Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Vertrag vom 29. Oktober 1954, der sogenannte Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag, mit den Vereinigten Staaten ist im Schriftlichen Bericht und in den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Kalbitzer soeben richtig gewürdigt worden. Sein Prinzip ist, auf die Staatsbürger jedes der beiden Länder nicht nur den Grundsatz der Meistbegünstigung, sondern auch den der Inländerbehandlung zur Anwendung zu bringen. Das ist ein erfreulicher Fortschritt. Der Vertrag ist auch im übrigen von freundschaftlichem Geist getragen. Auf seine Einzelheiten möchte ich nicht eingehen. Meine Freunde und ich stimmen dem Abkommen in vollem Umfange zu. Wohl aber gibt mir die dritte Lesung des Ratifizierungsgesetzes und seine Verabschiedung durch das Hohe Haus Gelegenheit und Veranlassung zu Bemerkungen über einige grundsätzliche Gesichtspunkte; sie sind teilweise schon in den Ausführungen der beiden Vorredner angeklungen, ich möchte sie aber noch unter gewissen anderen Aspekten betrachten.
Der Vertrag enthält die übliche Eigentumsschutzklausel. Eine Anwendung dieser Klausel auf das im zweiten Weltkrieg enteignete deutsche private Eigentum ist jedoch durch den begleitenden Schriftwechsel vom 29. Oktober 1954 ausgeschlossen. Nach ihm werden die Bestimmungen des Generalvertrags durch den neuen Vertrag nicht berührt. Der in den Pariser Verträgen aufrechterhaltene Art. 3 im Sechsten Teil des Überleitungsvertrags, der sich mit diesem beschlagnahmten deutschen Vermögen beschäftigt, bleibt also trotz des vorliegenden Freundschaftsabkommens bestehen.
Wir nehmen diese Rechtslage, die an unserer grundsätzlichen Zustimmung zum Freundschaftsabkommen mit den Vereinigten Staaten nichts ändert, zur Kenntnis. Aber wir bedauern sie. Ich erinnere daran, daß das Hohe Haus nach der Verabschiedung der Pariser Verträge am 27. Februar 1955 einstimmig eine Entschließung annahm, in deren Begründung es heißt — ich möchte zwei Sätze daraus mit Genehmigung des Herrn Präsidenten verlesen —:
Die juristischen und finanziellen Gründe, die man von seiten der Alliierten vorbringt, um die Rückgabe des deutschen Auslandsvermögens zu verweigern, betrachten wir als sachlich und politisch überholt. Wir sind vielmehr der Ansicht, daß der Eintritt der Bundesrepublik in die Westeuropäische Union und in die Nordatlantische Vertragsorganisation für die Vereinigten Staaten Grund genug wäre, das für uns wichtige, für sie aber untergeordnete Problem der Freigabe unseres Vermögens politisch in ganz neuem Lichte zu sehen.
So weit das Zitat. Die Entschließung beruhte auf der zutreffenden Erkenntnis, daß die Bundesrepublik sich durch den Überleitungsvertrag zwar verpflichtete, „keine Einwendungen gegen die Maßnahmen zu erheben, die gegen das deutsche Auslandsvermögen durchgeführt worden sind". Sie hat sich aber in ihm nicht verpflichtet, etwa nicht an die westliche Welt zu appellieren, die Diskriminierung des deutschen Eigentums fortan aufzuheben.
Meine Damen und Herren, wir in der Bundesrepublik gehörten zu den ersten, denen nach dem zweiten Weltkrieg die Aufbauhilfe der Vereinigten Staaten zugute kam. Das hat nicht nur unsere Wirtschaftsbeziehungen zu den Vereinigten Staaten intensiviert, sondern auch uns und unseren europäischen Nachbarn die Möglichkeit verschafft, nunmehr unsererseits anderen Gebieten wirtschaftliche Unterstützung angedeihen zu lassen, deren sie zumeist auf Grund von Verhältnissen bedürfen, die sie nicht verschuldet haben.
Ich glaube, daß wir uns dieser Pflichten zur Hilfe durch Investitionen und Kredite an unterentwikkelte Länder allerseits durchaus bewußt sind.
Von besonderen Fällen überdimensionaler Größe abgesehen, kann hierbei auf privates Kapital und private Unternehmerleistung nicht verzichtet werden. Ich halte es nicht für ernsthaft bestreitbar, daß eine maßgebliche Beteiligung privater Initiative und Unterstützung sowohl im Lieferland wie auch im Empfangsland große Vorteile aufweist, vor allem auch von den Bevölkerungen gut aufgenommen wird, besser vielleicht als ein Monopol des Staates bei solchen Entwicklungsaufgaben. Es fehlt auch nicht an der grundsätzlichen Bereitschaft privater Personen und Unternehmungen, in dieser Weise an der Entfaltung einer freien Weltwirtschaft und an der Hebung des Lebensstandards aller Völker mitzuwirken.
Aber zwei Hindernisse stehen einer vollen Entfaltung dieser Kraft im Wege. Erstens: die noch immer bestehenden verwaltungsmäßigen Vorschriften durch Zölle, Kontingente, unterschiedliche Behandlung z. B. nach der Steuerseite hin usw., Dinge, die wir aus der Montanunion kennen und die die wirtschaftliche Betätigung eines Ausländers gegenüber der eines Inländers erschweren. Zweitens: Beinahe noch wichtiger ist die immer wieder zu beobachtende Tendenz, ausländische Investitionen und Interessen durch diskriminierende Maßnahmen entweder zu verdrängen oder gar unmittelbar zu sperren und schließlich zu enteignen.
Der uns vorliegende Vertrag soll dazu beitragen, diese Schwierigkeiten zu überwinden. Er ist geschlossen in einem Geiste, der sich in den Vereinigten Staaten durchaus verbreitet hat und sich in allen amerikanischen Meinungsäußerungen findet, des Inhalts nämlich, daß eine möglichst freie Aufnahme ausländischen Handels und ausländischer Investitionen im eigenen Land eine gesündere Hilfsmaßnahme gegenüber freien Völkern ist, als sie zu einer Abhängigkeit von fremder Hilfe zu zwingen.
Bei der vielfältigen Verflechtung der Wirtschaftsräume ist es dringender als je erforderlich, auch für den Schutz privater Rechte und privater Interessen in anderen Ländern einzutreten. Solche Rechte können ein Mittel sein, nationale Grenzen zu überwinden, getrennte Wirtschaften enger zusammenzuschließen und als Brücke zur Verständigung zwischen den Völkern zu dienen. Was der Privatmann aus eigenen Mitteln und was die Unternehmungen aus eigener Leistung dem Ausland zur Verfügung stellen, ist das Produkt ihrer Anstrengungen und der Anstrengungen ihrer Mitarbeiter und Belegschaften, ebenso wie staatliche Auslandshilfen aus den Leistungen des ganzen Volkes bestehen. Nur der Osten kann es sich leisten, diese Anlagen aufs Spiel zu setzen, weil er keinerlei Rücksichten auf Privateigentum, Löhne und Lebensstandard Seiner Bevölkerung nimmt. Wir dagegen müssen und wollen solche Rücksichten nehmen. Tun wir es nicht, so stellen sich in kürzester Zeit fatale Folgen ein. Wir zersetzen die Moral und die ethischen Grundelemente unserer Ordnung und schmieden damit selbst die Waffen, mit denen wir in unserem Kampf gegen das östliche System des Kollektivismus geschlagen werden.
Die Ursachen für die immer wieder anzutreffende Vogelfreiheit privater Rechte liegen — das muß anerkannt werden — großenteils in den beiden
Weltkriegen mit ihren verheerenden wirtschaftlichen Folgen und Auswirkungen. Diese Kriegsfolgen haben nicht nur zur Beeinträchtigung privater Rechte auf internationalem Gebiet geführt. Auch innerhalb der einzelnen Länder ist man über diese persönlichen Rechte hinweggegangen. Wir selbst haben einen Großteil bedauerlicher Verstöße gegen das Prinzip der Unverletzlichkeit privater Rechte verursacht und müssen das Unsere zu der gemeinsamen Aufgabe des Westens beitragen, hier wieder Ordnung zu schaffen.
Es ist deshalb, meine Damen und Herren, ganz besonders zu begrüßen, daß der uns vorliegende Vertrag dem Eigentum natürlicher und juristischer Personen des Vertragspartners Schutz und Sicherheit verspricht, wechselseitige Investitionen anregt und Diskriminierungen jeder Art zu beseitigen beiträgt. Doch sollten wir bei diesen Bestimmungen nicht stehenbleiben, sondern in ihrem Sinne weiter fortschreiten.
Dem amerikanischen Kongreß in Washington liegen verschiedene Gesetzentwürfe vor, die sich mit dem noch immer offenen Problem des im Kriege beschlagnahmten deutschen Vermögens befassen. Ich möchte an dieser Stelle der Hoffnung und Zuversicht meiner parlamentarischen Freunde und sicherlich auch dieses gesamten Hauses, auch des gesamten deutschen Volkes Ausdruck geben, daß auch hier ohne Ansehung persönlicher Vor-oder Nachteile eine den allgemeinen Grundsätzen entsprechende gerechte Lösung gefunden wird. Hervorragende Mitglieder beider Parteien des amerikanischen Kongresses, des Senats und des Repräsentantenhauses, haben die über den konkreten Fall hinausgehende allgemeine Bedeutung wohl erkannt und sich für eine Lösung eingesetzt, die jenen Prinzipien entspricht, die in Amerika den eigenen Staatsbürgern gegenüber in größerem Umfang und mehr als die bisherigen sehr dankenswerten ersten Schritte beachtet werden, wie sie beispielsweise die Gespräche bedeuten, die vor mehr als Jahresfrist Hermann Abs in Washington geführt hat. Wie schon früher Senator Dirksen und der leider vor wenigen Wochen verstorbene Senator Kilgore, so haben in letzter Zeit die Senatoren Knowland, Johnston, Langer, Whiley und andere ihre Sorgen um den Bestand des internationalen Rechtsschutzes ausgedrückt. Ich selbst habe mich vor kurzer Zeit von der aufrechten Gesinnung aller Senatoren und Congressmen, die ich in Washington getroffen habe, ihrer positiven Einstellung hinsichtlich der Unverletzlichkeit des privaten Eigentums und ihren freundschaftlichen Gefühlen unserem Land gegenüber überzeugen können. Dabei möchte ich besonders auf die Rede des Senators Langer vor dem amerikanischen Senat im Februar dieses Jahres hinweisen, in der er mit eingehenden Belegen den sowjetischen Ursprung der Enteignungspolitik gegenüber dem deutschen Vorkriegsvermögen darlegte und einen Verstoß gegen das Prinzip der Unverletzlichkeit des Eigentums im Falle des deutschen Vermögens als einen sehr gefährlichen Präzedenzfall auch für die USA selbst bezeichnete.
Ich hege die sichere Hoffnung, meine Damen und Herren, daß diese Appelle aus dem amerikanischen Volk und dem Parlament nicht ungehört verhallen, wenn es um die Beziehungen zweier Länder geht, die wieder als Partner und, ich darf sagen, Freunde zueinander gefunden haben und gemeinsame Ziele auf politischem, wirtschaftlichem und moralischem Gebiet verfolgen.
Diese Gedankengänge sollten für uns Veranlassung sein, auch unsererseits den Abschluß weitergehender internationaler Abmachungen zum Schutz privater Rechte zu befürworten. Die Initiative hierzu geht weit zurück. Ich erinnere an die Entschließungen der Internationalen Handelskammer von 1931, ich erinnere an die Entschließungen aus Schweizer Kreisen vom Jahre 1951. Ähnliche Gedanken enthält auch der Randall-Report von Präsident Eisenhower aus dem Jahre 1954 zum Auslandshilfeprogramm.
In letzter Zeit ist in Fortsetzung dieser Bestrebungen der Abschluß einer internationalen Magna Charta vorgeschlagen worden, in der sich die zur freien Welt gehörenden Staaten verpflichten, rechtmäßig erworbenes Eigentum und sonstige Rechte von Ausländern zu achten und zu schützen. Man kann an internationale Schiedsgerichtsbarkeit und an Sanktionen denken. Auch die faire Behandlung ausländischer Investitionen sollte hierbei mit geregelt werden. Der Abschluß einer solchen Magna Charta würde der Wiederherstellung der internationalen Rechtssicherheit dienen. Er wäre erstens der Schlüssel zur finanziellen und wirtschaftlichen Stabilität und Verantwortlichkeit nach innen und außen. Er wäre zweitens eine entscheidende Hilfe zur Herstellung eines gesunden Verhältnisses zwischen Staat und Privatwirtschaft. Vor allem aber würde er die freie Welt in ihrem Kampf gegen die kollektivistischen und eigentumsfeindlichen und -verneinenden Kräfte des Kommunismus entscheidend stützen.
Mit diesen Impulsen sollte der uns vorliegende Vertrag versehen werden, der bei seiner Verwirklichung in der täglichen Verwaltungspraxis eines fortdauernden guten Willens und einer verschärften Einsicht in die Notwendigkeit der Beibehaltung und Festigung der von ihr entwickelten Prinzipien bedürfen wird. Wir bitten das Auswärtige Amt, die weitere Entwicklung der Dinge auf diesem Gebiet mit besonderer Aufmerksamkeit zu verfolgen.