Rede von
Dr.
Carlo
Schmid
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort wird nicht weiter gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Anträge sind nicht gestellt. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer für die Annahme des Gesetzes als eines Ganzen ist, den bitte ich, sich von seinem Sitz zu erheben. — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe den Punkt 2 der ursprünglichen Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Petitionen über seine Tätigkeit gemäß § 113 der Geschäftsordnung (Drucksache 2108).
Ich erteile das Wort der Berichterstatterin, der Frau Abgeordneten Albertz.
Frau Albertz , Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin beauftragt, Ihnen im Namen des Ausschusses, wie es die Geschäftsordnung in § 113 Abs. 1 vorschreibt, einen mündlichen Bericht über seine Tätigkeit zu erstatten. Diese Berichterstattung soll Sie gleichzeitig über das allgemeine staats-, wirtschafts- und sozialpolitische Stimmungsbild unterrichten, wie es sich aus einer vierteljährlichen Generalübersicht über die Petitionen herauslesen läßt.
Die Ihnen vorliegende Drucksache 2108 enthält in den Anlagen 1 und 2 statistische Übersichten, die mit dem letzten Kalendervierteljahr des Jahres 1955 abschließen. Inzwischen hat sich nach Ablauf von weiteren zweieinhalb Monaten die Endsumme der beim Bundestag und Petitionsausschuß eingegangenen Petitionen in der zweiten Wahlperiode vom 6. Oktober 1953 bis zum 23. März 1956 auf 20 650 erhöht. In dem gleichen Zeitraum der ersten Wahlperiode waren es 15 500 Petitionen. Das sind also 33 % mehr in der zweiten Wahlperiode. Zusammen mit den 27 200 Petitionen der ersten Wahlperiode ist die Gesamtzahl der bis zum heutigen Tage eingegangenen Petitionen auf 47 850 angewachsen.
In den letzten Berichterstattungen des Ausschusses sind grundsätzliche Ausführungen über das Petitionsrecht und das Petitionsverfahren gemacht worden, so daß ich heute darauf verzichten kann, zumal da damit gerechnet werden muß, daß in der anschließenden Aussprache die von mir erwähnten Petitionen noch näher behandelt werden. Ich möchte lediglich nochmals hervorheben, was Herr Kollege Dr. Strosche in seiner letzten Berichterstattung am 1. Dezember 1955 über die Schwierigkeiten in der Berichterstattung der Länder gegenüber dem Ausschuß gesagt hat.
Die Unterrichtung über das Ergebnis der Nachprüfung von Einzeleingaben hat nicht nur den Zweck, die Auswirkungen der derzeitigen Bundesgesetze in der Praxis kennenzulernen, sondern sie bedeutet auch eine praktische Hilfe für den einzelnen Staatsbürger. In einem Fall, in welchem es sich um die Berufsförderungsmaßnahmen für Schwerbeschädigte nach § 26 des Bundesversorgungsgesetzes und die Verhältnisse der Versehrten-Berufsfachschulen handelt, haben sowohl der Sozialminister von Rheinland-Pfalz als auch der niedersächsische Sozialminister eingehend berichtet. Nur das bayerische Innenministerium glaubte dieser Aufforderung nicht nachkommen zu können.
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, aus der Anlage 1, der statistischen Ubersicht, zu entnehmen, daß in 2 1/4 Jahren der zweiten Wahlperiode 19 000 Petitionen eingegangen sind. In der gleichen Zeit der ersten Wahlperiode waren es lediglich 14 800. Von diesen 19 000 konnten bis zum 31. Dezember 1955 17 261, also 90 %, erledigt werden.
Es wurden folgende Beschlüsse gefaßt. 68 Eingaben — 0,36 % — wurden an die Bundesregierung zur Berücksichtigung, zur Erwägung oder als Material überwiesen. 3992 Eingaben — 21,01 % — wurden durch Erklärung der Bundesregierung als erledigt angesehen. 4219 Eingaben — 22,21 % — wurden an die Bundesregierung zur Kenntnisnahme oder zur weiteren Veranlassung gesandt. 4222 Eingaben — 22,21 % — wurden durch einen Beschluß über einen anderen Gegenstand als erledigt angesehen. Es handelt sich also hierbei um Eingaben, bei denen unter dem gleichen Anliegen bereits entsprechende Beschlüsse des Ausschusses oder des Bundestages gefaßt worden waren. 3773 Petitionen — 19,85 % — wurden zuständigkeitshalber an die Landtage zur Kenntnisnahme und zur weiteren Veranlassung überwiesen. 639 Petitionen — 5,27 % — wurden gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 der Geschäftsordnung an die Fachausschüsse im Hause überwiesen. 1378 Eingaben — 7,25 % —konnten bisher im Petitionsausschuß noch nicht abschließend behandelt werden, weil sie sich zum Teil noch bei der Bundesregierung oder anderen Stellen befinden. 350 Eingaben — 1,84 % — wurden als nicht geeignet zur Beratung im Bundestag angesehen.
Außerdem finden Sie in der Anlage 1 Angaben darüber, aus welchen Ländern seit Oktober 1954 bis zum 31. Dezember 1955 die insgesamt 10 460 Petitionen eingegangen sind. An erster Stelle steht hier das Land Nordrhein-Westfalen mit 30,53 % Dann folgen Niedersachsen mit 16,32 % und Bayern mit 12,18 %. Es folgen schließlich der Reihe nach Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz, Hessen, Hamburg, Berlin, Bremen, das Ausland und die sowjetische Besatzungszone.
Von diesen 10 460 Petitionen sind 69,70 % von Männern, 28,28 % von Frauen und 1,79 % von Organisationen eingebracht worden. Als anonym, beleidigend oder verworrenen Inhalts waren lediglich 0,23 % zu verzeichnen.
Aus der Anlage 2 zur Drucksache 2108 bitte ich den wesentlichen Inhalt der beim Bundestag in der zweiten Wahlperiode eingegangenen und behandelten Petitionen zu entnehmen. An erster Stelle stehen hier nach wie vor die Ansprüche aus der Sozialgesetzgebung und den privaten und sonstigen Versicherungen. Dann folgen wie bisher die Ansprüche aus dem Lastenausgleichsgesetz, aus dem Bau- und Wohnungswesen, der Kriegsopferversorgung, der Wiedergutmachung, dem öffentlichen Dienst und schließlich diejenigen, die sich aus dem Zivilrecht ergeben. Den wesentlichen Inhalt der übrigen Petitionen bitte ich Sie aus der Struktur zu entnehmen.
Nach diesem etwas nüchternen Zahlenmaterial gestatten Sie mir, einige kurze Ausführungen darüber zu machen, was den Mitgliedern des Ausschusses bei der Bearbeitung der Petitionen besonders aufgefallen ist.
Zunächst verweise ich in der Gruppe des Zivilrechts auf den Fall Hildegard Aichinger, der in der vorliegenden Drucksache zusammengefaßt dargelegt ist. Zu dieser Petition stellt der Ausschuß den Antrag: Die Bundesregierung wird aufgefordert,
die Eingabe beschleunigt in der Weise zu berücksichtigen, daß der Petentin der ihr zustehende Betrag unverzüglich ausgezahlt wird. Der Sachverhalt ist kurz folgender.
Das Bayerische Landesamt für Vermögensverwaltung und Wiedergutmachung, Außenstelle Kempten, verpachtete am 17. Januar 1947 einen Teil des schwer beschädigten Kasernengeländes am Ostbahnhof in Kempten an mehrere Firmen, darunter auch bestimmte Grundstücke an die Firma Jungwirth & Co. Diese betrieb dort ein Hammerwerk, in dem etwa 200 Arbeiter, meist Flüchtlinge, beschäftigt wurden. Für den Wiederaufbau und die Instandsetzung der Gebäude auf dem Pachtgelände wendete sie rund 226 000 RM und 39 000 DM auf.
Am 6. Juni 1950 wurde über ihr Vermögen der Konkurs eröffnet. Der Betrieb des Hammerwerkes wurde eingestellt. Der Kläger forderte als Konkursverwalter vom Freistaat Bayern Ersatz der erwähnten Aufwendungen.
Nach längeren Verhandlungen erklärte sich schließlich Bayern „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" bereit, die DM-Aufwendungen voll und die RM-Aufwendungen im Umstellungsverhältnis 2 : 1 in DM zu ersetzen. Bayern zahlte nach Aufrechnung von Gegenforderungen einen Teilbetrag von 35 000 DM, so daß noch eine Restschuld des Freistaates Bayern in Höhe von rund 80 000 DM verblieb.
Auf Grund des Vorschaltgesetzes vom 21. Juli 1953 wurde das Kasernengelände Eigentum des Bundes. Der Freistaat Bayern weigerte sich nunmehr, den Vergleich zu erfüllen. Der Konkursverwalter verklagte darauf im April 1953 den Bund auf Erfüllung. Der Bund wurde antragsgemäß verurteilt. Gegen dieses Urteil legte der Bund Berufung ein. Diese Berufung wurde jedoch durch Urteil des Oberlandesgerichts München als unbegründet zurückgewiesen. Auch gegen dieses Urteil legte der Bund Revision ein, so daß nunmehr — also nach fast drei Jahren — der Rechtsstreit vor dem Bundesgerichtshof anhängig ist.
Inzwischen ist der Konkursverwalter, der Ehemann der Petentin, verstorben. Die Petentin ist durch den Tod ihres Ehemannes mittellos geworden. Auf Grund des von ihrem Ehemann geführten Prozesses gegen den Bund hat sie noch erhebliche Gebührenforderungen, die aus der Prozeßführung ihres Ehemannes gegen den Bund erwachsen sind. Der Bund hat jedoch die Bezahlung der Anwaltskosten bis zur rechtskräftigen Erledigung dieses Rechtsstreites abgelehnt. In ihrer Eingabe vom 12. April 1954 bringt nun die Petentin zum Ausdruck, daß Bayern und der Bund unverantwortlich handelten, wenn sie ihre Streitigkeiten auf dem Rücken der Staatsbürger austrügen.
Aus den vom Petitionsausschuß erbetenen schriftlichen und mündlichen Stellungnahmen des Bundesfinanzministeriums geht hervor, daß maßgebend für das Zustandekommen des Vergleichs fürsorgliche Gesichtspunkte gewesen seien. Diese sozialpolitischen Erwägungen seien aber mit den Grundsätzen einer fiskalischen Verwaltung nicht in Einklang zu bringen.
Die von Bayern eingegangenen Verpflichtungen
seien der fiskalischen Verwaltung sachfremde Verwaltungshandlungen, für die der Bund nicht einzustehen brauche.
In der Sitzung vom 9. März 1955 beschloß der Ausschuß nach Anhörung des Regierungsvertreters, die Bundesregierung möge in Anbetracht dessen, daß der Bund bereits in der zweiten Instanz zur Erfüllung des Vergleichs verurteilt worden sei, von einer Weiterführung des Rechtsstreites absehen und eine vergleichsweise Erledigung dieses Rechtsstreites anstreben, um weitere Prozeßkosten zu ersparen, zumal da es letztlich nur noch darum gehe, ob der Bund oder der Freistaat Bayern zu zahlen habe.
Der Ausschuß war sich in seiner Sitzung vom 19. Januar 1956 bei dieser Sachlage darüber einig, daß die Bundesregierung nicht alle ihr zu Gebote stehenden Möglichkeiten ausgeschöpft habe, um zu einer raschen Erledigung dieser Sache zu gelangen. Der Ausschuß hält es daher im Interesse einer baldigen Abwicklung des Rechtsstreites und aus Gründen der Kostenersparnis sowie der Rücksichtnahme auf die berechtigten Belange der Staatsbürger, insbesondere der Petentin, für erforderlich, den soeben begründeten Antrag einzubringen.
Von den zahlreichen Petitionen, die sich mit dem Kriegsfolgenschlußgesetz befassen, möchte ich anschließend die Eingabe des Max Schade in Wedel in Holstein hervorheben. Herr Schade führte bis zum Kriege in Hamburg ein großes Baugeschäft. Im Jahre 1941 wurde er mit seinem Betrieb dienstverpflichtet. Er baute u. a. Finnenhäuser, Baracken und die Erweiterung eines Kranken- und Arzthauses in Wedel in Holstein. Die erheblichen Forderungen aus diesem Bauvorhaben in Wedel wurden von der Marineabwicklungsstelle anerkannt; sie kamen aber nicht zur Auszahlung. Die Baracken und Finnenhäuser stehen auf Grundstücken, die von der Oberfinanzdirektion Kiel verwaltet werden, das Arzthaus und der Krankenhausneubau auf dem Grundbesitz der Stadt Wedel. Da die Bauten als Reichseigentum behandelt werden, zahlt die Stadt Wedel Miete an die Vermögensverwaltung für Reichsvermögen. Die Baracken und Finnenhäuser werden von der Vermögensverwaltung vermietet. Teilweise sind sie an Privateigentümer verkauft worden.
Der der Reichsvermögensverwaltung hierdurch zufließende Betrag übersteigt bei weitem die Forderung des Petenten. Es ergibt sich somit der groteske Zustand, daß seit Jahren die von dem Petenten errichteten Bauten gewinnbringend durch die Bundesfinanzverwaltung genutzt, die Forderungen des Erbauers aber nicht beglichen werden.
Ich erwähne diesen Fall aber auch besonders deshalb, weil es als ungewöhnlich angesehen werden muß, daß der Petent auch noch nach dem Zusammenbruch Ausbesserungs- und Fertigstellungsarbeiten im Auftrage der Marineabwicklungsstelle geleistet hat und die hierfür berechneten Forderungen nicht beglichen worden sind. Hierdurch ist seine Existenz vernichtet worden.
Zur Begründung dieses ungewöhnlichen Vorfalls und dieser ungewöhnlichen Situation beruft sich die Bundesregierung auf die bisherige Nichtverabschiedung des Kriegsfolgenschlußgesetzes. Der Petitionsausschuß richtet daher nochmals die eindringliche Bitte an die Mitglieder des Ausschusses, der dieses Gesetz zu verabschieden hat, und an die
Fachausschüsse, dieses Gesetz beschleunigt zu verabschieden.
— Das weiß ich; aber es kann ja mit behandelt werden. Es wird auch als Material an Sie überwiesen.
Außerdem möchte ich noch die Eingabe des Ernst Rohse aus Bad Segeberg hervorheben. Hier geht es um die Alters- und Hinterbliebenenversorgung der ehemaligen Angehörigen der Deutschen Werke Kiel. Durch die Verschmelzung der Deutschen Werke Kiel und der Howaldtswerke ist die Versorgung einer bestimmten Gruppe von ehemaligen Angestellten der Deutschen Werke unterschiedlich geregelt worden, — in einem Werk! Eine andere Gruppe von Angestellten erhält neben einer Bundesbeihilfe in Höhe von 50 DM monatlich zusätzlich laufende Zahlungen durch den Hilfsverein für die Gehaltsempfänger der Deutschen Werke e. V. — Marineunterstützungskasse —.
Der Ausschuß hat sich in seiner Sitzung vom 12. Dezember 1955 eingehend mit der Frage befaßt, ob nicht in Form einer Billigkeitsmaßnahme für den betroffenen Personenkreis eine Besserung zu erreichen ist. Nach den damaligen Äußerungen des Vertreters des Bundesministers der Finanzen hat der Vorstand der Howaldtswerke eine Billigkeitsmaßnahme abgelehnt. Auch der Bund hat eine solche Maßnahme abgelehnt, da hierfür ein Fonds nicht vorhanden sei. Der Ausschuß war aber der Meinung, daß eine positive Regelung eine finanzielle Belastung für das Großunternehmen der Deutschen Werke Kiel nicht bedeuten könne.
Ganz allgemein fiel dem Ausschuß auf, daß wir in der Kriegsopferversorgung immer wieder die Ohnmacht der Ausschußmitglieder gegenüber der Beurteilung der ärztlichen Gutachten festzustellen haben. Bei der Petition Werner Steinke, DortmundMengede, war es so, daß der Petent 1943 in einem Geschützbunker durch einen Bombenangriff verschüttet wurde. Als er im Feldlazarett wieder das Bewußtsein erlangte, hatte er eine Sprachstörung. Nach der Verwundung ist ihm zwar wegen der Verwundung eine Minderung der Erwerbsfähigkeit zuerkannt worden; die Sprachstörung wurde jedoch nicht berücksichtigt, weil es sich hier um ein psychogenes Leiden handle, das anlagebedingt sei.
Die Mediziner stehen hier auf dem Standpunkt, daß zwischen der psychogenen Reaktion und der Verschüttung wohl ein zeitlicher, aber kein kausaler Zusammenhang besteht. Es liege an der Struktur der Persönlichkeit des Petenten, aber nicht an dem militärischen Ereignis.
In einem weiteren Fall aus der Kriegsopferversorgung hatte der Petent wegen des im ersten Weltkrieg eingetretenen Verlustes des rechten Auges Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 % erhalten. Im Jahre 1939 erblindete er auch auf dem linken Auge. Die medizinischen Gutachten besagen jedoch, daß die eingetretene praktische Erblindung des linken Auges keine Schädigung im Sinne des § 1 des Bundesversorgungsgesetzes sei. Der Petent strebte die Zustimmung zur Gewährung eines Härteausgleichs an. Er glaubte hierzu berechtigt zu sein, weil ihm nach dem Reichsversorgungsgesetz eine solche gewährt worden war. Der Herr Bundesminister für Arbeit lehnte jedoch eine Anwendung des Härteparagraphen 89 BVG ab.
In einem anderen Fall hat ein Petent in einer Verwaltungsstreitsache wegen der Berücksichtigung einer Beförderungsstelle gegen die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in Nürnberg vor dem Sechsten Senat des Oberverwaltungsgerichts des Landes Nordrhein-Westfalen ein obsiegendes rechtskräftiges Urteil erstritten. Die Bundesanstalt war verurteilt worden, bei der Berechnung der Versorgungsbezüge dessen Beförderung zum Regierungsoberinspektor zu berücksichtigen. Der Präsident der Bundesanstalt weigerte sich jedoch, die Vollstrekkung des Urteils durchzuführen. Er äußerte gegenüber dem Petenten, daß die Auszahlung der Versorgungsbezüge nicht in Betracht komme. Nachdem der Petent sich daraufhin an den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts gewandt hatte, teilte ihm dieser mit:
Die Vollstreckung des rechtskräftigen Urteils muß durch die Dienstaufsichtsbehörde durchgesetzt werden. Da der Beklagte
— die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung —
sich weigerlich gezeigt hat, habe ich den Herrn Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf gebeten, beim Bund die erforderlichen Schritte zu tun, damit Ihr Rechtsanspruch durchgesetzt wird.
Nachdem der Petitionsausschuß den Bundesminister für Arbeit zur Stellungnahme aufgefordert
hatte, berichtete dieser unter anderem folgendes:
Wie ich dem Bericht der Bundesanstalt entnehme, hat sich der Herr Präsident der Bundesanstalt nach nochmaliger Überprüfung seiner Rechtsauffassung entschlossen, die Versorgungsbezüge des Regierungsoberinspektors Kannen dem Antrag entsprechend zu berechnen.
Der Ausschuß war der Meinung, daß ès sich hier nicht mehr um einen Antrag handelt, dem der Präsident der Bundesanstalt entsprechen konnte oder nicht, sondern um ein rechtskräftiges Urteil, dessen Durchführung er verweigerte.
Die Mitglieder des Ausschusses glaubten, daß ein solches Verhalten mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar sei.
Auf einem anderen Gebiet liegt es, wenn dem Ausschuß die Notlage alter Menschen in der Bundesrepublik oft in erschütternder Weise nahegebracht wird. Den Eingaben solcher Menschen sieht man schon von außen an, daß ihre Verfasser des Schreibens ungewohnt, oft sogar nicht sehr kundig sind. Es müssen also außerordentliche Gründe sein, die sie dazu bewogen haben, den Federhalter in die Hand zu nehmen und an den Bundestag zu schreiben. Welche Verzweiflung, welche beschämende Armut spricht aus diesen Zeilen! Es sollte uns alle angehen, die Not dieser alten Leute zu beseitigen. Es geht hier aber nicht nur um Geld und um Rentenerhöhung, es geht auch um die Art, wie wir uns um die alten Leute bemühen.
Sie sollten diese Briefe einmal lesen, meine Damen und Herren, Briefe von alten Menschen, die im Monat mit weniger als 85 DM auskommen müssen; davon müssen sie essen, sich kleiden, wohnen und im Winter ihre Stube heizen. Diese Einzelschicksale sind offensichtlich ein Gradmesser für die verzweifelte wirtschaftliche Lage dieser alten Menschen. Aus fast allen Briefen schlägt uns eine Resignation und Hoffnungslosigkeit entgegen. Eine Petentin zitiert den Bundespräsidenten, der einmal gesagt haben soll: „Ich habe schon so viele Ausstellungen eröffnet, alle waren sie gut, nur mit unseren Renten können wir keine Ausstellung machen!"
Daß die alten Leute in Not sind, ist nichts Neues, meine Damen und Herren. Deshalb richtet sich der Ruf in der Hauptsache an den Bundestag und an die Bundesregierung. Ich appelliere darum an die Bundesregierung, die Petitionen und Eingaben solcher Menschen beschleunigt zu behandeln und die Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen nicht so engherzig vorzunehmen.
Schließlich sind es ja unsere alten Menschen.
Abschließend bitte ich Sie im Namen des Petitionsausschusses, nach der Beratung den Anträgen des Ausschusses, wie Sie sie in der Übersicht 16 verzeichnet finden, entsprechend der Drucksache 2108 Ihre Zustimmung zu geben.