Rede von
Dr.
Fritz
Baade
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte ein paar Worte über den Entschließungsantrag*) sagen, der von der CDU/ CSU-Fraktion eingereicht worden ist, wobei ich wohl unterstellen darf, daß der Ergänzungsantrag, den mein Freund Kriedemann in seiner Rede gestellt hat, nämlich die Worte „im Grundsatz" einzufügen, auch von Ihnen angenommen wird. Aber dann liest sich dieser Antrag eigentlich so merkwürdig, daß ich das Bedürfnis habe, einmal darauf hinzuweisen, daß wir nicht nur an einem Wendepunkt der deutschen Agrarpolitik stehen, sondern daß wir eine ungewöhnliche Feierstunde der deutschen Agrarpolitik erleben dürfen. Es heißt:
Der Bundestag hat mit Befriedigung den Bericht der Bundesregierung zur Lage der Landwirtschaft . . . zur Kenntnis genommen und stimmt den vorgeschlagenen Maßnahmen im Grundsatz zu. . . .
Dieser Antrag wird jetzt in wenigen Minuten, wie ich annehmen möchte, einstimmig von diesem Hause verabschiedet werden. Ja, meine Damen und Herren, wo ist dann das Requisit, das wir seit einiger Zeit als einen ziemlich unentbehrlichen Bestandteil der deutschen Politik betrachten, wo ist denn eigentlich der „Graben" geblieben? Wir waren doch gewohnt, die Agrarpolitik so anzusehen, daß es irgendwo quer durch die Agrarpolitik einen Graben gibt. Rechts vom Graben gibt es rechte Agrarpolitik, links vom Graben gibt es linke Agrarpolitik. Die Leute, die rechts vom Graben stehen, machen Erzeugerpolitik; die Leute, die links vom Graben stehen, machen Verbraucherpolitik. Ich finde mich in der Welt gar nicht mehr zurecht.
Ich habe noch dem alten Reichstag angehört, wo dieser Graben mitten durch die Zentrumsfraktion hindurchging, wo die Sozialdemokraten mit dem linken Flügel des Zentrums sogenannte Verbraucherpolitik machten und die Rechte mit dem rechten Flügel des Zentrums das machte, was sie für Erzeugerpolitik hielt. Wir haben das im alten Reichstag dann sehr geändert und haben als Sozialdemokraten mit dem gesamten Zentrum zusammen in der Zeit der großen Krisis die sachlich notwendige Agrarpolitik gemacht. Die Deutschnationalen haben sich damals gespalten. Der SchieleFlügel ist zu Brüning gegangen und der Hugenberg-Flügel zu Hitler. Der Graben ging im alten Reichstag dann zwischen Schiele und Hugenberg. Wenn ich mich nun hier in diesem Hause umsehe, finde ich überhaupt keinen Graben mehr.
— Ja, deswegen sage ich es ja, und deswegen möchte ich mit Ihnen doch ein paar Minuten eine Feierstunde abhalten.
In der vorigen Sitzung hätte ich beinahe noch die
Vermutung gehabt, daß wenigstens ein Mitglied
*) Siehe Anlage 2.
des Hauses, nämlich der Kollege Mauk, auf der andern Seite des Grabens stehen würde;
denn er hat den Bundesernährungsminister ermahnt, er möge die weit verbreitete Meinung widerlegen, er sei nur Ernährungsminister, aber nicht Landwirtschaftsminister. Als ich ihm dann den Zwischenruf machte, er müsse doch wissen, daß Herr Lübke der beste Landwirtschaftsminister sei, den wir seit langem in Deutschland gehabt hätten, hat er mir geantwortet: „Herr Professor Baade, ein nicht unerheblicher Teil der landwirtschaftlichen Bevölkerung ist anderer Meinung." In den sieben Monaten, die inzwischen vergangen sind, scheint der Herr Kollege Mauk doch sehr viel gelernt zu haben.
Wir haben also auf dem Gebiet der Agrarpolitik ein grabenloses Haus. Wenn irgend jemand in diesem Hause noch der Meinung sein sollte, er stünde rechts dieses Grabens, dann bitte ich ihn, sich zu melden.
Aber auch wenn ich mir die Verwaltung ansehe, finde ich den Graben nicht mehr. Es hat einmal Vermutungen gegeben, daß der Herr Minister auf der einen Seite dieses Grabens und der Herr Staatssekretär auf der andern Seite dieses Grabens stehe.
Aber auch davon ist nicht mehr die Rede.
Nun lassen Sie mich nach diesen scherzhaften Dingen etwas Ernstes sagen. Es gibt diesen Graben noch. Aber er läuft weit rechts vom Staatssekretär unseres Ministeriums. Es ist nicht mehr der Graben zwischen Verbraucherpolitik und Erzeugerpolitik; denn wir wissen alle, es gibt nur eine gute Verbraucherpolitik, und die ist die beste Erzeugerpolitik, und es gibt nur eine gute Erzeugerpolitik, und die ist die beste Verbraucherpolitik.
Es gibt keinen Graben mehr zwischen rechter und linker Agrarpolitik, es gibt nur noch einen Graben in Deutschland, und der verläuft zwischen verantwortungsvoller Agrarpolitik und verantwortungsloser Agrarpolitik.
Das hier einmal klarzumachen, war mir ein Herzensbedürfnis.