Rede von
Herbert
Schneider
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich angesichts der vorgeschrittenen Zeit kurz fassen.
Die heute stattfindende Debatte beschwört wieder einmal das ganze Unglück unserer Vergangenheit
herauf, und ich befürchte, wir werden noch sehr oft ähnliche Debatten haben. Ich glaube, wir sind alle in, diesem Hause, von links bis rechts, davon durchdrungen, daß wir alles, aber auch alles tun müssen, um diese Wunden der Vergangenheit zu heilen und den innenpolitischen Frieden im deutschen Vaterland in seiner Gesamtheit herzustellen, weil nur dann eine weitere staatliche Aufwärtsentwicklung und — um auf das Thema hier Bezug zu nehmen — eine gedeihliche Entwicklung unserer Bundeswehr gewährleistet ist.
Eine solche Debatte, wie sie hier geführt worden ist, birgt natürlich — das muß offen ausgesprochen werden — die Gefahr in sich, daß genau das eintrifft, was wir alle vermeiden wollen, nämlich daß unter Umständen das Militär von der Politik getrennt wird. Wir müssen uns also in diesen Dingen sehr vorsichtig bewegen; denn wir alle haben ja das Anliegen, daß, wie ich von diesem Podium schon einmal gesagt habe, das Parlament unbedingt als der Freund und der Helfer der neuen deutschen Streitkräfte gelten soll und gelten muß. Wenn wir negative Dinge zu sehr überbetonen — das frage ich Sie ,—, besteht dann nicht die Gefahr, daß wir uns selber als zu unsicher hinstellen und daß dann nicht jenes Vertrauensverhältnis zustande kommt, das wir uns alle wünschen?
Ich anerkenne den Standpunkt des Kollegen Professor Schmid vollauf, wenn ich ihn von seiner Warte betrachte. Ich bitte ihn, es mir aber nicht zu verübeln, wenn ich einen anderen Standpunkt einnehme, insbesondere in der Frage, die sich damit befaßt, ob hier die Person gespalten werden, d. h. die Politik vom Militärischen getrennt werden kann. Meine politischen Freunde von der Deutschen Partei sind der Auffassung, daß wir es hier getrost trennen können. Bekanntlich war es in der Vergangenheit zum größten Unglück unseres Volkes und Staates dem Soldaten versagt, j a direkt verboten, sich mit politischen Dingen zu befassen,
— nein, ich sage ja, mit politischen Dingen —, wodurch der Soldat praktisch zu einem bloßen Handwerkszeug dieses Staates herabgewürdigt worden war. Wir sind uns alle darüber im klaren und haben es auch gesetzgeberisch verankert, daß das in Zukunft anders sein soll. Ich glaube, es gibt niemanden hier im Hause, der der Meinung wäre, daß das anders sein dürfte.
Wenn ich aber einmal unterstelle, daß in der Betrachtung der Herren Raeder und Dönitz keine Trennung, keine Spaltung der Person erfolgen darf, dann muß ich dem Herrn Kollegen Schmid allerdings die Worte seines eigenen Parteifreundes, des Ministerpräsidenten Steinhoff von Nordrhein-Westfalen, vorhalten, die dieser anläßlich der Regierungsneubildung in Nordrhein-Westfalen gesagt hat, nämlich: es komme nicht mehr darauf an, welche politische Überzeugung jemand früher gehabt habe, sondern darauf, daß er sich heute in den demokratischen Staat einordne und in demokratischem Sinne betätige.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, diesen Satz unterschreiben meine Freunde hundertprozentig.
Es ist der Standpunkt, den meine Freunde von der Deutschen Partei schon seit vielen Jahren eingenommen haben.
Man soll die Wunden der Vergangenheit nicht aufreißen. Wenn wir diesem Grundsatz huldigen wollen, dann müssen wir uns aber auch alle darüber im klaren sein, daß wir keinem, der guten Willens ist, die Chance zur Mitarbeit und zur Mitverantwortung verwehren dürfen.
Ich müßte hier jetzt eigentlich einflechten, man müßte die Rückkehr der Herren — Verzeihung, Herr Raeder ist ja zurückgekehrt —, aber die Rückkehr des Herrn Dönitz abwarten, um zu sehen, wie er sich dem demokratischen Staat gegenüber verhält.
Meine Freunde von der Deutschen Partei sind im Gegensatz zur Meinung des Herrn Kollegen Schmid der Auffassung, daß hier eine Trennung des Politischen und des Militärischen nicht nur möglich, sondern sogar notwendig ist eben auf Grund des besonderen Status, den der Soldat in der verflossenen politischen Ara unseres Volkes gehabt hat. Und da muß ich feststellen, daß Herr Zenker, den ich persönlich nicht kenne, den ich weder zu verteidigen noch in den Abgrund zu stoßen habe, bei dem bekannten Anlaß offenbar über die Soldaten Dönitz und Raeder gesprochen hat.
Man kann darüber streiten, ob es zweckmäßig ist, daß ein Offizier in exponierter Stellung solche Reden hält. Darüber sollten wir uns vielleicht im Verteidigungsausschuß noch einmal sehr nachdrücklich unterhalten. Ich kann nur feststellen: diese Rede ist nun einmal gehalten worden, und wenn sie zu den Soldaten Dönitz und Raeder gehalten worden ist, dann darf ich nicht unerwähnt lassen, daß in Nürnberg beide Offiziere — ich klammere das Politische ausdrücklich aus, Herr Kollege Schmid — von dem Vorwurf der Unehrenhaftigkeit ihrer Seekriegführung freigesprochen worden sind.
— Nein, das habe ich auch nicht behauptet; ich stelle das nur noch einmal fest.