Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es entspricht wahrscheinlich der angeborenen Bescheidenheit der Kleinbauern, daß diese sich erst so spät zum Wort melden. Im übrigen darf man mit Freude registrieren, daß das Problem des Kleinbauerntums bei den heutigen Diskussionen von allen Rednern dieses Hauses wohlwollend behandelt worden ist.
Ich lege keinen Wert darauf, hier eine klare Definition darüber zu geben, wo das Kleinbauerntum beginnt und wo es aufhört. Ich möchte aber feststellen, daß von den rund 2 Millionen landwirtschaftlichen Betrieben, die wir haben, mindestens 1 Million in diese Rubrik hineingehören. Hierunter fallen insbesondere jene Betriebe, die heute bisher nicht angesprochen worden sind: die Winzerbetriebe, wo auf 60 000 ha Weinbaufläche nicht weniger als 120 000 Familien ihr Brot verdienen. Dazu gehören jene Betriebe, die über den Weg der Veredelungskultur — Obst, Gemüse, Tabak, Hopfen usw. —, über diesen Nebenerwerb ihren Betrieb komplementieren und zu einer Existenzbasis für ihre Familie machen. Das sind auch jene Betriebe, die bisher umsatzsteuermäßig erfaßt sind, und in diesem Bereich liegen jene 150 000 Betriebe, die jetzt auch von der Umsatzsteuersenkung betroffen werden, und zwar in der Betriebsgrößenklasse unter 5 ha. Es ist irrig, anzunehmen, daß die Befreiung von der Umsatzsteuer lediglich eine Maßnahme für die Großbetriebe sei. Ich habe in Kreisen mit durchschnittlichen Betriebsgrößen von 4 bis 5 ha feststellen lassen, daß dort 1500 Klein- und Kleinstbetriebe Umsatzsteuer zahlen. Zweifellos sind es kleine Beträge, die dort abgeführt werden. Aber wenn man daran denkt, daß auch bei den Rentenaufbesserungen vielfach nur kleine und kleinste Beträge gegeben worden sind, so muß man auch hier daran denken, daß die wenigen Mark, die in diesen Betrieben gespart werden, dort sehr gut gebraucht werden.
Das gleiche gilt für die Verbilligung der Handelsdüngemittel. Ich glaube nicht, Herr Kollege Kriedemann, daß es möglich ist, hier zwischen Betriebsgrößen und auch Betriebstypen zu differenzieren.
— Ja, sehr gern. Ich habe selber in meiner Praxis als Berater wiederholt solche Saatgut- und Düngemittelaktionen mit bestem Erfolg durchgeführt, und die Erinnerung an diesen Erfolg steht heute noch in den Räumen, in denen sie durchgeführt worden sind. In dem Moment, wo man beginnt, zu differenzieren, weiß ich selbst nicht, wo man hier die Grenze ziehen soll. Ich kann Ihnen jedenfalls sagen: ich möchte nicht als Wirtschaftsberater dem einen sagen: „Du bekommst etwas!" und dem anderen: „Du bekommst nichts!"
Ich muß weiter sagen, daß darüber hinaus auch der Friede im Dorf etwas wert ist. Und letzten
Endes würde man, wollte man hier differenzieren, jenen bestrafen, der bisher sehr tief in den Düngersack hineingegriffen und seinen Betrieb, vielleicht bei hohen Schulden, zu einem Beispielbetrieb ausgebaut hat.
— Über diese Fragen wollen wir uns später einmal ganz klar unterhalten.
Einen Hinweis darf ich noch geben. Es besteht vielfach die Auffassung, es bestehe im Düngemittelverbrauch je Hektar ein Unterschied zwischen Groß- und Kleinbetrieben. Es ist in jüngster Zeit an der Bonner Universität eine Doktorarbeit erstellt worden, aus der klar hervorgeht, daß es eine Relation zwischen Betriebsgröße und Düngemittel- und Nährstoffverbrauch je Hektar nicht gibt, das heißt also mit anderen Worten, daß es düngemittelintensive Klein- und Großbetriebe gibt genau so wie düngemittelextensive Klein- und Großbetriebe. Ich glaube auch nicht, daß der kleine Bauer neidisch auf den großen blickt. Es ist überhaupt ungut, hier immer wieder von „klein" und „groß" zu reden.
— Herr Kollege Kriedemann, ich darf Ihnen dazu noch folgendes sagen. Längst bevor der Grüne Bericht in Konturen sichtbar war, habe ich in der Praxis, bei Bauern und bei Leuten aus der Wirtschaftsberatung, herumgehört. Es war interessant für mich, daß sowohl Leute aus der Wirtschaftsberatung wie auch die Bauern selbst mir gesagt haben: Nun sorgen Sie bitte dafür, daß zunächst einmal die Düngemittel billiger werden. Ich hätte es allerdings sehr begrüßt, wenn statt der 3 Millionen DM, die zur Verbilligung des Saatgutes gegeben werden, ein größerer Betrag angesetzt worden wäre, weil erst die Kombination von Düngung und Saatgut zum richtigen Ertrag führt; denn das gesunde Saatgut ist letzten Endes das Fundament für die zweckmäßige und sachgemäße Düngung. Vielleicht ist es möglich, das noch zu korrigieren. Wir sind bei weitem noch nicht am Ende, sondern es ist ja erst der erste Schritt, so daß es später vielleicht einmal möglich ist.
Auch die Mittel, die zur Schuldenkonversion gegeben werden, gehen in den kleinbäuerlichen Bereich. Das gilt vor allen Dingen für jene Betriebe an den Grenzen, die total zerstört waren und nicht warten konnten, bis Land oder Bund ihnen Mittel für den Wiederaufbau zur Verfügung stellten, sondern die aus eigener Initiative ihre Betriebe wiederaufgebaut haben und dabei zum Teil in erhebliche Schulden geraten sind.
Es ist auch ein Irrtum, zu glauben, daß die Dieselverbilligung dem Kleinen nicht zugute kommt. Es steht doch fest, daß der Trecker heute jede Betriebsgröße überrannt hat und daß er den Betriebswirtschaftlern dabei, ich möchte sagen, ein Schnippchen geschlagen hat: denn er hat sich nicht an die betriebswirtschaftlichen Theorien gehalten, die wir auf den Universitäten mitbekommen haben. Ich bin der Auffassung. daß nach Verbilligung des Dieselzolls der Trecker noch weiter in die Kleinbetriebe eindringen wird, so daß wir im nächsten Jahr wahrscheinlich 500 000 Schlepper in der Landwirtschaft haben werden.
Es ist wiederholt angesprochen worden, daß die Milch in den kleinbäuerlichen Betrieben ein ent-
scheidender Faktor ist. Das stimmt. Man muß nämlich wissen, daß im Bundesgebiet nicht weniger als 85 % aller milchgebenden Kühe in Betrieben mit sechs und weniger Kühen stehen. Daß hier nicht alle Maßnahmen gleichzeitig in Angriff genommen werden können, ist eine Selbstverständlichkeit; aber man muß sie im Auge behalten. Im übrigen werden j a die Mittel für die Tbc-Bekämpfung erhöht. Auch diese Mittel gehen gerade in den kleinbäuerlichen Raum. Es war für mich überraschend, in den letzten Jahren zu erleben, daß ganze Dörfer tbc-frei geworden sind, die keine rein bäuerlichen Dörfer, sondern Arbeiter-BauernDörfer mit kleinen und kleinsten Verhältnissen sind.
Ein Wort noch zur Flurbereinigung. Ich wäre glücklich, wenn die von Herrn Kollegen Elsner aufgestellte Theorie: in diesem Jahre soundso viel Millionen mehr für die Flurbereinigung, analog im nächsten Jahr 200 000 ha umgelegter Fläche mehr, richtig wäre. Leider ist das nicht nur ein finanzielles, sondern auch ein technisches und ein menschliches Problem. Unsere Landrats- und Kulturämter leiden außerordentlich stark unter Personalmangel, und bei dem jetzigen Personalbestand der Kulturämter ist es beim besten Willen nicht möglich, das zu schaffen.
In diesem Zusammenhang sei nur erwähnt, daß ich es nicht verstehe, wenn sich einzelne Länder dagegen sperren, junge Diplomlandwirte bei der Flurbereinigung zu verwenden. Nach meiner Auffassung ist die Flurbereinigung vor allen Dingen ein betriebswirtschaftliches und erst in zweiter Linie ein vermessungstechnisches Problem.
Sie, Herr Kollege Kriedemann, waren der Auffassung, daß für die Gemeinschaftsmaschinen, Gemeinschaftshäuser usw. etwas wenig eingesetzt worden ist. Ich gehöre nicht zu jenen, die das Gemeinschaftshaus als technische Einrichtung in begrenztem Umfang ablehnen. Ich meine aber, daß man Mittel und Wege finden müßte, die Bäuerin im eigenen Betrieb zu entlasten; und das geht vor allen Dingen in den Räumen mit großer Streusiedlung nicht allein über das Gemeinschaftshaus. Den Kleinen müßte also über den Weg von Subventionen bei der Anschaffung einer Melkmaschine, einer Waschmaschine und anderer Geräte, die die Arbeit im Hof — im Kleinbetrieb macht sie bis 80 % aus — erleichtern, geholfen werden. Man müßte hier auch vor allem einmal den jungen Bauern ansprechen und ihm sagen, daß die Melkmaschine im bäuerlichen Bereich wichtiger ist als das Motorrad. Es darf auch darauf hingewiesen werden, daß an dieser Maschine bisher noch weniger Menschen verunglückt sind als mit dem Motorrad.
Im großen und ganzen darf man sagen, daß der sorgfältig ausgearbeitete Grüne Bericht und die Maßnahmen, die nicht einzeln nebeneinander stehen, sondern sehr geschickt im Zusammenhang aufeinander abgestimmt sind, zum Teil wie ein Maßanzug auf den kleinbäuerlichen Betrieb passen. Heute morgen ist wiederholt gesagt worden: Es ist ein Anfang. Ich möchte sagen, es ist ein guter Anfang. Es ist die erste Ernte, die wir von diesem erst sehr jungen Landwirtschaftsgesetz in unsere
Scheunen fahren; es wird aber bestimmt nicht die letzte sein.