Rede von
Dr.
Gerhard
Kreyssig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, das Haus wird mir dankbar sein, wenn ich die Begründung so knapp wie möglich halte, nachdem wir gestern sehr viel Zeit verloren haben.
Die Anträge, die wir gestellt haben — ich werde zunächst zu den beiden ersten sprechen —, gehen über Europa hinaus und schauen in die gesamte Welt. Wir haben in Drucksache 2112 beantragt, in den Haushaltsplan bei Kap. 0501 einen neuen Titel 962 mit einem Betrag von 50 Millionen DM einzusetzen. Diese 50 Millionen DM sollen zu Förderungsmaßnahmen für wirtschaftlich unterentwickelte Länder verwandt werden. Bei diesem Antrag kommt es uns wesentlich darauf an, daß die Bundesrepublik etwas nachholt, was sie unseres Erachtens schon seit Jahren hätte tun müssen: daß wir in jenen unterentwickelten Ländern, in die wir immerhin pro Jahr für etwa 2 Milliarden DM Ausfuhr haben, durch eine aktive Arbeit versuchen, Boden zu gewinnen und eine gute Figur zu machen. Ich sage das deshalb, weil wir aus den Berichten aus den Ländern im Fernen Osten, in Asien und auch in Afrika wissen, daß die Deutsche Demokratische Republik durch ihre Vertreter sehr aktiv und nachhaltig arbeitet, und es unseres Erachtens höchste Zeit wird, diesen Ländern zum Bewußtsein zu bringen, daß es Deutsche gibt, die in der Bundesrepublik wohnen und, glaube ich, mehr Anspruch haben, Deutschland in diesen Ländern zu vertreten. Der relativ geringfügige Betrag, den wir einzusetzen verlangen — 50 Millionen sind bei einem Haushalt von 32 bis 33 Milliarden eine geringfügige Summe —, soll nicht etwa dafür verwendet werden, daß wir uns wirtschaftlich in einer ähnlichen Form betätigen, wie das Amerika tut — dafür ist die Summe viel zu klein —, sondern die Idee ist, daß wir durch Hinaussendung von Technikern, Ingenieuren, Ärzten, Wissenschaftlern und dergleichen das Können, das Wissen und die Fähigkeiten unserer Menschen in jenen Ländern nutzbringend zu Gewicht bringen.
Sie werden mir vielleicht entgegenhalten, daß die Bundesrepublik auf diesem Gebiet schon dieses und jenes getan habe. Ich darf Sie jedoch daran erinnern, daß die Beträge, die bisher im Haushalt für diese Zwecke vorgesehen sind, außerordentlich geringfügig und unseres Erachtens völlig unzureichend sind. Wir haben im Haushaltsplan des Bundeswirtschaftsministeriums einen Betrag von 3 500 000 DM, und aus den Beratungen geht nach dem, was wir erfahren haben, hervor, daß dieser Betrag nur für ein einziges Land — für Indien — bestimmt ist, während für die übrigen Länder in diesen Räumen nichts zur Verfügung steht. Der Betrag, der im Haushaltsplan des Auswärtigen Amts steht — es handelt sich um eine Million —, ist unseres Erachtens nicht nur unzureichend, sondern auch nicht effektiv, weil er praktisch nicht als deutsche Leistung in diesen Ländern in Erscheinung tritt. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn wir die gute Sitte, oder ich will treffender sagen: den praktischen Gebrauch, den wir gestern und heute in diesem Hause geübt haben, auch für diesen Antrag gelten ließen. Ich würde es sehr begrüßen, wenn der Antrag direkt angenommen werden könnte.
Damit kein Irrtum entsteht, möchte ich mit zwei Sätzen jedoch auf eines aufmerksam machen. Wir haben in den Abkommen, die bei der Schaffung des gemeinsamen Marktes vorgesehen sind — wir haben es gestern auch vom Herrn Bundeswirtschaftsminister gehört, daß er bereit ist, diese Bemühungen zu unterstützen —, einen Anpassungsfonds und einen Investitionsfonds, und ich möchte nachdrücklich darauf hinweisen, daß das, was wir hier beantragen, mit jenen konstruktiven wirtschaftlichen Maßnahmen, die mit Hilfe eines großen Investitionsfonds durchgeführt werden sollen, nichts zu tun hat und mit ihnen nicht verwechselt werden darf.
Meine Hoffnung, daß meine Bitte, diesen Antrag anzunehmen, Erfolg hat, stützt sich nicht zuletzt darauf, daß der Herr Bundestagspräsident Dr. Gerstenmaier am Mittwoch im Bayerischen Rundfunk in der Sendung „Politik aus erster Hand" auf die gestrige und heutige Europa-Debatte eingegangen ist und daß er bei dieser Gelegenheit erfreulicherweise erwähnt hat, daß die Anträge, die im Bundestag für die Förderung unterentwickleter Gebiete vorgelegt werden, den Blick aller auf die Notwendigkeiten richten sollen, die wir in diesen Ländern zu erfüllen haben. In diesem Zusammenhang hat er gesagt:
Sie erinnern uns an unsere unmittelbare deutsche Mitverantwortung als Europäer für Fragen, die für die künftige Entwicklung von großer Bedeutung sind.
Vielleicht hilft dieser Appell des Herrn Bundestagspräsidenten dazu, daß der Antrag angenommen wird.
Der zweite Antrag, den wir gestellt haben, scheint mir noch einfacher und beinahe selbstverständlich zu sein. Sie finden ihn auf Drucksache 2196. Hier haben wir beantragt, daß der Bundestag beschließen möge, die Bundesregierung aufzufordern, sich zwei wichtigen Entscheidungen anzuschließen: einmal dem Vorschlag der Beratenden Versammlung des Europarates — und damit sind wir wieder unmittelbar bei dem Hauptthema von gestern und heute — vom 5. Juli 1955 und zum andern einem gleichartigen Antrag der Regierung der Französischen Republik vom 12. Juli 1955. Beide Anträge beinhalten gleichlautend, daß man sich bei internationalen Verhandlungen dafür einsetzen soll und einsetzen will, daß ein Teil der finanziellen Ersparnisse bei der Abrüstung, falls sie verwirklicht werden sollte, für die wirtschaftliche Entwicklung unterentwickelter Länder verwendet wird. Ich glaube, es ist eine hervorragende Haltung, daß man die Abrüstung so weit und so rasch wie möglich vorantreibt und die Beträge, die den Ländern dadurch zur Verfügung stehen, benutzt, um auf möglichst breiter Basis jenen Ländern zu helfen, denen es nicht vergönnt war, eine so gute wirtschaftliche Entwicklung zu haben wie andere. Ich wäre dankbar — und ich glaube, ich befinde mich auch hier in Übereinstimmung mit dem Kollegen Pünder und allen Kollegen der Beratenden Versammlung des Europarates —, wenn man den Vorschlag der Beratenden Versammlung des Europarates und der Regierung der französischen Republik annähme.
Zu dem dritten Antrag bitte ich Sie, meinen Kollegen Kahn-Ackermann zu ein paar kurzen Worten zu hören.