Rede von
Dr.
Marie-Elisabeth
Lüders
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben eine ganze Menge juristischer und politischer Ausführungen von dem verehrten Kollegen von Buchka gehört. Ganz zweifellos sind viele dieser Begründungen und Ausführungen nicht von der Hand zu weisen. Aber mir scheint, sie gehen doch an dem eigentlichen Kern der Sache vorbei. Der Kern der Sache ist und bleibt die menschliche Seite der Angelegenheit. Darum handelt es sich hier.
Ich kann Ihnen ein Erlebnis aus meiner eigenen Verwandtschaft berichten. Ich habe mich jahrelang bemüht, die Wohnung einer Witwe mit sechs Kindern wieder freizubekommen, und konnte und konnte nicht vorwärtskommen, bis ich schließlich meine persönlichen Beziehungen zu einer der höchsten alliierten Stellen ausgenutzt habe, um dieser Frau wieder zu ihrer Wohnung zu verhelfen, die Eigentum der Familie war.
Es sind ja nicht nur, wie hier gesagt worden ist, etwa 15 000 Wohnungen, um die es sich handelt, sondern wir können normalerweise noch die Anzahl der Menschen mit vier multiplizieren. Das gibt 60 000 Menschen, und in Wirklichkeit sind es noch weit mehr.
Ich habe schon früher immer große Bedenken gegen Verlängerungen von Gesetzen gehabt. Es ist sehr merkwürdig, wie zählebig gerade verlängerte Gesetze sind. Die können und können absolut nicht sterben. Ich sehe schon den Tag kommen, an dem uns ein neues Verlängerungsgesetz auf anderen Gebieten hier serviert wird, und dann kriegen wir wieder dieselben Gründe vorgesetzt und sollen dann wieder zu allem Ja und Amen sagen.
Ich kann dem nicht zustimmen, Kollege von Buchka, wenn so stark das Nichteingreifen in die Eigentumsrechte unterstrichen wird. Für mich ist und bleibt die Hauptsache das Nichteingreifen in die menschlichen Rechte der Leute, die wieder in diese Wohnungen kommen sollen. In gar nicht wenigen Fällen sind die männlichen Angehörigen der in den Wohnungen einquartierten Familien längst aus diesem Wehrbezirk, oder wie man es heute nennt, heraus in weit entlegene Garnisonen versetzt. Die Familien bleiben nichtsdestoweniger in diesen Wohnungen sitzen. So kann das meines Erachtens nicht weitergehen.
Ich möchte dringend bitten, daß wir überaus vorsichtig sind bei der Behandlung dieser Vorlage im Ausschuß, insbesondere damit wir nicht über kurz oder lang ein Verlängerungsgesetz vorgelegt bekommen.