Form des stehenden Heeres, das in eine Vielzahl kleiner, selbständiger, feuerstarker und hochbeweglicher Einheiten gegliedert ist, überhaupt eine Organisationsform gibt, die den an sie gestellten Aufgaben gewachsen ist.

    (Abg. Schmidt [Hamburg]: Dann reichen Ihre 500 000 gar nicht aus, dann müssen Sie noch viel mehr haben, Herr Kliesing!)

    Die Schwierigkeit, vor der die westlichen Planer einer militärischen Verteidigung heute stehen — meine Damen und Herren, ich bitte Sie, diesen Gedanken wirklich mit Ernst durchzudenken —, ist doch im Grunde die, daß sie davon ausgehen müssen, daß ein potentieller Angreifer nicht nur — wie


    (Dr. Kliesing)

    früher — Ort und Zeitpunkt des Angriffs, sondern nun auch den Charakter der Angriffsmittel und -waffen bestimmen kann. Daraus ergibt sich für die verantwortlichen Planungsstellen in den westlichen Hauptquartieren die Aufgabe, dafür Sorge zu tragen, daß einem jeden Angriff mit einer ausreichenden Chance auf erfolgreiche Verteidigung entgegengetreten werden kann, ganz gleich, ob es sich dabei um einen Angriff mit interkontinentalen, atomaren oder mit konventionellen Waffen handelt, ob der Angriff mit strategischen Atomwaffen eingeleitet wird oder ob er den Charakter einer bürgerkriegsähnlichen, partisanenkriegsähnlichen Situation trägt, wie wir sie etwa noch aus den zwanziger Jahren in Erinnerung haben.
    Es wäre jedenfalls sehr bedenklich, wenn die westliche Verteidigungsplanung ihre Aussichten einzig und allein mit dem Hinweis auf die Stärke der strategischen Luftwaffe der Amerikaner begründen würde. Eine Vernachlässigung der konventionellen Waffen und der konventionellen Heeresformen im Westen würde den Westen in jedem Falle, auch in dem Falle, daß ein Angriff von Osten her nur mit konventionellen Waffen erfolgen würde, unbedingt dazu zwingen, von der ersten Stunde an die schweren atomaren Waffen zur Verteidigung einzusetzen, worauf natürlich die andere Seite die Antwort nicht schuldig bleiben würde. In einem solchen Falle wäre es also nicht etwa die Sowjetunion, sondern wäre es der Westen, der für sich in Anspruch nimmt, Freiheit und Menschenwürde zu schützen, der zuerst zur Anwendung dieser Mittel apokalyptischer Schrecken greifen würde, eben weil er dazu gezwungen wäre, weil er die überkommenen Formen der Wehrverfassung und der Bewaffnung vernachlässigt hätte. Ich brauche wohl nicht näher darauf einzugehen, daß eine solche Situation für den Westen nicht nur tragisch, sondern auch moralisch fragwürdig wäre.
    Gewiß, die Aufrechterhaltung der allgemeinen Wehrpflicht schließt die Möglichkeit eines Angriffs mit atomaren Waffen keineswegs aus, weil, wie ich bereits sagte, der Angreifer die Wahl der Mittel hat. Aber die Aufrechterhaltung der allgemeinen Wehrpflicht schafft doch wenigstens die Möglichkeit, einem Angriff mit konventionellen Waffen in der gleichen Form zu begegnen, und bietet damit eine gewisse Chance, die Möglichkeit des Atomkrieges zu verringern. Umgekehrt wird man natürlich sagen müssen: wer die allgemeine Wehrpflicht ablehnt, erhöht das Risiko des Atomkrieges.

    (Abg. Wehner: Haben Sie ein Zitat dafür? — Abg. Wienand: Ist das nicht sehr leichtsinnig?)

    Nun aber, meine Damen und Herren, möchte ich mit allem Nachdruck darauf hinweisen, daß wir den Gedanken der allgemeinen Wehrpflicht keineswegs nur aus den erwähnten außen- und verteidigungspolitischen Gründen vertreten, sondern daß uns diese Frage unserer künftigen Wehrverfassung in ganz entscheidendem Maße ein staatsbürgerliches Anliegen ist. Vor einigen Wochen las man in einer Wochenzeitung, es sei sehr merkwürdig, daß in gewissen Kreisen, die sich in früheren Jahren sehr bemüht hätten, den Nachweis zu erbringen, daß die Reichswehr ein Staat im Staate gewesen sei, heute betretenes Schweigen herrsche, wenn man auf diese Dinge zu sprechen komme. Nun, wie dem auch sei: dadurch, daß man die Probleme totschweigt, schafft man sie nicht aus der Welt. Gewiß, die Geschichte beweist uns, daß die allgemeine Wehrpflicht sich nicht immer und überall als das legitime Kind der Demokratie benommen hat. Aber der Mißbrauch einer Idee läßt nicht den Schluß zu, daß die Idee an sich falsch sei.
    In der Vergangenheit ist es uns Deutschen nicht gelungen, die politischen und sozialen Folgerungen aus dem Wesen der allgemeinen Wehrpflicht zu ziehen. Für das Schicksal unserer Demokratie wird es mit entscheidend sein, ob es der Bundeswehr gelingt, die Versäumnisse und Fehler der Vergangenheit zu vermeiden. Es erscheint uns jedoch sehr fraglich, ob einer Bundeswehr, die sich nur aus freiwillig dienenden Berufssoldaten zusammensetzen würde, die Lösung dieser schweren Aufgabe überhaupt zugemutet werden könnte. Es braucht dies keineswegs eine Frage des guten Willens der Beteiligten zu sein, sondern die Frage ist, ob eine in sich abgekapselte soldatische Gemeinschaft selbst gegen den Willen ihrer Mitglieder auf die Dauer nicht schon aus der Natur der Sache heraus in der Gefahr schwebt, eine Sonderstellung im Volke einzunehmen, eine eigene Mentalität zu entwickeln, die der des Volkes fremd sein muß, und schließlich zum Staat im Staate zu werden, vor allem dann, wenn diese Soldaten das Bewußtsein haben müssen, daß sie die einzigen sind, denen im Ernstfalle die Verteidigung des Volkes obliegen würde, weil die anderen Staatsbürger mangels Ausbildung dafür nicht in Frage kommen würden.
    Es ist daher die Frage zu stellen, ob alle diese Gefahren nicht besser mit einem Wehrpflichtheer vermieden werden können, in das nach dem Willen der Bundesregierung in vierteljährlichen Abständen junge Menschen aus dem zivilen Arbeitsleben hereinströmen, die das Klima der Fabriken und Werkstätten,

    (Abg. Wehner: Vorsichtig!)

    der bäuerlichen Wirtschaften und der städtischen Büros in die Kasernen hineintragen, die auch dort in den Kasernen das Bewußtsein haben, daß ihre Militärdienstzeit nur ein Durchgang sein soll und daß sie wieder in das zivile Arbeitsleben zurückkehren werden. Diese jungen Menschen können nachher draußen erzählen, wie es in der neuen Bundeswehr aussieht, ob gut oder schlecht,

    (Heiterkeit bei der SPD)

    wes Geistes Kind diese Bundeswehr ist, und sie können dann dazu beitragen, daß diesmal das Problem gemeistert wird, an dem die Weimarer Republik mit gescheitert ist, nämlich die Herstellung einer Atmosphäre des gegenseitigen Vertrauens zwischen Volk und Bundeswehr.
    Man sollte nicht sagen, diese Probleme seien im vorliegenden Fall bereits durch die Ergänzungen unseres Grundgesetzes gelöst, sie seien nicht mehr so schwierig, weil wir neuartige Formen der parlamentarischen Kontrolle geschaffen hätten. Ich unterschätze, wie Sie wissen, wie insbesondere die Kollegen aus dem Verteidigungsausschuß wissen, die Bedeutung der angesprochenen verfassungsrechtlichen Bestimmungen keineswegs und halte die parlamentarische Kontrolle für außerordentlich wichtig. Aber wir sollten uns doch darüber klar sein, daß Maßnahmen der parlamentarischen Kontrolle sich nur mit handgreiflichen Tatbeständen befassen können und wenig geeignet sind, das Klima, das doch z. B. in der Reichswehr entscheidend war und das auch in der Bundeswehr wieder entscheidend sein wird, in dem richtigen Geiste zu


    (Dr. Kliesing)

    schaffen; und verfassungsrechtliche Bestimmungen können gewiß vieles Wichtige bewirken, aber sie stellen keinen sicheren Schutz gegen das Aufkommen unerwünschter Mentalitäten dar.
    Schließlich müssen wir uns angesichts der weltpolitischen Situation und der außenpolitischen und der geistig-ethischen Situation unseres eigenen Volkes die Frage vorlegen, die meines Erachtens die entscheidende überhaupt ist: Läßt sich angesichts der Bedrohung, in der wir leben, einer Bedrohung, die den Menschen erstmals in seiner Geschichte an den Rand seiner personalen Existenz — ich meine das sowohl im physischen wie geistig-sittlichen Sinne— gedrängt hat, die Verteidigung der Freiheit und Menschenwürde überhaupt noch als Standesangelegenheit nach draußen hin dokumentieren? Wir kennen die drohenden Gefahren einer geistig-sittlichen Verflachung. Werden diese Gefahren insbesondere im Hinblick auf unsere Jugend nicht gerade hochgezüchtet, wenn man dem Menschen durch das Verhalten des Staates das Empfinden suggeriert, die Verteidigung der Freiheit brauche ihn nicht zu kümmern, dafür habe man die Freiwilligen, das sei Aufgabe einer Leibwache, für die man ja seine Steuern zahle? Man muß sich die ernste Frage vorlegen, ob mit dem Aufkommen derartiger Mentalitäten, die leider heute in Deutschland keineswegs außerhalb des Bereichs des Möglichen liegen, nicht die Freiheit selbst schon in tödlicher Gefahr wäre. Es sei hier als selbstverständlich nur am Rande bemerkt, daß es sich angesichts der Bedeutung der Frage der Wehrpflicht für das gesamte staatsbürgerliche Ethos schon um der Würde der Freiheit willen verbietet, die Fragen dieses Gesetzentwurfs mit einem leichten Schielen auf die nächstjährigen Bundestagswahlen zu betrachten. Wer die Frage der Wehrpflicht unter dem Aspekt entscheidet, eine möglichst populäre Wahlparole zu haben, der spekuliert auf die Instinkte der Bequemlichkeit und der Lustlosigkeit und der legt damit zugleich die Axt an die Wurzel unserer Demokratie.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Ein paar Worte nur zu den übrigen Hauptfragen des Gesetzentwurfs. Die Frage der Dauer der Grundausbildung wird im Verteidigungsausschuß sehr gründlich zu prüfen sein. Ich habe bereits vor einigen Wochen an einer anderen Stelle meine grundsätzliche Auffassung mit den Worten dargelegt: so lange wie aus verteidigungspolitischen Gründen notwendig, so kurz wie möglich aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen.
    Was das Wehrersatzwesen und die Organisation betrifft, so begrüßen wir die in dem Gesetzenwurf zutage getretene Tendenz, der Organisation des Wehrersatzwesens einen rein zivilen Charakter zu geben und sie von der Wehrverwaltung zu trennen.
    Noch ein Wort zur Frage der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen. Der Gesetzentwurf geht über die Regelung einiger anderer Staaten, etwa der USA, die bekanntlich nur religiöse Überzeugung anerkennen, hinaus und gesteht das Recht der Kriegsdienstverweigerung auch denen zu, die sich aus ethisch-weltanschaulichen Gründen grundsätzlich zur Gewaltlosigkeit hinsichtlich der Beziehungen der Staaten bekennen. Wir stimmen dieser Ausweitung des Rechts der Kriegsdienstverweigerung zu, weil sie unseres Erachtens den weltanschaulichen Gegebenheiten in unserem Volke Rechnung trägt.
    Es bleibt natürlich darüber hinaus die Frage derer, die nicht grundsätzlich, sondern nur in einer bestimmten politischen Situation oder einem bestimmten Angreifer gegenüber den Dienst mit der Waffe verweigern wollen. Das sind z. B. diejenigen, die das Recht der Kriegsdienstverweigerung wegen der gegenwärtigen Teilung Deutschlands für sich beanspruchen. Ich behaupte keineswegs, daß es sich dabei um Kommunisten oder kommunistenfreundliche oder neutralistische Elemente handelt. Viele von ihnen lehnen im Gegenteil sogar die Übertragung der sowjetzonalen Zustände auf die Bundesrepublik ausdrücklich ab und wären, wie sie sagen, gegebenenfalls sogar willens, sich einem kommunistischen Gewaltakt mit allen Mitteln zu widersetzen. Man muß sich dabei nur fragen, wie denn dieses Sich-Widersetzen und diese aktive Ablehnung des Kommunismus im Verteidigungsfalle aussehen sollte. Handelt es sich hier nicht nur um eine platonische Erklärung? Denn wie könnten sich diese Menschen z. B. einer Aktion im Sinne des Herrn Wandel wirkungsvoll entgegenstellen, wenn sie es aus politischen Gründen, Gründen ihrer Überzeugung, ausdrücklich ablehnen, sich auf diesen Fall vorzubereiten und sich die für eine tatsächliche Abwehr notwendigen ausbildungsmäßigen Voraussetzungen zu verschaffen! Nun, mit dieser und ähnlichen Fragen wird sich der Verteidigungsausschuß sehr gründlich befassen, und er wäre meines Erachtens gut beraten, wenn er sich auch bei diesem Fragenkomplex wiederum des fachlichen Urteils kirchlicher und weltanschaulicher Gemeinschaften bediente.
    Meine Damen und Herren, ohne in dieser oder den anderen grundlegenden Fragen, die der Gesetzentwurf aufwirft, dem Ergebnis der Beratungen vorgreifen zu wollen, möchte ich zusammenfassend doch erklären, daß die Fraktion der CDU/ CSU den Grundgedanken des Gesetzentwurfs, nämlich der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht, zustimmt. Wir tun dies nicht aus irgendwelchen emotionalen Gründen und ohne uns in dieser Entscheidung durch Ressentiments, wie sie noch auf dieser oder jener Seite in unserem Volke bestehen mögen, beeinflussen zu lassen. Denn eine Stellungnahme zu einem derartig schwerwiegenden Problem kann unseres Erachtens nur von Nüchternheit und Ethos getragen sein.

    (Zuruf von der SPD: Ethos vor allen Dingen!)

    Alles übrige wäre fehl am Platze. Wir treffen unsere Entscheidung allein aus der ehrlichen Überzeugung und der klaren Erkenntnis einer bitteren Notwendigkeit, die zu meistern uns die weltpolitische Situation, insbesondere aber die Lage unseres Volkes aufgibt.
    Niemand würde glücklicher sein als wir, wenn wir feststellen dürften, daß diejenigen, von deren Einsicht und gutem Willen die Abrüstung und damit die Festigung des Friedens der Völker abhängt, sich einigten und wenn unser wiedervereinigtes Volk sich auch in der Wehrfrage einer völlig neuen Situation gegenübersähe.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Angesichts der schweren Blutopfer unserer Vergangenheit und der drohenden Gefahren, die uns umgeben, können und wollen wir nur hoffen, daß dieser Tag dem unsrigen nicht mehr allzu fern ist.


    (Dr. Kliesing)

    Bis dahin aber, meine Damen und Herren, wird ein jeder von uns nach seinem persönlichen besten Wissen und Gewissen den harten Weg zu gehen haben, den ihm die schwere Verantwortung und die schmerzliche Sorge um die Freiheit und die Sicherheit unseres ganzen Volkes weisen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)