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ID0213104100

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    2. Deutscher Bundestag — 131. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. Februar 1956 6779 131. Sitzung Bonn, Freitag, den 24. Februar 1956 Ergänzung der Tagesordnung 6779 D Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag des Abg. Unertl u. Gen. betr. Hilfe für die Hochwassergeschädigten in Vilshofen (Drucksachen 2124, 2091) 6779 D Ritzel (SPD) : als Berichterstatter 6779 D als Abgeordneter 6781 C Lermer (CDU/CSU) 6780 C Prennel (SPD) 6780 D Arndgen (CDU/CSU) 6781 B Dr. Vogel (CDU/CSU) 6781 D Vizepräsident Dr. Schmid 6782 A Schoettle (SPD) 6782 B Beschlußfassung 6782 B Nachruf für den Vorsitzenden der Industriegewerkschaft Bergbau Heinrich Imig: . 6792 B Vizepräsident Dr. Schmid 6792 B Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksache 2100, Entschließungsantrag Umdruck 522) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Hilfsmaßnahmen für die Landwirtschaft (Drucksache 1848) und mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Vorlage des Entwurfs eines Hilfsgesetzes für die deutsche Landwirtschaft (Drucksache 2058) 6782 C Fassbender (DP), Antragsteller . 6782 D Kriedemann (SPD) 6784 B Lücker (München) (CDU/CSU) 6792 C, 6795 C Mauk (FDP) 6799 B, C Präsident D. Dr. Gerstenmaier . . . 6799 B Dr. h. c. Lübke, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 6802 B Struve (CDU/CSU) 6805 D Elsner (GB/BHE) 6807 D Müller (Wehdel) (DP) 6810 B Richarts (CDU/CSU) 6811 A Dr. Baade (SPD) 6812 C Bauknecht (CDU/CSU) 6813 B Beschlußfassung über den Entschließungsantrag Umdruck 522 6814 C Überweisung des Antrags Drucksache 1848 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen . 6814 D Überweisung des Antrags Drucksache 2058 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und an den. Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen 6814 D Nächste Sitzung 6815 C Anlage 1: Liste der beurlaubten Abgeordneten 6815 A Anlage 2: Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zum Bericht der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft (Umdruck 522 [berichtigt]) . . 6815 D Die Sitzung wird um 9 Uhr 2 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten a) Beurlaubungen Abgeordnete beurlaubt bis einschließlich Peters 15. 7. Dr. Starke 30. 4. Lulay 7. 4. Dr. Kopf 31. 3. Gedat 24. 3. Ladebeck 10. 3. Dr. Orth 10. 3. Dr. von Merkatz 10. 3. Scheppmann 10. 3. Held 5. 3. Moll 4. 3. Frau Beyer (Frankfurt) 3. 3. Böhm (Düsseldorf) 3. 3. Eberhard 3. 3. Graaff (Elze) 3. 3. Dr. Hammer 3. 3. Stahl 3. 3. Mensing 1. 3. Meitmann 29. 2. Dr. Eckhardt 25. 2. Glüsing 25. 2. Krammig 25. 2. Mellies 25. 2. Dr. Pohle (Düsseldorf) 25. 2. Schmidt (Hamburg) 25. 2. Srock 25. 2. Dr. Atzenroth 24. 2. Bender 24. 2. Fürst von Bismarck 24. 2. Blachstein 24. 2. Dr. Blank (Oberhausen) 24. 2. Brandt (Berlin) 24. 2. Even 24. 2. Feldmann 24. 2. Dr. Friedensburg 24. 2. Ehren 24. 2. Hahn 24. 2. Hilbert 24. 2. Dr. Horlacher 24. 2. Frau Kipp-Kaule 24. 2. Dr. Kreyssig 24. 2. Kunz (Schwalbach) 24. 2. Lenz (Trossingen) 24. 2. Horn 24. 2. Jaksch 24. 2. Dr. Jentzsch 24. 2. Dr. Löhr 24. 2. Dr. Maier (Stuttgart) 24. 2. Dr. Mocker 24. 2. Morgenthaler 24. 2. Müller-Hermann 24. 2. Neuburger 24. 2. Dr. Preller 24. 2. Dr. Dr. h. c. Pünder 24. 2. Solke 24. 2. Stücklen 24. 2. Thieme 24. 2. Dr. Werber 24. 2. Wiedeck 24. 2. Dr. Will 24. 2. b) Urlaubsanträge Abgeordnete bis einschließlich Hörauf 17. 3. Albers 15. 3. Anlage 2 Umdruck 522 (berichtigt) (Vgl. S. 6791 D, 6812 C, 6814 C) Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 2100, zu 2100). Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag hat mit Befriedigung den Bericht der Bundesregierung zur Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes zur Kenntnis genommen und stimmt den vorgeschlagenen Maßnahmen im Grundsatz zu. Er erwartet, daß sie umgehend verwirklicht werden, und fordert die Bundesregierung auf, den Nachtragshaushalt hierfür und die notwendigen Gesetzesvorlagen sofort vorzulegen bzw. notwendige Rechtsverordnungen zu erlassen. Bonn, den 23. Februar 1956 Dr. Krone und Fraktion
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    Rede von Hans Richarts


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es entspricht wahrscheinlich der angeborenen Bescheidenheit der Kleinbauern, daß diese sich erst so spät zum Wort melden. Im übrigen darf man mit Freude registrieren, daß das Problem des Kleinbauerntums bei den heutigen Diskussionen von allen Rednern dieses Hauses wohlwollend behandelt worden ist.
    Ich lege keinen Wert darauf, hier eine klare Definition darüber zu geben, wo das Kleinbauerntum beginnt und wo es aufhört. Ich möchte aber feststellen, daß von den rund 2 Millionen landwirtschaftlichen Betrieben, die wir haben, mindestens 1 Million in diese Rubrik hineingehören. Hierunter fallen insbesondere jene Betriebe, die heute bisher nicht angesprochen worden sind: die Winzerbetriebe, wo auf 60 000 ha Weinbaufläche nicht weniger als 120 000 Familien ihr Brot verdienen. Dazu gehören jene Betriebe, die über den Weg der Veredelungskultur — Obst, Gemüse, Tabak, Hopfen usw. —, über diesen Nebenerwerb ihren Betrieb komplementieren und zu einer Existenzbasis für ihre Familie machen. Das sind auch jene Betriebe, die bisher umsatzsteuermäßig erfaßt sind, und in diesem Bereich liegen jene 150 000 Betriebe, die jetzt auch von der Umsatzsteuersenkung betroffen werden, und zwar in der Betriebsgrößenklasse unter 5 ha. Es ist irrig, anzunehmen, daß die Befreiung von der Umsatzsteuer lediglich eine Maßnahme für die Großbetriebe sei. Ich habe in Kreisen mit durchschnittlichen Betriebsgrößen von 4 bis 5 ha feststellen lassen, daß dort 1500 Klein- und Kleinstbetriebe Umsatzsteuer zahlen. Zweifellos sind es kleine Beträge, die dort abgeführt werden. Aber wenn man daran denkt, daß auch bei den Rentenaufbesserungen vielfach nur kleine und kleinste Beträge gegeben worden sind, so muß man auch hier daran denken, daß die wenigen Mark, die in diesen Betrieben gespart werden, dort sehr gut gebraucht werden.
    Das gleiche gilt für die Verbilligung der Handelsdüngemittel. Ich glaube nicht, Herr Kollege Kriedemann, daß es möglich ist, hier zwischen Betriebsgrößen und auch Betriebstypen zu differenzieren.

    (Abg. Kriedemann: Darüber reden wir noch einmal im Interesse der Kleinbauern!)

    — Ja, sehr gern. Ich habe selber in meiner Praxis als Berater wiederholt solche Saatgut- und Düngemittelaktionen mit bestem Erfolg durchgeführt, und die Erinnerung an diesen Erfolg steht heute noch in den Räumen, in denen sie durchgeführt worden sind. In dem Moment, wo man beginnt, zu differenzieren, weiß ich selbst nicht, wo man hier die Grenze ziehen soll. Ich kann Ihnen jedenfalls sagen: ich möchte nicht als Wirtschaftsberater dem einen sagen: „Du bekommst etwas!" und dem anderen: „Du bekommst nichts!"

    (Zustimmung bei der CDU/CSU.)

    Ich muß weiter sagen, daß darüber hinaus auch der Friede im Dorf etwas wert ist. Und letzten
    Endes würde man, wollte man hier differenzieren, jenen bestrafen, der bisher sehr tief in den Düngersack hineingegriffen und seinen Betrieb, vielleicht bei hohen Schulden, zu einem Beispielbetrieb ausgebaut hat.

    (Abg. Kriedemann: Aber lesen Sie sich mal den Bericht in Ruhe durch!)

    — Über diese Fragen wollen wir uns später einmal ganz klar unterhalten.
    Einen Hinweis darf ich noch geben. Es besteht vielfach die Auffassung, es bestehe im Düngemittelverbrauch je Hektar ein Unterschied zwischen Groß- und Kleinbetrieben. Es ist in jüngster Zeit an der Bonner Universität eine Doktorarbeit erstellt worden, aus der klar hervorgeht, daß es eine Relation zwischen Betriebsgröße und Düngemittel- und Nährstoffverbrauch je Hektar nicht gibt, das heißt also mit anderen Worten, daß es düngemittelintensive Klein- und Großbetriebe gibt genau so wie düngemittelextensive Klein- und Großbetriebe. Ich glaube auch nicht, daß der kleine Bauer neidisch auf den großen blickt. Es ist überhaupt ungut, hier immer wieder von „klein" und „groß" zu reden.

    (Zuruf des Abg. Kriedemann.)

    — Herr Kollege Kriedemann, ich darf Ihnen dazu noch folgendes sagen. Längst bevor der Grüne Bericht in Konturen sichtbar war, habe ich in der Praxis, bei Bauern und bei Leuten aus der Wirtschaftsberatung, herumgehört. Es war interessant für mich, daß sowohl Leute aus der Wirtschaftsberatung wie auch die Bauern selbst mir gesagt haben: Nun sorgen Sie bitte dafür, daß zunächst einmal die Düngemittel billiger werden. Ich hätte es allerdings sehr begrüßt, wenn statt der 3 Millionen DM, die zur Verbilligung des Saatgutes gegeben werden, ein größerer Betrag angesetzt worden wäre, weil erst die Kombination von Düngung und Saatgut zum richtigen Ertrag führt; denn das gesunde Saatgut ist letzten Endes das Fundament für die zweckmäßige und sachgemäße Düngung. Vielleicht ist es möglich, das noch zu korrigieren. Wir sind bei weitem noch nicht am Ende, sondern es ist ja erst der erste Schritt, so daß es später vielleicht einmal möglich ist.
    Auch die Mittel, die zur Schuldenkonversion gegeben werden, gehen in den kleinbäuerlichen Bereich. Das gilt vor allen Dingen für jene Betriebe an den Grenzen, die total zerstört waren und nicht warten konnten, bis Land oder Bund ihnen Mittel für den Wiederaufbau zur Verfügung stellten, sondern die aus eigener Initiative ihre Betriebe wiederaufgebaut haben und dabei zum Teil in erhebliche Schulden geraten sind.
    Es ist auch ein Irrtum, zu glauben, daß die Dieselverbilligung dem Kleinen nicht zugute kommt. Es steht doch fest, daß der Trecker heute jede Betriebsgröße überrannt hat und daß er den Betriebswirtschaftlern dabei, ich möchte sagen, ein Schnippchen geschlagen hat: denn er hat sich nicht an die betriebswirtschaftlichen Theorien gehalten, die wir auf den Universitäten mitbekommen haben. Ich bin der Auffassung. daß nach Verbilligung des Dieselzolls der Trecker noch weiter in die Kleinbetriebe eindringen wird, so daß wir im nächsten Jahr wahrscheinlich 500 000 Schlepper in der Landwirtschaft haben werden.
    Es ist wiederholt angesprochen worden, daß die Milch in den kleinbäuerlichen Betrieben ein ent-


    (Richarts)

    scheidender Faktor ist. Das stimmt. Man muß nämlich wissen, daß im Bundesgebiet nicht weniger als 85 % aller milchgebenden Kühe in Betrieben mit sechs und weniger Kühen stehen. Daß hier nicht alle Maßnahmen gleichzeitig in Angriff genommen werden können, ist eine Selbstverständlichkeit; aber man muß sie im Auge behalten. Im übrigen werden j a die Mittel für die Tbc-Bekämpfung erhöht. Auch diese Mittel gehen gerade in den kleinbäuerlichen Raum. Es war für mich überraschend, in den letzten Jahren zu erleben, daß ganze Dörfer tbc-frei geworden sind, die keine rein bäuerlichen Dörfer, sondern Arbeiter-BauernDörfer mit kleinen und kleinsten Verhältnissen sind.
    Ein Wort noch zur Flurbereinigung. Ich wäre glücklich, wenn die von Herrn Kollegen Elsner aufgestellte Theorie: in diesem Jahre soundso viel Millionen mehr für die Flurbereinigung, analog im nächsten Jahr 200 000 ha umgelegter Fläche mehr, richtig wäre. Leider ist das nicht nur ein finanzielles, sondern auch ein technisches und ein menschliches Problem. Unsere Landrats- und Kulturämter leiden außerordentlich stark unter Personalmangel, und bei dem jetzigen Personalbestand der Kulturämter ist es beim besten Willen nicht möglich, das zu schaffen.

    (Alterspräsidentin Frau Dr. Dr. h. c. Lüders übernimmt den Vorsitz.)

    In diesem Zusammenhang sei nur erwähnt, daß ich es nicht verstehe, wenn sich einzelne Länder dagegen sperren, junge Diplomlandwirte bei der Flurbereinigung zu verwenden. Nach meiner Auffassung ist die Flurbereinigung vor allen Dingen ein betriebswirtschaftliches und erst in zweiter Linie ein vermessungstechnisches Problem.
    Sie, Herr Kollege Kriedemann, waren der Auffassung, daß für die Gemeinschaftsmaschinen, Gemeinschaftshäuser usw. etwas wenig eingesetzt worden ist. Ich gehöre nicht zu jenen, die das Gemeinschaftshaus als technische Einrichtung in begrenztem Umfang ablehnen. Ich meine aber, daß man Mittel und Wege finden müßte, die Bäuerin im eigenen Betrieb zu entlasten; und das geht vor allen Dingen in den Räumen mit großer Streusiedlung nicht allein über das Gemeinschaftshaus. Den Kleinen müßte also über den Weg von Subventionen bei der Anschaffung einer Melkmaschine, einer Waschmaschine und anderer Geräte, die die Arbeit im Hof — im Kleinbetrieb macht sie bis 80 % aus — erleichtern, geholfen werden. Man müßte hier auch vor allem einmal den jungen Bauern ansprechen und ihm sagen, daß die Melkmaschine im bäuerlichen Bereich wichtiger ist als das Motorrad. Es darf auch darauf hingewiesen werden, daß an dieser Maschine bisher noch weniger Menschen verunglückt sind als mit dem Motorrad.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

    Im großen und ganzen darf man sagen, daß der sorgfältig ausgearbeitete Grüne Bericht und die Maßnahmen, die nicht einzeln nebeneinander stehen, sondern sehr geschickt im Zusammenhang aufeinander abgestimmt sind, zum Teil wie ein Maßanzug auf den kleinbäuerlichen Betrieb passen. Heute morgen ist wiederholt gesagt worden: Es ist ein Anfang. Ich möchte sagen, es ist ein guter Anfang. Es ist die erste Ernte, die wir von diesem erst sehr jungen Landwirtschaftsgesetz in unsere
    Scheunen fahren; es wird aber bestimmt nicht die letzte sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)



Rede von Dr. Marie-Elisabeth Lüders
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Baade.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Fritz Baade


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte ein paar Worte über den Entschließungsantrag*) sagen, der von der CDU/ CSU-Fraktion eingereicht worden ist, wobei ich wohl unterstellen darf, daß der Ergänzungsantrag, den mein Freund Kriedemann in seiner Rede gestellt hat, nämlich die Worte „im Grundsatz" einzufügen, auch von Ihnen angenommen wird. Aber dann liest sich dieser Antrag eigentlich so merkwürdig, daß ich das Bedürfnis habe, einmal darauf hinzuweisen, daß wir nicht nur an einem Wendepunkt der deutschen Agrarpolitik stehen, sondern daß wir eine ungewöhnliche Feierstunde der deutschen Agrarpolitik erleben dürfen. Es heißt:
    Der Bundestag hat mit Befriedigung den Bericht der Bundesregierung zur Lage der Landwirtschaft . . . zur Kenntnis genommen und stimmt den vorgeschlagenen Maßnahmen im Grundsatz zu. . . .
    Dieser Antrag wird jetzt in wenigen Minuten, wie ich annehmen möchte, einstimmig von diesem Hause verabschiedet werden. Ja, meine Damen und Herren, wo ist dann das Requisit, das wir seit einiger Zeit als einen ziemlich unentbehrlichen Bestandteil der deutschen Politik betrachten, wo ist denn eigentlich der „Graben" geblieben? Wir waren doch gewohnt, die Agrarpolitik so anzusehen, daß es irgendwo quer durch die Agrarpolitik einen Graben gibt. Rechts vom Graben gibt es rechte Agrarpolitik, links vom Graben gibt es linke Agrarpolitik. Die Leute, die rechts vom Graben stehen, machen Erzeugerpolitik; die Leute, die links vom Graben stehen, machen Verbraucherpolitik. Ich finde mich in der Welt gar nicht mehr zurecht.

    (Heiterkeit und Zurufe.)

    Ich habe noch dem alten Reichstag angehört, wo dieser Graben mitten durch die Zentrumsfraktion hindurchging, wo die Sozialdemokraten mit dem linken Flügel des Zentrums sogenannte Verbraucherpolitik machten und die Rechte mit dem rechten Flügel des Zentrums das machte, was sie für Erzeugerpolitik hielt. Wir haben das im alten Reichstag dann sehr geändert und haben als Sozialdemokraten mit dem gesamten Zentrum zusammen in der Zeit der großen Krisis die sachlich notwendige Agrarpolitik gemacht. Die Deutschnationalen haben sich damals gespalten. Der SchieleFlügel ist zu Brüning gegangen und der Hugenberg-Flügel zu Hitler. Der Graben ging im alten Reichstag dann zwischen Schiele und Hugenberg. Wenn ich mich nun hier in diesem Hause umsehe, finde ich überhaupt keinen Graben mehr.

    (Heiterkeit.)

    — Ja, deswegen sage ich es ja, und deswegen möchte ich mit Ihnen doch ein paar Minuten eine Feierstunde abhalten.

    (Abg. Schröter [Wilmersdorf] : Aber der Bundeskanzler ist nicht da!)

    In der vorigen Sitzung hätte ich beinahe noch die
    Vermutung gehabt, daß wenigstens ein Mitglied
    *) Siehe Anlage 2.


    (Dr. Baade)

    des Hauses, nämlich der Kollege Mauk, auf der andern Seite des Grabens stehen würde;

    (Heiterkeit)

    denn er hat den Bundesernährungsminister ermahnt, er möge die weit verbreitete Meinung widerlegen, er sei nur Ernährungsminister, aber nicht Landwirtschaftsminister. Als ich ihm dann den Zwischenruf machte, er müsse doch wissen, daß Herr Lübke der beste Landwirtschaftsminister sei, den wir seit langem in Deutschland gehabt hätten, hat er mir geantwortet: „Herr Professor Baade, ein nicht unerheblicher Teil der landwirtschaftlichen Bevölkerung ist anderer Meinung." In den sieben Monaten, die inzwischen vergangen sind, scheint der Herr Kollege Mauk doch sehr viel gelernt zu haben.
    Wir haben also auf dem Gebiet der Agrarpolitik ein grabenloses Haus. Wenn irgend jemand in diesem Hause noch der Meinung sein sollte, er stünde rechts dieses Grabens, dann bitte ich ihn, sich zu melden.

    (Zuruf von der Mitte: Sich vom Platze zu erheben! — Heiterkeit.)

    Aber auch wenn ich mir die Verwaltung ansehe, finde ich den Graben nicht mehr. Es hat einmal Vermutungen gegeben, daß der Herr Minister auf der einen Seite dieses Grabens und der Herr Staatssekretär auf der andern Seite dieses Grabens stehe.

    (Heiterkeit.)

    Aber auch davon ist nicht mehr die Rede.
    Nun lassen Sie mich nach diesen scherzhaften Dingen etwas Ernstes sagen. Es gibt diesen Graben noch. Aber er läuft weit rechts vom Staatssekretär unseres Ministeriums. Es ist nicht mehr der Graben zwischen Verbraucherpolitik und Erzeugerpolitik; denn wir wissen alle, es gibt nur eine gute Verbraucherpolitik, und die ist die beste Erzeugerpolitik, und es gibt nur eine gute Erzeugerpolitik, und die ist die beste Verbraucherpolitik.

    (Allseitiger Beifall.)

    Es gibt keinen Graben mehr zwischen rechter und linker Agrarpolitik, es gibt nur noch einen Graben in Deutschland, und der verläuft zwischen verantwortungsvoller Agrarpolitik und verantwortungsloser Agrarpolitik.

    (Beifall auf allen Seiten des Hauses.)

    Das hier einmal klarzumachen, war mir ein Herzensbedürfnis.