Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einer der Herren Vorredner — ich weiß nicht, welcher es war — hat so sehr schön formuliert das Bundeskabinett habe hier dem Innenminister den Schwarzen Peter zugeschoben. Meine Damen und Herren, ich freue mich immer, wenn ich auf so viel Verständnis stoße. Offenbar eignet sich der Innenminister besonders gut dafür, die Rolle des Schwarzen Peters zu übernehmen, weil er einen gewissen Sinn für Solidarhaftung hat. Das, was ich jetzt sage, bitte ich auch aus dem Gesichtspunkt der Solidarhaftung zu betrachten.
Selbstverständlich weiß ich so gut wie irgend jemand hier aus dem Hause, was auch für menschliche und persönliche Probleme hinter dieser Sache stecken. Schließlich bin ich ein direkt gewählter Abgeordneter, der außer seiner ministeriellen Korrespondenz auch eine ganze Menge anderer Dinge zu erledigen hat. Ich habe mich in den letzten Jahren in vielen solchen Wohnungsfreimachungsfällen verwenden müssen und mit mehr oder weniger großem Erfolg auch verwandt. Das alles ändert nichts daran, daß wir es hier noch mit einem Restproblem zu tun haben. Sie wissen j a aus den Unterlagen, daß 70 000 Wohnungen gebaut worden sind, und jemandem, der 70 000 Wohnungen gebaut hat, sollte man auch zutrauen, daß er noch die restlichen 15 700 dazuschaffen wird. Man sieht doch daraus, daß es offensichtlich ein zu Ende gehendes Restproblem ist.
Der Frau Kollegin Lüders kann ich nicht ganz folgen. Sie hat ihre Zahlenrechnungen etwas — wie soll ich mich mit Respekt ausdrücken — zu überschlägig vorgenommen. Wenn sie noch einmal die Freundlichkeit hat, auf Seite 4 der Drucksache nachzusehen, wird sie finden, daß die Wohnungen, die von natürlichen Personen in Anspruch genommen worden sind, 9400 ausmachen. Da sie liebenswürdigerweise einer Familie eine Durchschnittsstärke von vier Köpfen zugebilligt hat, bringt uns das unterhalb einer Zahl von 40 000 und nicht der von ihr genannten Zahl von 60 000. Ich sage das nur, damit nicht auch in der Größenordnung falsche Zahlen in die Öffentlichkeit dringen. Das Problem ist offensichtlich begrenzter, als man es manchmal darstellen möchte.
Ich bedaure auch dem Kollegen Atzenroth von der FDP sagen zu müssen, daß ich die kurze Erklärung, die er abgegeben hat, eigentlich — er nimmt mir den Ausdruck nicht übel — etwas billig finde, wenn er sagt: Dann muß man es darauf ankommen lassen. Herr Kollege Atzenroth, ich bin völlig anderer Auffassung. Wir haben hier nicht die Aufgabe, es einmal darauf ankommen zu lassen, um zu sehen, was die anderen tun werden, sondern die Bundesregierung und in erster Linie dieses Hohe Haus sind dazu da, Recht zu schaffen und dafür zu sorgen, daß es bei uns nicht „darauf ankommt".
Ich habe auseinandergesetzt, wie es aussieht. Dieses Recht, das geschaffen werden soll, ist in Vorbereitung in den Ausschüssen. Es ist halt nicht — ohne daß ich die Schuldfrage in irgendeiner Weise erörtern möchte — termingemäß fertig, und wenn man mit einer bestimmten rechtlichen Regelung nicht termingemäß zu Rande kommt, aber eine rechtliche Regelung braucht, dann ist es die Verpflichtung dieses Hohen Hauses — und davon werde ich mich auch nicht abdrängen lassen —, eine Übergangsregelung zu schaffen, wie sie ihm erträglich scheinen mag.
Ich freue mich, aus der Debatte entnehmen zu
können daß hier eine ganze Reihe von Anregungen gegeben worden sind, die vielleicht doch eine Lösung eingermaßen im Einvernehmen mit den verschiedenen Auffassungen als möglich erscheinen lassen, da man j a die Sicherheit haben kann, es ist ein begrenztes Übergangsstadium. Es ist nicht so, daß dieses Verlängerungsgesetz der Anfang einer Kette von Verlängerungsgesetzen sein sollte. Wenn es das aber nicht werden soll, dann muß man natürlich auch darauf Bedacht nehmen, einen Ter-
min zu wählen, der sich mit den übrigen Arbeiten dieses Hohen Hauses an den drei anderen Gesetzen in sinnvoller Weise vereinbaren läßt.
Darf ich mir eine Bemerkung erlauben: wenn es tatsächlich so ist, daß die Arbeit an bestimmten Gesetzen wegen irgendeines mitbeteiligten Ausschusses weiter zurück ist, nun, dann muß man in solchen Notfällen — und da stimme ich Herrn Kollegen Engell durchaus zu — einfach dazu greifen, daß der mitbeteiligte Ausschuß sich unter Umständen auch verschweigen kann, wenn er nicht rechtzeitig fertig wird, und daß der Haupt- und federführende Ausschuß eine Vorlage einbringt. Das haben wir früher schon erlebt, und warum sollte das bei dringlichen Sachen nicht auch heute möglich sein?!
Ich darf zum andern bemerken, daß die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD vom 7. Februar 1956 wegen der Freimachung von beschlagnahmten Wohn- und Geschäftsräumen von dem Herrn Bundesfinanzminister unter dem 12. April beantwortet ist, so daß die Antwort, die einige interessante Einzelheiten enthält, dem Hause in den nächsten Tagen als Drucksache zur Verfügung stehen wird.
Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Ich habe gesagt: wir sind es unserem nationalen und unserem internationalen Ansehen schuldig, hier eine Regelung zu treffen. Ich meine das wortwörtlich. Ich habe schon ausgeführt, daß es unsere Aufgabe ist, Recht zu schaffen, weil wir ein Rechtsstaat sind. Das Hohe Haus hat, gleichgültig was dieses Recht regelt, darüber zu befinden. Wir können es, auch wenn es sich nur um Tage handelt, nicht darauf ankommen lassen, sondern brauchen rechtlich fundierte Regelungen.
Der Herr Kollege Schmitt ist zu pessimistisch gewesen. Er hat geglaubt, er und seine Freunde sollten am nationalen Ansehen nur dann beteiligt werden, wenn es sich um Passivgeschäfte handele. Herr Kollege Schmitt, das Nationale besteht eben darin, daß es alle in guten und in bösen Tagen betrifft. Niemand hat die Absicht, die einen nur an den guten und die anderen nur an den bösen Tagen zu beteiligen. Aber bitte, kommen auch Sie nicht auf den Gedanken, uns etwa nur an den bösen Tagen beteiligen zu wollen.