Rede von
Walter
Seuffert
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Derartige Erinnerungen wollte ich natürlich nicht heraufbeschwören.
Meine Damen und Herren, über das Ausmaß der möglichen Steuersenkung will ich bei der Kürze der Zeit, die zu sprechen ich mir vorgenommen habe, das Haus nicht unterhalten. Diejenigen, die in der Ausschußarbeit stehen, kennen ihre Zahlen und haben sie oft genannt, und die anderen würden sich zum Teil nicht dafür interessieren, zum Teil würden sie vielleicht die Zahlen verwechseln.
Fest steht auf jeden Fall, daß im Jahre 1955 rund 1300 Millionen mehr Steuern allein für den Bund aufgekommen sind, als zur Deckung der im Jahre 1955 veranschlagten Haushaltsausgaben notwendig gewesen wäre.
Fest steht, daß alle Steuerschätzungen für 1956 auf dieser Grundlage neu überprüft werden müssen und daß sich auf Grund dieser Überprüfung ein ganz anderes Haushaltsbild ergeben wird, als es uns zur Zeit vorliegt.
Fest steht weiter, daß bereits 1955 Ausgaben in Milliardenbeträgen bewilligt worden sind, die nicht ausgegeben werden konnten und heute noch nicht ausgegeben werden können, und daß auch von den Forderungen für 1956 ähnliches zu sagen sein wird, so daß auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß einige dieser nicht zu leistenden Ausgaben in notwendigere und dringlichere Ausgaben umgewandelt werden können, das Haushaltsbild sich erheblich ändern muß.
Fest steht ferner, daß auf Grund aller dieser Vorgänge der sogenannte Juliusturm mit allen seinen volkswirtschaftlichen Folgen entstanden ist. Feststehen dürfte auch, Herr Kollege Schmücker, daß zur Beseitigung dieses Juliusturms, der ein volkswirtschaftliches Problem und eine volkswirtschaftliche Gefahr darstellt, eine Steuersenkung von nur einer Milliarde nicht genügen wird. Fest steht erfreulicherweise, daß wenigstens das Parlament sich mit dieser Situation beschäftigen und auseinandersetzen will.
Nachdem man so oft Reformwünsche, insbesondere zur Einkommensteuer, aber auch zu anderen Steuern, zu unserem ganzen Steuersystem, obwohl man sie sachlich anerkennen mußte, mit der Begründung beiseite geschoben hat, daß Rücksichtnahme auf die Kassen- und Haushaltslage nicht erlaube, sie zu erörtern, sollte man meinen, daß man in einer derartigen Situation des Haushalts und der Kasse nun endlich einmal an wirkliche Reformgedanken herangeht. Ihre Anträge, Herr Kollege Schmücker, und die der Koalitionsparteien zur Einkommensteuer haben als Kernpunkt praktisch wieder eine lineare Steuersenkung — eine etwas abgewandelte lineare, aber eben doch eine lineare Steuersenkung zu 10 %. Ich brauche das, was wir über lineare Steuersenkung in diesem Hause oft schon haben vortragen lassen, nicht noch einmal ausdrücklich zu wiederholen. Lineare Steuersenkung bedeutet eben wieder — sehen Sie sich die Zahlen an! — für ein Jahreseinkommen von 5000 DM eine Steuererleichterung von 64 DM jährlich oder rund 5 DM monatlich und für das zehnfache Jahreseinkommen dann nicht etwa das Zehnfache, etwa 640 DM, sondern 1625 DM oder 135 DM monatlich. Von den sehr geringen, fast lächerlichen Steuerermäßigungen, die eine derartige Steuersenkung für das kleine Durchschnittseinkommen bringt, will ich gar nicht reden. Diese Dinge sind keine Verbesserung des Tarifs, das sind Steuersenkungen ohne jeden reformatorischen Ehrgeiz. Und was man etwa konjunkturpolitisch —wir haben ja in der letzten Zeit so viel von Konjunkturpolitik geredet — mit solchen Jahres- oder Monatsbeträgen den Leuten antun will, frage ich mich doch sehr. Eher kann das eine Auswirkung haben, wenn bei einem Einkommen von einer halben Million eine Steuersenkung von ungefähr 20-, 30 000 DM gewährt wird. Ob das nun wieder erwünscht ist, ist eine Frage.
Lineare Steuersenkung — auch das haben wir oft gesagt — bedeutet ferner, daß von den insgesamt 880 Millionen DM, die diese Einkommensteuersenkung insgesamt Bund und Ländern kosten würde, rund 40 % — rechnen Sie es nach der Steuerstatistik des Bundesfinanzministeriums aus — für 24 % der Steuerpflichtigen ausgegeben werden, d. h. eben für die, die ein Jahreseinkommen über 15- bis 16 000 DM im Jahr haben, und die anderen sind natürlich dann relativ schlechter bedacht.
Unsere Vorstellungen gehen in der Richtung einer wirklichen Tarifreform. Die Fehler unseres Tarifs haben wir oft dargelegt. Einer der Hauptfehler sind die viel zu niedrigen Freibeträge, die unter dem europäischen Standard liegen und die immer wieder zu dem — ich muß das offen sagen — Unsinn und Skandal führen, daß sich ein Finanzamt angesichts der Verbrauchsteuerbelastung außerdem noch mit Einkommen von 1000 DM im Jahre beschäftigt. Das sind Grenzen eines Existenzminimums, die jeder Privatgläubiger achten muß und die auch der Steuergläubiger Staat in Ruhe lassen sollte, ganz abgesehen von der ganz unnötigen Mühe der Finanzverwaltung, die hierauf verwandt wird.
Der zweite Hauptfehler unseres Tarifs ist die viel zu scharfe Progression im Bereiche der kleinen und mittleren Durchschnittseinkommen. Wir haben auch hier immer wieder darauf hingewiesen, daß das, wovon das Bundesfinanzministerium bei seinen Tarifdiskussionen so ungern spricht, nämlich die Spitzenbelastung der jeweiligen Einkommensstufen, d. h. der Steuersatz, der auf dem etwaigen Mehrverdienst innerhalb einer Stufe liegt, das Entscheidende ist für die Wirkung des Tarifs auf den Steuerpflichtigen und für seine wirtschaftlichen Überlegungen. Es ist immer noch so, daß die Steuerpflichtigen, wenn sie durch Mehranstrengungen, durch Fortkommen im Beruf, durch schärfere Kalkulation von einem Einkommen von 3000 DM auf eines von 4000 DM im Jahr kommen, von diesen 1000 DM, die sie mehr verdient haben, 175 DM, wenn sie ledig sind, und 127 DM als Verheiratete mit einem Kind an das Finanzamt abgeben müssen, also 17,5 bzw. 12,7 % Bei einer Steigerung des Einkommens von 4000 auf 5000 DM müssen sie als Ledige 195 DM und als Verheiratete 159 DM von den 1000 DM Mehrverdienst abgeben, und wenn sie sich von 12 000 auf 13 000 DM verbessern, haben sie 27% dessen, was sie mehr verdient haben an das Finanzamt abzugeben. Das ist
die viel zu schroffe Progression in diesen wirklich mittelständlerischen Bereichen des Durchschnittseinkommens. Das ist einer der Hauptfehler unseres Tarifs, auf den wir Sie oft und oft aufmerksam gemacht haben. Dabei habe ich Ihnen die schlimmsten Beispiele noch gar nicht genannt, nämlich die Fälle, in denen man diese Staffeln, die wie Fußangeln alle 50 DM — Jahresbetrag — in unserem Tarif aufgestellt sind, überspringt, wo der Steuerpflichtige bis zu 50 % und mehr von seinem Mehrverdienst an das Finanzamt abgeben muß.
Meine Damen und Herren, wir sagen es Ihnen wieder: Dafür gibt es Mittel, und da braucht man keine phantastischen Ausfallziffern zu nennen, die es etwa kosten würde, die Dinge in Ordnung zu bringen. Auch eine Tarifreform von unten, auch eine Tarifverbesserung von unten kann in ihrer Auswirkung begrenzt werden. Tarife können die Auswirkung der Erhöhung von Freibeträgen z. B. begrenzen.
Unser Antrag Drucksache 1695 liegt Ihnen seit mehr als einem halben Jahre vor. Mein Freund Kurlbaum hatte Ihnen vorgerechnet, daß wirklich geholfen werden kann ohne allzu große Auswirkung auf den Gesamttarif und auf den Gesamtausfall, daß wirklich den Kleinen und auch den Finanzämtern geholfen werden kann und daß 21/2 Millionen Steuerpflichtige aus einem unlohnenden, aus einem für beide Teile ärgerlichen Kontakt mit dem Finanzamt mit relativ einfachen Mitteln herausgebracht werden können. Ich mache allerdings darauf aufmerksam: das ist ein Tarifverbesserungsvorschlag, nach dem der bestehende Tarif an bestimmten Punkten verbessert werden soll. Er kann nicht in Vergleich gesetzt werden mit einem neu aufzustellenden Tarif; denn das System dieser Verbesserung müßte auf den neuen Tarif ebenso angewandt werden wie auf den bisherigen.
Wir haben außerdem — es gibt andere Wege — der Öffentlichkeit bereits im Jahre 1952 in unseren Parteiprogrammen empfohlen, die Tarifprogression im Bereiche des Durchschnittseinkommens überhaupt auszuschalten, soweit sie im Tarifsatz begründet ist, weil in diesen Bereichen die durch die Anwendung des Freibetrages entstehende Progression so ausreichend ist, daß eine weitere tarifmäßige Progression übersteigert wäre.
Sie können auch einen Mittelweg gehen, indem Sie wenigstens einige weiter auseinandergezogene Tarifstufen einführen. Wenn Sie zu diesem System, das wir Ihnen vor Jahren vorgelegt haben, übergingen, könnten Sie all die Dinge, die man mit teilweisem Splitting, mit der problematischen Ehegattenbesteuerung und sonstigem zu kurieren versucht, einfach und klar ausschalten.
Wir wissen eigentlich nicht, meine Damen und Herren, warum Sie auf diese Gedanken so gar nicht eingehen wollen. Vielleicht sind die Systeme und Tarifverbesserungen, die wir Ihnen vorschlagen, etwas zu klar und zu durchsichtig. Vielleicht würden sie zu sehr offenbar machen, wie wenig unsere derzeitigen Tarife auf dem eigentlich selbstverständlichen Grundsatz aufgebaut sind, daß jedes Einkommen nach seiner Leistungsfähigkeit besteuert werden sollte, und wie sehr unsere Tarife auf machtpolitischen und wahlpolitischen Grundlagen beruhen.
Wir werden nicht darauf verzichten, auch im Laufe dieser Steuerberatung diese Gesichtspunkte einer wirklichen Reform zu prüfen, geltend zu machen und unsere Anträge je nach dem Ergebnis der Beratungen dazu zu präzisieren. Diese Gesichtspunkte der Reform liegen auch unseren heute bereits vorgelegten Anträgen zugrunde.
In einem engen Zusammenhang mit unseren Überlegungen zur Tarifverbesserung bei der Einkommensteuer steht unser Antrag auf Streichung des Notopfers Berlin. Das Notopfer Berlin ist praktisch eine auf dem Einkommen stehende Zusatzsteuer, die einen schlechteren, sozial weitaus schlechteren Tarif als die Einkommensteuer selbst hat. Die Streichung dieses Notopfers schien uns deswegen ein wesentlicher Punkt in der Gesamtreform der Tarife für die Einkommensbesteuerung zu sein. Im übrigen wird Ihnen mein Freund Gülich nachher noch etwas zu diesem Punkt zu sagen haben.
Eine weitere sehr dringende Verbesserung in unserem Einkommensteuersystem schien uns, die Schlechterstellung der Arbeitnehmer endlich zu beseitigen. Ich brauche nichts von dem zu wiederholen, was wir über die Schlechterstellung hinsichtlich der Erhebungsweise, über die Schlechterstellung hinsichtlich des Zeitpunkts, an dem die Steuer bezahlt wird, schon oft vorgetragen haben. Die Manipulationsmöglichkeiten, die bei der Veranlagung bestehen, sind hier nicht gegeben. Die Steuer wird prompt und zwangsweise gezahlt. Aber fragen Sie einmal die Veranlagten, wieviel sie heute von ihrer Steuer für 1954, geschweige denn für 1955 schon gezahlt haben!
Ich glaube, wir haben über die Verschiedenheiten des Steuererhebungsverfahrens hinaus auch schon öfter die weiteren Gesichtspunkte vorgetragen, die endlich einmal dafür sprechen sollten, dem Arbeitnehmer hier zu geben, was ihm gebührt. Herr Kollege Schmücker, Sie haben so warme Worte für das gefunden, was der selbständige Unternehmer I von der Steuer gewährleistet erhalten müßte. Sie haben von seinem ungebührlich großen Risiko gesprochen, das berücksichtigt werden müßte. Wenn der Unternehmer für die Erhaltung seines Kapitals reichliche Abschreibungen von der Steuer abziehen kann und wenn Sie sogar nun noch Weiteres über die Abschreibungen hinaus zu ähnlichen Zwecken für ihn verlangen, — wer gibt dem Arbeiter die Möglichkeit, entsprechend für die Erhaltung seines Kapitals, d. h. seiner Gesundheit und seiner Arbeitskraft, zu sorgen? Wer gibt dem Arbeiter den Verlustausgleich, den jeder selbständig Tätige geltend machen kann? Wo ist die Möglichkeit für den Arbeiter, der wegen Arbeitslosigkeit, wegen Krankheit oder aus anderen Gründen hat Schulden machen müssen oder von seinen Ersparnissen leben mußte, diese Verluste wieder auszugleichen? Sie ist nicht gegeben.
Darf ich noch an einen Gesichtspunkt erinnern, der gerade in der letzten Zeit im Mittelpunkt vieler Diskussionen gestanden hat. Unsere Berufsausbildung, unsere Berufsfortbildung auf allen Gebieten bedarf dringend der Förderung. Ich habe noch nie gehört, daß einem Unternehmer, auch einem selbständig Tätigen, einem Arzt oder einem Anwalt, der eine Fachtagung besucht oder eine Studienreise durchführt, der Abzug der dadurch entstandenen Unkosten vom Finanzamt verweigert worden wäre. Aber Sie kennen die sehr harte Rechtsprechung, die dem Beamten, dem Arbeitnehmer jeder Art jede Ausgabe für Berufsfortbildung von seinem steuerpflichtigen Einkommen abzuziehen verwehrt. Das ist ein unmöglicher Standpunkt. Auch das ist eine Sache, die nun endlich einmal ausgeglichen werden muß. Jetzt haben wir die Möglichkeit dazu durch einen - nach unserem Antrag durchaus mäßigen — Freibetrag für das Arbeitseinkommen!
Nichts zu tun hat das — das darf ich gleich erwähnen — mit dem Pauschbetrag für Werbungskosten, den Arbeitnehmer in Anspruch nehmen können. Ich glaube, darüber sind wir uns auf allen Seiten des Hauses einig und darüber ist man sich auch in der Diskussion sonst einig. Der Pauschbetrag für Werbungskosten ist keine eigentliche Vergünstigung für die Arbeitnehmer, sondern eine Verwaltungsvereinfachung. Alle, die mehr als 26 DM monatlich an wirklichen Werbungskosten haben -- und das sind nach Feststellunug des Wirtschaftsinstituts der Gewerkschaften mindestens 25 % aller Arbeitnehmer —, haben von der Erhöhung des Pauschbetrages überhaupt nichts. Im Gegenteil, ich möchte Sie einmal fragen: welcher irgendwie selbständig Tätige wird weniger als 26 DM im Monat an Werbungskosten für irgendeine Tätigkeit geltend machen? Ich hoffe sehr, meine Damen und Herren, daß man sich auch auf Ihrer Seite insbesondere diesem unserem Antrag nicht verschließen wird.
Ein Wort zur Frage der Ehegattenbesteuerung. Es ist erfreulich, aus den vorliegenden Anträgen entnehmen zu können, daß die Absicht des Herrn Bundesfinanzministers einstimmig abgelehnt wird, die vom Bundestag nun endlich erzwungene Getrenntbesteuerung bei arbeitenden Ehegatten wieder rückgängig zu machen. Es wird wohl auch dabei bleiben. Auch wir halten selbstverständlich an diesem Prinzip fest und wünschen durch unsere Anträge das Prinzip der getrennten Veranlagung, wie es bisher auf die Ehefrau Anwendung findet, die in einem eigenen oder dem Ehemann fremden
Betrieb arbeitet, auch auf die Ehefrau anzuwenden, die im Betrieb des Mannes mithilft. Mein Freund Regling, der diese Vorschläge ausgearbeitet hat, wird Ihnen hierzu noch einiges sagen.
Wir sind uns bewußt, daß auch nach dieser Regelung die Bewertung der eigentlichen Hausfrauenarbeit, die schließlich auch einen Beitrag — und nicht den schlechtesten und nicht den geringsten — zum Familieneinkommen und zum Familienwohlstand bedeutet, noch nicht gelöst ist und durchaus in der Schwebe bleibt. Wir behalten uns, je nach dem Ergebnis der Beratungen, ausdrücklich vor, im geeigneten Zeitpunkt und wahrscheinlich noch während dieser Steuerdebatte Ihnen hierzu noch Anträge vorzulegen.
Wir legen Ihnen den Antrag vor, die Altersfreibeträge sowohl für Ledige wie für Verheiratete etwas herunterzusetzen. Insbesondere ist doch die Altersgrenze von 70 Jahren für den Altersfreibetrag für Verheiratete wahrlich viel zu hoch gegriffen.
Zu der Frage der Verbrauchsteuern wird Frau Kollegin Lockmann nachher sprechen. Gestatten Sie mir nur, daß ich des Zusammenhangs — der Reform des gesamten Steuersystems — wegen zu den Gedanken, die unseren Anträgen zugrunde liegen, etwas sage. Wir beantragen, die Kaffee-, Tee- und Leuchtmittelsteuer zu streichen. Diese Steuern sind wirklich ein Anachronismus. Sie wissen doch, daß wir die Kaffeesteuer und die Teesteuer seinerzeit eingeführt haben, als die finanzielle Lage des Vereinigten Wirtschaftsgebiets kaum übersehbar war und die Ausgaben drängten. Ich glaube, wenn wir gewußt hätten, daß ein Finanzminister des, Jahres 1956 bei dieser Kassen-und Haushaltslage sich an diesen Steuern so festklammern würde, hätten wir sie damals gar nicht eingeführt. Es sind außerdem eminent uneuropäische Steuern. Ich erinnere Sie nur an das Theater — ich kann es wirklich nicht anders nennen —, das der Herr Bundesfinanzminister wegen der paar Paketchen Kaffee und Tee, die über die Grenze gebracht werden sollten, macht.
Das Problem der Verbrauchsteuern haben wir vor diesem Hause oft aufgeworfen. Wir wissen, daß wir den großen Verbrauchsteuerlasten nicht beikommen können, wenn wir nicht die Umsatzsteuer angreifen, die heute den Hauptteil dieser Last ausmacht. Ich glaube, es wird immer deutlicher, daß die Erhöhung der Umsatzsteuer auf den Satz von 4 °A, die ja in Zusammenhang stand mit anderen, von uns damals stark angefochtenen Steuersenkungen nach der Wahl von 1949, eine der schwersten finanzpolitischen Sünden war, die in der Bundesrepublik begangen worden sind. Die unheilvollen Folgen dieses Schrittes zeigen sich mehr und mehr. Dazu kommt, daß die Steuer uns unter den Händen wächst in einem Ausmaß von ungefähr 200 Millionen DM im Vierteljahr. Wir werden etwas tun müssen, wir werden auch die Steuer selbst reformieren müssen. Aber ich glaube nicht, daß man an eine wirkliche Reform der Steuern herangehen kann, wenn man sich nicht dazu entschließt, auch das Volumen dieser Steuer anzugreifen. Die Palliativanträge, die Sie da gestellt haben, Herr Kollege Schmücker, mit den 480 DM jährlich pro Betrieb, werden das Problem bestimmt nicht lösen.
Es ist keine reformatorische Bestrebung, wenn man Umsatzsteuererleichterungen unter der Bedingung vorsieht, daß sie dem Verbraucher nicht zugute kommen. Denn nach der Begründung, die Sie gebracht haben, betrachten Sie das ja als eine zweite Einkommensteuer auf den Gewerbetreibenden; also das, was Sie ihm geben wollen, soll über die Preise von Verbraucher hereingeholt werden.
Wir haben Ihnen unsere grundsätzlichen Anträge zu diesem Punkt schon vorgelegt. Wir haben Sie gebeten, das System der Umsatzsteuer im ganzen zu überdenken, und darauf nehme ich Bezug. Wenn Sie bezüglich des Steuerausfalls Bedenken haben sollten, so geben wir Ihnen durch einen nochmaligen Antrag Veranlassung, Ihre Entscheidung wegen der Steuerabzugsfähigkeit der Parteibeiträge noch einmal zu überdenken. Diese höchst undemokratische — —
— Ich glaube, Herr Kollege Schmücker, das ist kein Gegenstand zum Lachen.
— Ich nehme es gern zur Kenntnis, Herr Kollege Schmücker, denn ich glaube, daß das eine außerordentlich ernste Angelegenheit ist, die in ihren Gefahren und Auswirkungen für die Demokratie noch einmal sehr überdacht werden sollte. Wir können Ihnen nicht sagen, wieviel dadurch an Steuern erspart wird oder wie groß dadurch im Jahre 1957 etwa der Steuerausfall sein könnte. Sie können es vielleicht eher sagen, wir nicht, denn es pflegen nicht alle Parteien ihre Finanzen so offenzulegen wie die Sozialdemokratische Partei.
— Die 50 Pfennig Beitrag, Herr Pelster — —
— Aber sie wird der Öffentlichkeit übergeben; ich schicke sie Ihnen morgen zu, wenn Sie sie nicht kennen sollten.
— Danke sehr, Herr Kollege Dresbach. — Herr Kollege Pelster, weil Sie von den 50 Pfennig Beitrag sprechen: es stellt sich, wenn man es näher betrachtet, heraus, daß die 50 Pfennig Beitrag nicht einmal abgezogen werden können, eben wegen der Sonderausgabenpauschale. Daran müßte aus Gründen der steuerlichen Gerechtigkeit, wenn man schon bei der anderen Entscheidung bleiben wollte, auch etwas geändert werden.
Wir haben Ihnen noch einen Antrag vorgelegt, die Steuerbegünstigung für Sparguthaben schon bei einer Lauffrist von 5 Jahren zu gewähren. Das ist ein Antrag, den wir für notwendig hielten, um die Bestimmungen praktikabel zu machen. Es ist von anderer Seite der, wie ich glaube, falsche Antrag gestellt worden, die Laufzeit dieser Steuerbegünstigungen über das Jahr 1958 hinaus zu erstrecken. Das würde alle Probleme des sogenannten Revolvierens, der mehrmaligen Steuerbegünstigung für dieselbe Anlage, aufwerfen. Das wäre nicht durchführbar.
Wir haben in den letzten Monaten sehr viel über Konjunktur geredet, und ich glaube, es ist nicht viel davon übriggeblieben. Ich möchte von der Zeit, die ich mir vorgenommen habe zu sprechen, nicht viel auf allgemeine Betrachtungen verwenden. Ich möchte aber sagen: die Fragen der Konjunktur bleiben weiter bestehen, auch wenn die Bundesregierung davon keine Kenntnis nimmt. Ob Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, mit der von Ihnen vorgeschlagenen Steuersenkung wirklich eine Konjunkturpflege betreiben können, möchte ich sehr bezweifeln. Schließlich heißt Konjunkturpflege — wie jede richtige Wirtschaftspolitik — nichts anderes als die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts zwischen Investitionen und Konsum und des richtigen Verhältnisses zwischen der breiten Grundlage der wirtschaftlichen Pyramide, der Massenkaufkraft, und der Spitze der Pyramide.
Entscheidend scheint mir das Klima zu sein, das innerhalb der Wirtschaft herrscht, und entscheidend scheint mir zu sein, daß die Spannungen ausgeglichen werden. In einem derartigen Moment kann man nicht alle Steuererleichterungen, die, wie man so sagt, in den Konsum gehen könnten, über einen Kamm scheren. Die Stärkung der Massenkaufkraft ist gerade in diesem Augenblick notwendig, weil die Investitionen auf einigen Gebieten teilweise vorauszueilen drohen und Schwierigkeiten machen. Wenn man von dieser Seite her an die wirtschaftlichen Dinge herangeht, wenn man nicht immer wieder den Abstand zwischen oben und unten vergrößert, dann kommt man vielleicht auch einmal auf den Gedanken, daß Spannungen in den Kosten nicht immer nur durch Preiserhöhungen ausgeglichen werden müssen, sondern daß sie auch einmal durch Umsatzausweitung aufgefangen werden könnten.
Ich will bei meinem Vorsatz bleiben und die Dinge hier nicht zu sehr vertiefen, zumal ich überzeugt bin, daß, selbst wenn der Herr Bundesfinanzminister eine volkswirtschaftliche Theorie oder eine Vorstellung über die volkswirtschaftlichen Folgen seines Verhaltens haben sollte, sie für ihn nicht maßgebend sein dürfte. Wir kennen ihn viel zu genau und wissen, daß er viel versierter, viel kenntnisreicher und viel interessierter als Politiker denn als Volkswirtschaftler ist. Alles, was der Herr Bundesfinanzminister tut, tut er nicht deswegen, weil er eine mehr oder weniger falsche volkswirtschaftliche Theorie hat, sondern — darüber sind wir uns allerdings klar — das beruht auf einer politischen Entscheidung, die in anderem Zusammenhang in diesem Hause immer wieder streitig geworden ist, nämlich der politischen Entscheidung für die ungestörte Fortsetzung der Rüstungspolitik der Bundesregierung,
ungestört von wirtschaftlichen Erwägungen, ungestört von den sozialen Forderungen, von der Notwendigkeit einer sozialen Aufrüstung, ungestört von dem Verlangen des Volkes nach Wiedervereinigung, die durch diese Politik gefährdet wird,
und ungestört von dem Widerwillen und dem Mißtrauen des Volkes, das ihm in jeder Wahl immer wieder entgegenschlägt.
Nun, meine Damen und Herren, noch einmal zu Ihren Anträgen! Was denken Sie sich eigentlich bei der Beschränkung der Steuersenkung auf zwei Jahre? Dabei spricht man davon, daß die alten Steuersätze dann automatisch wieder eingeführt werden sollen. Wollen Sie es denn wirklich so deutlich machen, daß hier parteipolitische und wahlpolitische Erwägungen maßgebend gewesen sind
nach dem Motto: Der Mohr hat gewählt, der Mohr kann jetzt wieder Steuern zahlen? Wollen Sie sich denn wirklich selbst Sand in die Augen streuen, und glauben Sie, daß Sie — oder wer immer das sein möge — im Jahre 1958 um die wirkliche Entscheidung herumkommen?
— Ja, ab und zu kann man ja auch Steuersenkungen nach der Wahl vornehmen; es gibt Steuersenkungen nach der Wahl, die manchmal in gewissen Zusammenhängen versprochen worden sind.
— Man kann ja nicht immer bloß vor der Wahl etwas versprechen.
-- Ich spreche jetzt nur davon, Herr Kollege, daß Sie sich vorstellen, Sie könnten im Jahre 1958 automatisch wieder Steuersätze einführen, die heute in den Tarifen stehen, Sie könnten heute schon sagen, was im Jahre 1958 an Steuersätzen richtig wäre.
Entweder sind diese Steuersätze richtig — dann muß und kann man das begründen —, oder sie sind falsch, dann müssen sie geändert werden; aber eine solche Klausel hat doch wirklich keinen Sinn.
— Eben deswegen kann von automatischen Tarifen für das Jahr 1958 gar keine Rede sein, glaube ich ernsthaft, Herr Kollege Dresbach.
Ich komme zum Schluß, meine Damen und Herren. Die Anträge, die aus diesem Hause gestellt worden sind, haben vieles gemeinsam, vieles gemeinsam gegen den Herrn Bundesfinanzminister und gegen die so „enthaltsame" Bundesregierung. Einige Anträge stimmen überein. Einige Anträge finden unsere Zustimmung, obwohl wir es nicht ausdrücklich für notwendig gehalten haben, sie zu wiederholen. Wir hoffen, daß noch mehr Übereinstimmung erzielt werden kann. Wir sind uns bewußt, daß trotzdem auf beiden Seiten auch politische Gegensätze bestehen, die in mehreren Punkten sehr harte Auseinandersetzungen notwendig machen werden. Wir Sozialdemokraten werden diese Auseinandersetzungen zu führen wissen.